Künstliche Intelligenzen - auch für Mediation, Coaching und Beratung?
INKOVEMA-Roundup 2024 (# 09)
2024 drehte sich viel um die Künstlichen Intelligenzen, die mit ChatGPT auf den Smartphones zu sprechen begannen und die Ära der KI-Agenten einläuten. Deshalb dreht sich die Frage in unserem jährlichen Roundup-Post genau darum: Worum geht es jetzt für Berater*innen, Coaches und Mediator*innen? Was steht an? Was muss warten, damit diese Entwicklung nicht übermächtig, sondern gestaltbar erlebt wird.
Maßgebend waren zwei Überlegungen:
- So wie KI-Applikationen die Therapie und Beratung ergänzen und erweitern, so werden auch KI-Anwendungen für die Mediation real werden. Schaut Euch www.themediator.ai an!
- Und zweitens spukt die Frage seit 10 Jahren herum, ob auch Mediator*innen ersetzt werden können und KI-Maschinen den Mediatormenschen die Arbeit wegnehmen würden. Dabei ist viel wahrscheinlicher, dass KI-Applikationen, die den Mediator*innen die Arbeit wegnehmen könnten, viel eher(!) und häufiger(!) auch Konfliktpartei werden würden; sie würden auch die Konfliktpartner verdrängen und an deren Stelle Streit, Unzufriedenheit und Frust verursachen. Und wer weiß heute schon, wie man eine sprechende KI mit einem Menschen im Konflikt vermittelt? Oder gar mit einer anderen sprechenden Maschine? Aber eine Aufgabe wird das mit Sicherheit werden! Fraglich ist nur, ob für Mediator*innen?
Also – deshalb haben wir dieses Mal folgende Frage unsern Kolleg*innen, Geschäftspartner*innen und Fachexpert*innen vorgelegt:
Die KI-Entwicklungen (ChatGPT & Co.) sowie die Mediations- und Coaching-Branche in den Blick nehmend: Worauf kommt es Deiner Ansicht nach für Coaches, Berater*innen und Mediator*innen jetzt an?
Lesen Sie im Folgenden Ihre Antworten.
Mögliche Auswirkungen liegen ja auf mehreren Ebenen (die sich freilich nur in der Theorie, aber kaum im konkreten Fall sauber voneinander trennen lassen):
Interesse und Offenheit für KI und Tools: Neue technologische Entwicklungen erfordern zunächst Neugierde, die Bereitschaft zur Auseinandersetzung und letztendlich Akzeptanz. Wie lange haben „wir“ vor der Covid-Pandemie „behauptet“, dass Online eine Mediation oder Mediationsausbildung nicht in gleicher Qualität durchführbar ist?
Am Ball bleiben: Der Fortschritt, d.h. Möglichkeiten und Qualität, entwickeln sich rasant weiter. Meine Momentaufnahme ist bereits mit dem nächsten Update überholt.
Kritische Würdigung: Neues bringt i.d.R. glühende Fans und ablehnende Asketen hervor. Bei KI stellt sich nicht die Frage, ob wir es brauchen, sondern wie gehen wir mit der zunehmenden Integration in den privaten, öffentlichen und geschäftlichen Alltag um. Dabei wollen auch die Nachteile bedacht werden: KI-generierter Content ist häufig bzw. schon bald nicht mehr als solcher zu erkennen. Vor allem aber nicht die Absicht, mit der der Content erstellt wurde. Manipulation und Fake News werden „professionalisiert“ und breit zugänglich.
Meine größte Sorge für Mediationen und Coachings: Die Fähigkeit, Inhalte und Quellen zu hinterfragen hat bereits bei Social Media-Dauerkonsumenten nach meiner Interpretation abgenommen. Die WAHRnehmung verändert sich deutlich. Der Dialog bei unterschiedlichen Sichtweisen wird erschwert, bereits die Bereitschaft zur Auseinandersetzung nimmt ab. Verlieren wir als Gesellschaft die Fähigkeit zum kritischen Denken und Hinterfragen? Wie gelingt dann noch der Perspektivwechsel?
Als Coach müssen wir uns mit KI beschäftigen, auch wenn wir das alles skeptisch sehen oder kaum verstehen. Denn zu mindestens für unsere Klienten ist es ein wichtiges Thema, und zu unserer Professionalität gehörtes, da mitreden zu können.
Prognosen zu diesem Thema, die über einen sehr kurzfristigen Trend hinausgehen, sind auch von Experten reine Spekulation. Denn die weitere Entwicklung hängt von nicht prognostizierbaren Wechselwirkungen zwischen Entwicklern, Anwendern, Anbietern, Gesetzgebern und Verbänden ab, die alle als lebende Systeme überraschende Neueinschätzung bei Bekanntwerden von neuen Fakten vornehmen können. Das wirkt sich dann auf die tatsächlichen Verläufe vermutlich recht überraschend aus.
Mit KI, und mit anderen Imponderabilien wie Kriege, Wahlen, Konjunktur-Risiken, usw. ist ein völlig ungewohntes Ausmaß an Unsicherheit entstanden. Auch die bisherigen Anhänger von Trendforschung, bzw. prinzipieller Zukunfts-Berechenbarkeit, sehen dieses Weltbild zunehmend als schöne Illusion.
Da diese – neue – Unsicherheit nicht nur auf hoher globaler Ebene auftritt, sondern auch recht konkret für Spezialisten und Führungskräfte im Organisationsalltag, wird sie zunehmend Thema in Coachings und Beratungen.
Für Coaches und Berater heißt das zunächst, ihr eigenes Weltbild zu überprüfen, und ihre eigenen Strategien anzusehen mit denen sie bei hoher Unsicherheit agieren. Gibt es da Ressourcen bei der Theorie komplexer / lebender Systeme? Bei Menschen, die viele Krisen überstanden haben? In den Erkenntnissen zu Resilienz, oder in bestimmten Formen von Spiritualität?
Gut wäre es also, wenn wir als Coaches oder Berater unseren Klienten seriöse Modelle zum Umgang mit der in Komplexität unvermeidlichen Unsicherheit – etwa Cynefin – erklären könnten. Und bei den personalen Unsicherheits-Themen unserer Klienten, die vielleicht bei hoher Unsicherheit plötzlich auftauchen, als reifes Gegenüber hilfreich sein könnten. Konjunkturabstürzen usw. ist ein völlig ungewohntes Ausmaß an Unsicherheit entstanden. Auch die bisherigen Anhänger von Trendforschung bzw. prinzipieller Zukunfts-Berechenbarkeit, sehen ihr Weltbild zunehmend als Illusion.
Bis vor Kurzem konnte man noch glauben, eine Maschine ersetze niemals auch in unserer Branche den Menschen.
Dennoch, der aktuelle Wissensstand ist ganz anders:
– Wir sind nicht so empathisch wie eine KI,
– Wir sind nicht so präzise,
– Wir haben viel mehr Biases,Und gleichwohl gilt: Wir sind und waren – auch ohne Maschine – wirkungsvoll. Das Thema scheint also noch etwas komplexer zu sein.
Ich glaube, wovor sich einige Menschen bei einer KI, die plötzlich auch die „soften“ Kommunikationsdinge besser kann, fürchten, ist, dass wir in letzter Konsequenz eine sehr unangenehme Frage werden beantworten müssen, nämlich: Was macht uns als Menschen aus?
Was macht uns Mediator*innen aus? Was wird oder doch könnte den Kern unserer Leistung ausmachen, selbst wenn Menschen sich auch von einer Maschine unterstützen lassen könnte?
Diese Frage gilt es zu beantworten.
3. Klaus Eidenschink
München
Organisationsberater, Coachingausbilder, Exekutive-Coach
Website: www.metatheorie-der-veraenderung.info
Wenn KI die Sachen besser machen kann, bei denen es nicht darauf ankommt, dass man Mensch ist, findet sich eine einfache Schlussfolgerung in Bezug auf KI: Es kommt darauf an, dass Coaches, Berater*innen und Mediator*innen, erstens das besonders ausgeprägt tun, was nur Menschen tun können und zweitens in ihren Interventionen aufhören, triviale und und unterkomplexe Interventionsspendeautomaten zu sein. Letzteres kann eine KI nämlich bald deutlich besser. Das ist der Grund, warum es erste Studien gibt, dass KI-Therapeuten in ihren Wirkungen mit Verhaltenstherapeuten mithalten können.
Der Mensch teilt sich nicht nur über Sprache mit, sondern auch mit Hilfe seines Körpers. Er erregt und erzeugt Resonanzen beim Gegenüber, bevor auch nur ein Wort gesprochen wurde. Darum braucht man für Beratung, einen Leib, der Atmosphären aufnimmt und verbreitet. Das kann KI nicht. Sie behandelt gleiche Probleme gleich. Menschen behandeln gleiche Probleme verschieden.
Eine KI sind auf Zielsetzungen angewiesen, um sich zu orientieren. Viele Beratungsanliegen brauchen jedoch Absichtslosigkeit im Gegenüber, weil sonst Symbiosen entstehen, in denen der Klient den Coach mit dem versorgt, was dieser als Erfolg wertet. Klienten wollen gute Klienten sein. Eine KI erkennt dies nicht und fällt daher auf alle Klienten herein, die in der Beratung versuchen, gute Klienten zu sein. Also eigentlich fast alle. Denn – die wichtigsten Themen gründen in Klienten so gut wie immer in einem „Lieferzwang“, den sie in Beziehungen ausleben müssen. Neues kann nicht im alten Beziehungsmuster entstehen.
Ein Kontaktangebot des Nichtswollens, der Absichtslosigkeit, des Raumöffnens und dann gezielt schauen, was es an Ungelebten und an Möglichkeiten im Klienten gibt, wird in Zukunft besonders wichtig werden. Optimierungen des Bestehenden kann KI besser. Jedoch eine Verwurzelung in der Tiefe der eigenen Wahrnehmungsmpulse zu finden – das kann KI nicht unterstützen, da es selbst keine leibliche-emotionale Wahrnehmungsbasis hat. Ohne selbst zu fühlen, kann man keine Beziehungen schaffen, in der andere, neue Gefühle entstehen.
Also worauf kommt es an? Dass man selbst ein wahrnehmender, unabhängiger, absichtslos liebender Mensch wird. Das ist eine durchaus anspruchsvolle Aufgabe für alle, die sich professionell im Beraterfeld bewegen.
4. Robert Erkan
Hanau
Mediator (BM), Systemischer Business-Coach (ILP®), Kommunikationstrainer
Website: www.erkan-communication.de
„Ich sehe KI längst eine potenzielle Rolle in der Mediation, wobei die Bedeutung menschlicher Interaktion und die Grenzen der KI bestehen bleiben. KI könnte unterstützend wirken, darf und wird die menschliche Komponente nicht ersetzen, sondern höchstens ergänzen – auch aus ethischen Gesichtspunkten. Dies gilt es zunächst als Grundannahme anzuerkennen.
Hinsichtlich der emotionalen und ethischen Aspekte und der Fähigkeit von KI ist die wohl wichtigste Hürde die Vertraulichkeit der gewonnenen Informationen und Daten, die nicht abschließend gewährleistet ist – eine Grundbedingung für Offenheit in einem Klärungsprozess, die dringend zu beachten ist.
In Bezug auf die Vertraulichkeit sehe ich die Notwendigkeit, dass KI glaubhaft und vertrauensvoll organisiert sein muss, was ich derzeit jedoch so nicht sehe.
Die schnelle Entwicklung der Technologie und deren Einfluss auf die Mediationspraxis – insbesondere wie die Pandemie als Katalysator für technische Veränderungen fungiert hat – hat der Mediation durchaus gedient. Die Pandemie hat als „Booster“ für technische Veränderungen in der Mediation gewirkt, so meine Beobachtung.
Präsenzformen waren nicht mehr möglich, und neue virtuelle Begegnungsformen sind nicht nur entstanden, sondern haben ein gewisses Etablierungsniveau auch der Akzeptanz erreicht.
Interessant bleibt der experimentelle Einsatz und ausprobieren von KI, wie etwa beim Schreiben und Umformulieren von Texten. Ich sehe darin eine Möglichkeit, die Quelle des Gesagten in allgemeingültigere Aussagen zu überführen.
Gut durchdachte Prompts auf solider Datenbasis können schnell bei komplexen Fragestellungen unterstützen. Meine urheberrechtlichen Bedenken beim Einsatz von KI hinsichtlich Aussagen oder Inhalten lassen mich jedoch unwohl fühlen. Liegt eine Erlaubnis zur Verwendung der Daten durch die KI vor, sind sie legitim. Jedoch verbleibt die Frage der Echtheit (Stichwort Fakenews) – alles ungelöste Fragen, wir nicht unkritisch bleiben sollten.
Es könnte dennoch Anwendungen geben: KI kann in der Vorklärung und Auftragsklärung nutzbar werden, um Fälle zu analysieren und Wahrscheinlichkeiten für günstige Verfahren oder Interventionen zu prognostizieren. KI könnte ein wirksames Werkzeug zur Reflexion nach Mediationen für Mediatorinnen und Mediatoren sein.
Angelehnt an das Zitat von Alfred Korzybski: „Die Landkarte ist nicht die Landschaft, aber wenn die Landkarte der Struktur der Landschaft ähnlich ist, ist sie brauchbar.“ So ist ein Navigationssystem im Auto, Rad oder zu Fuß, das mich auf einer virtuellen Landkarte zielsicher leiten kann, dabei niemals mit der Landschaft gleichzusetzen, die ich durch meine Blick- und Erfahrungswelt erlebe.
Der Subjekt Mensch bleibt – auch mit KI.“
5. Prof. Dr. Ulla Gläßer, LL.M. (UC Berkeley)
Berlin, Frankfurt/Oder
Lizenzierte Mediatorin und Ausbilderin (BM),
Professur für Mediation, Konfliktmanagement und Verfahrenslehre
Wiss. Leitung Master-Studiengang Mediation und Konfliktmanagement
Website: www.rewi.europa-uni.de/de/professuren/mediation-konfliktmanagement-verfahrenslehre
In der Vorbereitung, dem begleitenden Case Management sowie der Nachbereitung und systematischen Auswertung von Streitbeilegungsverfahren jeglicher Art gibt es fraglos vielfältige, nutzbringende Einsatzmöglichkeiten von Künstlicher Intelligenz (KI).
Auch Assistenz- und Support-Funktionen durch KI in laufenden Verfahren, die von der Recherche von Hintergrundwissen über Analysen der Rechtslage bis zur Generierung von Interventionsideen reichen, sind gut vorstellbar.
Die Frage, ob/inwieweit KI aber auch autonom die Rolle von neutralen Dritten übernehmen und damit menschliche Konfliktbearbeiter:innen ersetzen kann, muss dagegen sehr viel differenzierter diskutiert werden. Dabei sollte im Feld ADR sorgfältig zwischen evaluativen und facilitativen Konfliktbearbeitungsverfahren unterschieden werden. Denn während „KI-(Schieds-)Richter:innen“ oder auch „KI-Schlichter:innen“ vor allem in der Lage sein müssen, korrekt komplexe Sach- und Rechtslagen zu erfassen und daraus prinzipienbasierte Entscheidungen bzw. Entscheidungsvorschläge abzuleiten und zu begründen, ist es die zentrale Aufgabe von (KI-)Mediator:innen, die Konfliktparteien so durch die Phasenstruktur der Mediation und die Konfliktdynamik zu leiten und zu begleiten, dass die Parteien Kooperationsbereitschaft entwickeln und eine selbstbestimmte Lösung erarbeiten können. Dafür sind neben vielfältigen sprachlichen Interventionen auch die Wahrnehmung und stimmige Verarbeitung von Emotionen, Zwischentönen und subtilen non-verbalen Signalen wichtig.
ChatGPT und andere Large Language Models können zwar schon erstaunlich gut passgenau weiterführende Fragen generieren oder stimmige Hypothesen zu Interessen und Bedürfnissen entwickeln, die hinter Partei-Statements liegen können. Die konflikttransformative Wirkung von Mediator:innen findet aber eben auch auf Ebenen statt, die nicht primär sprachlich-explizit sind. Auf diesen Ebenen ist die gleichwertige Ersetzung von menschlicher Präsenz durch KI für mich am schwersten vorstellbar – und auch nicht wünschenswert.
6. Solveig Grundler
Dießen am Ammersee
Mediatorin und Ausbilderin (BM), Konfliktmanagerin
Website: www.agorakomm.de
Auf die Frage, worauf es jetzt also für uns MediatorInnen, Coaches, BeraterInnnen ankommt, ist mein Eindruck:
- auf ein dauerhaft wachsames Auge auf die KI-Entwicklungen (wohin auch immer die führen, Ende eindeutig ungewiß)
- auf die Lust am Ausprobieren (was durchaus Spaß macht, weil es so unglaublich faszinierende Möglichkeiten gibt) und vor allem
- auf die Beschäftigung mit einer sinnvollen KI-Nutzung in Form von klugen, zielführenden Eingaben. Denn wer die Nutzung der KI nicht beherrscht, könnte dem Trugschluss aufsitzen, die KI ist schlecht. Dabei ist das einzig wirklich, richtig Schlechte, was ich von der KI zur Mediation gefunden habe, Mediationswitze. Humor kann die KI – bislang – noch gar nicht. Zum Beweis: „Warum können Mediatoren so gut tanzen? Antwort: Weil Sie immer den richtigen Schritt zur Lösung finden“ – da hilft auch der Lach-Emoji nicht, den Chat-GPT mitliefert.
7. Scott W. Graham
Leipzig
Kommunikationsberater und Business-Coach
Website: Graham’s Communications
KI verspricht, Bereiche wie Coaching, Beratung und Mediation zu verändern. KI ist unbestreitbar hilfreich bei der Datenanalyse, der Mustererkennung und sogar beim Vorschlagen erster Strategien. Aber ihr fehlen die entscheidenden menschlichen Elemente – Einfühlungsvermögen, Intuition und ein differenziertes Verständnis der individuellen Kundenbedürfnisse -, die die Grundlage für effektives Coaching und Mediation bilden und für den Aufbau solider langfristiger Beziehungen notwendig sind. Wir müssen uns also bewusst sein, dass ein übermäßiger Rückgriff auf KI zu allzu allgemeinen Ratschlägen oder Lösungen führen kann, die die Komplexität menschlichen Verhaltens, ethische Überlegungen oder die besonderen Herausforderungen eines Kunden nicht berücksichtigen.Diese Mechanisierung birgt die Gefahr, dass das Wesentliche verloren geht, was Coaching und Mediation so stark macht: die menschliche Verbindung.
8. Solveig Hornung
München
Mediatorin und Ausbilderin BM, Klärungshelferin IfK
Website: www.solveighornung.de
Für uns als Berater*innen wird es in Zukunft darauf ankommen, KI-Kompetenzen sinnvoll in die eigene Praxis einzubinden – ohne die eigene Identität als Coach oder Mediatorin zu verlieren.
Bedenken, dass KI die menschliche Komponente von Beratungen gefährden könnte sind verständlich, denn emotionale Intelligenz, Empathie und der Umgang mit zwischenmenschlichen Dynamiken sind essenzielle Fähigkeiten, die unseren Beruf ausmachen. Das sollten wir immer im Blick behalten – und gleichzeitig das Neue mutig nutzen. Die Corona-Krise hat gezeigt, wie wichtig es ist, sich (gegen anfängliche Vorbehalte) schnell an neue Gegebenheiten (in diesem Fall Online-Plattformen), anzupassen. Wären wir als Branche nicht aufgesprungen auf diesen Zug – wir hätten den Anschluss verpasst.
Angesichts der stetigen Entwicklung von KI und deren zunehmendem Einsatz im Alltag sollten auch wir Beratenden prüfen, wie wir sie nicht nur handhaben lernen, sondern auch von ihr profitieren können. Einerseits durch die Nutzung von Apps wie etwa ChatGPT zur Unterstützung im Arbeitsalltag. Andererseits, um gut vorbereitet zu sein auf die Kundschaft, die sich u.U. mithilfe genau dieser Technologien bereits vorab auf unser Beratungsformat vorbereitet hat.
Meine Prognose: Berater*innen werden lernen, KI als Partner zu betrachten, der es ihnen ermöglicht, sich auf die rein menschlichen Aspekte ihrer Arbeit zu konzentrieren. Ein verantwortungsvoller und differenzierter Umgang mit KI wird womöglich dazu beitragen, den Erfolg in der Branche zu sichern.
9. Michael Lardy
Salzburg
Mediator / Médiateur Franco-Allemand / AI-LLM Research
Website: michaellardy.com
KI ist „gekommen“ um zu bleiben! Dieser Geist ist aus der Flasche und was das für die Zukunft bedeutet, ist noch schwer einschätzbar. Die „KI“ ELIZA in den 60er Jahren wurde in ihren Fähigkeiten maßlos überschätzt, aktuelle KIs werden oft stark unterschätzt. Ich denke, MediatorInnen, BeraterInnen und Coaches sollten diese Entwicklungen nicht ignorieren.
Wichtig ist, sich damit zu beschäftigen, um die Fähigkeiten von KI-Systemen gut beurteilen zu können und um eine kompetente Entscheidung zu treffen, ob und inwieweit Mann/Frau dieses neue Werkzeug nutzen will.
Bei so vielen Veränderungen, die vor der Tür stehen, stellt sich für uns die eigentliche Frage: ‚Was ändert sich eigentlich *nicht*?‘
Für diese Frage ist Jeff Bezos berühmt geworden. Bekanntlich hat er mit Amazon den Buchmarkt ganz schön umgekrempelt. Gleich geblieben ist aber, dass die Menschen Orientierung dabei brauchen, was sie als nächstes lesen könnten. Früher haben sie das ihren Buchhändler gefragt, heute lesen sie die Rezensionen anderer Käufer:innen. Und dabei stellt sich heraus, dass das Thema ‘Vertrauen’ weiterhin die wichtigste Währung ist und bleibt (siehe verifizierte Identität etc.)
Für Mediation sehen wir drei konkrete Handlungsbereiche::
Unser Mediationsangebot,
unser Mediationsmarketing,
der Entscheidungsprozess unserer Kunden.
Beim Angebot bekommt man schon heute recht gute Antworten, wenn man ChatGPT um eine Einschätzung der Situation bittet oder um den Text für eine E-Mail, die man dem Konfliktpartner schreiben könnte. Wir vermuten, dass die Notwendigkeit, beim eigentlichen Klärungsgespräch die zugewandte Unterstützung durch Mediatoren zu bekommen, aber bleiben wird.
Beim Marketing werden sich die Kommunikations-Kanäle vermutlich so sehr verändern, dass unsere Phantasie heute nicht ausreicht, um sich diese Wende vorzustellen. Doch weiterhin müssen wir als Mediator:in empathisch verstanden haben, was die ‚brennende Hütte‘ unserer potentiellen Kund:innen ist und dazu ein passendes Angebot haben.
Und der Entscheidungsprozess des Kunden? Der kommt weiterhin nur dann zustande, wenn es uns gelingt, zueinander ein Vertrauensverhältnis aufzubauen.
„Die Entwicklungen in der KI, vor allem durch Tools wie ChatGPT, bringen für uns als Coaches, Berater:innen und Mediator:innen spannende Chancen – aber auch einige Herausforderungen mit sich. Es wird wichtig sein, diese Technologien so einzusetzen, dass sie unsere Arbeit bereichern, ohne den menschlichen Aspekt zu verlieren. KI kann uns helfen, Prozesse zu beschleunigen und neue Perspektiven zu gewinnen. Letztlich bleibt es aber unsere Aufgabe, den menschlichen Kontakt, Empathie und Vertrauen zu bewahren – Dinge, die Maschinen einfach nicht ersetzen können.
Was uns jedoch auch bewusst sein muss: Klienten werden immer häufiger mit KI-Tools wie ChatGPT in Berührung kommen und diese vielleicht als Ratgeber oder Coach in Anspruch nehmen. Das bedeutet, sie kommen oft besser vorbereitet zu uns, was einerseits die Einstiegshürde für Mediation senkt, andererseits aber auch die Anforderungen an uns als Branche steigen lässt. Wir müssen weiterhin in der Lage sein, den menschlichen Dialog zu führen und in emotional komplexen Situationen wirklich zu unterstützen.
Für mich steht daher fest: KI sollte niemals als Ersatz für unsere Expertise gesehen werden. Sie ist ein mächtiges Werkzeug, das uns hilft, effizienter zu arbeiten und neue Perspektiven zu entdecken. Aber menschliche Intuition, Empathie und die Fähigkeit, tief auf emotionale Ebenen einzugehen, bleiben entscheidend, wenn es darum geht, in der Mediation oder im Coaching wirklich effektiv zu sein.“
Es gab einmal eine Zeit, wo ich mit meiner IT-Firma versucht habe, Computerprogramme zu entwickeln, die die Arbeit des Mediators erleichtern. Mein Team war schnell auf ein Problem gestoßen, das wir vom Schach kennen. Bereits nach dem ersten Spielzug gibt es fast unendlich viele Optionen. Lange Zeit glaubte man nicht, dass es Computern möglich sei, besser Schach zu spielen, als der Mensch. Witzigerweise wurde der unbesiegbare Schachcomputer schließlich von einer KI, namens AlphaZero, erschaffen. Trotzdem spielen Menschen immer noch Schach miteinander. Ich habe es mir leicht gemacht und einfach die KI gefragt, wie sie das Problem einschätzt. Die Antwort lautete: „Für Coaches, Beraterinnen und Mediatorinnen bedeutet der Wandel durch KI eine Aufforderung, sich weiterzuentwickeln und die Rollen neu zu definieren. Es geht darum, die technischen Möglichkeiten der KI sinnvoll zu integrieren, dabei aber die spezifisch menschlichen Stärken wie Empathie, Intuition und ethische Reflexion zu bewahren. Wer sich offen auf diese Veränderungen einlässt und bereit ist, sich kontinuierlich weiterzubilden, wird auch in einer KI-geprägten Welt erfolgreich sein und den Menschen weiterhin auf wertvolle Weise zur Seite stehen können“.
13. Prof. Dr. Sascha Weigel
Leipzig
Rechtsanwalt, Mediator, Konfliktberater, Podcaster
Initiator der Roundup-Posts
Worauf kommt es für Coaches, Berater*innen und Mediator*innen jetzt an, wenn Sie sich die Entwicklungen Künstlicher Intelligenzen unter professionellen Gesichtspunkten anschauen?1. Gedanklicher Ausgangspunkt:
- Ich bin Anfänger – wie die Anderen auch.
- Wir stehen am Anfang – wie alle Anderen auch.
- Meine professionelle Zukunft ist der Raum, in dem diese Instrumente zur Verfügung stehen werden – für mich wie für alle Anderen. Sie provozieren die Frage:…Will ich diesen Raum mit diesen Instrumenten gestaltend verbringen?
2. Falls Ja, dann ist jetzt ein guter Zeitpunkt zu handeln.
- Ich sorge für Provokation meinerselbst (Passive Informationsfluss): Zunächst zapfe ich Quellen an, die mich mit seriösen, qualitativ guten, geradezu nährenden Informationen versorgen (gute KI-Newsletter!)
- Ich provoziere mich aktiv: Ich aktiviere einen Account auf www.ki-campus.org/ und nutze ihn. (Andere Empfehlungen bitte in die Kommentare!)
- Ich baue mir Netzwerke auf, bringe mich ein, tausche meine Erfahrungen für die Erfahrungen anderer. Ich sorge dafür, dass ich Anfänger unter Fortgeschrittenen bin. So lang wie möglich. Dafür unterdrücke ich den Irrglauben, schon weit(er) zu sein.
- ch lege ein monatliches Budget fest, dass mein Investment klar umreisst: zeitlich (>1h/d?) und finanziell (10,-€, 20,-€, 50,-/€ oder doch 100,-€ pro Monat?).
- Ich gebe das Geld aus, aktiviere Bezahlaccounts, testweise für 2 Wochen, wechsle, spiele, probiere (z.B. www.themediator.ai), schließe, melde mich ab – und woanders neu an…
- Ich schaue mir meine Firma an, meine konkreten Prozesse und Strukturen. Was sind lästige Routinen und Arbeitsweisen? Was ist änderbar?
- Ich plane eine persönliche Strategieklausur, um meine professionelle Digital-Strategie zu erarbeiten. Damit kann ich dann 12 Monate weit springen. Maximal.
3. Blick in die Zukunft
- Nach ChatGPTs bzw. „VoiceGPTs“ werden wir es mit ActGPTs zu tun bekommen. Sprachfähigkeiten werden mit Robotikfähigkeiten, die ebenso rasant voranschreiten, verschmelzen. Zunächst werden solche Roboter uns auf vier Rädern vorgestellt werden.
- Der verständliche Gedanke, inwieweit Mediator*innen ersetzbar sind, scheint zu eng; es gilt auch in den Blick zu bekommen, dass Konfliktparteien ebenso „ersetzt werden (können)“.
- Mediator*innen mochten bisher vielleicht Menschen im Konflikt vermitteln, doch tatsächlich vermitteln sie auch bereits abstrakte Gebilde wie…., aber tun dies heute schon nicht nur: Fragen Sie mal Organisationsberater und Organisationsmediatoren!)
Zwei Tage nach Veröffentlichung dieses Posts wird mir dieser LINK zugespielt, der die Zusammenführung von Generativer KI und Robotik beispielhaft belegt: https://www.sciencedaily.com/releases/2024/11/241111123037.htm?utm_source=superhuman&utm_medium=newsletter&utm_campaign=sunday-special-a-forest-in-antartica-and-zuck-drops-a-rap-song&_bhlid=e98cdb0c5ff7c8f0b1544a3b2b5c495035d6d33f