Konzepte der Transaktionsanalyse zur Unterstützung eines transformativen Mediationsstils

Das transaktionsanalytische Menschenbild, die Grundhaltungen und das Dramadreieck und einige hilfreiche Konzepte mehr.

Transformative Mediation wird als ein Prozess definiert, in dem der Dritte die Konfliktparteien darin unterstützt, ihre Konfliktinteraktion von einer negativen und destruktiven in eine positive und konstruktive Konfliktkommunikation zu verändern: Statt über Streitpunkte soll über Lösungsmöglichkeiten gesprochen werden.

Diese anvisierte Transformation, die Veränderung der Krisenkommunikation, wird dadurch ermöglicht, dass der Mediator anhand der aktuellen Kommunikation sogenannte Empowerment- und Recognition-Veränderungen anregt.

  • Empowerment-Veränderungen befähigen die Parteien, sich wieder mit ihren Stärken wahrzunehmen und selbstbewusst zu agieren, was in Konflikten regelmäßig zu bröckeln beginnt.
  • Recognition-Veränderungen hingegen führen dazu, dass die Beteiligten die Interessen und Bedürfnisse nicht nur von sich, sondern auch von den anderen wahr- und ernstnehmen können.

Die Konzepte der Transaktionsanalyse können bei dieser vermittelnden Arbeit helfen. Im folgenden sind drei Konzepte ausführlich dargestellt und weitere in tabellarischer Form aufgeführt.

Die Transaktionsanalyse

Die Transaktionsanalyse (TA) ist eine psychologisch basierte Theorie der menschlichen Persönlichkeit. Sie wurde Mitte des 20. Jahrhunderts von dem US-amerikanischen Psychiater Eric Berne begründet. Ihr Anspruch ist es, psychologische Erkenntnisse in anschaulichen Konzepten darzustellen, mit denen die individuelle und soziale Realität reflektiert, analysiert und gestaltet werden kann.

1. Konzept: Das Menschenbild der Transaktionsanalyse

Dass von der Transaktionsanalyse in den vergangenen 50 Jahren konzipierte und für die Beratungsarbeit (auch in Konfliktsituationen) fruchtbar gemachte Menschenbild bildet die Grundlage transaktionsanalytischer Arbeit und kann die transformative Mediation in ihrem Anliegen, Empowerment- und Recognition-Veränderungen anzuregen und zu unterstützen, flankieren.

Kernelement des transaktionsanalytischen Menschenbildes ist die Autonomie des Menschen, verstanden zunächst als grundsätzliche Wahl- und Entscheidungsfreiheit des Menschen, seinem Leben Gestalt zu geben. Daraus erwächst ihm als Individuum (=unteilbare Einheit) auch eine Entscheidungsnotwendigkeit. Dies liegt ganz auf der Linie der Transformativen Mediation.

Dem transaktionsanalytischem Menschenbild sind vier ineinandergreifende Grundannahmen über Menschen inhärent.

  • Die Menschen sind in Ordnung: So wie wir Menschen sind, ist es schon in Ordnung und wir kommen mit Anlagen auf die Welt, die uns grundsätzlich kooperativ und sozial sein lassen. Gleichwohl ist es angebracht, auf die kulturellen Entwicklungen etwa von Gewalt innerhalb sozialer Gruppen hinzuweisen, die verdeutlichen, dass diese Sichtweise mehr das Ergebnis eines langen, sozialisierenden Weges ist und keineswegs „gott- oder naturgegeben“. Jeder Mensch ist zwar in der Lage, schlimme Dinge zu tun, kann andere verletzen, quälen, gar töten. All das betrifft indessen sein Verhalten. Seinen Wert als Mensch hingegen verliert der Mensch dadurch aber nicht (vgl. etwa Art. 1 Abs. 3 Grundgesetz, Verbot der Todes- sowie der lebenslangen Haftstrafe). Er bleibt Respektsperson – und grundsätzlich in der Lage, sein Verhalten den sozialen Erfordernissen anzupassen.
  • Der Mensch fühlt, denkt und handelt entsprechend: Soweit keine schweren Körperschädigungen vorliegen, verfügt jeder Mensch über die Fähigkeit zu fühlen,zu denken und entsprechend zu handeln. Diese Annahme findet sich etwa in der – auf Paul Federn aufbauenden – Theorie der Ichzustände wieder. Die Stimulierung der einzelnen Dimensionen, vermittelt über seine Sinnesorgane,  ermöglichenes dem Menschen, die Welt zu erfahren, durch sie zu lernen und sich in ihr zu entwickeln.
  • Der Mensch kann entscheiden und seine Entscheidungen widerrufen: Die Möglichkeit und Fähigkeit zur Entscheidung ist ein verbindendes Element transaktionsanalytischer Konzepte, das im Menschenbild seinen Ursprung aufweist – Menschen entscheiden (bewusst oder unbewusst) über Ihre Gedanken, Gefühle und Verhaltensweisen. Diese Vorstellung ist für die mediative Konfliktbearbeitung fundamental, weil ansonsten die Arbeit des Mediators „sinnlos“ wäre.
  • Der Mensch strebt nach Autonomie: Des Menschen streben nach Autonomie, wie es auch die Transformative Mediation postuliert, stellt sich als das Streben nach Aktualisierung und Belebung von Selbstwirksamkeit und Entscheidungsfreiheit dar, als wahrnehmbare Möglichkeit, sich in seiner Autonomie fühlend und denkend zu erleben. Das ist ganz konsequent, da im Vorstellungsbild der Transaktionsanalyse Leben vor allem Entscheiden zu sein scheint. Und derlei Entscheidungen sind Ausdruck sowohl der eigenen Freiheit („auto“) als auch der eigenen Gebundenheit („nomos“).

2. Konzept: Grundeinstellungen

Die Basis für eine wirkungsvolle Arbeitsbeziehung (auch in der Mediation) und Gesprächsführung ist die grundlegende, innere Haltung, mit der sich Menschen begegnen. Soweit die Kommunikationspartner eine Haltung „aufgebaut“ haben, in der sie sich und die anderen wahrnehmen und als eigenverantwortliche und gleichwertige Individuen respektieren, können sie sich umfänglich zum Ausdruck bringen (Selbstverwirklichung). Eine solche Haltung wirkt einladend und „entwaffnend“. Menschen mit dieser Haltung und Einstellung sich und anderen gegenüber schauen weder auf den Anderen herab, noch zu ihm auf.

Die Idee der Grundeinstellungen konzeptualisiert die grundlegenden Möglichkeiten derartiger innerer Haltungen. Sie ordnet die grundsätzlichen Überzeugungen, die sich Menschen über sich selbst, die anderen und die Welt an sich bilden, in ein vierzelliges Grid. Dieses Modell, auch ok-Geviert (Stewart/Joines) oder ok-Corral (Ernst) oder Windows on the World (Hay) genannt, dient zur expliziten Verwendung zur Klärung von Konfliktkommunikationen. Konflikte, in denen beide Parteien ums Recht-Haben streiten, können ebenso einleuchtend identifiziert und erklärt werden wie Konflikte, bei denen die Parteien darum streiten, wer mehr zu leiden habe(und deshalb Fürsorge, Rücksichtnahme oder anderes vom anderen beanspruchen dürfe). Es ermöglicht auf einfache und effektive Weise eine Einordnung und Verortung ganz konkreter Empfindungen, Gedanken und Verhaltensweisen und lässt sie – oftmals in neuer Perspektive– begreiflich werden. Überblicksartig lassen sich folgende relevante Einordnungen vornehmen:

Für den Transformativen Mediator lässt sich das Grid einerseits zur Vorbereitung seiner Arbeit nutzen, vor allem zur Reflexion seiner eigenen Grundhaltung gegenüber den Medianten und deren Konfliktkommunikation. Zum anderen lässt sich anhand des Grids relativ schnell und praktikabel ein erster Eindruck der Kommunikationsdynamik vornehmen. So zeigt die Erfahrung, dass eine häufige Konfliktdynamik darin besteht, dass der anfängliche Beziehungs- bzw. Arbeitsvertrag von „Untersicher“ mit „Übersicher“ bewusst oder unbewusst in Frage gestellt wird – und an einer Änderung, Ergänzung, Wandlung oder kurz an einer Transformation gearbeitet wird, aber eben auf destruktive Art und Weise. Dies zu durchschauen, entsprechende Hypothesen zu bilden, sie zu überprüfen oder auch explizit mit dem Grid zu arbeiten, ermöglicht das Modell der Grundeinstellungen dem transformativ arbeitenden Mediator.

3. Konzept: Dramadreieck

Das Dramadreieck ist eine grafische Konzeption, die in nahezu archetypischer Weise die eskalierende, destruktive Dynamik von Konflikten verdeutlicht. Die ursprüngliche Konzeption stammt von Steven Karpman.  Es setzt sich aus drei konfliktkonstituierenden psychologischen Rollen (nicht Personen!) zusammen. Das Dramadreieck lässt sich in Mediationen nutzen, um inhaltlich und (geo-)grafisch konstruktive Ideen und destruktive Dynamiken abzubilden und zu verdeutlichen. Für Mediationen lässt es sich mit dem skizzierten Menschenbild der Transaktionsanalyse und der (Transformativen) Mediation verbinden, was am konstruktiven – typischerweise runden – Verantwortungstisch geschieht.

Im Dramadreieckgibt es die psychologischen Rollen des „Verfolgers“, „Opfers“ und „Retters“. „Rollengeleitete“ Personen im Dramadreieck agieren stereotyp, wenig authentisch, auf eine „gewohnte“ Art und Weise, die keinen Raum für flexibles, angemessenes Handeln parat hält. Sie denken, fühlen und handeln, wie sie es bereits anderswo und anderswann etabliert haben. Für Gesprächspartner scheint es kaum möglich, in kommunikativen Kontakt und Austausch zu kommen. Gespräche fühlen sich an, als hätte „eine Schalplatte einen Sprung“. Was sind die Hintergründe und (unbewussten) Motive für diese psychologischen Rollen?

Beitrag: Das Dramadreieck als Analyse- und Interventionsinstrument

Die Verfolgerrolle wird von Personen bevorzugt, die andere kommunikativ herabsetzen, sie übermäßig kritisieren, sie bestrafen (wollen) oder sogar verletzen. Das bevorzugte, stets wieder aktualisierte Kommunikationsthema ist Kritik, Anklage und Verurteilung; anderen Menschen wird zugesetzt und auf ihnen „herumgehackt“. Das entspricht der typischen Form von Kontaktaufnahme und –gestaltung, wenn Personen in der Verfolgerrolle agieren.Ihre Grundeinstellung ist dann „Ich bin o.k., du bist nicht o.k.“. Typischerweise pflegen Personen, die die Verfolgerrolle bevorzugen, Ersatzgefühle (….) des Ärgers und der Wut. Abgewertet und missachtet wird bei all dem einerseits das eigene Bedürfnisse nach Nähe und Intimität (Vertrautheit!) und andererseits der Wert und die Würde des anderen.

(Kommunikatives) Thema der Opferrolle ist die eigene Hilflosigkeit und die (vermutete) Ablehnung durch andere. Ausgefüllt wird diese Rolle nicht nur mit offener Hilflosigkeit, sondern auch mit lockender Schüchternheit, verführerischer Kindlichkeit oder vermeintlicher Unwissenheit bis zur tollpatschigen Unbeholfenheit. In der Opferrollehaben Personen die Grundeinstellung „Ich bin nicht o.k., du bist o.k.“, mitunter auch „Ich bin nicht o.k., du bist nicht o.k.“. Häufig sind Ersatzgefühle Ängstlichkeit und Traurigkeit. Dabei werten die Personen ihre Fähigkeiten zur Problembewältigung ab oder ignorieren sie schlichtweg.

Themen der Retterrolle sind Befreiung und Erlösung, Sicherheit und Trost. Kommunikativ wird dabei oftmals eine gewisse Allwissenheit angeboten (zumindest, was die Probleme des Opfers betrifft), und mit zum Teil unsagbarem Mitleid, mit Sorgenbekundungen und schier grenzenloser Hilfsbereitschaft, aber auch mit ungefragten Ratschlägen und Rettungstaten (re-)agiert und zuweilen traktiert. Die Retterrolle wird – wie schon die Verfolgerrolle(!) – auf der Basis von  „Ich bin o.k., Du bist nicht o.k.“ im sozialen Feld ausgefüllt. Das wird deutlich an den Abwertungen gegenüber den vermeintlichen und ausgemachten Opfern. Deren Problemlösungsfähigkeiten werden ausgeblendet, lächerlich gemacht oder schlicht, aber rigoros abgewertet und missachtet. Das ist nur konsequent: Denn Retter brauchen Opfer, um Retter sein zu können. Sie fixieren kommunikativ und in der Beziehungsgestaltung (ihre) Opfer, damit sie Retter bleiben können. Zuweilen lässt sich zu Personen, die die Retterrolle bevorzugen, gar nicht anders Kontakt aufnehmen, als durch Vorzeigen eines „Opferausweises“. In der Retterrolle wird das eigene Bedürfnis nach gleichberechtigter (und damit emotional gleich riskanter) Kontaktgestaltung ausgeblendet. Häufig sind Ersatzgefühle von selbstgefälliger Überlegenheit und grundloser Lösungssicherheit durchaus den „eigentlichen“ Gefühle der Angst und Unsicherheit, aber auch der Traurigkeit und Ärgerlichkeit vorgeschaltet. Retter sind letztlich nicht die Spiegelbilder der Opfer, sondern der Verfolger.

In der Mediation lässt sich das Konzept an passender Stelle(!) knapp darlegen und die Beteiligten können zügig ein inneres Bild ihrer Situation entwickeln. Es zeigt deutlich, dass das Zusammensetzen (am runden Tisch) förderlich ist, um aus der häufig wahrgenommenen Eskalation herauszukommen. Die grafische Konzeption mag dabei helfen, die Entwicklung vom Dramadreieck hin zum runden Mediationstisch zu nutzen, um die gemeinsame Verantwortungsmitte zu verdeutlichen und aufzufinden, nicht zuletzt durch Verknüpfung der mediativen Basisgedanken mit den Anliegen der Transaktionsanalyse. Deutlich wird an dieser Konzeption auch, dass Transformation vor allem durch Begleitung des Kommunikationsprozesses erfolgt, weniger durch die Vorgabe eines solchen.

Übersicht zu weiteren, anschlussfähigen Konzepten der TA

Die Transaktionsanalyse hält noch weitere, zum Teil sehr kontextspezifische Konzepte und Modelle parat, die eine transformativ ausgerichtete Mediation nutzen und integrieren kann. Sie eignen sich sowohl für die Ausbildung als auch für die Praxis der Mediation

Beitrag: 33 Konzepte der Transaktionsanalyse für die Mediation