INKOVEMA-Podcast „Gut durch die Zeit“

#198 – Fallstricke der Mediation. Am Beispiel der Friedensmediation.

Mit Anmerkungen zu Friedensinitiativen im Kontext des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine

Im Gespräch mit Dr. Günther Baechler

Dr. Günther Baechler, Diplomat, OSZE-Sonderbeauftragter und Friedensmediator: Studierte zunächst Kunst und Kunstgeschichte in Basel, anschließend Politikwissenschaft, Geschichte und Internationalen Beziehungen an der Freien Universität Berlin.

  • Von 1988 bis 2000 leitete er die Schweizerische Friedensstiftung (swisspeace) in Bern.
  • 2005 wurde er vom Eidgenössischen Departement für auswärtige Angelegenheiten zum Mediator in Nepal ernannt.
  • Von 2007 bis 2010 war er als Sondergesandter im Darfur-Konflikt tätig.
  • Von 2010 bis 2015 diente er als Schweizer Botschafter in Georgien.
  • Seit Januar 2016 ist er OSZE-Sonderbeauftragter für den Südkaukasus

Gut durch die Zeit.

Der Podcast rund um Mediation, Konflikt-Coaching und Organisationsberatung.

Kapitel des Gesprächs

0:00 – Herzlich willkommen zum Podcast
0:24 – Mediation und ihre Herausforderungen
9:15 – Transformative Mediation im internationalen Kontext
11:58 – Rückblick auf die Mediationserfahrungen
19:22 – Die Komplexität der heutigen Konfliktlagen
26:09 – Realistische Perspektiven auf Mediation
28:27 – Mediation in extremen Konflikten
38:03 – Der Einfluss der Öffentlichkeit auf Mediation
41:51 – Herausforderungen in der Mediation von Konflikten
43:25 – Reflexion über die eigene Mediationspraxis
48:52 – Fallstricke und Überlegungen zur Mediation

Zusammenfassung des Gesprächs

Mediation steht in der Praxis einigen Herausforderungen gegenüber. Ich, Sascha Weigel, habe den erfahrenen Friedensmediator und Experten Dr. Günther Baechler, eingeladen, um über diese komplexen Facetten der Mediation, insbesondere im Kontext internationaler Konflikte, zu sprechen. Herr Baechler bringt eine Vielzahl an Erfahrungen aus seinem langen Werdegang als Mediator und Friedensstifter mit, der bis in die Konfrontationen der 90er Jahre und damit zu den Anfängen der Modernen Mediation zurückreicht.

Im Gespräch reflektieren wir gemeinsam über die Anfänge der modernen Mediation und die anfängliche Euphorie, die mit der Hoffnung einherging, Konflikte durch dialogische Ansätze nachhaltig zu lösen. Herr Baechler beschreibt, wie er in den ersten Jahren nach dem Fall der Mauer und der Beendigung des Ost-West-Konflikts in verschiedenen Krisenregionen, insbesondere in Afrika, tätig war. Der Fokus lag damals auf der Kombination traditioneller Konfliktlösungsmechanismen mit modernen Mediationsansätzen. Diese Verbindung war entscheidend, um Lösungen für komplexe Ressourcenkonflikte zu entwickeln, die in verschiedenen Gemeinschaften, insbesondere zwischen Bauern und Nomaden, entstanden.

Mit der Zeit hat sich jedoch das Bild der Mediation gewandelt. Herr Baechler teilt seine Beobachtungen über die gegenwärtigen Herausforderungen, die Mediatoren in der heutigen, oft polarisierten und emotional aufgeladenen politischen Landschaft gegenüberstehen. In dieser Episode diskutieren wir die dunklen Seiten der Mediation und die kritische Reflexion darüber, wie hoch der Druck auf die Konfliktparteien heute ist, an Mediationstischen Platz zu nehmen, während oft ungleiche Machtverhältnisse im Hintergrund operieren.

Ein zentrales Thema des Gesprächs ist die Frage, inwieweit ein Angebot zur Mediation von Dritten Druck ausüben kann, insbesondere in Konflikten, in denen eine klare Ungleichheit zwischen Täter und Opfer besteht. Wir beleuchten, wie solche Angebote nicht nur als Schritt in Richtung Lösung wahrgenommen werden können, sondern auch die Möglichkeit bestehen kann, dass sie von der stärkeren Partei manipulativ eingesetzt werden, um das eigene Bild in der Öffentlichkeit zu verbessern oder die schwächere Partei weiter unter Druck zu setzen.

Wir diskutieren auch die Rolle der internationalen Gemeinschaft in Konflikten wie dem zwischen Russland und der Ukraine und reflektieren über die Bedingungen, unter denen Mediation sinnvoll sein kann. Herr Baechler warnt davor, dass die derzeitige geopolitische Lage und aggressiven Taktiken, die von verschiedenen Nationen verfolgt werden, oft die Möglichkeiten einer gewaltfreien Konfliktlösung erheblich einschränken. Dies führt zu einer ernüchternden Realität, in der Mediation möglicherweise in Fällen, in denen Grabenkämpfe herrschen, nicht das geeignete Instrument ist.

Das Gespräch schließt mit einer eindringlichen Mahnung zur Achtsamkeit und einem realistischen Verständnis der Möglichkeiten und Grenzen der Mediation. Herr Baechler und ich sind uns einig, dass Mediatoren in der heutigen Zeit nicht nur die positiven Elemente ihrer Arbeit im Blick haben sollten, sondern auch die Realität und die Komplexität der Konflikte, in denen sie tätig sind, anerkennen müssen. In dieser Episode beleuchten wir also die Mediation aus einer differenzierten Perspektive und zeigen auf, wie wichtig es ist, nicht nur die positiven Aspekte, sondern auch die ethischen und praktischen Herausforderungen dieses Verfahrens zu erkennen.

Transkription des Gesprächs

 

[0:00]Vielleicht bin ich da heute auch etwas abgeprüht, aber dieses positive Bild und auch das positive Menschenbild der Mediation, das habe ich eigentlich schon
[0:11]
Herzlich willkommen zum Podcast
[0:10]länger hinter mir gelassen. Herzlich willkommen zum Podcast Gut durch die Zeit, der Podcast rund um Mediation, Konfliktcoaching und Organisationsberatung, ein Podcast von Elkos Zehmer. Ich bin Sascha Weigel und begrüße dich zu einer neuen Folge.
[0:24]
Mediation und ihre Herausforderungen
[0:24]Heute soll es hier im Podcast um Mediation gehen und Mediation mit seinen Problematiken, die das möglicherweise mit sich bringt. Und diese möchte ich als jetzt zu Beginn schon mal so eine mögliche Fallstrecke benennen, die wir hier auch im Podcast schon mal angesprochen hatten, zusammen mit dem Kollegen Markus Troja unter dem Stichwort die dunklen Seiten der Mediation. Und ich habe mir heute einen Mediator, einen Experten eingeladen, der schon lange Jahre in schwierigsten Konflikten mediiert hat, vermittelt hat, in kriegerischen Auseinandersetzungen oder in Konflikten, die das drohten zu werden. Deshalb möchte ich zunächst einmal Herrn Günther Bächler hier im Studio begrüßen. Hallo Herr Bächler. Ja, hallo Herr Weidl, guten Tag. Herr Böcher, Sie haben, wenn ich das so richtig recherchiert habe, einen langen Lebensweg zur Mediation hinter sich. Von der Kunstgeschichte und von der Kunst kommend in Basel studiert, dann aber noch zusätzlich Politik und Geschichtswissenschaften und internationale Beziehungen an der Freien Universität in Berlin. Sind wir sozusagen gemeinsame Alumni. Das war auch mein historisches Studium dort am Friedrich-Meine-Ger-Institut. Sie sind aber eine ganze Generation Erfahrene und haben in schwierigsten Konflikten.
[1:47]Internationalen Konflikten vermittelt. Vielleicht ein paar Worte von Ihnen erstmal so zu Ihrem Wertegang als Mediator, und welchen Erfahrungshintergrund sozusagen Sie heute mitbringen. Ja, gerne. Ich bin dann nach Berlin. Bin ich an das Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik in Hamburg, an der Universität Hamburg und habe mich dort noch mit dem Ost-West-Konflikt befasst.
[2:14]Ich bin ab 1989 eigentlich mit dem Mauerfall nach Bern gezogen und wurde Leiter der neu gegründeten Schweizerischen Friedensstiftung, heute Swisspeace, eigentlich ein Think Tank, auch im Bereich Mediation, Konfliktlösung, Konfliktanalyse, Sicherheitspolitik. Unsere ersten Programme damals, 89, 90, waren Konflikte vor allem in Afrika im Bereich auch von Ressourcenkonflikten, umweltbezogenen Konflikten und der Frage, wie wir diese sozusagen friedlich transformieren können, welche Hilfe wir da leisten. Und wir haben eigentlich Forschung, Feldforschung und Mediation kombiniert. Da bin ich eigentlich so richtig auf den Geschmack gekommen, bin dann Mitte der 90er Jahre nach Cambridge, USA und habe mich dort in verschiedenen Programmen zum Mediator ausbilden lassen und bin dann danach, ab Mitte der 90er Jahre, so richtig auch in die Mediation eingestiegen, auch in die Ausbildung.
[3:30]Und ja, wie Sie gesagt haben, ich habe eigentlich seit dann in verschiedenen Regionen und Konfliktkontexten gearbeitet. Ich würde sagen, auf den Geschmack gekommen. Was war das damals gewesen, wo Sie gesagt haben, davon will ich mehr haben? Naja, das war eigentlich interessant. Wir haben Anfang der 90er Jahre verschiedene Konfliktkonstellationen im Horn von Afrika gehabt Vor allem lokale Konflikte, zum Beispiel zwischen Bauern und Nomaden. Da ging es um Ressourcen, um Land, um Zugang zu Land. Und wir haben dann zusammen mit lokalen Mediatoren, das waren zum Teil auch Älteste, von Stammes Älteste, haben wir versucht, da Lösungen zu skizzieren und zu finden. Und das Ganze waren dann eher traditionelle Konfliktlösungsmechanismen, die ich sehr interessant fand, auch dann in der Kombination mit, sage ich jetzt, modernen Methoden der Mediation. Und da wollte ich eben mehr wissen, das Ganze vertiefen und auch eigentlich diese Verbindung zwischen, man kann sagen, traditioneller Arbitrage und moderner Mediation wirklich auch operationell, aber auch in der Analyse herstellt.
[4:51]In der Rückschau scheint es mir, vielleicht auch anderen manchmal so, dass diese Hochzeit, dieses Aufkommen der modernen Mediation wie so ein Eureka-Moment war. Jetzt haben wir was gefunden, jetzt können wir Konflikte anders bearbeiten und wir haben ein rationales Verständnis, aber auch ein Kulturverständnis, Traditionsverständnis, wo wir das angehen können. Auch in der Zeit, wo wir dachten, dass die große Ost-West-Konfliktbeendigung auch dazu führte, dass wir generell das liberale Moment auf dem Siegeszug fanden. Und wir können jetzt mit Mediation Konflikte, kriegerische Konflikte eigentlich der Geschichte übergeben. War das damals für Sie und Ihre Kollegen auch so, dass Sie da sozusagen den Stein der Weißen gefunden hatten oder waren ja eher kritische Leute auch gegenüber traditioneller Konfliktlösung? Wie war die Stimmung unter Mediatorin, die damals das gelernt und dann bearbeitet haben?
[6:00]Ja, ich denke, es war schon eine Aufbruchstimmung nach dem Ende des Ost-West-Konflikts. Und dieser Blockkonfrontation hatte man plötzlich so wie den Nebel weg, gerade in den Regionen mit sogenannten Stellvertreterkriegen und hat gesehen, wo die Konflikte liegen und wo auch Methoden der lokalen Konfliktlösung angewandt werden. Also insofern traf unsere Begeisterung für die Mediation durchaus auf ein Feld, was eigentlich schon traditionell vorhanden war, was man aber so gar nicht im Blick hatte. Und da gab es durchaus interessante Parallelen, interessante Ansätze.
[6:43]Ein amerikanischer Mediator, Autor John Paul Lederach, hat ja dazu sehr viel geschrieben unter dem Titel Konflikttransformation. Also eigentlich transformative, lang andauernde Prozesse, um der Komplexität herzuwerden. Also man hat wirklich, Da kommt etwas in Gang und es gab dann auch sehr viele zahlreiche Initiativen. Wir haben dann zum Beispiel auch in den 90er Jahren ein Dachverband Mediation in der Schweiz gegründet. Da waren sämtliche Mediationsbereiche dabei, auch die internationale Friedensmediation. Das war eigentlich eher eine Ausnahme. Insofern hatten wir wirklich von der Familienmediation bis zur internationalen Friedensmediation alle on board. Auch dann dreisprachig, Deutschschweiz, Italienische Schweiz, Französische Schweiz.
[7:42]Insofern war das schon etwas Neues und hat sehr viel bewirkt im Inneren, wie dann aber auch in der Außen- und Friedenspolitik. Vielleicht noch ein Satz dazu. Wir haben dann auch 1990, 1993 ein Gesetz auf den Weg gebracht, ein schweizerisches Gesetz zur Förderung der Friedens- und Menschenrechtspolitik aus Teil der schweizerischen Staatsräson. Und auf der Grundlage dieses Gesetzes hatten wir auch einen Rahmenkredit in der Außenpolitik und eine spezielle Abteilung, die sich vor allem um Friedensförderung und Mediation weltweit bemüht hat. Also insofern sehr viel und heute sieht man das natürlich etwas kritischer, natürlich auch im Rückblick, aber vor allem, Sie haben das erwähnt, vielleicht liberale Methoden. Es gab ja auch in der Forschung, in der Friedensforschung, dieses Paradigma, democratic peace.
[8:42]Also eben Demokratien greifen sich nicht gegenseitig an, führen nicht Krieg gegeneinander, insofern ist ein Weg der Demokratisierung auch ein Friedensweg und da hilft die Mediation als dialogische Struktur sehr mit. Da sind wir heute etwas ernüchtert. Lassen Sie uns noch ein bisschen in der guten alten Zeit noch, weil ich das interessant finde. Aber wir kommen dahin, das ist natürlich auch das Motto und das Thema heute.
[9:15]
Transformative Mediation im internationalen Kontext
[9:11]Aber ich würde dem Punkt, weil das ist mir auch neu, da bin ich wirklich nicht so bewandert drin. Das transformative Element, was Sie mit dem Herrn Latterick angesprochen hatten, das war bezogen auch auf internationale und Friedensmediation.
[9:25]Heute ist es mir vor allen Dingen bekannt als transformative Mediation im zwischenmenschlichen Bereich mit Bush und Folger, die amerikanischen Mediatoren. Ist das die gleiche, Idee von Transformation oder einfach nur den gleichen Namen benutzt? Also ich denke, die Idee ist ähnlich. Auch hier geht es letztlich um die Transformation von Beziehungen zwischen Parteien, nicht Individuen, sondern Gruppen, kollektiven Parteien. Aber die Transformation, wir haben immer gesagt, von Konfliktthemen, von Konfliktbeziehungen, von Konfliktdynamiken. Das steht eigentlich an und das bedingt eben längere Prozesse. Und insofern vergleichbar, bei John Paul Lederach war es bezogen vor allem auf, was er gesagt hat, ethnopolitische Konflikte im Inneren von Staaten.
[10:24]Wir waren ja 1989 und danach konfrontiert mit sehr viel innerstaatlichen und nicht mehr mit zwischenstaatlichen Konflikten. Ja, aufgebrochenen Konflikte. Genau, genau. Da kam die Mediation rein. Und zum Beispiel die Berghofstiftung in Berlin für Konflikttransformation, die es eigentlich schon seit meiner Zeit am Ottos-U-Institut gibt, die hat den Begriff ins Zentrum ihres Ansatzes gestellt. Ich bin dort heute noch in einem Board in der Berghofstiftung. Stiftung und Transformation ist ein zentraler Begriff. Teilweise kam die Diskussion dann auch rein zum Thema systemische Ansätze. Man hat das dann ein Stück weit verbunden. Oft war die Unterschiede gar nicht so groß. Also Transformation setzt eigentlich per se schon auf systemische Herangehensweisen.
[11:22]Und insofern, ja, muss ich sagen, ist das in der internationalen Friedensmediation bezogen auf innerstaatliche Konflikte durchaus zu einem tragenden Modell geworden. Bei zwischenstaatlichen Konflikten sieht es wieder etwas anders aus, würde ich sagen. Auch die deutsche Politik, Außenpolitik hat lange Zeit dann im Anschluss, auch seit den Nullerjahren, das zum maßgebenden Leitstern gemacht und in Mediation ein Instrument gesehen,
[11:58]
Rückblick auf die Mediationserfahrungen
[11:54]das nicht nur besonders förderungswürdig ist, sondern auch vorzugswürdig. Jetzt können wir so einen kleinen Sprung machen zu heute und Sie sagten schon so, das würde etwas ernüchterner heute gesehen werden, zumindest auch in der Rückschau. Vielleicht erst mal zu Ihnen, wie gucken Sie da drauf zurück, also wenn man sozusagen da mit viel Engagement und Idealismus was aufgebaut hat, das so auch unwidersprochen gut ist, gute Absichten hat und jetzt auf Konfliktlagen trifft, wo man… Vielleicht zwei-, dreimal überlegen sollte, ob man mit seinen guten Absichten das einfach so dann auch einfordert. Taste mich vorsichtig ran, weil ich nicht genau weiß, in welches Feld ich damit vorstoße.
[12:38]Nein, ich verstehe die Frage an sich gut. Also wir waren ja sicher euphorisch, aber nicht naiv in dem Sinne, dass wir gesagt haben, das löste sämtliche Probleme. Es war eine Zeit, vor allem die 90er Jahre bis in die Nullerjahre, wo die Mediation auch international und in den Konfliktgebieten, auch innerstaatlich nach dem Ende des Ost-West-Konflikts auf großes Interesse gestoßen ist. Und zwar auch bei vielen Konfliktparteien, sowohl Regierungen als auch oppositionelle Strömungen oder vielleicht sogar Rebellen, revolutionäre Bewegungen. Also es war eben tatsächlich vor dem Hintergrund des Ende des Kalten Krieges und der globalen Aufbruchsstimmung, auch Demokratisierung. Viele Wahlen fanden dann Anfang der 90er Jahre statt, auch in Afrika. 92 war das Wahljahr, alle haben an die Demokratie geglaubt. Das heißt.
[13:42]Man kam rein als Mediator und stieß auf Wohlwollen. Die Parteien wollten die Mediation als Instrument kennenlernen, wollten es benutzen, um ihre Probleme zu lösen. Und diese gute Absicht ist vielleicht gar nicht mal so sehr im Mittelpunkt. Es geht gar nicht so sehr um das Gutsein, sondern um das Hilfreichsein, um sinnvolle Lösungen anzubieten. Auch durchaus Parteien, die vielleicht nicht unbedingt so auf der guten Seite sind oder sein wollen.
[14:16]Aber es ging darum, ein effizientes Instrument wirklich auch fruchtbar zu machen. Und da geholfen die Parteien, Mit, ich war jetzt gerade in Nepal, da hat ein Fernsehsender aus Singapur einen Film gedreht über den Friedensprozess vor 20 Jahren unter dem Titel The Peacemakers, das ist auf YouTube, kann man den sehen. Und sie haben mich und drei, vier andere Mediatoren befragt, wie das war vor 20 Jahren. Und ich muss sagen, das war wirklich ein Highlight, weil in Nepal damals alle Parteien, der König, die Parteien, das Militäre, die maoistischen Rebellen, Alle wollten einen schnellen Friedensprozess mediiert, informell, durch die internationale Gemeinschaft, um wirklich eine stabile Regierung zu bilden. Das war noch sozusagen ein Ausläufer dieser Euphorie, dieser Zeit.
[15:17]Wo wir auch auf lokaler Ebene eben mit kleineren Parteien, eben Bauern gegen Nomaden zum Beispiel im Sahel, durchaus Erfolg hatten. Im Übrigen auch im Kontext der Entwicklungszusammenarbeit, die ja damals genauso positiv aufgestellt war. Also wir hatten das auch durchaus im sozusagen verbundenen Entwicklungszusammenarbeit und Konfliktprävention oder Mediation. Das war eine neue Abteilung auch im Außenministerium.
[15:50]Das heißt, das war eine Situation, wo alle Parteien, auch wenn sie.
[15:55]Gegeneinander gestellt waren oder sich erlebt haben auch, an der Mediation interessiert waren und wollten, dass eine Lösung gefunden wird. Also passiv formuliert im Sinne von die internationale Gemeinschaft hilft uns dabei. Genau. Und es gab ja sehr viele Prozesse im Hintergrund. Also ein bekannter Prozess war zum Beispiel von Herb Kelman in Cambridge angestoßen.
[16:24]Interaktive Problemlösungsprozesse, sozusagen Track-Tour, wie man gesagt hat, also nicht auf höchster regierungsstaatlicher Ebene, zum Nahen Osten mit palästinensischen Vertretern oder Individuen und israelischen Individuen. Das ging über Jahre, das ist dann in den Oslo-Prozess gemündet, der auch sozusagen im Hintergrund sehr vertraulich und daheim Israel und Palästinenser zusammengebracht hat. Der Multitrack-Ansatz war da in der Entwicklung. Und das hat man gar nicht so zur Kenntnis genommen in der Öffentlichkeit. Das waren sehr vertrauliche Prozesse. Aber das hat funktioniert, bis eigentlich dann das auf die höhere Ebene, in den Madrid-Prozess oder dann nach Camp David gekommen ist, wo es dann am Schluss wieder gescheitert ist, auf höchster Stelle. Aber man hat eigentlich auf dieser Ebene sehr viel getan und vorbereitet. Beispiel, ich hatte zusammen mit der Schweizerischen Entwicklungszusammenarbeit einen Prozess über drei Jahre zu den Konflikten am Blauen Nil. Blaue Nil, das ist vor allem Äthiopien, Sudan und Ägypten. Und das war ja zeitlang eine gefährliche Situation, auch sehr kriegsträchtig.
[17:42]Insofern haben wir dann mit Vertreterinnen aus den drei Ländern wirklich einen Prozess aufgegleist, um diese Konfliktdynamik zu verändern. Am Anfang war das ein Konflikt um Wasser und am Schluss war es eigentlich ein entwicklungspolitischer Konflikt, den man auch mit entsprechenden Instrumenten lösen konnte. Also solche Dinge liefen ganz gut, muss man sagen. Und heute sehe ich eher weniger in diese Richtung. Aber auch die Weltlage hat sich verändern. Ich kann das jetzt nur erstmal vergleichen mit Organisationen, in denen ich mediere, wo es auch unterschiedliche Interessenlagen gibt, die aber natürlich nicht ganz so verflochten sind und eigenständig wie in den Lagen, die Sie erlebt haben. Aber ich will sozusagen den Fallstrick, den ich da identifiziert habe.
[18:32]Mit Ihnen besprechen, ob das eben auch so vielleicht heute erst ist und damals noch nicht. Aber dass die Idee, das könnten wir jetzt eine Mediation dazu durchführen, auch das Kommunizieren, ich bin für eine Vermittlung, dass das ein Teil nicht nur der Konfliktdynamik ist, sondern keineswegs bedeuten muss, ich gebe mein ursprüngliches Ziel auf oder ich bin kompromissbereit, Sondern ich kann jemanden an den Verhandlungstisch holen, weil er sich dem Angebot schwer entziehen kann. Also in der betriebsinternen Öffentlichkeit, wenn dort eine Seite, meinetwegen der Betriebsrat sagt, ich schlage eine Mediation vor, dann kann ein anderer, HR oder Geschäftsführung, schwer sagen, nee, mache ich nicht.
[19:15]Weil das sich eine Verweigerung eines rationalen Verfahrens bedeutet.
[19:22]
Die Komplexität der heutigen Konfliktlagen
[19:20]Und das wird so eine Art irrationale Handlung sein. Ist das etwas, was Sie vielleicht jetzt zunehmend dann auch beobachten, dass so Angebote zur Mediation eher eine versteckte Eskalationsgefahr mit sich bringt? Oder können wir darauf vertrauen, dass das auf jeden Fall ein Schritt in die richtige Richtung ist, wenn jemand sagt, ich würde gerne Mediation machen? Also ich würde jetzt sagen, in den 90er Jahren und in den Nullerjahren war das sicher ein Zeichen dafür, dass die Parteien im Grundsatz eine Lösung suchen. Ob sie von Anfang an immer auf Konsens getrimmt waren, das sei dahingestellt, weil das Ganze war ja in der Regel auch relativ komplex. Das fing schon an mit Waffenstillstandsverhandlungen. Wir hatten damals in Darfur 14 Waffenstillstandsabkommen vermittelt, zusammen mit Tschad.
[20:13]Die wurden alle nicht eingehalten, zum Beispiel. Also für immer die gleichen Parteien. Genau, genau. Das nimmt schon komplexe Formen an. Aber der Wille war im Grunde da und es ging auch nicht um versteckte Eskalation, dass man die andere Seite nun über den Tisch ziehen wollte.
[20:36]Das sehe ich heute in verschiedenen Konfliktlagen ein bisschen anders. Es ist auch nicht mehr so, also sowohl die Mediation. Es ist ein Marketingthema vielleicht, gar nicht mal über den Tisch ziehen, sondern es ist ein Marketingthema, ich kann ein Image. Aber eben heute kümmern sich die Parteien weniger um solche Image-Schäden oder mögliche Schäden. Also eine Zeit lang war das vielleicht so, dass man gesagt hat, ich muss mitmachen, zumindest gute Miene, ich muss mich bereit zeigen, aber eigentlich habe ich kein Interesse.
[21:11]Das gab es schon auch mal, ich würde sagen, damals die sudanesische Region hat mehr oder weniger unter internationalem Druck, auch im arabischen Raum mitgemacht, aber die wollten natürlich nicht unbedingt einen umfassenden Friedensabkommen mit den Darfur-Rebellen. Ihnen hat es schon gereicht, dieses umfassende Friedensabkommen mit dem Süden, was ja dann zu einer Teilung geführt hat in einem Referendum. Aber heute würde ich sagen, auch im Zeitalter des Trumpismus, der radikaleren, autoritären Regierung, des Nationalismus, Populismus, sozusagen auch chauvinistischen Interessenvertretung von Führungen, kümmert man sich eigentlich um ein solches Image nicht mehr. Oder vielleicht, wenn ich das Beispiel nehme, vielleicht ist das eine Meinung oder falsche Tatsachen auch, aber wenn ich jetzt den russischen, ukrainischen Krieg nehme, den russischen Angriffskrieg, wo ganz simplifiziert, ich schlage einmal drauf und danach biete ich an, ich höre auf, wenn du zu den Bedingungen der Kapitulation mit mir verhandelst. Das jetzt mal ganz schemenhaft. Dann geht es für mich da in erster Linie um ein Image, das ich auf den sozialen Medien präsentieren kann. Ich habe ein Verhandlungsangebot gemacht und die andere Seite sagt Nein.
[22:31]Also da ist es eher ein Image-Thema, wo das Angebot zur Verhandlung gar nicht so sehr an den Konfliktpartner gerichtet ist, sondern an die Öffentlichkeit, die ich für mich gewinnen will oder zumindest sagen will, hier sind zwei gleichberechtigte Interessen. Und dass da Mediation als Angebot einfach einem Fallstrick unterliegt. Hey, du, der diesen Podcast hört, vergiss nicht, ihn zu bewerten und eine Rückmeldung zu geben. Vielen Dank und jetzt geht es weiter. Ja, wobei aus meiner Sicht war der Vorschlag von Putin zu Beginn weder auf das Image ausgerichtet, sondern vor allem die öffentliche Meinung im Westen zu beeinflussen. Im Imich hin oder her, es ging ihm darum, eigentlich eine Schuldumkehr darzustellen und zu zeigen, ich bin ja eigentlich der Gute, ich musste das tun, aber ich bin natürlich auch zu Gesprächen bereit. Also hier geht es darum, das Narrativ eigentlich zu etablieren und auch zu verändern. Und das Zweite war, dass ja natürlich ernstzunehmende Analytiker, würde ich sagen, dieses Angebot auch nie wirklich ernst genommen haben und bis heute nicht.
[23:52]Insofern kann man sagen… Ernst genommen haben oder ernst gemeint hat? Ja, es hat niemand ernst genommen. Er hat es auch nicht ernst gemeint. Ich denke, dafür hat man ja auch eine Antenne, wann etwas ernst gemeint ist und wann es wirklich auch zu Gesprächen und möglichen Ergebnissen führt. Ich meine, wir haben gerade im Bereich Georgien-Konflikt mit Russland, Wir hatten jetzt bald 70 Runden in Genf seit 2010 und wir sind nicht einen Millimeter weitergekommen. Da könnte ich also sehr viele zählen, weil das Ganze geht eigentlich Russland nur darum, dieses Format aufrechtzuerhalten, aber möglichst keinen einzigen Schritt nach vorne zu bringen. Genau in der Ukraine wäre das nicht viel anders. Finde ich d’accord, auch wenn ich da überhaupt nicht den Einblick habe, den Sie da ganz hautnah miterlebt haben. Aber gleichwohl, und darum geht es mir sozusagen auch bei dem Thema, wenn ich das jetzt als Mediator, der nicht in den Kontexten agiert und da Mediator bin, dass wir eine Antenne entwickeln als Mediatorin für solche Phänomene, die wir vielleicht gar nicht in den Blick bekommen würden, wenn wir in der Mediation immer nur die Chance sehen. Und wir müssen es doch probieren, weil es eben auch einen Druck ausübt. Um diesen Fallstrick geht es mir ja. Also würde ich Ihre Einschätzung sehen wollen von der Mediatorenwelt, ob wir das im Blick haben ausreichend?
[25:21]Vielleicht bin ich da heute auch etwas abgebrüht. Aber dieses positive Bild und auch das positive Menschenbild der Mediation, das habe ich eigentlich schon länger hinter mir gelassen. Weil in der Mediation, auch in der internationalen Friedensmediation geht es darum, mit zum Teil sehr verhärteten Konstellationen, mit Parteien, die sich nichts schränken, die überhaupt auch nicht Gutmenschen sein wollen.
[25:47]Eine Lösung zu finden, ein Abkommen im Konsens. Und wenn beide Seiten zustimmen, dann ist das in der Regel auch vom Mediator zu akzeptieren. Wie gut das dann ist, ist eine andere Frage. Da gibt es natürlich heute auch juristische Hürden im internationalen Recht.
[26:09]
Realistische Perspektiven auf Mediation
[26:05]Man kann nicht mehr alles unterschreiben als Mediator, aber doch kann man da relativ weit gehen. Insofern sind Mediationen im internationalen Bereich nicht unbedingt verbunden mehr, wenn sie sie waren, mit einem nur positiven Menschenbild oder der liberalen