Business-Moderation – 10 Überlegungen für die Moderation

Zum Abschluss der kleinen Reihe von Tipps und Anregungen für die Moderation von Gruppengesprächen, die mit 10+1 Geboten begonnen hatten, mit 10 Verboten und 10 Empfehlungen weitergeführt wurden, mag ich diesen Themenkomplex mit 10 Überlegungen abschließen.

Es soll sich um grundlegende Überlegungen zur Moderation handeln, die in ihren praktischen Auswirkungen wohl je nach Branche, Anlass und Gruppen- und Organisationskultur unterschiedlich ausfallen werden, hoffentlich aber stets hilfreich bleiben.

Über ein knappes Feedback hierzu bzw. zur ganzen Reihe würde ich mich freuen!

Blogpost-Reihe zur Moderation

1. Trennung von Leitung und Moderation

Ich habe lange überlegt, inwieweit ich die personelle Verteilung der Rollen Leitung und Moderation nicht als Gebot formuliere. Abgehalten hat mich schlicht die existente Tradition, dass oftmals die Leitungskompetenz mit der Moderationskompetenz als identisch aufgefasst werden. Einen Imperativ, der an der Mauer der Kultur zerschellen würde, kann ich mir sparen.

Aber als Überlegung hat der Gedanke vielleichte eine Chance. Deshalb gleich zu Beginn.

Übernimmt die Gruppenleitung in schwierigen Entscheidungs- und Diskussionsrunden auch die Verantwortung für den Gruppenprozess (Moderation!), schwächt sie sowohl ihre Leitungsautorität als auch die potenzielle Kraft einer Moderation für die Gruppe.

Die Leitungsperson wird beim Moderieren der Diskussionsbeiträge stets im Verdacht stehen, das Verfahren zu eigenen Gunsten zu steuern. So gelingt es weder der Gruppe, Vertrauen in die Moderation aufzubauen, noch die volle Überzeugungskraft ihrer Leitungsperson zu erleben.

Überlegenswert ist vielmehr, die Komplexität der Binnenstruktur der Gruppe aufzufalten, um den komplexeren Anforderungen von Außen, die auf die Gruppe drücken, gerecht zu werden. Oder kurz: Die Trennung der Rollen „Leitung“ und „Moderation“ sollte auch personell deutlich werden. So kann die Leitung inhaltlich mitarbeiten und in Diskussionen ungehemmt argumentieren und die Moderation kann sich auf das Moderieren konzentrieren.

Konsequenzen: Installieren Sie in Besprechungen Moderation neben der Leitung, übertragen Sie ihr gemeinsam alle „Prozesvollmachten“, das Meeting zu steuern, stets zum Thema hin zuleiten, Abschweifungen und Monologe zu stoppen, Dampfplauderer zu besänftigen, Eloquente zu zügeln und Schweigende zu ermutigen.

2. Service

Wie schon empfohlen, Teilnehmende sind für die Moderation auch Kunden. Für sie wird eine Dienstleistung erbracht, da Moderation der Gruppe in ihrem Arbeitsprozess dient. Als Kunden wollen Gruppenteilnehmer*innen die Dinge so einfach haben wie möglich. Das Meeting soll einfach sein. Wenn es einfach ist, können die Teilnehmer ihre Arbeit gut machen. Sie können denken, abwägen, entscheiden. Sie müssen sich nicht sorgen, kämpfen, niederringen.

Mögliche Konsequenzen: Vorbereitung benötigt Informationen, aber keinen Daten- und Informationsmüll. Bereiten Sie Informationen passend auf. Achten sie auch auf das leibliche Wohl, den Inhalt der Pausen sozusagen. Schreiben Sie wohlwollend, groß und leserlich, sofern Sie handschriftlich agieren (z.B. bei der Metaplan-Methode). Beim Thema Service sind die kleinen Dinge wichtig und maßgebend.

3. Ablenkung

Was wird sich nicht über die neuen Dinge aufgeregt, Smartphones, Handys, Laptops müssten aus Sitzungen verbannt werden. Zuweilen werden Sie das auch!

Einsehbar ist, dass nicht jede Sitzung ein Blockbuster sein kann, ein Feuerwerk des Entertainments, aber Ablenkungsinstrumente sind für die Moderation (und Leitung) stets auch ein Signal und Feedback: Vielleicht wird das Problem methodisch falsch angepackt, vielleicht wird am falschen Problem gearbeitet oder gar längst die richtige Lösung zerredet. Für die Moderation ist das Aufmerksamkeits- bzw. das Ablenkungslevel auch ein hilfreiches Messinstrumente. Es ist schlichtweg dumm, wenn die Moderation sich diesem Instrument regelrecht entledigt, oder?

4. Lautstärke

Mir wird schon seit Jahren gesagt, ich rede zu leise. Sowohl in Strategischen Dialogen und Workshops als auch in Ausbildungen und Seminaren, mich könne man kaum verstehen. Das stimmt wohl auch. Und oftmals nicht nur von der Lautstärke her, sondern auch vom Inhalt. Aber das ist eine andere Baustelle…

Wichtig ist für mich die Erfahrung, dass meine leise Ansprache zu Aufmerksamkeit führt. Gruppen werden schnell leise, wenn ich beginne zu rede. Ich muss gar nicht laut werden. Leise anfangen, reicht (bei mir?) schon oftmals aus. Das ist Paradox, aber real erfahrbar.

Konsequenz: Probieren Sie mal leise Töne, wenn Sie am liebsten laut werden wollen!

5. Visualisierung mit Beamer

Wenn es schon ein Beamer für die PowerPointPräsentation sein muss, dann wenigstens einer, der bei Tages- und Sonnenlicht verwendbar ist. Abgedunkelte Kinoräume für ein Gruppenmeeting, das braucht kein Mensch mehr!

Konsequenzen: Beamer, die bei Tageslicht genutzt werden können, sind selten und oftmals zu teuer. Also, lasst die PPP in der Sitzung einfach weg (Dazu auch das 5. Verbot ).

6. Gemeinschaftliche Visualisierung

Kanban, aber auch schon die gute, alte Metaplan-Methode laden dazu ein, dass die gemeinschaftlichen Überlegungen sowie die Arbeitsergebnisse von allen in der Gruppe visualisiert werden (können). Insofern würde nicht eine Person den Gruppenprozess verkörpern, sondern alle gemeinsam. Das kann mitunter funktionieren (Standup-Meetings mit Kanban-Visualisierung); es kann aber auch Chaos geben.

Konsequenzen: Problem definieren: Welches Problem soll mit der gemeinschaftlichen Visualisierung gelöst werden. Dann austesten und ggf. dauerhaft einführen.

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7. Digitalpausen

Viele halten digital-getriebene Kommunikation immer noch für ein Übel unserer Zeit, die die „ehrliche“, direkte Kommunikation zwischen Menschen verhindert und Menschen einsam macht. Ich halte das persönlich für Quatsch, aber das ist ein anderes Thema.

Maßgebend ist die Überlegung, dass die einzelnen Mitglieder einer Arbeitsgruppe als kommunikative Wesen sowohl dem Druck der Gruppe ausgesetzt sind als auch noch einer Vielzahl anderer privater, sozialer und professioneller Kommunikationspartner, mit denen sie über digitale Kanäle – auch während der Zeit des Meetings – in Verbindung stehen. Die Kinder und Ehepartner senden und empfangen, E-mails und Textnachrichten möchten beantwortet werden, Handwerker und Dienstleister melden sich, Freunde und Arbeitskollegen nehmen Kontakt auf, wollen Informationen haben oder loswerden, weitere Projekte drücken. Und  – eingekauft muss auch werden. Kurz: Meetings finden nicht in sozial gesäuberten Räumen statt. Meetings haben Kontext, den es zu beachten gilt, wenn Sie als Moderator wahrlich Beitragende haben wollen.

Konsequenz: Überlegenswert ist, inwieweit Digitalpausen veranschlagt werden, die nicht länger als 5(!) sein sollten und in denen die Teilnehmer*innen die Zeit nutzen, die wichtigsten Kanäle auf die wichtigsten Informationsflüsse „abzuchecken“. Der Engpass dürfte hier das Einhalten der Pausenzeiten sein und einiges Lernpotenzial parat halten. Dennoch, da es ohnehin geschieht, lohnt sich eine gemeinsam verträgliche Abrede, an die sich eher gehalten wird als an Direktiven.

8. Angriffe

Jede*r Moderator*in hat schon Angriffe auf sich seine Arbeitsweise erlebt. Sie werden schnell persönlich genommen und sind nicht selten auch so gemeint. Sie können die Einhaltung demokratischer Spielregeln genauso betreffen wie das professionelle Auftreten oder die Wahl der Methoden.

Konsequenz: Es lohnt sich aber immer wieder und vertiefter in Angriffen „den guten Kern“ zu suchen. Nicht selten sind derbe Angriffe einfach unbedarfte Bitten, polternde, aber im Kern berechtigte persönliche Anliegen, deren Form es einfach schwer macht zu- und hinzuhören.

Beispiel: „So wie Sie das meinen, geht das nicht!“…Es lohnt sich nicht, darauf anzuspringen, ob der*die Teilnehmer*in tatsächlich erfasst hat, was Sie meinten. Diese Diskussion ist unprofessionell. Eine Rechtfertigung darüber, was Sie meinten, hilft der Gruppe nicht. Folgen Sie stattdessen lieber der gemeinsamen Suchspur, wie „es“ für Sie alle gehen könnte: „Gut, dann scheint mir sinnvoll darüber zu reden, wie es für uns gehen könnte.“.

9. Konflikte

Meetings bergen ein enormes Konfliktpotenzial, vor allem, wenn Sie als unnütz und zeitverschwendend erlebt werden. Hier bringen dosierte Konflikteskalationen ein wenig Schwung in die Bude und lassen das körperliche Wohlbefinden steigern. Adrenalin first. Stichwort: Dramadreieck.

Schließlich stecken in Konflikten enorme Energiepotenziale der Beteiligten und viel Engagement in der Sache. Nutzen Sie dieses Engagement, lenken Sie es mit Hilfe eines konstruktiven Umdefinierens in sinnvolle Bahnen. Denn nicht jede Meinungsverschiedenheit im Meeting muss sogleich in eine formale Mediation containert werden.

10. Entscheidungen

In Meetings mit unterschiedlichen Hierarchiestufen, aber auch in Projektteams ist es nicht stets angebracht, basisdemokratisch zu entscheiden. Eine Gruppe, die Entscheidungen treffen will, muss stets auch entscheiden, wie sie ihre Gruppenentscheidung zustande bringt.

Hier bewegen sich Gruppen samt Leitung im Führungskontinuum, das in etwa sieben Stufen untergliedert werden kann.

Konsequenz: Nutzen Sie für die Einführung von mehr Beteiligung durchaus das Spiel „Delegationspoker“. Jede*r Teilnehmer*in erhält Karten mit den Ziffern 1 bis 7. Bei der Entscheidungsfrage, auf welcher Stufe die Gruppe eine bestimmte Entscheidung treffen soll, entscheidet sich Jede*r für eine Stufe. Verdeckt oder offen. Kulturfrage.

Sollten die Stufen (Ziffern) mehr als zwei Einheiten auseinanderliegen, wird darüber diskutiert, welche Konsequenzen für die Gruppe bzw. die Leitung daraus erwachsen würden. Anschließend erneute Pokerrunde dazu, auf welcher Stufe das Team die Entscheidung treffen möchte.

Delegationspoker dient nicht dazu, die Gruppenentscheidung dem Poker-Zufall zuzuschieben, sondern die Dynamik der Gruppe besprechbar zu machen. Nicht immer ist für alle Entscheidungen Basisdemokratie sinnvoll oder der Machtentscheid. Selbst die Schattierungen können unterschiedlich eingeschätzt werden. Delegationspoker übergibt die Meta-Entscheidung der Gruppe und regt zum Austausch an. Es wird damit eine gemeinsame Reiseroute erkennbar, inwieweit die Beteiligten über Autorität und Demokratie reflektieren und ihre Entscheidungsprozesse kommentieren.