Persönlichkeitsberatung mit dem Konzept des Inneren Teams der Ichzustände

Was geschieht, wenn die Ichzustände der Transaktionsanalyse auf die Idee vom Inneren Team treffen.

Günther Mohr

Einleitung zum Inneren Team

Im Inneren Team hat Schulz v. Thun (1998) die verschiedenen in einer Person für eine Fragestellung relevanten Persönlichkeitsanteile dargestellt. Die Transaktionsanalyse postuliert in ihrem Funktionsmodell eine bestimmte Typologie von inneren Persönlichkeitsanteilen, die sich nach außen und nach innen auswirken. Das lässt sich gut verbinden. 

Die funktionalen Ichzustände der Transaktionsanalyse sind eine Typologie des Inneren Teams.

Funktionale Ichzustände der Transaktionsanalyse sind…

  • Ich-Zustände in ihrem Ausdruck (Funktionsmodell) 
  • oEL = orientierendes Eltern-Ich
  • fEl = fürsorgliches Eltern-Ich
  • ER=Erwachsenen-Ich
  • fK=freies Kind-Ich
  • ak=angepasstes Kind-Ich
  • rK=rebellisches Kind-Ich

Diese didaktische Variante ist meist schnell einsichtig und erspart ausführliche Erklärungen, um das Wesen der Persönlichkeit zusammengesetzt aus Teilpersönlichkeiten zu verdeutlichen. Dabei stelle ich visualisiert die einzelnen funktionalen Ich-Zustände in der Reihenfolge beginnend mit dem freien Kind-Ich, über das angepasste Kind-Ich, das rebellische Kind-Ich, die beiden Eltern-Ich-Zustände bis hin zum Erwachsenen-Ich dar.

Die hier vorgeschlagene Vorstellungs- und Visualisierungsidee der Ich-Zustände in einer Person hat eine längere Tradition.

  • Mary Goulding (2000) spricht von „Kopfbewohnern“.
  • Hans Jellouschek (2000) spricht – allerdings bezogen auf das strukturanalytische Herkunftsmodell – von der „Familie in mir“.
  • Leonhard Schlegel (2000) hat in einem Aufsatz die systemische Therapie der inneren Familie nach Richard Schwartz mit dem TA-Ich-Zustandskonzept verglichen. Die Vorstellung des inneren Teams der Ich-Haltungen gibt die Suggestion, dass sie ähnlich so wie Organe als Teile eines Organismus zusammenwirken. Dies bildet eine positive Grundidee jedes funktionalen Ich-Zustandes und der Möglichkeiten ihres Zusammenwirkens ab. 

Man hat so den Vorteil alles nützen zu können, was die von Friedemann Schulz v. Thun beschriebene Idee des inneren Teams ausmacht.

Anwendungen des Modells in der Beratungsarbeit

Diese Konzeption führt zu einer ganzen Reihe von Fragestellungen, die in der Persönlichkeitsberatung bearbeitet und reflektiert werden können: 

  • Welcher Ich-Zustand hat in welcher Situation die Funktion inne, als „Lautsprecher“ nach außen zu wirken? 
  • Zwischen welchen Ich-Zuständen finden typische „innere Dialoge“ statt? 
  • Welcher Ich-Zustand ist bei einer Person „ausgeblendet“, zurückgesetzt, überbetont etc.? Wer kommt nicht zu Wort?
  • Welcher „Stil des Zusammenwirkens“ hat sich zwischen den inneren Ich-Zuständen eingespielt? Grübelei, Übelkeit, Überdrehtsein oder Unentschiedenheit als Gemütszustand?
  • Wie ist der „innere Führungsprozess“ gestaltet? Gibt es demokratische, partizipative oder autoritäre Entscheidungen? Gibt es situative Führung? Können die inneren Zustände in einen echten Dialog treten? Wer hört diesen Dialogen zu? Formiert sich ein konstruktives Bestimmer-Ich, das die Vielfalt in Einigkeit bringen kann?

Insgesamt bietet dies für die gestalterische Darstellung schöne Möglichkeiten in der Beratung.

Dies bringt auch absolute Neulinge in der Transaktionsanalyse sehr schnell zum Nachdenken darüber, was sie von diesen Aspekten bei sich erleben. Meine Beobachtung ist, dass die Vorgehensweise über das innere Team so eingängig ist, das man Übungen zum Eintauchen in einzelne Ich-Zustände oder zur Anwendung beispielsweise bei einer konkreten Problemlösung sehr schnell einsetzen kann. Aufwendige Listen von Verhaltensbeschreibungen der einzelnen funktionellen Ich-Zustände werden meiner Erfahrung nach dann von den Lernenden nicht mehr benötigt. Es scheint ein intuitives Erschließen der einzelnen Ausdrucksqualitäten stattzufinden.  

Überzeichungen und Einseitigkeiten einzelner innerer Teammitglieder können auf dieser Basis dann als Erweiterung vorgestellt werden. Je nach dem, wie komplex man hier schon einzelne mögliche Perspektiven der Ich-Zustände erwähnen will, kann man den Differenzierungsgrad wählen. Dies ermöglicht, auch andere Aspekte aus den Ich-Zustandskonzepten anzufügen. 

Weitere Aspekte der Ichzustände der Transaktionsanalyse in der Beratung

  • So kann man beim freien Kind-Ichzustand entwicklungspsychologische Hypothesen anfügen, beispielsweise dass man hier modellhaft die Grundausstattung des Menschen in Form der Grundbedürfnissen (Anerkennung, Reize, Struktur) erwähnen kann. 
  • In der Visualisierung kann der freie Kind-Ichzustand ein Stück „unter die Gürtellinie“ reichen, um auch diesen Teilaspekt anzudeuten. 
  • Bei den Eltern-Ichzuständen kann man auf den Zusammenhang von Orientierung und Fürsorglichkeit mit der Werteorientierung eingehen und damit Brücken zu anderen Ichzustands-Ideen bauen. 
  • Im Bild ergibt sich die Möglichkeit, das Erwachsenen-Ich mehr in der Weise des situationsangepassten Moderators und Vermittlers für Innen- und Außenimpulse darzustellen. 
  • Die Darstellung bietet die Chance innere Beziehungsdynamiken, zum Beispiel gleichzeitiges Internalisieren einer elterliche Haltung als Modell und Aufbau und einer eigene darauf bezogenen Reaktion darauf, also von zwei Ich-Zuständen aufzuzeigen. 

weitere Ideen für die Beratung mit Transaktionsanalyse

Viele weitere Ideen lassen sich über das Vorstellungsbild des inneren Teams der Ich-Zustände anknüpfen. Das Funktionsmodell liegt durch seinen Verhaltensaspekt sehr nahe zum Erfahrungsraum von Newcomern. Wieweit man davon ausgehend auf andere Ichzustands-Perspektiven verweist, kann man frei davon abhängig machen, wie komplex die Landkarte werden soll. 

Eine Variante in der Metaphorik ist, bei der Darstellung verschiedener innerer Instanzen von einem inneren Parlament zu sprechen, wie es der Hypnotherapeut Gunther Schmidt tut. Die Parlamentsmetapher löst mehr unterschiedliche innere Bilder bei den Zuhörern aus als die Teammetapher. Aber sicher ist diese Welt manchmal als Abbildung für innere Fraktionsbildung oder Machtpolitik interessant. Die Teammetapher von Schulz v. Thun greift weiter. Sie knüpft einerseits bei jedem Menschen an Erfahrung an und hat auch den normativen Aspekt, dass Teamarbeit einen eher positiven Klang hat.  

Insgesamt erscheint die Metapher des inneren Teams für die funktionalen Ichzustände als eine recht gut verdauliche und nahrhafte Kost zu wirken, die sowohl in der Beratung (Coaching, Supervision, Mediation) ebenso hilfreich ist wie in der Beratungs- und Coachingausbildung auch.

  • Trautmann, R.L. & Erskine, R.G. (1981): Egostate Analysis: A Comparative View. Transactional Analysis Journal 11 (2), S. 178-185.
  • Goulding, M. (2000): Kopfbewohner oder wer bestimmt dein Denken? Paderborn: Junfermann.   
  • Jellouschek, H. (2000): Die Familie in mir, Audio-Cassette, Münsterschwarzach: Verlag Abtei.
  • Mohr, G. (2001): Neopsyche – Wie erwachsen ist das Ich?, Zeitschrift für Transaktionsanalyse, 18, 1-2, S. 42-59.
  • Schulz v. Thun, F. (1998): Miteinander reden 3 – Das innere Team und situationsgerechte Kommunikation, Hamburg: Rowohlt.
  • Schlegel, L. (2000): Die systemische Therapie mit der inneren Familie nach Richard Schwartz und die Transaktionsanalyse, Zeitschrift für Transaktionsanalyse, 17, 1-2, S.6-38.