Aufsatz: Mediation in und für Organisationen.

Für eine strategie- und zukunftsbezogene Konfliktbearbeitung.

Teil 2 – Funktionswandel und Praxiskonzept

in: Perspektive Mediation 4/2019

Dr. Sascha Weigel

Es handelt sich vorliegend um den zweiten Teil des Beitrags „Mediation in und für Organisationen“, der die These ausfaltet, dass Mediation als Konfliktmanagementverfahren in Organisationen eine „Veranstaltung der Organisation“ ist. Sie findet keineswegs nur zum persönlichen Wohle der unmittelbar Beteiligten statt, sondern dient der beauftragenden Organisation. Gelingt diese Entwicklung, ist das Mediationsverfahren für Organisationen, die sich dem permanenten Innovationsund Veränderungsdruck der VUKA-Welt (Teil 1) ausgesetzt sehen, eine interessante Alternative zu herkömmlichen Konfliktmanagementverfahren.

Bemerkenswert bei der Frage nach der Jobentwicklung ist, dass die Digitalisierung kaum Jobs für ungelernte, gering qualifizierte Arbeitskräfte schafft, wie dies bei der Industriellen Revolution der Fall war. Es mag eine gewisse Ironie der Geschichte sein, dass die industrielle Revolution die hochqualifizierte Handwerkskunst verdrängte, indem sie die Arbeit in kleinste Schritte zerlegte und Ungelernten übertragen konnte, die nicht mehr denken und geschickt sein mussten, sondern einen einzigen Handgriff hundertmal am Tag ausführen sollten, während in der digitalen Transformation diese typischen Routinejobs beseitigt und wenigen hochqualifizierten Digitalisierer*innen übertragen werden.

Wie bisher auch werden diese Veränderungen in der Arbeitswelt zu angstgetriebenen Konfliktpotenzialen führen, für die die Führungsetagen, der generelle Teamgeist oder die Organisationskultur verantwortlich machen werden. Bedeutsam ist jedoch, dass die unmittelbar wahrnehmbaren Verkörperungen dieser Ängste konkrete Interaktionspartner sein werden, aber als Konfliktpartner wohl ausscheiden. Webstühle können im Ansturm zerstört werden, aber was will man gegen eine Software unternehmen, wenn man nicht mal weiß, wo der Stecker ist? Wenn die Zukunft „gut“ daherkommen wird, interagieren wir mit KI-Systemen wie mit Menschen, aber wenn es schlecht läuft, können wir vermutlich nicht mit ihnen streiten. Oder aber, wir werden uns daran gewöhnen, nicht nur mit Tieren zu reden, uns ihnen unsere Gedanken, Sorgen und Ängste mitzuteilen, sondern auch mit den interagierenden Maschinen (in) der Zukunft. Und was wird das für den Umgang mit unserem Emotions- und Rationalitätshaushalt bedeuten, wenn algorithmisch ausgereifte Interaktionspartner unsere Konfliktpartner sein werden? Oder streiten wir eigentlich mit den Programmierer*innen und Datensammler*innen? Es war – wie angedeutet – eine Sache, die Webstühle im 19. Jahrhundert zu zerstören oder die DOS-betriebenen PCs im 20. Jahrhundert wutentbrannt anzuschreien, aber eine ganz andere Sache wird es sein, seine „Konfliktgefühle“ mit einem KI-System des 21. Jahrhunderts austragen zu wollen: Wohin mit der Angst, dem Ärger und der Wut ebenso wie mit Unverständnis und der Ungläubigkeit bei Interaktionspartnern bzw. -maschinen, denen wir zwar schnell menschliche Züge und Eigenschaften zuschreiben, die aber letztlich keine Menschen sind? Was wird zukünftig noch ein technisches Problem sein und was ein interagierender Konflikt zwischen sozialen Entitäten?19 Vielleicht stellen sich KI-Systeme dann doch als die „besseren“ Konfliktpartner oder gar -lehrer heraus.

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