Entwerfende Mediation.
Der fast vergessene Mediationsstil nach Edward de Bono.
Der Kognitionswissenschaftler Edward de Bono hatte sich nicht explizit in den 1980ern mit der Modernen Mediation beschäftigt, sondern generell mit blockierenden und ermöglichenden Denkrichtungen, die sich jedoch insbesondere in der Konfliktbearbeitung zeigen und ihre behindernde Wirkung entfalten. Dieser Beitrag zeigt diese Denkrichtungen nochmals in aller Kürze auf und stellt im Anschluss die Elemente und möglichen Methoden einer entwerfenden Mediation vor. Diese – eben auf de Bono rekurrierende – Konzeption unterstützt das Vorgehen, die Mediation in und für Organisationen strategisch und damit zukunftsorientiert auszurichten. Das bedeutet einerseits, das Verfahren selbst zukunftsorientiert auszurichten als auch die Konfliktbearbeitung an der Strategie der Organisation zu orientieren.
Denkrichtungen im Konflikt
Der Kognitionswissenschaftler Edward de Bono, der heute vor allem für seine Kreativitätstechniken (6 Denkhüte!) bekannt ist, hat in den 1980er Jahren eine Konzeption zur Konfliktbearbeitung vorgelegt, in der er vier unterschiedliche Denkrichtungen angesichts einer Konflikt- und Problemsituation formulierte. Er unterschied den Denk- bzw. Mentalmodus Kampf von dem der Verhandlung, Problemlösung und dem Mentalmodus Entwurf.
Allein der Denkrichtung Entwurf sprach er eine gewisse Zukunftsorientierung zu, die keineswegs von allein in der Konfliktbearbeitung aufkommt, sondern die bewusst etabliert und damit kultiviert werden muss. Für diese Kultivierung ist der vermittelnde Dritte praktisch prädestiniert.
De Bono hat nicht explizit über die Moderne Mediation gesprochen, geschweige denn in seiner wissenschaftlichen Laufbahn daran geforscht. Vielmehr waren seine von ihm formulierten Denkrichtungen im Konflikt generell für die Problem- und Konfliktbearbeitung maßgebend. Dennoch lassen sich seine Ausführungen hervorragend für die Mediation fruchtbar machen.
Die beiden Denkrichtungen Kampf und Verhandlung waren dabei von einem Gegeneinander der Konfliktparteien gekennzeichnet. Der Kampf, der prozessiert wird, und die Verhandlung, bei der gefeilscht wird. In beiden Denkrichtungen positionieren sich die Parteien konträr und arbeiten körperlich oder verbal daran, sich gegen den anderen durchzusetzen. Der Konflikt muss im Wege eines Nullsummenspiels bearbeitet und bestenfalls gelöst werden.
Die beiden anderen Denkrichtungen weisen nicht dieses Gegeneinander auf. Weder beim Lösen des Problems noch beim Entwerfen einer Lösung sehen und agieren die Beteiligten gegeneinander, sondern vielmehr in einem Miteinander. Beide Denkrichtungen führen dazu, dass beide Konfliktparteien an einem Strang in die gleiche Richtung ziehen.
Beim Lösen von Problemen, die in der Vergangenheit (bis zur Gegenwart bestehend) aufgekommen sind, sieht de Bono maßgebend die Ausrichtung der Denke in die Vergangenheit. Nur beim Entwerfen von Lösungen gesteht er den Beteiligten zu, dass sie in die Zukunft denken, dass sie in der – möglicherweise gemeinsamen – Zukunft einen Ausweg aus der konfliktären und misslichen Lage suchen. Im gemeinsamen Entwerfen einer Lösung sieht de Bono die erfolgreiche Konfliktbearbeitung in komplexen Umwelten, das wirklich etwas qualitativ Neues ermöglicht und zukunftsorientiert den Konflikt konstruktiv werden lässt.
De Bono betont aber auch, dass dieses Denken und Agieren in Lösungsentwürfen keineswegs immer gelingt oder auch nur immer möglich ist. Es gibt auch für ihn Situationen, in denen ein Entwurf nicht gelingt und auf anderem Wege eine „Lösung“ gefunden werden muss, nicht selten auch im Gegeneinander.
Merkmale einer entwerfenden Mediation
Der Entwurf einer Konfliktlösung ist erheblich schwieriger zu bewältigen als der Entwurf einer Maschine, weil Menschen schlicht nicht vorhersehbar und in ihrer Komplexität berechenbar sind. De Bono will dabei nicht einmal von einer Konfliktlösung sprechen, sondern vielmehr von einer Situation namens Konflikt, die eine entwerfende Anstrengung von allen Beteiligten erfordert.
Kennzeichen einer entwerfenden Konfliktbearbeitung in der Mediation sind:
- Kampf- und Verhandlungsidiom und damit die gegeneinander gerichteten Sichtweisen werden nicht bestärkt. Vielmehr zählt allein ein Miteinander in der Konfliktbearbeitung, wobei nicht am Problem, sondern an einem Lösungsentwurf gearbeitet wird.
- Am Lösungsentwurf zu arbeiten, heißt in die Zukunft zu arbeiten, nicht an der Vergangenheit und dem, was dort schief gelaufen ist. Dies deshalb, weil die Gefahr zu groß ist, sich an einer einzigen Ursache festzubeißen und damit unterkomplex zu agieren.
- Die Konfliktbearbeitung wird anhand der unbekannten Zukunft ausgerichtet – und damit an den Zielen und Wünschen der Konfliktbeteiligten.
- Die Ziele und Wünsche der Beteiligten sind die Grundlage des Lösungsentwurfs – der in der Tat ein kreativer Schaffensprozess ist.
- Maßstab für die Kreation „Lösungsentwurf“ ist dabei nicht der Wunsch schlechthin, sondern die Eignung (Tauglichkeit und Zweckdienlichkeit) des Entworfenen.
Rolle und Aufgabe der Mediationsperson
Die Mediationsperson übernimmt zuvorderst die Aufgabe, dass konsequent an einem Lösungsentwurf gearbeitet wird und damit eine kreative Planung für die Zukunft der Beteiligten erfolgt.
- Der Lösungsentwurf basiert dabei auf einer gründlichen Kartographie der Situation, Darstellung der Sichtweisen durch die Beteiligten. Das mag verwundern, wenn man davon ausgeht, dass der Blick in die Zukunft es doch gar nicht nötig machen würde, die Vergangenheit konkret anzuschauen. Aber das ist halt ein Irrtum. Es geht ja nicht um einen Blick in die Zukunft zu nehmen, was nur Glaskugelerkenntnisse mit sich bringen würde. Es geht um die imaginierte Zukunft, die als Reflexionsfläche der erlebten Erfahrungen dient…daran lässt sich die Zukunft „erkennen“ und der eigene Weg aus ihr heraus anpeilen.
- Die dritte Person zeichnet dafür verantwortlich, dass die Konfliktbeteiligten zukunftsorientiert an einem Lösungsentwurf arbeiten.
- Dabei kann in die Zukunft geschaut werden oder von der hypothetischen Zukunft her gedacht werden.
- Die Mediationsperson achtet auf die Eignung, und damit auf eine konzipierende, behutsame Kreativität, die mehr Fortschritt als Innovation ist.
- Beachtung der gemeinsamen Elemente der Wunschvorstellungen beider Konfliktbeteiligten.
Methoden für einen Entwurf
Im folgenden werden nur wenige, ausgewählte Methoden vorgestellt, die das Prinzip beispielhaft unterstützen sollen. Generell lassen sich alle Tools und Methoden für die Visionsarbeit nutzen, lässt sich fast sagen.
- Klarzustellen könnte sich lohnen, dass es im Prinzip für die Entwurfsarbeit keine „unverhandelbaren“ Angelegenheiten gibt. Es ist viel einfacher, sich mit einem Entwurf zurück in die realisierbaren Grenzen zu arbeiten, statt innerhalb der Denkgrenzen einen tauglichen Entwurf zu erarbeiten.
- Abwärts oder aufwärts entwerfen, fragte de Bono. Das entspricht praktisch der unterschiedlichen Arbeit mit der Zukunft als imaginierte Reflexionsfläche. Nutzen wir die Zukunft als eine Imagination, in die hinein wir agieren werden oder aus der heraus wir planen sollten? Aus der Zukunft heraus oder in die Zukunft hinein, das ist hier die Frage! Oder anders und mit der Analogie von de Bono: Schälen wir die Lösung wie Michelangelo den David abwärts heraus, was einer Verfeinerung einer Grobvision, die Schaffung der Imagination entspricht oder aber ähnlich eines Bildhauers, der ein Drahtskelett mit Lehm befleischt und damit einem realen Istzustand weitere imaginierte Details hinzufügt…?
- Trennung der Ziele der Parteien von ihren Vorteilen, die ein Entwurf ermöglicht. Diese Trennung der Ziele von den Vorteilen der Parteien war de Bonos Umschreibung dessen, was die Mediation mit Hilfe des Harvard Verhandlungskonzepts mit der Trennung von Position und Interesse seit jeher meint.
- Hypothetische Fragen und damit auch der ganze Toolkoffer zirkulärer Fragestellungen sind fantastisch geeignete Entwurfsübungen…
- …und die Antworten auf hypothetische Entwurfsfragen werden dann plastisch, visuell oder jedenfalls wahrnehm- und am besten begreifbar dargestellt.
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