INKOVEMA-Podcast „Gut durch die Zeit“

#209 GddZ – Gerechtigkeit, Nachhaltigkeit und unser Bild vom Menschen.

Beiträge aus der Konfliktdynamik. Teil 3.

Im Gespräch mit Prof. Elisabeth Kals

Prof. Dr. Elisabeth Kals, geb. 1966. Studium der Psychologie an der Universität Trier sowie der University of Reading/England; 1991 Diplom im Fach Psychologie; 1993 Promotion („summa cum laude“, seit 2003 Professorin für Sozial- und Organisationspsychologie an der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt, Forschungsschwerpunkte: „Verantwortung, Gerechtigkeit, Werte“. Anwendung dieser auf umweltrelevantes Handeln, Handeln und Entscheiden im Kontext von Organisationen, Motivanalyse freiwilliger sozialer Engagements, Fragestellungen der Gerechtigkeits- und Emotionspsychologie, Analyse sozialer Konflikte sowie Lösung mittels psychologischer Mediation. Ziel und Motivation des wissenschaftlichen Wirkens: Anwendung und Bereitstellung psychologischer Forschung für die Praxis.

Gut durch die Zeit.

Der Podcast rund um Mediation, Konflikt-Coaching und Organisationsberatung.

Kapitel

0:16 Herzlich willkommen zum Podcast

3:22 Gerechtigkeitsmotivation in der Mediation

7:58 Konflikte und Gerechtigkeitserleben

11:26 Vergangenheit vs. Zukunft in Konflikten

15:27 Die Rolle der Nachhaltigkeit

18:59 Der Paradigmenwechsel zur Nachhaltigkeit

22:30 Intergenerationale Gerechtigkeit

23:06 Menschenbilder und ihre Bedeutung

30:08 Mediation in gesellschaftlichen Konflikten

35:06 Schlussworte und Reflexion

Inhaltliche Zusammenfassung

In dieser Episode des Podcasts „Gut durch die Zeit“ tauchen wir tief in die komplexe Thematik von Menschenbildern und deren Einfluss auf Mediation, Konfliktcoaching und nachhaltiges Verhalten ein. Ich habe die Ehre, mit Frau Professorin Elisabeth Kals von der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt zu sprechen, einer Expertin auf diesem Gebiet. Wir nehmen den Fachartikel aus der Zeitschrift Konfliktdynamik als Ausgangspunkt für unsere Diskussion über den Zusammenhang zwischen Menschenbildern, Gerechtigkeit und nachhaltiger Konfliktbearbeitung.

Wir beginnen mit dem fundamentalen Fragen: Was sind Menschenbilder und wie prägen sie unser Verständnis von Gerechtigkeit und Konflikten? Frau Kals hebt hervor, dass Gerechtigkeit nicht als monolithisches Konzept verstanden werden kann, sondern vielmehr als pluralistisches Konstrukt, das sowohl kodifiziertes Recht als auch subjektive Gerechtigkeitserlebnisse umfasst. In der Mediation kommt es darauf an, diese unterschiedlichen Perspektiven zu erkennen und zu respektieren. Wir diskutieren spezifisch, wie das Erleben von Gerechtigkeit die Dynamik von Konflikten beeinflusst und wie Mediator:innen diese Einblicke nutzen können, um einen konstruktiven Dialog zu fördern.

Im weiteren Verlauf unserer Unterhaltung werfen wir einen Blick auf das Thema Nachhaltigkeit und dessen enge Verknüpfung mit Gerechtigkeitsfragen. Die Verschiebung von Umweltschutz hin zu einem breiteren Nachhaltigkeitsbegriff wird analysiert, insbesondere die Vielzahl an Interessenskonflikten, die damit einhergehen. Frau Kahls und ich betonen, dass die ökologische, ökonomische und soziale Dimension der Nachhaltigkeit integriert werden müssen, um gewaltfreie und gerechte Lösungen zu finden. Zudem erkunden wir, wie die Wahrnehmung von Gerechtigkeit und Fairness in diesen Kontexten funktioniert und welche Rolle die Mediation hierbei spielen kann.

Ein zentraler Punkt der Diskussion ist der Umgang mit vergangenem Unrecht in Konflikten, insbesondere in Arbeitsgruppen und Organisationen. Wir thematisieren das „Eisbergmodell“ von Konflikten, das die Idee illustriert, dass oberflächliche Konflikte oft tiefere, unverarbeitete Gerechtigkeitskonflikte verbergen. Die Erkenntnis, dass viele Konflikte in der Gegenwart von vergangenen Erfahrungen geprägt sind, erfordert von den Mediator:innen ein sorgfältiges Navigieren zwischen Vergangenheit und Zukunft. Wir stellen fest, dass nicht immer eine umfassende Aufarbeitung der Vergangenheit notwendig ist; manchmal reicht es aus, den Fokus auf eine gemeinsame, positive Zukunft zu richten.

Darüber hinaus beleuchten wir das Konzept von Menschenbildern, das nicht nur individuelle Gerechtigkeitsvorstellungen beeinflusst, sondern auch das Grundverständnis davon, wie wir als Gesellschaft Konflikte angehen. Ein humanistisch geprägtes Menschenbild fördert die Idee, dass Menschen in der Lage sind, eigene Verantwortung zu tragen und Konflikte selbstständig zu gestalten. Es wird erörtert, wie wichtig es ist, diese Denkweise in der Mediation zu verankern, um das Potenzial der Beteiligten zu mobilisieren.

Die Episode schließt mit einem Ausblick auf die Herausforderungen und Chancen, die sich in der Mediationspraxis ergeben, insbesondere im Hinblick auf gesellschaftliche Konflikte, die in der heutigen Zeit immer relevanter werden. Wir diskutieren Beispiele aus anderen Ländern, in denen Mediation erfolgreich eingesetzt wird, um soziale und ökologische Konflikte zu lösen. Durch diese Vergleiche wird deutlich, dass Mediation weit mehr als ein Verfahren ist; es ist eine Methode, die Transformationsprozesse anstoßen kann.

Diese spannende Diskussion beleuchtet die komplexen Zusammenhänge zwischen Menschenbildern, Gerechtigkeit, Nachhaltigkeit und der Rolle der Mediation in verschiedenen Kontexten. Unser Ziel ist es, ein tieferes Verständnis für diese Themen zu fördern und zu zeigen, wie Mediation als Werkzeug für positive Veränderung eingesetzt werden kann.

  • Landwehr, A., Strubel, I. T., Maes, J. & Kals, E. (2024). Ist das meine Verantwortung? . Ein Plädoyer für die Beachtung von Menschenbildannahmen bei der Erklärung und Förderung nachhaltigen Handelns. Konfliktdynamik13(3), 180-189.

Vollständige Transkription

 

[0:00]Und wenn man sich das in der Mediation bewusst macht, nicht maximale Verfolgung des eigenen Nutzens, sondern auch zu berücksichtigen, was heißt das für andere, was heißt das für die Gemeinschaft,
[0:16]
Herzlich willkommen zum Podcast
[0:11]dann zeigt das, dass wir ganz offenkundig diese Dinge auch transzendieren können. Herzlich willkommen zum Podcast Gut durch die Zeit, der Podcast rund um Mediation, Konfliktcoaching und Organisationsberatung, ein Podcast von INKOVEMA. Ich bin Sascha Weigel und begrüße dich zu einer neuen Folge. Heute soll es um Menschenbilder gehen, also um die Vorstellungswelt von Menschen, wie sich andere Menschen eben vorstellen, was die sind, was sie ausmacht, weshalb sie so handeln und denken fühlen, wie sie eben handeln oder auch nur scheinen zu handeln. Die Frage nach Menschenbildern in der Mediation hat Relevanz und für uns heute hier den Anlass gegeben, einen Fachartikel in der Konfliktdynamik, einer Fachzeitschrift für Mediation und Konfliktbearbeitung, die eben diesen Wirkungszusammenhang von Menschenbildern aufgreift und in dem Artikel speziell für die Erklärung und Förderung von nachhaltigem Verhalten. Und gewissermaßen wollen Medianten und die Mediation als Konfliktbearbeitung ja auch nachhaltig wirken und das ist ein Grund eben darüber zu sprechen. Und ich habe mir dafür eine Gästin eingeladen, die Expertin ist auf diesem Gebiet.
[1:24]Frau Professorin Elisabeth Kahls von der Katholischen Universität Eichstätt-Inkostadt. Herzlich willkommen, Frau Kahls. Vielen Dank und schönen guten Tag, Herr Weigel. Frau Kahls, bei der Einleitung zum heutigen Thema, die den Ausgangspunkt für mich hatte, diesen Artikel aus der Konfliktdynamik aufzugreifen, habe ich gemerkt, dass es doch ein paar Schritte sind von Menschenbild, Nachhaltigkeit zu Mediation und Fragen von Gerechtigkeit, Generationengerechtigkeit zu kommen, denn das ist eng verbunden mit dem Thema Nachhaltigkeit. Tasten wir uns mal ganz langsam ran. Zunächst mal zu Ihnen. Was haben Sie mit dem Thema zu tun, das Sie schon seit Jahren auch bearbeiten, Gerechtigkeit?
[2:10]Und was müssen wir für die Mediation als Verfahren grundlegend dazu auch wissen und beachten, wenn man sich darüber Gedanken machen will? Ja, vielen Dank für die Frage und auch für die Einführung. Tatsächlich ist das Feld ganz komplex. Also wenn man von Menschenbildern und davon im Fokus des Gerechtigkeitsmotivs über dieses Verständnis von Konflikten hin zur Lösung von den Konflikten sozusagen den Weg begehen möchte. Und das mache ich immer mit einem wunderbaren Team. Der Erstautor in dem Artikel ist Adrian Landwehr, der in diesem Bereich auch promoviert, auch selber zertifizierter Mediator ist. Das ist mir ganz wichtig zu sagen. Vieles von dem, was ich heute sage, ist keine Einzelleistung, sondern beruht auf Teamleistung und fußt tatsächlich auch auf den Überlegungen meines Mentors und Lehrers Leo Montada. Die Frage, die Sie stellen mit der Gerechtigkeit, was hat das überhaupt damit zu tun? Ich glaube, Gleich von Anfang an zu sagen, es ist gar nicht die Gerechtigkeit,
[3:22]
Gerechtigkeitsmotivation in der Mediation
[3:17]sondern einer dieser Leitsätze ist, Gerechtigkeit ist im Plural zu denken. Wir haben sozusagen dieses kodifizierte Recht auf der einen Seite, Sie als Jurist sind da der Experte.
[3:32]Vielen Dank. Ja, ist so. Und ich als Psychologin bin mehr die Expertin für das Gerechtigkeit.
[3:43]Gerechtigkeitserleben, das subjektive Erleben, ein kodifiziertes Recht und Gerechtigkeitserleben sind nicht identisch. Und in der Mediation treffen sie sich und es ist deshalb so wunderbar ein interdisziplinäres Feld, bei dem es wichtig ist, dass eben die Vertreter der verschiedenen Fächer miteinander im Austausch stehen. Und deshalb finde ich es so toll, dass gerade wir beide heute miteinander reden. Ich schließe da an. Also ich will zunächst nochmal diese Fläche oder diese Landkarte mit den Pflöcken. Also wir haben Nachhaltigkeit und das hat viel mit Generationengerechtigkeit zu tun und damit mit Gerechtigkeitsfragen. Und ja, das Recht hat ja die Idee, Gerechtigkeit als Idee sozusagen durch die Gesellschaft und durch die Historie zu treiben und nach der Gerechtigkeit zu suchen. Wir müssen das im Plural denken, weil das Erleben von Gerechtigkeit bei den beteiligten Menschen ein anderes ist, als objektiv rechtlich Gerechtigkeit verstanden wird. Und das, glaube ich, sehr anschlussfähig. Viele können Erlebnisse wachrufen, Erinnerungen, dass bestimmte Urteile zum Beispiel nicht gerecht erscheinen oder was anderes ist. Heißt es auch, nicht nur das Erleben von Gerechtigkeit ist individuell subjektiv, sondern man hat auch als Individuum eine eigene Vorstellung, was gerecht ist. Das wäre doch eigentlich die Notwendigkeit, um da eine Differenz überhaupt wahrzunehmen.
[5:11]Sie beziehen sich nochmal auf das Thema Nachhaltigkeit. Das ist halt ein wunderbares Beispiel, weil es eben die Komplexität widerspiegelt und es zunehmend relevant wird. Also heute heißt es Nachhaltigkeit, früher hieß es ja vielmehr noch Umweltschutz. Und wenn wir mal schauen, da kommt schon die erste Problematik rein. Vielleicht, wenn wir in das Thema einsteigen wollen, dann müsste man schon diese Begriffsveränderung betrachten. Beim Umweltschutz war die ökologische Säule die dominante. Bei der Nachhaltigkeit kommen ja schon andere Interessenssäulen rein. Das heißt, wir haben die ökonomische Säule, die soziale Säule.
[5:53]Und das ist interpretationsoffener, als wenn wir nur vom Umweltschutz reden. Und da zugleich gibt es auch Interessenskollisionen. Also das zentrale Thema ist, wie bringen wir die ökologische Säule in Einklang mit der ökonomischen Säule. Wir alle sind uns einig, beides ist wichtig. Aber wir kommen erst wirklich zu umsetzbaren Erkenntnissen, wenn wir es an einem Beispiel machen. Also wenn wir es wirklich am konkreten Fall diskutieren.
[6:23]Und da wird deutlich, warum alle von ihren eigenen Positionen überzeugt sind und von sich sagen, und das ist eine gerechte Entscheidung, beispielsweise wohin die neue Müllverbrennungsanlage gebaut werden soll. Und wenn ich das mit den Augen eines Mediators oder mit der Differenz von Gericht und Mediation in Verbindung bringe, dann habe ich auf der einen Seite ein Verfahren, das auf der Suche nach der objektiv gerechten Gerechtigkeit ist und organisiert einen Aushandlungsprozess zwischen relevanten Parteien, Kläger, Beklagte und der Richter als Vertreter des Volkes, in dessen Namen dann das Urteil gesprochen wird. Und in der Mediation haben wir ein Verfahren, wo wir bewusst und gewollt diese subjektiven Erlebensweisen als Maßstab für die Entscheidung nehmen.
[7:16]Das heißt doch, dass wir da auch Gerechtigkeit als Mediatorin gar nicht mal subjektiv einspielen brauchen, weil wir ja nicht die Beteiligten des Konfliktes sind. Was ist ein guter Umgang für Mediatoren in diesem Verfahren, wo es auf subjektive Gerechtigkeiten ankommt, beziehungsweise Frage, kommt es überhaupt entscheidend auf subjektive Gerechtigkeiten an bei der Mediation? Vielleicht das nochmal als Klärungsfrage vorweg. Ja, darauf gibt es, glaube ich, eine ziemlich kurze Antwort. Tatsächlich ist der Kern eines Konfliktes, ich würde immer sagen,
[7:58]
Konflikte und Gerechtigkeitserleben
[7:53]zumindest eines eskalierten Konfliktes, immer eine Gerechtigkeitsdimension. Das heißt, im Kern sind eskalierte Konflikte Gerechtigkeitskonflikte.
[8:04]Und deshalb ist es wichtig, das Gerechtigkeitserleben der beteiligten Parteien zu verstehen. Es geht dabei nicht um objektives Recht, sondern es geht tatsächlich auch nicht um die philosophische Dimension. Wie sollte es sein, sondern wie erleben die Menschen das? Und sobald Gerechtigkeitserleben verletzt wird, sobald man etwas als unfair erlebt, wird aus einem kalten Konflikt ein heißer Konflikt. Und die Aufgabe der Mediatorinnen und Mediatoren ist, diesen Konfliktkern zu verstehen.
[8:41]Das heißt, vom Konfliktgegenstand, der oberhalb der Metapher dieses Eisbergsmodells, runterzugehen in die Tiefe des Ozeans und zu verstehen, welche Motive sind verletzt. Und man kommt immer auch auf Gerechtigkeitsmotive, wenn der Konflikt eskaliert ist, zumindest. Das finde ich interessant, weil es nochmal einen Aspekt verdeutlicht, der meiner Beobachtung nach, aber auch manchmal meiner Arbeit nach in Wirtschaftsorganisationen oder auch in Teams und Arbeitsplätzen, die ja sehr zukunftsorientiert ist, wo wir in der Mediation schnell und deutlich die Zukunft stark machen. Aber wenn Sie sagen, Konflikte sind im Kern immer auch Gerechtigkeitskonflikte, dann haben wir häufig die Zeitdimension des Vergangenen, was eskalierend wirkt noch in der Gegenwart, immer mit im Arbeitskreis. Da kommen wir nicht drumherum. Wenn ich jetzt mal Gerechtigkeit oder verletzte Gerechtigkeit als ein Geschehen deklariere, was eben stattgefunden hat.
[9:39]Ja, ich stimme Ihnen da 100 Prozent zu. Der Blick in die Vergangenheit ist notwendig, um wirklich das gegenwärtige, jetzt stattfindende Ungerechtigkeitserleben zu verstehen. Und Sie sprechen da Kränkungen an, Verletzungen an. Und die trägt man ja mit, so als kleinen Rucksack. Und dann wartet man oft nur auf einen Anlass, um zum Beispiel jemandem was heimzuzahlen im beruflichen Kontext.
[10:05]Und man versteht gar nicht, wie dann aus so einer Kleinigkeit so ein eskalierter Konflikt entstehen kann. In der Mediation wird es dann klar, weil sich schon viel aufgestaut hat und weil es jetzt um der Rache geht zum Beispiel oder der ausgleichenden Gerechtigkeit. Wenn du da so viel bekommen hast, dann bin ich jetzt hier an der Reihe und das wird aber nicht ausgesprochen, sondern sehr oft, je nachdem in welchem Kontext man ist, mit wohlfeilen Argumenten dargeboten im Sinne von, hier, es macht aber mehr Sinn, meinen Lösungsvorschlag zu verfolgen, aber es geht letztlich nicht um die Sache, nicht um die Lösung, sondern es geht darum, etwa den anderen als Verlierer dastehen zu lassen und eigene Macht, eigenen Grund zurückzugewinnen. Das bringt mich zu dem Fragezeichen, dass die Erfahrung auch existiert, dass sich Parteien entscheiden können in der Mediation und mit den Mediatoren auch, reden wir über die Vergangenheit oder reden wir über die Zukunft? Und häufig wird auch gesagt, lass uns über die Zukunft reden. Aber ich meine auch die Erfahrung, also dass es nicht nur eine Flucht ist, ich will das jetzt nicht mehr angucken, was war, sondern wenn wir es schaffen, uns neu auszurichten, unser Ziel wieder gemeinsam anzupacken und dann auch in eine Richtung zu arbeiten.
[11:26]
Vergangenheit vs. Zukunft in Konflikten
[11:27]Dass ich doch hin und wieder, wenn ich gar häufig beobachte, nicht alles, was unklar oder verletzend war in der Vergangenheit, auch ausgeglichen werden muss. Also wieder Gerechtigkeit hergestellt werden muss, sondern ein attraktives, ein anziehendes Zukunftsbild, eine gemeinsame Ausrichtung, auch häufig Parteien, ausreicht, weiter zusammen zu bleiben privat wie auch beruflich also wo ich jetzt sagen würde da ist es gar nicht noch mal notwendig den umweg über die vergangenheit zu machen würden sie sagen dass es immer ein risiko gibt dass man gerne eingehen kann aber das bleibt oder haben sie auch die erfahrung dass das für parteien mitunter ja zu den akten gelegt werden kann ohne dass es ausgleich gibt ja das hängt von den jeweiligen parteien und der situation ab glaube Ich glaube, wichtig ist es, das Thema anzusprechen und zu adressieren. Aber es muss nicht alles bearbeitet werden. Was Sie gerade beschreiben, spricht dafür, dass noch relativ viel Gelassenheit bei den Konfliktparteien besteht oder vielleicht auch menschliche Größe.
[12:36]So, das hat dann manchmal auch damit zu tun, dass es dich über die Zeit relativiert hat oder auch unglaublich kraftvolle Methode und Wirksamkeit von aufrichtiger Bitte um Verzeihung. Das kann dann ganz schnell geklärt sein. Ja, da habe ich wirklich einen Bock geschossen, das tut mir leid, hätte ich nicht mehr so gemacht. Also, wenn der andere dann sagt, okay, danke für die Entschuldigung, Vielleicht habe ich aber auch ein bisschen überreagiert. Wenn ich es mir heute angucke, da hätte ich natürlich auch mal eine Nacht drüber schlafen können, als direkt so zurückzuschießen. Wenn so ein Dialog stattfindet, na großartig, dann ist ja die halbe Miete da. Ja, das wäre ja sozusagen wirklich ein Ausgleich geschaffen mit einer Entschuldigung, die landet und die angenommen wird und gewährt wird. Ich meine noch stärker das Phänomen, dass es wie so ein kleiner persönlicher Deal ist. Wenn wir es hier hinkriegen, wieder an die Spur zu kommen, dann kann ich drüber wegsehen, dass das damals wehtat. Das scheint mir jetzt eher keine kluge, wenn auch… Ja, tatsächliche Handlung zu sein, oder? Recht sich sowas für Beteiligte?
[13:49]Da war ja eine Bedingung in Ihrem Satz formuliert. Und diese Bedingung hat ja ein bisschen Erpresserpotenzial. Und da wäre ich ein bisschen vorsichtig. Also das würde ich so nicht gerne stehen lassen, sondern nachfragen. Also da klingt viel Vernetzung noch mit. Ja, die gefühlte Ungerechtigkeit, die auch, sagen wir mal, nicht vorgeschoben ist. Also es soll kein taktischer Move sein, weil die Allgemeinheit sagt, das macht man so nicht. Aber ich persönlich habe es überhaupt nicht verletzend aufgefasst, sondern ich meine schon den Fall, ich bin da verletzt worden, das hat mich schon getriggert, das tat schon weh. Aber wenn wir es hier hinkriegen jetzt, dass wir da eine Absprache treffen, dann ist dieses kleine erpresserische Moment da drin. Das sollten wir beachten als Mediatoren, wenn ich Sie richtig verstehe. Genau. Das ist ein Risiko.
[14:40]Weil dann ja immer die Möglichkeit besteht, in der nächsten Sitzung zu sagen, naja, bisher haben wir es ja nicht hingekriegt und dafür möchte ich nochmal darauf zurückkommen. Was war denn hier eigentlich der Anlass? Da ist eine Klärung bestimmt hilfreich, aber erfahrene Mediatoren und Mediatoren merken das ja. Das kann man ja auch einfach mitlaufen lassen. Man schreibt es mal auf und man guckt, wann es notwendig ist. Also man muss nicht in alle Tiefen von Kränkungen in der Vergangenheit hineingehen. Aber man darf sie nicht zu schnell übergehen, weil dann nur klar ist, wie das Verhalten heute zustande kommt und es sich erklärt.
[15:17]Aber das Ausmaß der Beachtung hängt von der Situation ab und der Person. Also Kompromisse können auch die Person mit sich selber eingehen.
[15:27]
Die Rolle der Nachhaltigkeit
[15:25]Sie sollten aber wissen, was sie da kompromittieren. Also auch zu den Erfahrungen passende Plädoyer dafür. Wir waren ja vorhin bei dem Thema von Nachhaltigkeit zu Gerechtigkeit gekommen. Und da würde ich noch mal kurz die Frage aufwerfen. Ist das für Sie überraschend oder zwingend auch, dass dieses Thema von Nachhaltigkeit jetzt alles unter der Überschrift von Gerechtigkeit abgehandelt wird? Oder ist es zwingend, dass dieses Thema Gerechtigkeit auch dann in der Mediation, einem Verfahren, wo es ja wirklich nur auf die Beteiligten ankommt, dass das dann dort auch so aufschlägt? Denn man hat ja häufig Mediation in harter Abgrenzung zum Gerichtsverfahren formuliert und auch gedacht. Und mir scheint mit dem Begriff der Gerechtigkeit ist da eine Verbindungslinie zwischen beiden gezogen, die doch sehr beachtlich und sehr stark ist, weil Gerechtigkeit steckt ja auch das Recht mit drin.
[16:22]Hey, du, der diesen Podcast hört, vergiss nicht, ihn zu bewerten und eine Rückmeldung zu geben. Vielen Dank und jetzt geht’s weiter.
[16:35]Tatsächlich hat bei mir die ganze Forschung sogar so begonnen und das hat sich so entwickelt über die Jahrzehnte. Ich habe Anfang der 90er Jahre meine Promotion im Bereich Umweltpsychologie geschrieben, Da noch längst nicht so ein etabliertes Feld wie heute. Und da ging es einfach um Engagements für den Schutz der Umwelt. Und da waren die ersten Fragen der Gerechtigkeitspsychologie drin. Und die waren hochrelevant. Und das hat sich so über die Jahrzehnte entwickelt, dass ich immer mehr zu der Erkenntnis gekommen bin, ja, Gerechtigkeit ist wirklich ein eigenständiges Motiv, das Streben nach Gerechtigkeit. Und es ist hochrelevant und eben nicht nur in der Nachhaltigkeit. Und deshalb ist das heute so toll, mit Ihnen darüber zu reden, weil sich in gewisser Weise der Kreis so schließt. Aber das war nicht von Anfang an mir so klar, sondern das ist mit der Forschung immer, immer klarer geworden. Und die Bedeutung von Umweltpsychologie, Nachhaltigkeitsforschung ist ja exponentiell gestiegen mit der Klimakrise. Und jetzt denke ich, ja, es ist zunehmend der Kern und der Kern von Gerechtigkeit, Recht und Gerechtigkeitserleben, auch der kristallisiert sich immer mehr heraus.
[17:52]Wir haben da leicht zeitversetzt. Eine ganz ähnliche Entwicklung scheint mir. Denn ich habe an der Universität dann als wissenschaftlicher Mitarbeiter an einem umweltrechtlichen Lehrstuhl angefangen. Das war dann später, also Mitte der Nullerjahre. Aber genau die Zeit kannte ich noch aus dem Studium, wo Umweltschutz das Thema war. Und ich weiß noch, Umweltrecht war nicht mein Kernthema, auch nicht an dem Lehrstuhl. Aber wie mehr und mehr die Begriffe von Nachhaltigkeit, nachhaltigem Arbeiten, nachhaltigem Denken, nachhaltigem Regulieren dann stark gemacht haben. Mir war das bis jetzt so gar nicht deutlich aufgefallen, dass das ein Wechsel der Begrifflichkeiten war. Ich hatte immer gedacht, so aus der mittelbaren Entfernung, das ist halt ein Aspekt von Umweltschutz und gar nicht sozusagen ein Wechsel, eine Erweiterung des Grundgedankens, der aus dem Umweltschutz kommt. Daher bin ich da sehr, sehr überrascht auch. Ja, das ist ein Paradigmenwechsel und gleichzeitig einer, der auch ein bisschen politisch instrumentalisiert wird.
[18:59]
Der Paradigmenwechsel zur Nachhaltigkeit
[18:59]Also Nachhaltigkeit ist ja so ziemlich das größte Fassikonzept, was man sich überhaupt so vorstellen kann. Und das liegt eben daran, weil über diese notwendigen Balancierungen der drei Säulen der Nachhaltigkeit nicht im konkreten Fall ausreichend gesprochen wird und auf alle Konzepte und alle Lebenswelten mittlerweile angewandt wird. Sie haben ja kaum mehr ein Unternehmen, das nicht in seiner Beschreibung im Internet den Begriff Sustainability verwendet. Genau, alle Lebensmittel sind nachhaltig, alle Konfliktlösungen müssen nachhaltig sein, auch in der Mediation. Ein schillernder Begriff, dessen dunkle Seite man noch nicht so in den Blick genommen hat, wenn es eine gibt. Aber wir kennen das ja aus anderen Begrifflichkeiten, die doch sehr schillernd sind und dann irgendwo ihren Schatten langsam auswerfen und man noch nicht so richtig die dunkle Seite gesehen hat. Also ich denke auch an den Begriff Mediation, Kooperation. Ich weiß nicht, vielleicht gibt es aber auch schon so dunkle Seiten von Nachhaltigkeit. Das wäre jetzt noch mal eine Frage vielleicht an Sie. Das ist eine spannende Frage, da können wir miteinander überlegen. Also sicher ist es eine dunkle Seite, wenn es einfach nur als Feigenblatt benutzt wird, der Begriff. Und wenn er covert, dass der Hauptpunkt die ökonomische Dimension ist. Und das passiert ja häufig.
[20:22]Also nachhaltig wirtschaften. Und dann geht es tatsächlich darum, einfach Profite zu erhöhen. Und da wird nicht darüber gesprochen, was ist mit der ökologischen Dimension. Diese Gerechtigkeitsfrage und was erleben wir als gerecht und die Frage letztendlich sich einzugestehen, es geht um Umstellung großer Veränderungen, substanzielle Veränderungen. Es geht um Lebensstilveränderungen, die notwendig sind. Es geht auch um Verzicht. Und wenn die Kosten-Nutzen-Bilanz immer so schön klar wäre, dann hätten wir das Problem der Klimakrise nicht. Da kommt auf jeden Fall eine Dimension der Verantwortung rein, der ökologischen Verantwortung. Und ich würde ergänzen, der ökologischen Gerechtigkeit. Das wird längst nicht so gespielt, dieses Thema.
[21:07]Und diese ökologische Gerechtigkeit, die betrifft zum Beispiel auch Generationen, die heute noch gar nicht geboren sind, die in Mediationsfällen überhaupt keine Stimme haben. Das Problem haben wir ja schon. Oder es geht um geografische Ausgleiche. Ich meine, Mediation ist ja gerade darauf angelegt, nur subjektive Gerechtigkeit zu nehmen. Und dann ist schon die Auswahl der Beteiligten eine konfliktpolitische Angelegenheit. Da lobe ich mir ja das Rechtsverfahren, das dann im Gerichtssaal solche Möglichkeiten ja offen lässt. Und ich hatte das auch hier schon im Podcast eine Kollegin gehabt, da fällt mir der Name gerade nicht ein, aber die zukünftige Generationen in den Blick nimmt und dort ihre Rechte sozusagen stark macht, anlässlich, weil auch eben jetzt mittlerweile das Recht zukünftige Generationen mitfällt.
[21:55]Grund- und Menschenrechten ausstattet und dann auch im heutigen Gerichtsverfahren schon zu Wort kommen lässt. Das haben wir ja tatsächlich im Recht auch, also eine Entwicklung, die dahin geht. Und die ist notwendig. Aber sie kommt trotz allem auch recht spät. Dieses Problem der intergenerationalen Ungerechtigkeit bezogen auf Profite, Nutzung der natürlichen Ressourcen und Konsequenzen, die sich ergeben aus einem hohen Lebensstandard, die sich ergeben aus Arbeitsplatzsicherheit,
[22:30]
Intergenerationale Gerechtigkeit
[22:26]Wirtschaftswachstum etc., diese Fragen sind nicht gut gelöst. Und das sind die Kernfragen, glaube ich.
[22:33]Letztlich sogar Kernfragen, die noch eine viel höhere Bedeutsamkeit haben als Nachhaltigkeitsfragen bezogen auf alltägliches Handeln in der Arbeit. Also es ist tatsächlich die Grundlage des Menschen, die hier in Gefahr ist, wenn wir so weiter handeln, wie wir das im Moment tun. Das führt mich zu dem Aspekt, den ich noch zum Schluss auch aufgreifen will und der in unserem Fachartikel, der also diesem Gespräch zugrunde liegt,
[23:06]
Menschenbilder und ihre Bedeutung
[23:05]explizit genannt wurde. Nämlich der Begriff und die Idee von Menschenbildern. Dass wir also uns nicht nur ein eigenes Bild unserer subjektiven Gerechtigkeit machen, sondern auch ein Bild davon machen, wie wir andere Menschen sehen und einschätzen als solches, als Gattungswesen, nicht als Persönlichkeit. Welche Rolle spielen Menschenbilder mit Blick auf Menschenbilder?
[23:31]Gerechtigkeitsthemen in Mediation. Mediation macht nur Sinn, wenn ich ein Menschenbild habe, das zu einem solchen Verfahren ja passt, dass Menschen ihre Konflikte eigenverantwortlich angehen können, also die Idee entwickeln, dass Konflikte gestaltbar sind und nicht Gottes Wille oder Schicksal.
[23:50]Aber welche Rolle spielen Menschenbilder noch? Dieses humanistisch geprägte Menschenbild, das die Grundlage der Mediation ist und auch mein tiefes Verständnis in der eigenen Arbeit. Genau die Stichworte, die Sie genannt haben. Man ist selbst verantwortlich für sein eigenes Handeln. Man kann sich entscheiden, man hat Entscheidungsfreiheit. Sogar nicht nur entscheiden, wie man handelt und spricht, sondern auch Verantwortung dafür, was man erlebt, wie man etwas bewertet. Dieses Postulat, Denken und Handeln in Alternativen, das ist so schwer umzusetzen und hat trotzdem eine solche unglaubliche Kraft und lässt sich ja auch trainieren. Sie haben es jetzt kontrastiert mit dem Gedanken, Gott gegeben Schicksal. Ich kontrastiere es manchmal auch gerne noch mit der Idee des Homo economicus. Also wir alle verfolgen nur unser Eigeninteresse, unseren eigenen Nutzen. Und das ist ja offenkundig nicht der Fall. Aber auch das wäre ja ein Aspekt, den man als Eigenverantwortlichkeit sehen kann. Sagen, okay, ich bin verantwortlich für meinen Nutzen, also mache ich das. Daher, ich finde es eine schöne Ergänzung und der passt auch sozusagen zu vielen Erlebnissen oder Vorstellungen, die Medianten schildern und Konfliktparteien. Den Kontrast zum Konflikt, der war natürlich als Krieg und Konflikt als Gott gegeben, beziehungsweise als Schicksal noch härter gezeichnet. Das stimmt.
[25:16]Und gleichzeitig würde ich ergänzen, man ist nicht nur verantwortlich für den eigenen Nutzen, sondern hat multiple Verantwortlichkeiten. Also man ist auch verantwortlich für sein eigenes Wohlergehen und wir alle übernehmen ganz viel Verantwortung für die Gemeinschaft und für das Wohlergehen anderer. Und das tun die anderen auch. Und wenn man sich das in der Mediation bewusst macht, nicht maximale Verfolgung des eigenen Nutzens, auch zu berücksichtigen, was heißt das für andere, was heißt das für die Gemeinschaft. So viele engagieren sich ja freiwillig, ehrenamtlich für den Umweltschutz, für Nachhaltigkeit.
[25:54]Dann zeigt das, dass wir ganz offenkundig diese Dinge auch transzendieren können. Eben nicht nur Verantwortung für eigene Nutzen, sondern auch Verantwortung für das Gemeinwohl. Und das ist nicht naiv, sondern basiert auf vielen, vielen Daten. Und wenn ich ehrlich bin, auch auf meiner eigenen Beobachtung. Wenn ich sehe, wie sehr sich die Studierenden engagieren, einsetzen, die neue Generation.
[26:18]Pride for Future, die Studierenden, die Studenten, alle bemühen sich zunehmend, Und nachzudenken.
[26:26]Was hat mein eigener Lebensstil für andere, für Konsequenzen und hinterfragen den maximalen Nutzen oder die Nutzenmaximierung. Mir scheint als Gedankenparallele das Stichwort Gerechtigkeit hier nochmal herangezogen werden kann. Nach dem Motto, es gibt eine Gerechtigkeit und das ist ein normativer Begriff oder normativ aufgeladen und es gibt subjektive Gerechtigkeiten, aus denen sich das eine zusammensetzen mag, aber auf jeden Fall als Tatsache, dass jeder auch ein Verständnis von Gerechtigkeit hat. Im Jurastudium hieß es dann immer so das Bauchgefühl, das Gerechtigkeitsgefühl. Das dürfen wir schon mit nutzen, auch im Jurastudium, bis zu einem gewissen Grad jedenfalls war das ganz erlaubt. Und es gibt natürlich unterschiedliche Gerechtigkeitsvorstellungen und die liegen dann auch im Streit. Und wenn ich das jetzt als Parallele nehme zur Eigenverantwortlichkeit, könnte ich durchaus diesen Begriff der Eigenverantwortlichkeit unterfüttern, dass die eine oder einige diese Eigenverantwortlichkeit sehr ethisch aufladen, sozial aufladen und sagen, also mir ist eben auch wichtig, dass meine Enkel zurückblicken und sagen, Mensch, der Sascha, der hat damals angefangen, seinen Müll zu trennen und an den können wir uns orientieren. Und das schwappt dann sozusagen zu mir heute zurück und sage, ja, ich bin für mich verantwortlich, dass ich von meinen Lieben auch geliebt werde. Und andere sagen, naja, Eigenverantwortlichkeit heißt für mich was anderes. Dass es mir gut geht und wenn jeder an sich denkt, dann ist an alle gedacht.
[27:55]Würden Sie sagen, es gibt diese Differenzen in dem Verständnis von Eigenverantwortlichkeit, dass man sagen kann, ja, auch das ist sehr subjektiv und daneben gibt es aber sowas von Eigenverantwortlichkeit, was ja normativ aufgeladen ist. Der Verantwortlichkeitsbegriff ist auf jeden Fall normativ aufgeladen. Und wir haben auch genauso, wie wir konkurrierende Gerechtigkeiten haben, haben wir auch konkurrierende Verantwortlichkeiten. Wir haben natürlich Verantwortung für den Umweltschutz. Wir haben natürlich Verantwortung für uns selbst und für die eigenen Kinder. Ist das nur Eigenverantwortung? Aber dann kann man fragen, wann hört die auf? Ist es für die Ur-Ur-Ur-Ur-Enkel? Ist das nur Eigenverantwortung oder ist das so abstrakt? Dass es wirklich schon Verantwortung für die Gemeinschaft und für zukünftige Generationen ist. Und ich würde sagen, da gibt es für jeden subjektiv eine Grenze, wo man es sich noch vorstellen kann, ab dem man aber auch sagt, das sind jetzt nicht mehr meine Nachkommen, sondern das ist du, wer in die Zukunft gedacht hat. Das sind mehr Eigenständige als meine. Ganz genau. Deshalb muss man auch da klären, welche Verantwortlichkeiten sind es. Man hat auch Beantwortlichkeiten im Sinne des Bildes des Homo economicus für Wirtschaftswachstum, selbstverständlich. Aber es gibt auch noch andere Verantwortlichkeiten. Und dieser Grat zwischen diesen beiden Sichtweisen oder auch Personen, die das jeweils für sich stark machen, der ist schon sehr, sehr schmal geworden.
[29:22]Da ist wenig Puffer drin, aber doch eigentlich der versöhnliche Teil, dass auch denen, die man Unverantwortlichkeit vorwirft, und das machen eben auch, wenn man das jetzt politisch sieht, beide Seiten gegenseitig, dass dort wirklich eine Menge ausgeblendet wird. Also diejenigen, die eher ökonomisch denken und agieren, denen Verantwortungslosigkeit vorzuwerfen, ist sozusagen genauso unzureichend wie umgedreht, dass man den Personen, die Nachhaltigkeit so vor sich herziehen, einfach nur sagt, die wollen hier sich sozial gutstellen. Denen geht es wirklich nur um ihre egoistischen Motive hier gut dazustehen und machen sich keine Gedanken um Gesellschaft und gesellschaftlichen Zusammenhalt, der in Gefahr ist, wenn man die Wirtschaft runterfährt, in Anführungsstrichen. Genau.
[30:08]
Mediation in gesellschaftlichen Konflikten
[30:08]Und das wäre auch so eine Schirmmethode im Mediationsverfahren und einen Ausgleich zu schaffen.
[30:14]Also allein sich das mal bewusst zu machen, dass es diese verschiedenen Verantwortlichkeiten gibt und dann natürlich auch mit den wunderbaren Methoden der Mediation zu arbeiten, einfach einander mal zuzuhören, respektvoll miteinander umzugehen, zu erkennen, dass Mediation eben Verfahrensgerechtigkeit implementiert. Das ist ja eine Methode, die super gut geeignet ist, dass man sich auch gerecht behandelt fühlt, gehören fühlt. Das ist noch ein wichtiger Aspekt, dass die Verfahrensgerechtigkeit zuweilen wichtiger ist als das Ergebnis.
[30:46]Genau. Oder dass sie auch trösten kann, befrieden kann, wenn das Ergebnis negativ ausfällt. Wenn man sagt, das Ergebnis ist nicht so, wie ich es mir wünsche, aber der Prozess dahin war fair, dieser Fair Process Effect. Also dass man dann sagt, ja, ich akzeptiere das Ergebnis zum Beispiel, weil es demokratisch zustande gekommen ist. Und ich hatte meine Möglichkeit, mich einzubringen. Jetzt hat die Mehrheit so entschieden. Dann ist es so. Das wäre zum Beispiel eine wunderbare Art, um Ausgleiche zu schaffen und eben auch wache Gefühle und eben auseinanderdividieren zwischen den verschiedenen politischen Gruppen zu überwinden. Ich wollte die Frage nicht stellen, weil ich weiß, dass das Feld einfach riesengroß ist, aber ich will zum Schluss und damit das Feld dann zeitlich begrenzen können, die Frage doch anbringen, weil die Thematik, die wir ja auch gerade in den Blick nehmen, gesellschaftliche Konflikte in Mediation, mir schon eine Besonderheit scheint im Vergleich zu anderen Konflikten, die einfach sehr Personen angeheftet sind. Also Mediationsinstrumente, Mediationsideen auch in einen gesellschaftlichen Konflikt, in ein gesellschaftspolitisches Konfliktfeld zu führen, scheint mir eine besondere Herausforderung zu sein.
[32:03]Individuelle Vorstellungen, die aber niemals alle anderen mit ansprechen, die kann man zwar äußern, aber man kann nicht denken, dass man viele Leute dann oder alle Leute dafür spricht. Also wie kann Mediationselemente, Mediationsvorstellungen von einem guten Weg auf einen gesellschaftspolitischen Konflikt gemünzt werden? Das ist eine einflussvolle Frage. Bei der wir, glaube ich, davon profitieren können, in andere Länder mal zu schauen. Also einen weiteren Weg gegangen ist da schon Australien, wo es diese Methoden gibt, wo tatsächlich Ausgleiche zwischen Gemeinden geschaffen werden, mit Hilfe tatsächlich auch von Psychologinnen und Psychologen, die da arbeiten beim Thema Wasserknappheit und schon jahrzehntelang damit Erfahrung haben, mit der Anwendung der Methode der Mediation. Hier in Deutschland ist es ja noch viel, viel kleiner gedacht. Und es gibt so wenig Beispiele noch dafür.
[33:01]Und Mediation ist viel weniger verbreitet und im Denken der Leute, man den Leuten bewusst, als ich zumindest immer wieder meine. Und dann wieder erstaunt bin, wie sehr ich da auch in meiner Blase bin. In Australien sagen die Daten, dass es viel bekannter ist. Und die haben Methoden entwickelt, wie sie das demokratisch und teils auch in der Gesetzgebung verankert umsetzen können. Dass eben die Leute sehr wohl auch das Gefühl haben, sich in die Prozesse eindrehen zu können und dass geklärt wird, wer kriegt wie viel von dem wertvollen Wasser aus dem Fluss. Das ist für mich sozusagen der Hinweis, dem nachzugehen in einer anderen Episode, weil das scheint mir ein wirklich aussichtsreicher Hinweis oder eine aussichtsreiche Richtung zu sein, dem Gedanken nachzugehen. Aber das finde ich hochinteressant, dass dort sozusagen Fragen, die bei uns noch sehr verwaltungsorientiert angegangen werden, wie man das in einem demokratisierten Verfahren dann neu aufspielen kann und dass da Mediation Erfahrungen mitbringt, dass das auch gelingen kann. Und das verändert auch das Klima. Das verändert so tief und nicht das Klima, wie wir miteinander umgehen bei anderen Konflikten. Was erlaubt ist, was die sozialen Normen sind, wie eskaliert man Konflikte führen darf, wie weit man, ich sage es jetzt einfach mal.
[34:22]Im Netz über irgendwas pügeln darf und wie sehr wir verlieren, einfach diese Möglichkeit erst mal zu schaffen. Einander zuzuhören, Verständnis zu entwickeln und auf diese Weise Konflikte erst gar nicht so ganz hoch eskalieren zu lassen. Und Mediation ist so kraftvoll als Methode. Wenn man nur einzelne Elemente daraus zum Standardprogramm werden ließe.
[34:46]Zur Vermittlung etwa in Schulen, dann hätten wir eine so viel friedvollere Politik und auch, glaube ich, lösungsorientierter bezogen auf die Umweltpolitik, als wir es bislang haben. Frau Karls, das sind die richtigen Schlussworte.
[35:06]
Schlussworte und Reflexion
[35:01]Vielen Dank für den Einblick und auch die Komplexität des Themas. Also ich bin mir wohl bewusst, dass die Fragen überhaupt nicht einfach waren, wohl auch daher, dass ich selber nicht immer genau wusste, wohin führt die Frage und soll sie führen, sondern dass wirklich ein Feld geöffnet wurde und dass sie mit viel Einblick in psychologische Zusammenhänge, auch gesellschaftspolitische Zusammenhänge aufgefüllt haben. Vielen Dank dafür.
[35:30]Danke Ihnen sehr, Herr Weigel. Für mich war es ganz ähnlich, ganz, ganz Erkenntnis bringen. Und im Dialog, glaube ich, werden viele Dinge deutlich klarer. Alles Gute und bis zum nächsten Mal, sage ich. Vielen Dank, Frau Kals. Herzlichen Dank, Herr Weigel. Vielen Dank, dass du wieder mit dabei warst, hier beim Podcast zum Thema Konfliktberatung, Mediation, Coaching. Wenn dir das gefallen hat, dann hinterlasse doch gerne ein Feedback auf Apple Podcast oder Google Business. Empfehle den Podcast weiter und abonniere natürlich, wenn du das noch nicht getan hast. Das hilft uns und diesem Podcast weiter, mit diesem Dienst bekannt zu werden. Für den Moment verabschiedet mich mit den besten Wünschen. Bis zum nächsten Mal. Kommt gut durch die Zeit. Ich bin Sascha Weigel, dein Host von INKOVEMA, dem Institut für Konflikte und Verhandlungsmanagement in Leipzig und Partner für professionelle Mediations- und Coaching-Ausbildungen.