INKOVEMA-Podcast „Episoden der Mediation“

#02 EdM – Vertraulichkeitsverzichte und Ausnahmen von Verschwiegenheitspflichten

Wenn Parteien Publikum befürworten – wirft das rechtliche und konfliktdynamische Fragen auf.

Episoden der Mediation. Der Podcast zu den praktischen Fragen zur Mediation und des Konfliktmanagements.

Das ist Folge 2 – Verzicht auf Vertraulichkeit. Ist es bei Mediationen überhaupt möglich, auf Vertraulichkeit zu verzichten?

Fallsituation: 

Es ist schon eine Weile her, vielleicht zwei oder drei Jahre, da meinte eine Konfliktpartei in der Organisationsmediation, als ich das Thema Vertraulichkeit ansprach, dass er das nicht bräuchte und ruhig jeder im Unternehmen wissen könnte, wie ihm hier übel mitgespielt wurde. Und der andere auch – nur eben umgekehrt.

Ich war zunächst etwas perplex – und dann erleichtert, weil es die Arbeit doch ganz schön erleichtert. Aber der Reihe nach, denn der erklärte Wille der Konfliktparteien, das Verfahren müsse nicht vertraulich sein, wirft eine Reihe Fragen auf – Fragen zur rechtliche Bedeutung sowie zur konfliktdynamischen Bedeutung.

Zunächst zur rechtlichen Bedeutung: 

  • Mediatoren sind stolz und werben damit, dass das Mediationsverfahren Vertraulichkeit bietet – im Gegensatz zu öffentlichen Gerichtsverfahren. Vertraulichkeit gilt unter Mediator*innen als hohes Gut, geradezu als Mediationsprinzip. 
    • Können Mediant*innen darauf verzichten? Ist das rechtlich möglich oder ein Rechtssatz, der unabdingbar ist und damit unabhängig von den Parteien?
      • § 1 MediationsG „Mediation ist ein vertrauliches und strukturiertes Verfahren…“ – Gleichwohl kein konstitutives Element der Mediation. Auch nicht vertrauliche Mediationsverfahren bleiben Mediationen. Sie können im Fernsehen übertragen werden oder im Fussballstadion. (Ice-T hat z.B. eine Sendung seit 2020 auf Fox TV, in der er als Mediator agiert und Streitigkeiten auf seine ganz eigene Art beilegt…) Das Gesetz sieht also Vertraulichkeit vor, aber die Parteien können davon abweichen.
      • Praxistipp: Deshalb ist es ratsam, dass die Mediationsperson darauf achtet, dass das ausdrücklich angesprochen wird und vertraglich vereinbart wird, dass die beschlossene Vertraulichkeit auch zu Verschwiegenheitspflichten für die Parteien führt. Achtung: Auch bei Anwesenheit von Anwälten diese unbedingt mit einbeziehen. Diese Personen wären sonst berechtigt,  bei Scheitern der Mediation und im Falle eines anschl. Gerichtsprozesses als Zeugen aufgerufen zu werden. Für die Mediationsperson selbst trifft das nicht zu, weil §4 MediationsG für diese Verschwiegenheitspflichten auferlegt.
      • Wenn die KPen die Vertraulichkeit vertraglich begründen können, können sie – um Umkehrschluss – auch darauf verzichten bzw. im Nachgang die Gebundenen auch wieder entbinden. Das hat konkrete Auswirkungen – vor allem für die Praxis von Mediation in Organisationen? Wenn die Organisation eine Mediation gewährt und auch bezahlt, damit die K-Beteiligten zu einer Einigung kommen und nicht Alle mehr oder vollends aufmerksamkeitsgebunden nur auf die beiden Konfliktparteien schaut und was sie sich schon wieder ausgedacht haben…, dann erscheint es durchaus legitim, dass diese Organisation bzw. deren Vertreter*innen auch ein Interesse an dem Verfahren und seinem Ausgang haben, legitimerweise haben und auch bekunden können, ja sogar dafür einstehen dürften. Dann besteht auch im Arbeitsplatzumfeld nicht per se Vertraulichkeit für den Inhalt des Mediationsverfahren. D.h. KONKRET für Mediator*innen: Sie sollten das Thema unbedingt ansprechen und die Notwendigkeit verdeutlichen, dass sich alle Beteiligten darüber verständigen, welche Form und Intensität von Vertraulichkeit allseitig gewünscht ist. Das gehört ins Auftragsklärungsgespräch mit den konkreten Konfliktpersonen sowie der Auftraggeberin, einer Vertreter*in der Organisation. Der oftmals nicht ausdrücklich formulierte Wunsch (oder übertrieben formulierte Nichtwunsch), inhaltlich informiert zu werden, ist aus dieser Perspektive ein Verhandlungsangebot, keineswegs aber eine Absicht, rechts- oder gesetzeswidrig informiert zu werden. Das MediationsG sieht keine zwingende Vertraulichkeit vor – und schon gar nicht vor der Auftraggeberin, der organisation, die Mediation angefordert hat. (Aber dazu beim nächsten Mal mehr) Wenn die Organisation die Mediation zahlt und ihren MA gewährt, dann hat sie auch ein Interesse an dem Verfahren, an dem Ergebnis, an Informationen dazu. Die Vertraulichkeitsregelungen des MediationsGesetzes stehen dem nicht entgegen.
      • Anders könnte sich das jedoch aus der Perspektive der Mediation darstellen; also wie ist das professionelle Verständnis von Mediator*innen, die sich im Rahmen der gesetzlich zur Verfügung gestellten Spielwiese Mediation verorten wollen. Niemand muss die ganze Spielwiese nutzen. M.E. hat die Organisation ein berechtigtes Interesse an dem Mediationsverfahren, das sie initiiert hat und gehört auch mit an den Mediationstisch. Dazu beim nächsten Mal mehr. Wenn Sie aber nicht mit am Tisch Platz nimmt, z.B. in der Annahme, dass die beiden Konfliktpersonen sich selbst verständigen sollten und eine Lösung erarbeiten, dann gibt es auch keinen Grund, mehr als das Ergebnis mitzuteilen, und selbst das ist manchmal gar nicht nötig. Dann ist zu Beginn Vertraulichkeit zwischen den Anwesenden gut und gerne vereinbar.
      • Was bedeutet Vertraulichkeit und Verzichtsmöglichkeit für die  Mediationsperson? Nun, der Mediator oder die Mediatorin unterliegt der gesetzlichen Verschwiegenheitspflicht nach §4 MediaitonsG. Von dieser Pflicht zur Verschwiegenheit können die Parteien die MediationsPerson entbinden. Noch wichtiger ist aber, dass es gesetzliche Ausnahmen gibt. Drei an der Zahl. 
        • Offenlegung nötig zur Durchsetzung der Vereinbarung. 
        • Gründe der öffentlichen Ordnung (Gefährdungen des Kindeswohl oder generell Gefahren, nicht aber schon beendete Straftaten…)
        • Offenkundigkeit und Bedeutungslosigkeit von Tatsachen

Und nun zur Konfliktdynamischen Seite – im Eingangs geschilderten Fall war das also erlaubt und möglich, derart auf die Vertraulichkeit verzichten zu wollen, auch wenn gar kein anderer in der Gefahr war, dabei sein zu wollen. 

Konfliktdynamisch sind Dritte im Konflikt höchst relevant. So wie Mediator*innen wie alle anderen neutralen Personen eine sozialisierende, disziplinierende Wirkung entfalten, so können noch Unentschlossene oder Parteiliche Dritte eskalierend wirken. Oder anders betrachtet: Konfliktparteien sind ab einem bestimmten Eskalationsgrad stets bemüht, Ihre Sicht mittels weiterer zu stützen, Koalitionen mit Dritten und Vierten zu schmieden, zumindest Zustimmung zur eigenen Sicht einzuholen. Publikum, das beeinflusst werden kann und das dann seinerseits beeinflusst, ist ein dankbarer Verbündeter – in jeder Talkshow ist das beobachtbar. Diese parteilichkeitsgefährdeten Personen führen oftmals dazu, dass der Diskussions-Modus stabilisiert oder aktiviert wird und die KP mehr über das Publikum versuchen den K-Gegner zu überzeugen oder zumindest in die Minderheitenposition zu drücken. In dieser Gefahr sind Meidiationspersonen auch stets – und trainieren sich deshalb ganz besonders in ihren Ausbildungen, möglichst keinerlei Anhaltspunkte für derartige Interpretationen zu liefern, geschweige denn entsprechend selbst parteilich zu agieren.

Vielen Dank.

Von der Anfrage zur Mediation.* Worauf ist bei einer einseitigen Anfrage zu achten? 

Ich freu mich auf Sie.  

Für den Moment bedanke ich mich, dass Sie reingehört haben. 

Bleiben Sie uns gewogen

Ihr Sascha Weigel.

Element Nr. 9 – Vertraulichkeit