INKOVEMA-Podcast „Gut durch die Zeit“

#114 – Mediationskompetenzen für das eigene Konfliktmanagement

Verändern Mediationskompetenzen den Umgang mit den eigenen Konflikten?

Im Gespräch mit Günther Mohr

Gut durch die Zeit. Der Podcast rund um Mediation, Konflikt-Coaching und Organisationsberatung.

Günther Mohr, Diplom-Volkswirt, Diplom-Psychologe, Lehrberechtigter Transaktionsanalytiker, Senior Coach DBVC und BDP, Supervisor BDP, Mediator, Scrum-Master, Zen-Lehrer, Autor zahlreicher Fachbücher

Inhalte:

Mediatorinnen und Mediatoren erlernen in ihren Aus- und Weiterbildungen Methoden, Techniken und insgesamt ein Verfahren, um (andere) Konfliktparteien bei ihrer Konfliktbearbeitung zu vermitteln und konstruktiv beizustehen. Es stellt sich im Zuge dessen auch die Frage, ob und inwieweit derartige Kompetenzen auch das eigene Konfliktaufkommen, -erleben und den Umgang mit den Konfliktpotenzialen des eigenen Lebens beeinflussen.

Im inneren Team einer Persönlichkeit gibt es ein Miteinander, ein Gegeneinander und auch ein Durcheinander.

Das muss man erstmal akzeptieren!

Links:

  • www.mohr-coaching.de
  • Günther Mohr: Eigenmediation, in: Handbuch Transaktionsanalyse in der Mediation, Nomos-Verlag 2014.

Eigenmediation mit dem Ichzustandsmodell – 

Vom Achtsamkeitszustand zur persönlichen Einmittung 

Auszüge aus dem Fachbeitrag von Günther Mohr

zum Handbuch: Theorie und Praxis der Transaktionsanalyse in der Mediation,

hrsg. von Dr. Sascha Weigel,

Nomos-Verlag, Baden Baden 2014.

In der Eigenmediation geht es um die Arbeit mit sich selbst. So aufmerksamkeitsstark und interessant Konflikte mit anderen sind, ein Konflikt hat immer eine innerpsychische Spiegelungsebene. Auch Lösungen brauchen bei genauer Betrachtung zunächst die Veränderung der Selbstorganisation der Person. Dies kann eine Haltungs-, Einstellungs- oder Gefühlsänderung sein, die dann eine äußere Veränderung ermöglicht. Aber wie lassen sich diese inneren Prozesse erfassen und beschreiben?

  1. Wer bin ich und wenn ja wie viele?

Wer sind wir eigentlich und wie „funktionieren“ wir? Wer ist denn eigentlich bei uns selbst „daheim“? Diese Frage bewegt Menschen seit alters her. So suchte Richard David Precht in seinem Bestseller „Wer bin ich und wenn Ja wie viele?“ nach dem Phänomen des Ichs, mithin der Persönlichkeit, und deutete die Vielfältigkeit an. Udo Lindenberg singt „Eigentlich bin ich ganz anders, doch ich komm‘ nur viel zu selten dazu“. Menschen erleben sich bisweilen gleich, dann wieder unterschiedlich und reagieren je nach Kontext, in den sie gestellt werden, auch verschieden. Gleichzeitig haben Menschen eine tiefe Sehnsucht danach, zu erfahren, wer sie sind und welcher Kern da ist.

   

  1. Was sollte man sein und was nicht?- Persönlichkeitsmerkmale

In der Persönlichkeitspsychologie unterscheidet man Konzepte, die sich mit unveränderbaren Persönlichkeitsmerkmalen beschäftigen, also sozusagen nach dem „Inhalt“ der Person schauen sowie Prozesskonzepte, die die Persönlichkeit in ihrer Dynamik und Entwicklung abbilden. Der größere Zweig der Persönlichkeitstheorie sind Inhaltstheorien. Sie versuchen Merkmale herauszufinden, durch die Menschen sich auszeichnen und von anderen unterscheiden. Definitionsgemäß sind diese Merkmale unveränderlich. Sehr berühmt geworden sind die so genannten „Big Five“ mit ihren fünf Merkmalen Neurotizismus, Extraversion, Offenheit für neue Erfahrungen, Verträglichkeit und Gewissenhaftigkeit. Außerdem gibt es zahlreiche Variationen der Dimensionen, die schon C.G. Jung in seiner Typologie als Polaritäten postulierte: Extraversion-Introversion, sinnliche Wahrnehmungs-Intuition oder gefühlsmäßige Bewertung und analytisches Denken.

Der Markt der Persönlichkeitsmerkmalstheorien boomt so stark, weil sie einen prognostischen Charakter suggerieren. Mittels ihrer Messinstrumente versprechen sie, zum Beispiel Laien aus dem Wirtschaftsbereich, ein sicheres „Urteil“ über eine Person ermitteln zu können, die gerade für eine Stelle eingestellt oder auf eine höhere befördert werden soll. Trotz der Beteuerung der Inhaltstheorien, dass alle Persönlichkeitsausprägungen „erst einmal gut“ seien und darin keine Wertung liege, werden die Konzepte zur Auslese und in manchmal skurrilen, weil wenig wertschätzenden Feedbackrunden genutzt. Feedback in einer guten Weise zu geben und nehmen zu können, ist eine hohe Herausforderung, für deren Gelingen eine große Reife auf beiden Seiten nötig ist. Dies ist den Veranstaltern von Assessment Centern und Development Centern oft nicht bewusst. Firmen setzen diese Tests immer noch gerne und gewohnheitsmäßig ein, weil darin für die Ausführenden auch die Verlockung einer sonst kaum möglichen Machtposition liegt. Allerdings erzeugt man Gewinner und Verlierer. Die durch Feedback Verwundeten werden dann oft zu Coachingklienten, weil in ihnen eine Inkonsistenz zwischen ihrem Selbstbild und dem befürchteten Fremdbild entsteht.

Es gibt zwar mittlerweile eine unüberschaubare Anzahl von Persönlichkeits-Inhaltstheorien,  aber sie haben alle drei kritische Punkte gemeinsam. Als erstes nehmen sie in der Regel an, dass die Merkmale zeit- und kontextunabhängig sind. Persönlichkeit wird als überdauernd definiert. Jemand ist so, bleibt so, egal in welchem Umfeld. Dies widerspricht dem gesunden Menschenverstand und der Erfahrung, insbesondere wenn Menschen in extremere Situationen kommen. Dann kann man ihre Veränderungsfähigkeit sehr gut sehen, etwa in Bezug auf Extra- oder Introversion. Man könnte dann mit Udo Lindenberg sagen: Eigentlich sind sie ganz anders als sie sich jetzt verhalten. Diese mehr oder weniger entschuldigende Deutung erscheint ein wenig schwach. Wenn prinzipiell Veränderung möglich ist, ist es nur eine Frage der Kreativität beispielsweise des Coaches oder Mediators hier Unterstützung zu leisten.

Der zweite Kritikpunkt an den Inhaltstheorien ist ihre oft dürftige empirische Basis. Von den Persönlichkeitsmerkmalen weiß man aus einschlägigen Werken der Psychologie, dass es unzählig viele gibt. In den Tests werden sie immer auf ein überschaubares Maß reduziert. Man versucht jemanden mit ein paar, letztlich unveränderlichen Merkmalen quasi dingfest zu machen. Dies hängt schon mit ihrer Konstruktvalidität zusammen. Dies bedeutet, man unterstellt, dass das Konstrukt, das der Test als Merkmal herausgreift, wirklich ein relevantes für Persönlichkeit ist. Die Merkmale richten sich nämlich durchaus nach ihrer Verwertbarkeit etwa im wirtschaftlichen Bereich. Beispielsweise für eine Führungs- oder Vertriebsaufgabe ist die Frage nach der Extravertiertheit natürlich interessant (Blickle, 2013). An dieser Stelle fallen die Inhaltskonzeptvertreter – das ist der dritte Kritikpunkt – sich auch gerne selbst in den Rücken, indem sie dann wieder Trainings zur Veränderung einer Merkmalsausprägung anbieten, obwohl dies ja eigentlich der Definition eines Persönlichkeitsmerkmal widerspricht. Das Trainingsangebot ist jedoch oft lukrativ für die Berater und Ersteller der Persönlichkeitstheorie. Und was kümmert einen dann die Konsistenz der Theorie?

Allerdings sind die Persönlichkeits-Inhaltskonzepte in geläuterter Form durchaus verwendbar. Wenn man systemisch denkt und die Kontextbezogenheit bestimmter Äußerungsformen von Menschen und damit ihre Veränderbarkeit unterstellt, geben diese Persönlichkeitsverfahren eine Art Momentaufnahme, die erst bezüglich ihrer wirklichen Reliabilität, das heißt Geltung bezüglich unterschiedlicher Kontexte und Situationen für den Einzelfall zu prüfen ist. …

           

  1. Wie passe ich innerlich zusammen? – Persönlichkeitsprozesskonzepte

Persönlichkeitsprozesskonzepte sagen etwas darüber aus, wie eine Persönlichkeit in verschiedenen Elementen zusammenwirkt. Dazu zählen Konzepte zu Persönlichkeitsteilen, so genannte Ichzustands-Theorien. Es gibt mittlerweile eine ganze Reihe psychologischer Konzepte, die die menschliche Psyche als aus mehreren Persönlichkeitsteilen bestehend beschreiben (Federn, 1953; Berne, 1961; Watkins und Watkins, 1997; Allen, 2003; Fritsche und Hartmann, 2010; Peichl, 2013).

Die Ichzustände sind Teilpersönlichkeiten und zeichnen sich durch ein inneres Muster aus Erleben und Einstellungen aus und sind mit einem äußeren Verhaltensmuster verbunden (Berne, 1961). Im Laufe unseres Lebens bilden wir unzählige Ichzustände, wenn sich Denken, Fühlen und Verhalten zu jeweils festen Muster („Pattern“, Mohr, 2012a) zusammenfügen. Viele der Ichzustände sind uns nicht mehr bewusst. Aber sie haben Adresse und Telefonnummer, wie es Steiner (1997) einmal ausdrückte. Es sind keine nebulösen inneren Phänomene.

Die als Persönlichkeitsanteile unterschiedenen Ichzustände stehen dabei vor allem in Beziehung zueinander. Und auf die Qualität dieser inneren Beziehungen kommt es an. Denn die strahlt nach außen aus und wird in die Kommunikation mit anderen transferiert. Eigentlich bilden Menschen von klein auf nicht Ichzustände, sondern Beziehungszustände (Little, 2005). Nicht ihre einzelne Wirkung sondern ihre Art des Zusammenwirkens macht die Ausdrucksqualität aus. In seinem Konzept des inneren Teams hat Schulz von Thun (1998) hier Äußerungsformen analog zu Führungsbeziehungen beschrieben, etwa als autoritär oder kooperativ.

Die Beziehung kann in sieben Stufen unterschieden werden (Fritsche und Hartmann, 2010):

  1. Kennen die Ichzustände einander?
  2. Können sie miteinander kommunizieren?
  3. Haben die Ichzustände Empathie füreinander?
  4. Können sie Verständnis füreinander ausdrücken?
  5. Werden Erfahrungen gemeinsam erlebt?
  6. Gibt es ein Co-Bewusstsein der verschiedenen Teile?
  7. Wirken sie wie eine ideale, innere Familie zusammen?

Eigenmediation (Einmittung) ist dabei die Arbeit, einen Beziehungszustand zu erreichen, der eine gute Kommunikation und ein kooperatives Zusammenwirken der Ichzustände ermöglicht. Die innere Beziehung der Ichzustände ist für äußere Konflikte sehr relevant, da man einen direkten Zusammenhang zwischen dem Verhalten in sozialen Situationen und den inneren Beziehungsrepräsentationen in Form der Ichzustände annehmen kann. Im schlimmsten Falle kennen sich die eigenen Ichzustände gegenseitig überhaupt nicht oder einzelne sind absolut dissoziiert. Ideal ist es, wenn die Ichzustände einander gegenseitig ergänzen und unterstützen. Und die Art des Zusammenwirkens der Ichzuständen oder auch die Integration neuer Persönlichkeitsteile ist unter der Maßgabe der Neuoplastizität des Gehirns deutlich möglich.