Wirksamkeit von Mediation in der Arbeitswelt (Studie 2019)

Welche Wirkungen hat Mediation bei Konflikten am Arbeitsplatz  – kurz-, mittel- und langfristig?

Zusammenfassung

Genau das war lange Zeit unklar. Zwar waren die Erfahrungen von Mediationsteilnehmer*innen regelmäßig positiv (beschrieben worden), jedoch war bisher völlig offen, ob und inwieweit Mediation auch mittel- und langfristig positiv wirkt. Genau das ist durch eine Studie nun untersucht worden. Festgestellt wurde, dass

  • Mediationen sowohl kurzfristig als auch langfristig
  • von den Beteiligten positiv und wirksam im Hinblick auf die Regulierung der Konflikte eingeschätzt werden – und zwar…
  • unabhängig von der hierarchischen Position
  • und dem Ausgang der Mediation, also ob Arbeitsbeziehungen neu gestaltet oder beendet werden!

Die Einschätzungen der Vorgesetzten unterscheiden sich nicht wesentlich von den Einschätzungen der anderen Beteiligten – und zwar für Trennungs- ebenso wie für Gestaltungsmediationen. Das ist überraschend und beruhigend zugleich!

Mediation bei Konflikten am  Arbeitsplatz – was bisher bekannt war

Untersucht waren bisher die kurzfristigen Wirkungen von Mediation am Arbeitsplatz.

So war bereits bestätigt, dass bei Mediationen am Arbeitsplatz hohe Einigungs- und Beendigungsraten erzielt werden. Die Einigungsraten lagen in den zugrundeliegenden Studien stets zwischen 60-80% ( Swaab/Brett 2007,  Wood/Leon 2009, siehe Literatur).

Die Unterschiede wurden regelmäßig darauf zurückgeführt, welche Qualitäten die Vermittlungspersonen mitbrachte, inwieweit der Konflikt bereits eskaliert war und um welche Vorkommnisse sich letztlich gestritten wurde.

Auch zeigten bisherige Studien, dass Vorgesetzte regelmäßig zufriedener mit den Mediationen waren als Ihre Untergebenen. Auch hinsichtlich der Einschätzung des Mediationsprozesses gab es Unterschiede. Die Anerkennung und Würdigung durch die Vermittlungsperson gegenüber Ärger(-Ausdrücken) etwa, hatte einen deutlichen Zufriedenheitsschub  auf Seiten der Untergebenen, während dies für Vorgesetzte nicht derart wertvoll war.

Unklar war bis jetzt, inwieweit die Zufriedenheit der Mediationsbeteiligten über die Zeit anhält und welche Wirkungen nach einem längeren Zeitraum – nach sechs Monaten oder auch nach einem Jahr – noch fortdauern.

Wer die Langzeitwirkung von Mediation wissen will,

muss Erinnerungen abfragen

und nicht die Zufriedenheit mit der Gegenwart:

Die Studie stammt von

  • Miriem Kalter,  PhD candidate in psychology at the University of Leuven, Belgium. Trainerin Mediatorin an der University of Applied Science in Utrecht, Niederlande.
  • Katalien Bollen is an assistant professor in the Department of Educational Research and Development at the University of Maastricht School of Business and Economics, Niederlande.
  • Martin Euwema is a professor in the Department of Work, Organizational, and Personnel Psychology (Faculty of Psychology and Educational Sciences) at the University of Leuven, Belgien.

Quelle:

Meriem Kalter, Katalien Bollen, and Martin Euwema: The Long-term Effectiveness of Mediating Workplace Conflicts; veröffentlicht in: Negotiation Journal 2018/ 34 (3), S. 243 ff.;

Zunächst wurden Arbeitsplatzkonflikte mit Hierarchiebezug ausgewählt, die ausschließlich von qualifizierten und eingetragenen Mediator*innen des niederländischen Verbandes (MfN, Dutch Mediation Federation) durchgeführt worden waren. Damit handelt es sich um praxiserfahrene Mediator*innen, da diese Listung mind. neun Fälle pro Jahr erfordert.

Die Studie ging dergestalt vor, dass die Konfliktparteien sowie die Mediator*innen jeweils kurz nach dem Mediationsabschluss befragt wurden (max. vier Wochen später) sowie ein Jahr danach erneut.

Die Studie orientiert sich an fünf Erfolgskriterien:

  1. Grad der Versöhnung zwischen den Konfliktparteien durch die Mediation:
    • Zunächst wurde nach der Beziehungsebene der Konfliktparteien im Anschluss an die Mediation gefragt, kurz: Inwieweit sind die Parteien wieder versöhnt? („I feel like my relationship with the other party has been restored“).
  2. Zufriedenheit mit dem Mediator: 
    • Gefragt wurde auch nach der Zufriedenheit mit den Interventionen durch die Mediationsperson, also nach dessen Verhalten (Tun und Unterlassen).
  3. Zufriedenheit mit dem Prozess der Mediation: 
    • Die Studienfragen zielten auch auf die Zufriedenheit mit dem Mediationsprozess, („Mediation was run in a neutral and objective manner“).
  4. Zufriedenheit mit dem Ergebnis: 
    • Erfragt wurde auch die Einschätzung allein auf das Ergebnis bezogen, so das die Zufriedenheit wohl auch davon abhängen dürfte, mit welchen Erwartungen die Parteien in die Mediation gestartet waren.
  5. Zuversicht in die Einhaltung:
    • Letztlich wurde um eine Einschätzung gebeten, inwieweit die Vereinbarung tragfähig sein würde, („I believe our agreement will be applied.“).
  • Insgesamt 96 Personen, die direkt innerhalb von vier Wochen nach den Mediationen befragt wurden, haben ihre Antworten zurückgesandt.
  • Nach einem Jahr sandten noch 41 Personen ihre Antworten zurück. Das entspricht einer Rate von 39%. Das ist nicht viel, aber auch nicht zu wenig für valide Aussagen, meinen die Studienverantwortlichen.
  • 41 Mediationsfälle wurden ausgewertet, davon wurden 32 mit einer Vereinbarung beendet (78%), die im Anschluss umgesetzt wurde. Diese Abschluss- und Vereinbarungsraten entsprechen auch anderen Forschungsstudien zur Mediation (s. McDermott u.a. 2002; Portal and le Tareau 2009)
  • Von den 41 Personen hatten 40 Personen (97%) einen unbefristeten Vertrag, lediglich eine Person hatte einen befristeten Vertrag.
  • Das Durchschnittsalter der Personen war 51 Jahre.

Forschungsfragen und Erkenntnisse der Studie:

Welche Zusammenhänge bestehen zwischen der kurzfristigen Wirksamkeit von Mediation und den Langzeitwirkungen?

Die Mediant*innen, die nach einem Jahr nochmals auf die Mediation zurückblickten (und den Fragebogen beantworteten!), schätzten die Wirksamkeit nahezu gleich ein. Die Einschätzungen zur Zufriedenheit mit dem Mediationsprozess, dem -Ergebnis und der Mediatorperson blieben gleich und änderten sich nicht signifikant. Das gilt für Konflikte auf einer Hierarchiestufe ebenso wie bei Konflikten mit Hierarchie und sowohl von den Vorgesetzten als auch von den Untergebenen wurden die Einschätzungen nahezu gleich vorgenommen. Lediglich bei Fragen zur Umsetzung waren die Vorgesetzten optimistischer.

Eine unterschiedliche Beurteilung über die Zeit gab es lediglich mit Blick auf den Mediationsprozess. Hier scheinen die Details nach einem Jahr zu verschwimmen und die Befragten schätzen ihre Zufriedenheit anders ein als kurz nach der Mediation. Als besonders bedeutsam schätzen die Forscher diesen Unterschied allerdings nicht ein, weil die Zufriedenheiten mit dem Mediationsergebnis sowie mit der Mediationsperson überlagernd wirken. Es lässt sich laut dieser Studie also nur feststellen, dass aus der Zufriedenheit im Anschluss an die Mediation nicht auf eine spätere Zufriedenheit geschlossen werden kann.

Erinnerung spiegelt Gegenwart, nicht Vergangenheit.

Welchen Einfluss hat es auf die Einschätzung der Wirksamkeit von Mediation, wenn es sich um eine Trennungsmediation handelt und wenn es sich um eine Gestaltungsmediation handelt?

Als Trennungsmediation (=Exit-Mediation) ist hier eine Mediation gemeint, bei der im Anschluss die Konfliktparteien nicht mehr zusammenarbeiten (müssen) und im äußersten Fall eine Partei das Unternehmen verlassen hat. Bei einer Gestaltungsmediation dreht sich die Mediation und Abschlussvereinbarung darum, wie die Arbeitsbeziehung neu gestaltet werden kann und dass Veränderungsabsprachen getroffen wurden.

Für die Zufriedenheit der Parteien macht es keinen Unterschied, ob die Mediation die Zusammenarbeit beendet oder gestaltet. Auch das Erfolgskriterium „Versöhnung“ wurde sowohl von Führungskräften als auch von Mitarbeitenden für die langfristige Wirksamkeit der Mediationen als am wenigsten wichtig eingeschätzt.

Das ist höchst bemerkenswert: Denn nach der Ansicht einiger Wissenschaftler*innen und Mediator*innen sollte die weitere Zusammenarbeit „präferiert“ werden, da die soziale Zusammenarbeit bedeutsamer sei als deren Beendigung. Aber das entspricht nicht den Forschungsergebnissen dieser und anderer Studien. Ob das daran liegt dass die Erleichterung über das Ende bei einer Exit-Mediation die Zufriedenheit erhöhe („Lieber ein Ende mit Schrecken, als ein Schrecken ohne Ende…“) oder ob ein „versöhnlicher Abschied“ an sich zufriedenstellend wirke („Wer die ganze Welt kennenlernen will, muss Abschiednehmen lernen.“), kann hier offen bleiben. Bedeutsam für Mediator*innen ist, dass sie mit dem gleichen Enthusiasmus Exit-Mediationen durchführen können wie Gestaltungsmediationen. Sie schaffen den gleichen „Mehrwert“ für die Parteien oder anders; dass Medianten zusammenbleiben und ihre Beziehung neu regeln ist nicht mehr wert als wenn sie sich trennen und neue Beziehungen aufnehmen. Eine Herausforderung für Mediator*innen könne diese Bewertung gleichwohl sein.

Welchen Einfluss hat die hierarchische Position der Teilnehmer*innen auf die Langzeitwirkung von Mediationen?

Zunächst, hinsichtlich der Zufriedenheit mit dem Prozess, den Ergebnissen und der Vermittlungsperson selbst bestehen keine signifikanten Unterschiede in der Bewertung zwischen Mitarbeiter*innen und Vorgesetzten.

Lediglich bei der langfristigen Bewertung der Umsetzungsergebnisse ergeben sich Unterschiede. Führungskräfte beurteilten die Einhaltung von Vereinbarungen positiver. Entweder, so vermuten die Forscher*innen, schlägt hier das Phänomen zu, dass die Position der Mächtigen generell mit einem erhöhten Maß an Optimismus einhergeht. Oder, dass das intensivere Gefühl der Untergebenen an das Gebundensein von Vereinbarungen dazu führt, dass sie mit der Umsetzung weniger zufrieden sind. Sie nehmen sie ernster und wohl auch im Detail genauer wahr…so dass Abweichungen intensiver ins Gewicht schlagen. So eindeutig geht das aus der Studie allerdings nicht hervor.

Unser Fachartikel: Organisationsmediation in vukaesken Umwelten (Teil 1)
Unser Blogbeitrag: Strategische Mediation in Organisationen.

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