Das Konzept der Psychologischen Spiele in der Transaktionsanalyse

1. Teil: Grundlagen

Definition, Funktion und Nutzen, Intensitäten und Spielgrade

Die Psychologische Spiele sind ein Konzept der Transaktionsanalyse, das sich mit kommunikativen Muster manipulativer Natur beschäftigt. Zumeist sind diese Psychologischen Spiele destruktiver Natur. Schon Eric Berne, der Begründer der Transaktionsanalyse hat dieses Konzept maßgeblich entwickelt und mit seinem – man kann schon sagen – Bestseller „Spiele der Erwachsenen („Games People Play“, 1964) hat er maßgeblich den frühen Erfolg der Transaktionsanalyse als Schule der Humanistischen Psychologie herbeigeführt.

Kleine Beitragsreihe zu den Psychologischen Spielen der Transaktionsanalyse:

1. Teil: Grundlagen (Definition, Funktion und Nutzen sowie den Spielintensitäten und Spielgraden)
3. Teil: Eingebettetsein der Psychologischen Spiele in der Konzeptlandschaft der Transaktionsanalyse

Als Konzept zur Analyse von Transaktionsmustern ist es ein Teilbereich der Transaktionsanalyse im engeren Sinne. Der Begriff ist nicht im Alltags- oder sportlichen Sinne zu verstehen, sondern soll die Regel- und Musterhaftigkeit der Kommunikationsprozesse hervorheben.

1. Defintion

Berne meinte:

„Ein Spiel besteht aus einer fortlaufenden Folge verdeckter Komplementär-Transaktionen, die zu einem ganz bestimmten, voraussagbaren Ergebnis führen…eine periodisch wiederkehrende Folge sich häufig wiederholender Transaktionen, äußerlich scheinbar plausibel, dabei aber von verborgenen Motiven beherrscht; umgangssprachlich kann man es auch bezeichnen als eine Folge von Einzelaktionen, die mit einer Falle bzw. einem trügerischen Trick verbunden sind.“ (Spiele der Erwachsenen, S. 57)

Ich werde im Laufe dieser Beitragsreihe vertiefter auf Bernes Vorstellung von Psychologischen Spielen eingehen, hier sei aber schon hervorgehoben, dass er den Doppelcharakter der Transaktionen, die offene und verdeckte Ebene in der Kommunikation als maßgebliches Indiz für ein Psychologisches Spiel definierte.

2. Funktion und Nutzen

Funktion und Nutzen Psychologischer Spiele sind vielfältig, obschon sie oftmals im unbewussten Bereich der Spieler*innen sind. Gleichwohl lassen sich Nutzen klassifizieren und verschiedenen Dimensionen zuordnen:

Es gibt

  • einen Sozialen, kommunikativen Nutzenbereich, der das allgemeine Struktur- und Stimulationsbedürfnis des Menschen betrifft.
  • einen psychologischen, skriptgebundenen Nutzenbereich, dem die besonders prägenden Formen der Beziehungsgestaltung zugeordnet werden können, bei dem es nicht selten um Intimitätsvermeidung und Skriptbestätigung geht, zwei besondere Konzepte der Transaktionsanalyse, die hier allerdings nicht vertieft werden können – sowie
  • dem existenziellen Nutzenbereich können Spiele zugeordnet werden, der Strokes- und Skriptmuster aktiviert.

a. Nutzen auf der Sozialebene

Der äußerliche Nutzen auf sozialer Ebene ergibt sich aus dem Kontakt zu seinen Mitmenschen. Kontakt ist per se nützlich, auch wenn er nicht immer wertvoll oder emotional ungefährlich ist. Psychologische Spiele ermöglichen nicht zuletzt, die anstehende Lebenszeit strukturiert zu verbringen, was für Berne eine menschliche Grundfrage war. Zwar werden mit Psychologischen Spielen tiefe und bedeutungsvolle Gefühle ersehnt. Doch auch wenn sie nicht erfüllend erlangt werden können, so nur deshalb, weil sie die damit verbundenen Risiken ausschließen.

Der innere Nutzen der Sozialebene zeigt sich in der emotionalen Erregung, die Spiele für die Spieler mit sich bringen. Die emotionale Erregung ist zwar keineswegs ausreichend, um das Bedürfnis nach Stimulation (befriedigend) zu stillen, doch ist das eher Folge ihrer verdeckten, zuweilen hinterhältigen Erzeugung, denn ihrer Intensität. Spiele kompensieren den Mangel an Offenheit, der aus Furcht ob der Konsequenzen ehrlicher Bedürfnisoffenbarung entsteht.

b. Nutzen auf der psychologischen Ebene

Der äußerliche Nutzen auf der psychologischen Ebene ist folgender: Spiele dienen dazu, sich vor sozialen Kontakten und allgemein Situationen zu schützen, die gefürchtet und gemieden werden möchten, ohne vollständig auf sie zu verzichten. Vielmehr werden soziale Kontakte derart gestaltet, dass das Bedürfnis vermieden wird, seine Gefühle der Wut, der Angst und der Trauer, aber auch der Liebe gegenüber anderen unverfälscht mitzuteilen. Stattdessen werden Ersatzgefühle angeboten. Die Kontaktgestaltung mittels Psychologischer Spielen soll gleichwohl dasjenige einbringen, was allein offene Bezogenheit verspricht, einen ungeschminkten, ehrlichen Austausch von Gefühlen, Gedanken und Verhaltensweisen, die in der Gegenwart gegründet sind.

Blogbeitrag zum Konzept der „Ersatzgefühle“

Der innere Nutzen der psychologischen Ebene besteht darin, sich seine bekannten, aber unguten Gefühle zu besorgen, sie zu hegen und zu pflegen. Wenn schon nicht offener und ehrlicher Kontakt möglich ist, dann wenigstens bewährt negativer Umgang mit anderen.

c. Nutzen auf der existenziellen Ebene

Der äußere Nutzen auf biologischer bzw. existenzieller Ebene ergibt sich aus bekannten, wenn auch unguten oder gar gefährlichen Erlebensweisen. Es werden diejenigen Strokes von anderen „eingefordert“, die bekannt sind und einstmals lebensstimulierend wirkten und nunmehr wieder wirken „sollen“. Das Spielende ist zumeist von negativer Zuwendung durch Schläge, Beleidigungen oder psychischen Verletzungen gekennzeichnet. Hier lugt das Skript vor, dessen lebensbegrenzenden Überzeugungen bestärkt werden, was sich als innerer Nutzen der Spiele in existenzieller Hinsicht darstellt. Spieler reinszenieren Situationen, die in ihrer Herkunftsfamilie uraufgeführt und als mangelhaft erlebt wurden. Diese Ursprungsszenen sind einst Grundlage des Skripts geworden.

Existenziell bleibt deshalb, diese Annahmen, die in der Gegenwart unbefriedigend oder gar gefährlich sind, zu widerrufen und neuen zu folgen. Spiele erscheinen danach als der verzweifelte Versuch, den Irrtum endlich aufzulösen, fehlende Erfahrungen zu integrieren, um die aktuellen Lebensprozesse bewältigen zu können. Psychologische Spiele stellen insoweit  „echten Fehler“ dar, die es zu machen gilt, um Fehlendes erkennen und integrieren zu können und damit überflüssig werden zu lassen. Die immer noch wirksame Vergangenheit kann archiviert werden. Dieser Aspekt ist praktisch ein erlösender existenzieller Nutzen von Spielen

2. Spielintensitäten und Spielgrade

Eric Berne unterschied in seinem Standardwerk Spielintensitäten und Spielgrade. Das ist heute nahezu vergessen.

Während Berne mit dem Begriff der „Intensität“ vor allem den subjektiven Gemüts- und Gefühlszustand der Spieler beschreiben wollte, diente ihm der Begriff des „Grades“ einer Zuordnung von objektiven Spielstadien. Insoweit handelt es sich um eine Eskalationsbestimmung; inwiefern haben die Spieler ihre dynamischen Spielsituationen eskaliert und provozieren damit folgenreiche Schäden und Skandale.

a) Spielintensitäten

Die Kategorie der Spielintensität war für Berne eine von drei zusammengehörenden quantitativen Variablen, Spiele zu kategorisieren: Flexibilität, Tenazität und Intensität. 

  • Die Flexibilität diente Berne dazu zu beschreiben, inwieweit Spiele im sozialen Bereich flexibel aufgeführt werden können; während die Tenazität (Haftungsfähigkeit von Mikroben) die Zähigkeit beschreiben soll, mit welchem Ausdauervermögen die Spieler ihrem „Spieltrieb“ verhaftet sind. Beide Kategorien erscheinen aus heutiger Sicht wenig ergiebig.
  • Anders verhält es sich mit dem Begriff der Intensität, die Berne dazu diente, zwischen harten, verbissenen und aggressiven Spieler*innen und eher zwanglosen, lässigen Spieler*innen zu unterscheiden, was ohne Zweifel Auswirkungen auf die Beratungssituation hat.

b) Spielgrade

Spielgrade beschreiben die eskalierenden Stadien eines Spiels. Von Beginn an wurde in der Transaktionsanalyse drei Stadien bzw. Grade Psychologischer Spiele unterschieden. 

1. Psychologisches Spiel ersten Grades

Ein Spiel ersten Grades mag mitunter gesellschaftlich akzeptabel sein und gilt im Bekanntenkreis des agierenden Urhebers kaum mehr als ein zwischenmenschlicher oder sozialer Fehltritt. 

2. Spiel zweiten Grades

Bei einer Spielintensität zweiten Grades möchten die Spieler ihr Spiel und insbesondere dessen Ausgang „vor den Augen der Öffentlichkeit (am liebsten) verbergen“, wiewohl kein schwerwiegender oder bleibender Schaden entstanden sein muss. 

3. Spiel dritten Grades

Spiele dritten Grades sind jedoch endgültiger Natur. Gewonnen werden durch sie dauerhafte Krankheiten, schwere Verletzungen und – last but not least – der eigene Tod. Für sie sind deswegen Operationssäle, Psychiatrien, Scheidungs- und Strafgerichte und auch Leichenhallen die tauglichen Bühnen für eine angemessene Inszenierung.

  • Berne, Eric: Games people play, New York 1964 (deutsch: Spiele der Erwachsenen, 20. Auflage, Hamburg 2001);
  • Stewart, Ian / Joines, Vann: Transaktionsanalyse. Eine Einführung, Freiburg 2010;
  • Christoph-Lemke, Charlotte: Psychologische Spiele – eine erweiterte Betrachtung für Analyse und Intervention, in: Lesebuch zum 11. DGTA-Kongress, 1990, S.109 – 126.
  • Gührs, M./Nowak, C.: Das konstruktive Gespräch. Ein Leitfaden für Beratung, Unterricht und Mitarbeiterführung mit Konzepten der Transaktionsanalyse, 7. Auflage, Meezen 2014;
  • Weigel, Sascha: Konfliktmanagement in der Verwaltung des aktivierenden Verwaltungsstaates mit Transaktionsanalyse und transaktionsanalytisch fundierter Mediation, Berlin 2012.