INKOVEMA-Podcast „Episoden der Mediation“

#04 EdM – Die Organisation als Mediantin

Warum es angezeigt, dass die Organisation in der Mediation vertreten ist.

Episoden der Mediation. Der Podcast zu den praktischen Fragen zur Mediation und des Konfliktmanagements.

Herzlich Willkommen zu den EdM, 

dem Lehrstream von INKOVEMA zu den praktischen Fragen der Mediation und und des Konfliktmanagements. 

Hier werden Praxissituationen der Mediation, aber auch von Coachings und Konfliktberatungen erläutert, reflektiert und eingeordnet.

Das ist Folge 4 – Die Organisation als Mediantin.

Wie bei jeder Mediation stellt sich die Frage, wer an der Mediation beteiligt werden muss, damit die Konfliktbearbeitung erfolgreich ist. Für eine innerbetriebliche Mediation, wenn sich also das Konfliktpotenzial zwischen Arbeitnehmer*innen einer Organisation realisiert hat, stellt sich die Frage, ob lediglich die konkret streitenden Personen beteiligt werden müssen oder nicht noch weitere Personen in Frage kommen.

Denn wie auch bei einer B2B-Konfliktlage, z.B. zwischen verschiedenen Unternehmen, die von einem oder mehreren Funktionsträgerinnen vertreten werden, agieren innerhalb von Firmen die Arbeitnehmerinnen auch lediglich als Rollenträger der Organisation. Insoweit könnte auch bei einer innerbetrieblichen Mediation das sog. Principal-Agent Problem auftauchen, dass also verhandlungs-, entscheidungs- und abschlussbefugte Personen am Mediationstisch sitzen sollten. Und falls die Vertretetungspersonen nicht diese Befugnisse mit an den Verhandlungstisch bringen, muss dieser Gremienvorbehalt und die daraus resultierende Ratifizierungsnot beachtet werden. Das ist z.B. ein häufiges Problem bei Konflikten zwischen GF und BR-V. Soweit nicht das gesamte Gremium anwesend ist, gilt der Gremiumvorbehalt, der keineswegs immer vorab durch eine entsprechende Verhandlungs- und Abschlussvollmacht ausgeschlossen wurde.

Problemaufriss: Das Problem ist prinzipiell ähnlich gelagert bei innerbetrieblichen Mediationen. Stellen wir uns einen Konflikt in einem Team vor, in einer Abteilung oder einer Projektgruppe. Zumindest meiner Beobachtung nach und die Literatur dazu überblickend, wird die Beteiligtenfrage für eine Mediation eher klassisch vorgenommen. Wer ist involviert und beteiligt sich an der Eskalation oder ist mehr oder weniger betroffen und muss mit an den Mediationstisch. Diese Frage wird zumeist von der Initiatorenstelle, z.B. die HR-Abteilung, geprüft und mit der in Frage stehenden externen Mediatorin beantwortet. Am Ende dieses Prozesses und zu Beginn der direkten Mediationsgespräche sitzen dort also einzelne Arbeitnehmer*innen, die klären, inwieweit sie Vereinbarungen treffen können, die die Arbeitsfähigkeit wieder herstellen oder ob organisatorische oder vertragliche Trennungen und ggf. Kündigungen nötig sind.

Und dabei wird übersehen, dass diese Beteiligten strukturell nur deshalb streiten, weil sie Arbeitnehmer*innen bzw. Mitglieder dieser Organisation sind. Währen sie keine Mitglieder, die ihren jeweiligen Aufgaben nachgehen, würde es diesen konkreten Konflikt nicht geben. Deshalb ist Trennung und Kündigung auch eine – extrem wirksame – Konfliktlösung, die i.Ü. keineswegs das Glück der Beteiligten stärker beeinträchtigen muss als eine Weiterbeschäftigung, wie erst vor wenigen Jahren eine niederländisch-belgische Studie festgestellt hat. Ich stelle einen Link dazu in die Shownotes. Aber dazu ein andermal mehr.

Also – wie ist das nun mit der Organisation als Beteiligte der Mediation?

Meine These ist: Für die Qualität der Konfliktbearbeitung im Rahmen der Mediation ist es besser und zuweilen erforderlich, dass die Organisation selbst am Mediationstisch sitzt und von einer eigenen Rollenträgerin vertreten wird.

Gründe?:

  1. In innerbetrieblichen Mediationen, die ich führte, kam jedes Mal die Frage auf, was die Rahmenbedingungen, die Leitplanken der Konfliktlösung waren. Bestimmte Lösungen waren schlicht nicht umsetzbar, weil die Organisation das ausgeschlossen hat oder der Aufwand außerhalb der Toleranzgrenze war. Ganz einfaches Beispiel, das das Prinzip erklärt: zwei Mitarbeiter*innen können sich nicht riechen und erarbeiten in der Mediation die Lösung, dass sie neue, jedenfalls andere Büroräume beziehen, die aber tatsächlich nicht zur Verfügung stehen.
  2. Die Organisation initiiert die Mediation, organisiert sie, bezahlt sie. Sie, die Organisation hat offenbar ein Interesse an der Konfliktbearbeitung und -lösung. Das ist so offensichtlich der Fall, dass nicht selten übersehen wird, dass diese Organisation auch in der Mediation vertreten sein müsste nach den Grundsätzen der Mediation. In jeder Mediation gilt, die Beteiligten bezahlen anteilig die Kosten der Mediation. Das führt völlig zu Recht nicht dazu, dass Arbeitnehmer*innen bei innerbetrieblichen Mediationen anteilig bezahlen sollen; aber ebenso richtig ist es, dass die bezahlende Organisation an der Mediation beteiligt werden muss.
  3. Die bezahlende Organisation ist de facto auch Konfliktpartei. Denn die konkreten Konfliktakteure verletzen in ihrer Art und Weise, wie sie mit den Widersprüchen und organisationalen Konfliktpotenzialen zwischen Organisationsmitgliedern umgehen, die Interessen der Gesamtorganisation. Der destruktiv bearbeitete Konflikt saugt alle Aufmerksamkeit auf sich – und behindert die Aufgabenerfüllung. Scheitert die Mediation, hat die Organisation nicht nur ein Problem, sondern auch ein gehöriges und aktualisiertes Konfliktpotenzial mit den Beteiligten der Mediation. Diese Mitglieder verhalten sich konträr zu den Interessen der Organisation.

Deshalb meine Empfehlung: Prüfen Sie als externe Mediatorin bzw. auch als anfragende Organisationsvertreterin – ggf. gemeinsam -, wie und durch wen diese Organisationsinteressen in der Mediation gut und vollständig vertreten wären … und sorgen Sie für eine angemessene Interessenvertretung in der Mediation.

Praxistipp: Bewährt hat sich in meiner Praxis, dass im Auftragsklärungsgespräch mit allen Beteiligten, einschließlich der Führungskräfte und der Personalstellen, diese Problematik angesprochen wurde und die Mediationsperson diese Organisationsperspektive in den späteren Mediationsgesprächen wach- und relevant halten sollte. Damit waren zumindest ein Großteil der Probleme im Blick und fast schon behoben.

Beim nächsten Mal

geht es hier um das Thema Gewalt, die einerseits in der Mediation auftreten kann oder andererseits zur Sprache kommt, zuweilen in Form der Androhung oder, zumeist aber in Form der Erinnerung, die Auswirkungen auf die Mediationsinhalte hat..

Für den Moment bedanke ich mich, dass Sie reingehört haben.

Bleiben Sie uns gewogen und kommen Sie gut durch die Zeit.

Ihr Sascha Weigel.

Element Nr. 6 – Vertragliche Grundlagen