INKOVEMA-Podcast „Gut durch die Zeit“

#194 – Mediation in Strafsachen – Täter-Opfer-Ausgleich und seine Besonderheiten in Sexualdelikten

Beiträge aus der Konfliktdynamik. Teil 2

Im Gespräch mit Hilke Kenkel-Schwartz

Hilke Kenkel-Schwartz: Pädagogin (B.A.) und Mediatorin (BM), Geschäftsführerin Konfliktschlichtung e.V. Oldenburg, Expertin für Mediation in Strafsachen, Systemische Familientherapeutin, Sozialmanagement (MA) i. A.

Gut durch die Zeit.

Der Podcast rund um Mediation, Konflikt-Coaching und Organisationsberatung.

Kapitel

0:13 – Willkommen zum Podcast Gut durch die Zeit
1:45 – Einführung in den Täter-Opfer-Ausgleich
3:15 – Historische Entwicklung der Mediation
7:15 – Unterschiede zur allgemeinen Mediation
14:51 – Auswirkungen auf die Opferperspektive
23:32 – Die Rolle der Mediatoren im Prozess
35:36 – Herausforderungen im Täter-Opfer-Ausgleich
39:57 – Die Bedeutung der Allparteilichkeit
45:50 – Spezielle Anforderungen bei Sexualdelikten
52:22 – Aktuelle Entwicklungen und Herausforderungen
59:28 – Fazit und Ausblick auf die Zukunft

Zusammenfassung

In dieser Episode laden wir Hilke Kenkel-Schwartz, die Geschäftsführerin des Vereins Konfliktschlichtung in Oldenburg, ein, um über den Täter-Opfer-Ausgleich (TOA) zu sprechen. Wir beleuchten die Herausforderungen und Besonderheiten dieser Form der Mediation im Strafrecht, die sowohl rechtliche als auch soziale Dimensionen umfasst. Hilke bringt ihre umfangreiche Erfahrung mit und erklärt, wie der TOA in Deutschland funktioniert und welche historischen Entwicklungen zu seinem heutigen Verständnis geführt haben.

Der TOA wird als ein Instrument innerhalb der Restorative Justice betrachtet, das darauf abzielt, sowohl die Täter als auch die Opfer in den Mittelpunkt des Prozesses zu stellen. Hilke legt dar, dass es entscheidend ist, die spezifischen Bedürfnisse der Betroffenen zu erkennen und zu berücksichtigen, insbesondere wenn es um schwere Delikte wie Sexualstraftaten geht. Gemeinsam erörtern wir die Notwendigkeit einer sensiblen und differenzierten Herangehensweise, die sowohl die Opfer als auch die Täter in ihrem menschlichen Potenzial sieht, anstatt sie nur durch ihre Taten zu definieren.

Ein zentrales Thema der Diskussion ist die Allparteilichkeit der Mediatoren im TOA. Hilke beschreibt, wie das Verständnis und die Handhabung dieser Rolle besonders in Fällen sexualisierter Gewalt angepasst werden müssen. Es wird deutlich, dass eine exklusive Beziehung zwischen dem Mediator und dem Opfer dazu beitragen kann, Vertrauen aufzubauen und eine offene Kommunikation zu ermöglichen, ohne dass der betroffene Person das Gefühl vermittelt wird, ihre Sicherheit könnte gefährdet sein.

Wir besprechen auch die strukturellen Herausforderungen, die den TOA in der Justiz behindern, einschließlich der Unsicherheiten in der Fallüberweisung durch Staatsanwälte. Hilke hebt hervor, dass trotz der rechtlichen Rahmenbedingungen, die seit den 80er Jahren existieren, nach wie vor eine Diskrepanz zwischen dem Potenzial des TOA und dessen tatsächlicher Anwendung besteht. Die Gründe hierfür sind vielfältig und reichen von internen bürokratischen Abläufen bis hin zu mangelndem Wissen über die Methode in der Justiz.

Ein weiteres wichtiges Thema ist die Rückmeldung der Beteiligten nach dem TOA und wie gesunde Begegnungen und Dialoge zwischen Tätern und Opfern tatsächlich zur Wiederherstellung von Vertrauen und zu einer verbesserten Lebensqualität für die Betroffenen führen können. Hilke teilt Erfahrungsberichte über Menschen, die es als heilsam empfunden haben, ihre Geschichten und ihre Verletzungen im Rahmen des TOA zu teilen und dadurch eine gewisse Form von Heilung zu erfahren.

Wir schließen die Episode mit einem Ausblick auf zukünftige Entwicklungen im Bereich der Mediation im Strafrecht und der Hoffnung, dass durch Bildung und Sensibilisierung in der Justiz neue Impulse für den TOA entstehen können. Hilke ermutigt alle, die sich mit Mediation fortbilden möchten, einen Blick in diesen Bereich zu werfen, denn die Prinzipien der Restorative Justice bieten wichtige Lektionen für alle Mediatoren. Es bleibt festzuhalten, dass der TOA ein wertvolles Werkzeug zur Förderung eines gerechten und rehabilitativen Umgangs mit Konflikten darstellt.

Informationen zum Täter-Opfer-Ausgleich, § 46 a StGB

Der Täter-Opfer-Ausgleich (TOA) ist ein Verfahren der außergerichtlichen Konfliktlösung im Strafrecht, das darauf abzielt, den Täter und das Opfer eines Verbrechens in einem geschützten Rahmen zusammenzubringen, um über die Folgen der Straftat zu sprechen und eine gemeinsame Lösung zu finden. Ziel des TOA ist es, den durch das Delikt entstandenen Konflikt auf eine Weise zu bewältigen, die sowohl die Bedürfnisse des Opfers als auch die Verantwortung des Täters berücksichtigt. Der TOA ist in Deutschland in § 46a Strafgesetzbuch (StGB) rechtlich verankert und kann (= muss nicht) zur Strafmilderung führen. Es handelt sich um eine Strafzumessungsregelung.

1. Geschichte und Entwicklung des TOA in Deutschland

Der Ursprung des Täter-Opfer-Ausgleichs lässt sich in den späten 1970er Jahren finden, als in Deutschland und auch international zunehmend ein Umdenken im Strafrecht stattfand. Inspiriert durch Restorative Justice-Ansätze, die ihren Ursprung vor allem in Nordamerika hatten, rückte die Wiedergutmachung für das Opfer und die soziale Reintegration des Täters verstärkt in den Fokus.

1986 startete das erste offizielle TOA-Modellprojekt in Braunschweig und Bremen. Der Erfolg dieses Projekts führte zur Anerkennung und Implementierung des TOA in das deutsche Rechtssystem.

Mit der Novellierung des StGB in den 1990er Jahren wurde der TOA durch § 46a gesetzlich verankert und ist seitdem eine anerkannte Form der strafrechtlichen Sanktionierung/Strafzumessung und Konfliktlösung. Es folgte eine breite Implementierung von TOA-Stellen in Deutschland, die seither kontinuierlich ausgebaut wurde. Der TOA wird von speziell ausgebildeten Mediator*innen durchgeführt, die neutral und unabhängig agieren.

2. Grundlegende Prinzipien und Rechtsgrundlagen

Der TOA basiert auf den Prinzipien der Wiedergutmachung und Verantwortung, im Gegensatz zur traditionellen Bestrafung. Der Ansatz beruht auf den Grundprinzipien des Restorative JusticeModells, das die Heilung des Opfers, die Wiedergutmachung des Schadens und die Verantwortungsübernahme des Täters in den Vordergrund stellt. Die gesetzlichen Grundlagen finden sich in den §§ 46a und 155a der Strafprozessordnung (StPO) sowie § 10 Jugendgerichtsgesetz (JGG), die eine Möglichkeit zur Strafmilderung bieten, wenn der Täter durch Wiedergutmachung oder durch ernsthafte Versuche dazu zeigt, dass er Verantwortung übernimmt.

Ein weiteres grundlegendes Element ist die Freiwilligkeit: Sowohl das Opfer als auch der Täter müssen bereit sein, am TOA teilzunehmen. Während des Prozesses haben beide Parteien die Möglichkeit, ihre Perspektive darzustellen und gemeinsam eine Lösung zu finden. Diese Vereinbarung kann finanzielle Wiedergutmachung, Entschuldigungen oder andere symbolische Gesten umfassen.

Die Mediator*innen im TOA sind neutral und unterstützen die Kommunikation, indem sie den Raum für offene und sichere Gespräche schaffen. Ihre Aufgabe besteht darin, beide Parteien auf Augenhöhe zu behandeln und dabei zu helfen, eine konstruktive Vereinbarung zu finden. Das schließt keineswegs aus, dass für bestimmte Konstellationen eine besondere Schutzfunktion vor Retraumatisiserungen der Opfer etabliert wird.

3. Der Ablauf des Täter-Opfer-Ausgleichs (Skizzierung)

Der Prozess des Täter-Opfer-Ausgleichs besteht üblicherweise aus mehreren Phasen:

  1. Kontaktaufnahme und Vorbereitung: In der Regel wird die Initiative für einen TOA durch die Staatsanwaltschaft, das Gericht oder die TOA-Stelle selbst angeregt. Beide Parteien werden über das Verfahren informiert, und die Mediator*innen stellen sicher, dass beide freiwillig und vorbereitet teilnehmen.
  2. Erstgespräche: Beide Parteien führen vor dem eigentlichen TOA Einzeltreffen mit den Mediatoren, in denen Erwartungen und Wünsche besprochen werden. Hier wird der Rahmen geklärt, und der Mediator bereitet die Parteien auf das Zusammentreffen vor.
  3. TOA-Sitzung (Ausgleichsgespräch): Während des eigentlichen Treffens kommen Täter und Opfer in einem sicheren Raum zusammen. Das Opfer hat die Möglichkeit, seine Perspektive zu schildern, und der Täter wird ermutigt, Verantwortung für sein Handeln zu übernehmen. Die Mediatoren unterstützen das Gespräch und helfen bei der Formulierung von Vereinbarungen.
  4. Abschluss und Vereinbarung: Am Ende der Sitzung steht idealerweise eine konkrete Vereinbarung, die von beiden Seiten akzeptiert wird. Die Einhaltung der Vereinbarungen wird ggf. nachträglich kontrolliert.
  5. Evaluation und Abschlussbericht: Nach dem TOA erstellen die Mediatoren einen Bericht, der der Staatsanwaltschaft und dem Gericht übermittelt wird. Falls die Vereinbarung eingehalten wird, kann dies als strafmildernder Umstand gewertet werden.

4. Aktuelle Situation und Herausforderungen

Der Täter-Opfer-Ausgleich hat sich in Deutschland als Alternatives Konfliktbearbeitungsmodell durchaus bewährt und wird in den unterschiedlichsten Fällen angewendet, von kleineren Delikten bis hin zu schwereren Straftaten. TOA-Stellen sind mittlerweile in allen Bundesländern etabliert und bieten spezielle Programme für Jugendliche und Erwachsene an. Besonders im Jugendstrafrecht spielt der TOA eine wichtige Rolle, da er Jugendlichen die Möglichkeit gibt, aus ihrem Fehlverhalten zu lernen und Verantwortung zu übernehmen.

Eine aktuelle Herausforderung ist die Finanzierung der TOA-Stellen, da diese oft von staatlichen Zuwendungen und kommunalen Geldern abhängen. Der TOA ist zwar gesetzlich verankert, jedoch erhalten nicht alle TOA-Stellen die benötigten Mittel, um ausreichend Kapazitäten für ihre Arbeit bereitzustellen.

Ein weiteres Problem ist die Teilnahmebereitschaft, insbesondere von Seiten der Täter. Viele Täter lehnen den TOA ab, weil sie die Konfrontation mit ihrem Opfer und das Eingeständnis ihrer Schuld scheuen. Auch seitens der Opfer besteht gelegentlich Skepsis gegenüber dem TOA, insbesondere wenn das Verbrechen schwerwiegende emotionale oder physische Schäden hinterlassen hat. Eine bessere Aufklärung und Sensibilisierung könnten helfen, die Akzeptanz für den TOA zu erhöhen.

Im Ganzen jedoch muss auch konstatiert werden, dass sich die ursprünglichen Visionen und „Zielvorstellungen“ keineswegs bestätigt haben, so dass der TOA eher abebbt.

5. Bedeutung und Zukunftsperspektiven des Täter-Opfer-Ausgleichs

Der Täter-Opfer-Ausgleich stellt eine wichtige Alternative im deutschen Strafrecht dar und zeigt, dass eine konstruktive Konfliktbewältigung möglich ist. Studien haben gezeigt, dass TOA-Teilnehmer sowohl auf Opfer- als auch auf Täterseite häufiger mit dem Ausgang des Verfahrens zufrieden sind als im regulären Strafprozess, da das Verfahren Raum für persönliche Aussprache und Wiedergutmachung bietet.

In der Zukunft könnte der TOA weiter ausgebaut werden, insbesondere im Hinblick auf digitale Formate und eine stärkere Einbindung in die Justizsysteme. Auch eine stärkere gesellschaftliche Sensibilisierung und der Ausbau von Beratungs- und Unterstützungsangeboten für die Opfer könnten dazu beitragen, den TOA in Deutschland weiter zu etablieren und seine Wirksamkeit zu steigern. Aktuell besteht jedoch kaum Aussicht auf Realisierung, was keineswegs allein dem TOA zugeschrieben werden kann, sondern auch dem gesellschaftlichen Kontext zugesprochen werden muss.

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Mehr Informationen
  • Kenkel-Schwartz, Hilke: „Ich will kein Geld und keine Entschuldigung…“ Erfahrungen mit Sexualdelikten im Täter-Opfer-Ausgleich als Lernfeld für außergerichtliche Klärungsgespräche, in: Konfliktdynamik 2/2024, S. 107 – 113.
  • Kavemann, Barbara / Nagel, Bianca / Etzel, Adrian / Helfferich, Cornelia: Wege zu mehr Gerechtigkeit nach sexueller Gewalt in Kindheit und Jugend.  Abschlussbericht des Forschungsprojekts, 2022. (Fallstudie – Wege zu mehr Gerechtigkeit nach sexueller Gewalt in Kindheit und Jugend)

vollständiges Transkript

[0:00]Von daher ist es vielleicht auch zu vergleichen mit anderen Mediationsbereichen, dass man davon ausgeht, dass die Menschen, die hier daran teilnehmen, dass die das Potenzial haben, zu reflektieren und auch das Interesse haben,
[0:13]
Willkommen zum Podcast Gut durch die Zeit
[0:12]eine gute Lösung zu finden. Und das ist auf beider Seiten gleichermaßen von uns Voraussetzung. Herzlich willkommen zum Podcast Gut durch die Zeit. Der Podcast rund um Mediation, Konfliktcoaching und Organisationsberatung. Ein Podcast von Inko Fehmann. Ich bin Sascha Weige und begrüße dich zu einer neuen Folge. Und heute geht es direkt um Mediation. Und zwar in der Form, dass wir uns ein spezielles Arbeitsfeld anschauen. Ein Arbeitsfeld, bei dem Mediatoren besonderen Herausforderungen gegenüberstehen, will ich das mal so bezeichnen. Und dieser Beitrag bzw. Diese Folge stellt einen Fachartikel aus der Konfliktdynamik vor, wie wir das jetzt seit einiger Zeit schon handhaben.
[0:55]Es geht um den Täter-Opfer-Ausgleich, wie es in Deutschland genannt wird, eine Strafzumessungsregel im Strafgesetzbuch. Und in Österreich heißt es, glaube ich, außergerichtlicher Tatausgleich. Und das heißt, es ist ein spezieller Kontext. Und um darüber fachlich anspruchsvoll und auch mit Erfahrung sprechen zu können, braucht es eine Expertin auf diesem Gebiet. Und die habe ich heute hier eingeladen. Herzlich willkommen, Ilke Kenke-Schwarz. Hallo. Hallo, ich freue mich, heute bei euch zu Gast zu sein. Helke, bevor wir das Thema ansteuern, das hat so seine Fallstricke und seine Besonderheiten, tasten wir uns da ganz langsam ran. Wer bist du und wie bist du mit dem Thema verbunden?
[1:39]Mein Name ist Hilke Kenkel-Schwarz. Ich bin Geschäftsführerin des Vereins Konfliktschlichtung.
[1:45]
Einführung in den Täter-Opfer-Ausgleich
[1:45]Sitz ist in Oldenburg. Diesen Verein gibt es seit 1987. Kann ich vielleicht später noch was dazu sagen. War einer der ersten Vereine, die den Täter-Opfer-Ausgleich in Deutschland durchgeführt haben. Also echte Pionierarbeit ist hier geleistet worden. Ich bin allerdings erst seit 2016 hier im Verein tätig. Ich bin angefangen in der Praxis, also ich bin eingestellt worden als Mediatoren in Strafsachen und habe, bevor ich die Geschäftsführung hier übernommen habe, Fälle im Täter-Opfer-Ausgleichsverfahren bearbeitet hier. Und meine Vorgeschichte, ich komme auch aus der Mediationsszene, sage ich mal. Ich habe 2005 eine Ausbildung gemacht zur Mediatorin und war seitdem tätig im Bereich Familienmediation, bevor ich dann in diesen Spezialbereich gewechselt bin. Ja, das war sozusagen eine Frage, die mir immer sofort kommt bei dem Themengebiet. Es gab eine lange Zeit Leute, die haben den Täter-Opfer-Ausgleich praktisch kennengelernt, sozusagen aus der Justiz heraus und dann kam so nach und nach das Thema Mediation auf und dann gibt es die anderen, die sozusagen Mediation gelernt haben und sich damit beschäftigen und dann in dieses Arbeitsgebiet gekommen sind.
[2:56]Und da interessiert mich immer ganz besonders, wie kommt das? Weil es ja doch ein sehr spezielles Arbeitsgebiet ist. Ja, ich bin auch in der Ausbildung tätig. Also ich bilde auch Mediatoren in Strafsachen aus. Und da hat genau in der letzten Ausbildung mir jemand auch eine ähnliche Frage
[3:15]
Historische Entwicklung der Mediation
[3:13]gestellt, wie diese beiden Mediationsgebiete zusammenhängen. Und ich verstehe deine Frage auch so, dass sie darauf abzielt. Und da musste ich erst mal überlegen, was ich da antworte.
[3:23]Weil aus meiner eigenen beruflichen Laufbahn sozusagen, ich hatte, bis ich hier angefangen bin, ich war in der Mediationsszene und war auch vernetzt mit Kollegen, die in Wirtschaftsmediation gearbeitet haben, Mediation im Arbeitskontext oder Familienmediation, aber ich habe noch nie von Mediation in Strafsachen bis dahin gehört. Also scheinen auch zwei unterschiedliche historische Entwicklungen zu sein und die Frage nach einem gemeinsamen Ursprung finde ich sehr interessant. Ich bin keine Historikerin und auch keine Soziologin, aber ich nehme mal an, weil diese Bewegung, die ja aus der Restorative Justice kommt, Bewegung sozusagen entstanden ist, diese Mediation und Strafsachen, hat vielleicht doch einen gemeinsamen Ursprung, nämlich Mitte des letzten Jahrhunderts, als so Reformbewegungen in Gang gekommen sind. Wo jetzt genau die Wurzeln liegen, weiß ich nicht, aber der Unterschied ist glaube ich, dass diese Mediation und Strafsachen sich also hauptsächlich aus der Reformpädagogik vielleicht konstituiert hat, durch Einfluss aus dem angelsächsischen Raum. Vielleicht kann ich dazu erzählen, dieser Verein ist auch gegründet worden aus einer Arbeitsgemeinschaft von Studenten der Pädagogik, die sich den Strafvollzug angeguckt haben und in ihrer Freizeit in die hier nahegelegene Justizvollzugsanstalt gefahren sind und mit den Insassen ein Freizeitprogramm auf die Beine gestellt haben. Das klingt jetzt vielleicht banal, aber dahinter steckt ja auch der Gedanke, was bewirkt Strafvollzug? Wie ist der gestaltet?
[4:50]Dahinter steht auch diese Frage nach Sanktionen des Staates. Inwieweit sind die hilfreich? Und dadurch ist auch dieser Verein ursprünglich mal gegründet worden und das finde ich eine ganz interessante Linie, dass das aus dieser Ecke kommt. Und während Mediation in anderen Bereichen ja eher sich zurückführen lassen auf das Harvard-Konzept, aus einer anderen Richtung. Aber die Methode ist eben die gleiche. Ja, das finde ich einen interessanten Zug und da können wir vielleicht jetzt für den Moment auch nur spekulieren, aber tatsächlich dieser veränderte Umgang, diese Reformbewegung hat ja durchaus auch in der Mediation mit dem Begriff Konflikt zu tun, dass man sagt, wir wollen den Konflikt anders deuten, anders bewerten, ihn eher als Chance sehen, denn als Marke, an dem jemand schuld sein muss. Und in einer viel verschärfteren Form ist das natürlich im Täter-Opfer-Ausgleich auch der Fall. Eine Reformvorschrift, die in Deutschland dann auch erst Ende der 70er, Mitte der 80er aufgenommen wurde. Vielleicht gucken wir uns das genauer ein bisschen an, damit wir auch verstehen, warum Mediation dort anders durchgeführt werden muss. Vielleicht so viel Spoiler sei erlaubt am Anfang. Es hat eine Besonderheit und das ist auch der Kern deines Beitrages, dass man dann doch am Ende des Beitrags deutlich sieht, ja, Mediation, aber man muss es anders machen, als man es vielleicht allgemein in einer Grundlagenausbildung vermittelt bekommt.
[6:08]Ja, es gibt Unterschiede, sagen wir mal so. Das liegt an der Spezifität dieses Feldes, nämlich der Umgang mit Straftaten. Da ist eine andere Konstellation vorab schon gegeben von den Beteiligten. Allerdings gibt es auch viele, viele Parallelen. Und wenn du anspielst auf den Beitrag, also diese Beschäftigung mit Sexualstraftaten im Täter-Opfer-Ausgleich, Da zeigt sich das nochmal besonders, dass Modifikationen einfach nötig sind, um diese spezielle Deliktschwere auch im Täter-Opfer-Ausgleichsverfahren mit Erfolg durchführen zu können. Würde das heißen, dass das sozusagen nochmal speziellere Mediation bedarf, wenn es um Sexualdelikte geht?
[6:52]Und dass das sozusagen an dem sich wirklich dann verdeutlichen lässt, dass man eine Mediation in Strafsachen anders gestalten muss als Mediation in anderen Arbeitsfeldern. Ja, ich denke schon. Es gibt verschiedene Parameter, die man glaube ich nochmal
[7:15]
Unterschiede zur allgemeinen Mediation
[7:09]festlegen muss, die sich auch bewährt haben bei uns hier in der Praxis und die spezifisch sind. Und es bestehen, glaube ich, besondere Anforderungen auf Seiten der Betroffenen in Bezug auf dieses Verfahren. Und da ist es, glaube ich, nicht gut oder es hat sich einfach auch gezeigt in unserer Praxis hier, dass wenn man die Standardverfahren der Mediation und Strafsachen hier anwendet, dass das nicht unbedingt gut funktioniert. Es funktioniert irgendwie, aber ich glaube, es kann besser funktionieren, wenn man auf die Anforderungen, Herausforderungen und Bedürfnisse der Geschädigten hier in besonderer Weise eingeht. Ansonsten vielleicht nochmal die Brücke zur Mediation in anderen Feldern.
[7:49]So grundsätzlich sind die Unterschiede im Verfahren gar nicht. Der einzig elementare Unterschied ist, dass getrennte Vorgespräche geführt werden. Das ist so eine Verfahrenstechnik, die sich vielleicht unterscheidet von Mediation in anderen Feldern. Allerdings kennt man das ja auch zum Beispiel bei Mediation im Arbeitskontext oder in Firmenkontexten, dass da auch unter Umständen getrennte Vorbespräche geführt werden. Also so fundamental sind die Unterschiede dann auch nicht. Die Methode funktioniert ähnlich, würde ich sagen. Gehen wir mal sozusagen als alter Jurist, würde ich sagen, dogmatisch ran. Schauen wir uns mal an, was das mit dem Strafrecht zu tun hat und was der TOA dort für eine Rolle spielt. Im Ausgangspunkt ist Strafrecht öffentliches Recht und regelt sozusagen das Rechtsverhältnis vom Bürger zum Staat. Und den Strafanspruch hat halt nicht das Opfer, sondern der Staat hat einen Anspruch, wenn Strafnormen verletzt wurden. Und er führt dafür ein Verfahren durch.
[8:50]Ich formuliere jetzt mal bewusst profiliert. Er benutzt dafür auch das Opfer als Zeuge gegebenenfalls, damit der Staat die Rechtsverletzung seiner Strafnormen, die er gesetzt hat, auch durchsetzen kann. Da hat das Opfer traditionell oder ursprünglich wenig damit zu tun, auch aus dem Gedanken heraus, dass die Verletzten nicht die Richter spielen sollen, sondern da gehört die richterliche Neutralität dazu. Nun gab es aber eine Reformbewegung und was hat da jetzt ein Täter-Opfer-Ausgleich für einen Anlass? Welches Problem soll er lösen?
[9:27]Ja, da spricht der Jurist, das höre ich auch aus dir heraus. Ich bin keine Juristin, ich komme aus dem Bereich Pädagogik. Im Strafrecht treffen wir uns ja. Ja, genau. Da treffe ich die Juristen und da treffe ich auch die Justiz, mit der wir ja auch ganz eng zusammenarbeiten. Ich meine, wenn man die Entwicklung nochmal verfolgt, seit den 80er Jahren hat sich halt diese Bewegung der Restorative Justice aus dem angelsächsischen Raum halt hier auch in Deutschland konstituiert, sage ich mal, oder gebildet. Das war auch ein langer Weg und dass das letztendlich in einem Gesetz mündete oder in verschiedenen Gesetzen ja auch quasi im Justizsystem implementiert wurde, dieser neue Gedanke, dass nicht nur gegen den Staat also Normverletzungen durchgeführt worden ist, sondern auch gegen Individuen und Persönlichkeiten, Personen auch individuelle Verletzungen davongetragen haben. Und dass man diese Bestrebung, das auch im Rahmen eines Verfahrens berücksichtigt, finde ich sensationell. Hätte ich damals auch, wenn ich damals beteiligt wäre, auch unterstützt, weil das ein guter Gedanke ist. Ist natürlich auch nochmal so ein Paradigmenwechsel, wenn man in der Konsequenz dann sagt, ja der Staat spricht Sanktionen aus, aber berücksichtigt jetzt nicht die Opferperspektive und das war lange so. Das war in den 80er Jahren auch so und was dieser Bewegung auch nochmal einen Schub gegeben hat, war, dass so ein Paradigmenwechsel da auch stattgefunden hat.
[10:55]Das war erstmal, dass der Täter da in den Fokus genommen worden ist, dass man sehr viel kriminologisch auch gefragt hat, warum hat der Täter das getan? Da kamen auch diese Resozialisierungsgedanken in den Vordergrund, die dann auch umgesetzt worden sind und ein anderer Täter. Wichtiger Einflussfaktor war eben auch die Entstehung von Opfer unterstützenden Einrichtungen. Die Opferhilfelandschaft hat sich dermaßen erstmal ausgebildet und differenziert. Das sind Entstehungsphasen, wo der Weiße Ring sich gebildet hat und andere. Stiftung Opferhilf und auch andere Verfahren wie psychosoziale Prozessbegleitung, die jetzt ein Standard ist. All diese Dinge haben da die Wurzel und haben natürlich auch diesen Gedanken, dass das Opfer in so einem Strafprozess eigentlich maximal als Zeuge aussagen kann, aber von den persönlichen Verletzungen eines Einwohners, eines Staates, wo der Staat sich verpflichtet, den auch zu schützen, das ist damals erstmal in den Fokus geraten und eben auch honoriert und geschätzt worden und mit eingebunden worden. Und daraus ist das entstanden. Zuerst im Jugendstrafrecht, Anfang der 90er und später auch im Erwachsenenstrafrecht. Also diesen Dreischritt, wir können ja auch nicht in die Tiefe gehen. Bei Straftheorien, glaube ich, 593 gibt es davon. Aber diese Grundlagen, dass man nicht einfach nur bestrafen will im Sinne von Vergeltung, das ist ein kleiner Aspekt nur, sondern man hat dann schon auch geguckt und das war eine lange Zeit eine Fokussierung auf den Täter. Was haben wir da als Gesellschaft falsch gemacht oder was muss da besser laufen, damit der resozialisiert wird?
[12:24]Und bei dieser Fokussierung, und das hat sich dann erst gezeigt, und das finde ich wirklich einen wichtigen Shift, der dann auch stattfindet, ist es Opfer, sind die Opfer der Straftaten, das ist eben nicht nur der Staat, der mit seiner letzten Strafnorm da irgendwie dumm rumsteht, sondern eben es sind menschliche Opfer in den Straftaten zurückgeblieben, dass die dann erst in den Fokus gerückt sind. Und mit dem Täter-Opfer-Ausgleich so eine direkte Konfrontation auch provoziert wird, mit dem man was erreichen will. Und das wird für die Mediation dann und für die Art und Weise eine wichtige Rolle spielen. Diese Intentionen sind, glaube ich, wirklich wichtig, um zu verstehen, was wir da machen, wenn wir da mediieren. Und jetzt haben wir sozusagen das Opfer im Mittelpunkt. Worum kann es für, und ich will mich gleich entschuldigen, wenn ich diese Begriffe nehme, weil sie aus dem Strafrecht stammen, Täter und Opfer. Wenn wir jetzt in mediative Gedankenkreise gehen, sind diese Begriffe schon wieder sehr fragwürdig und problematisch auch. Was kann das Opfer davon haben, eine Täter-Opfer-Ausgleich-Gespräch durchzuführen? Du sprichst an diese Problematik der Begriffe an Täter und Opfer. Im Gesetzestext heißt es ja so, da wird das so benannt Täter-Opfer-Ausgleich. Es gibt auch Diskussionen oder Bestrebungen oder Anregungen, das zu ändern. Ich bin selber in der Ausbildung tätig, da vermeiden wir auch Begriffe wie Täter-Opfer. Wir sprechen da von Tatbetroffenen und Tatverantwortlichen zum Beispiel, um eben diese Stigmatisierung da nicht gleich mit zu transportieren.
[13:54]Und da kann man sich vielleicht vorstellen, wenn man selber Opfer einer Straftat ist, dieser Begriff Opfer, der suggeriert schon Passivität, wenig Handlungsmöglichkeit, wenig Handlungswirksamkeit auch. Und deswegen, Worte machen auch Wirklichkeit, deswegen üben wir hier auch einen anderen Sprachgebrauch. Ich würde jetzt nie jemanden hier empfangen, der zum Vorgespräch kommt, der geschädigt da einer Sprachtat ist. Ja, Sie sind ja das Opfer einer Straftat. Das sind genau, das sind wirklich die Strafrechtsbegriffe. Und wenn man eben in mediativen Gesprächen geht, passen sie irgendwie nicht mehr. Passen sie nicht. Und Mediation, das muss man vielleicht auch verstehen, Täter-Opfer-Ausgleich ist der juristische Begriff. Die Methode dazu, das ist Mediation in Strafsachen.
[14:36]Von daher sind wir dann auch frei, andere Begriffe zu wählen und die Betreffenden anders hier anzusprechen. Du hast gefragt, was für einen geschädigten oder Tatbetroffenen Sinn das machen
[14:51]
Auswirkungen auf die Opferperspektive
[14:47]könnte, sich so einem Verfahren zu unterziehen oder sich daran zu beteiligen. Und das ist eben der Grundgedanke von Restorative Justice, dass man die Tat, die da einem passiert ist, bewältigen kann, dass man die integrieren kann. Weil es kann unter Umständen massive Nachwirkungen haben und das ist sehr individuell unterschiedlich. Das kann auch vermeintlich eine leichte Traftat sein, meinetwegen eine körperliche Aggression nachts nach einem Kneipenbesuch, aber die kann individuell sehr extreme Folgen haben. Und man muss auch bedenken, dass im Strafverfahren werden ja nicht die Interessen des Opfers unbedingt berücksichtigt, Sondern da ist der Staat, der Interessensgeber und der Leitgeber sozusagen, was da an Sanktionen ausgesprochen wird.
[15:34]Vielleicht kann ich dazu sagen, das ist so ein typischer Erstkontakt, den wir haben, wenn wir Betroffene anschreiben, ob die diese Option vielleicht für sich in Anspruch nehmen wollen. Wenn wir dann mit denen in Kontakt sind und ein Gespräch führen können, die haben oft Vorbehalte dieser Methode gegenüber. Wenn man dann mehr fragt, was ist denn ihr Interesse und die sagen dann, ja, ich möchte, dass der eine Strafe erhält, was ein total legitimes Interesse ist, das würde ich auch sagen, wenn mir irgendwas Schlimmes passieren würde durch eine andere Person. Und wenn man dann mal fragt, ja warum ist es auch eine typische Mediationsfrage, die in anderen Bereichen auch, der Familienmediation auch gestellt wird, wenn man dann fragt.
[16:13]Ja warum ist es wichtig für sie, dass der bestraft wird, dann höre ich auf die Antwort, ja ich möchte, dass der weiß, was der mir angetan hat. Und das ist dann wieder ein Interesse, das nicht unbedingt bei Gericht und im Gerichtsverfahren verwirklicht wird oder erzielt wird, aber das kann der bei uns machen, weil im direkten Austausch, aber auch im indirekten Austausch kann der also dem Tatverantwortlichen nochmal sehr eindrücklich nochmal schildern, was da angerichtet worden ist. Und das ist den Tatverantwortlichen oftmals nicht klar oder oftmals müssen sie sich damit nicht auseinandersetzen und das passiert bei uns. Das ist ein Interesse zum Beispiel, was wir hier verwirklichen können, abgesehen davon natürlich sowas wie Wiedergutmachung, restorative justice heißt ja auch wiedergutmachende Gerechtigkeit. Und das ist eben auch ein Element, was wir hier erreichen können, dass die beiden oder manchmal sitzen auch mehrere Beteiligte hier genau festlegen können, was brauche ich, damit diese Tat maximal wieder gut gemacht ist. Ja, da wird sozusagen, finde ich auch, diese Konfrontation unvermeidbar, weil wir eben doch auch erleben, dass wenn eine Straftat passiert ist und auch eine Strafe sozusagen erfolgt ist, ein Urteil erfolgt ist, dass noch lange nicht eben die anderen Dinge bereinigt wurden oder nicht.
[17:34]Also diese Justizidee, dass sie dafür auch sich zuständig fühlen muss, das Gemeinschaftsleben wieder in Ordnung zu bringen. Es reicht nicht aus, die Normverletzung zu bestrafen. Und du sagst ja auch, das Gemeinschaftsleben bei Restorative Justice zielt auch ab auf die Gemeinschaft, also dass nicht nur individuell zwischen einem Kern-Personen-Kreis Schädigungen, Normverletzungen passiert sind, sondern dass damit auch die Gemeinschaft geschädigt ist. Und das ist auch ein wichtiges Element der Restorative Justice. Der Täter-Opfer-Ausgleich ist sozusagen eine Methode im großen Feld der Restorative Justice-Maßnahmen. Da kann man jetzt sagen, bezieht die Gemeinschaft nicht unbedingt mit ein, was auch so ein Anspruch der Restorative Justice eigentlich ist. Aber in einzelnen Fällen können wir das doch machen.
[18:20]Wir haben halt die Freiheit durch dieses Setting als außergerichtliche Konfliktschlichtung sind wir relativ frei und können das nach den Interessen und Bedürfnissen der jeweilig Beteiligten hier organisieren und gestalten. Und da ist es manchmal auch nötig oder gut, wenn Menschen aus der Gemeinschaft oder aus einem weiteren sozialen Umfeld an diesem Prozess teilnehmen. Sei es Unterstützer auf Seiten der Tatbetroffenen, zum Beispiel Eltern im Jugendbereich haben wir das, Eltern oder auch Freunde zum Beispiel, die auch irgendwie von so einer Tat betroffen werden sein können. Gerade im Jugendbereich, wenn Peergroups da durch so einen Konflikt gesprengt werden oder eben nachfolgend nicht mehr eine gute Gemeinschaft bilden können. Ich will sozusagen auf eure Rolle da als Mediatorin und ich habe jetzt auch so verstanden, du bist nicht aus der Justiz heraus berufen, dann dieses Verfahren zu beginnen, sondern wirst als Externe mit dazugeholt. So könnte man das sagen. Ihr habt eine enge Verbindung, aber ihr seid jetzt nicht justiziell eingepflegt worden.
[19:25]Ich weiß gar nicht, wie man das nennt. Eingepflegt hört sich auch gut an. Wir ruhen uns immer damit, weil wir ein freier Träger sind. Das ist auch nochmal interessant, die die Mannschaft ist, der Fachstellen, der das überhaupt in Deutschland macht, der beauftragt ist. Aber wir sind sozusagen schon offizieller Partner hier der Justiz, die uns richtig den Auftrag geben. Also die schicken uns den Auftrag, bitte führen Sie in diesem Fall einen Täter-Opfer-Ausgleich zu. Das sind nicht die einzigen Auftraggeber, sondern wir haben auch Selbstmeldung sozusagen.
[19:55]Personen, die sich aus Eigeninitiative, weil sie von diesem Verfahren wissen, was leider nicht so populär ist oder im Allgemeinwissen ist, aber die uns anrufen und sagen, ich möchte als Tatbetroffene hier so ein Verfahren haben, weil ich das für mich als gut ansinne und ich möchte das gerne machen. Also auch diese Auftraggeberseite haben wir. Ah ja, das wäre sozusagen nochmal der Gegenpol zu dem, in dem ich hinsteuern wollte. Und das mache ich sozusagen in guter juristischer Tradition vom Gesetzestext aus. Heißt bei uns immer so ein Blick ins Gesetz fördert die Rechtsfindung. Und da lese ich beim 46a Täter-Opfer-Ausgleich, hat der Täter in dem Bemühen, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen, sogenannter Täter-Opfer-Ausgleich, sein Bemühen, einen Ausgleich zu erreichen.
[20:36]Seine Tat ganz oder zum überwiegenden Teil wieder gut gemacht oder deren Wiedergutmachung ernsthaft erstrebt. Also das reicht auch aus dann. Oder in einem zweiten Fall, so kann das Gericht die Strafe mildern. Oder wenn keine höhere Strafe als Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen verwirkt ist, von Strafe absehen. Also Strafmilderung und der Kern ist, es ist für den Täter da vom Gesetzes wegen. Also es geht um den Täter. Er darf, er kriegt eine Wiedergutmachungsmöglichkeit, um seine Strafe zu mildern oder sogar auch ganz davon abgesehen wird. Er braucht aber das Opfer dazu. Und das finde ich aus Mediationssicht einfach einen Kontext, der nicht ganz so einfach ist. Da kommen nicht zwei Leute und sagen, wir wollen eine Mediation, sondern da sagt einer, der auch noch der Täter ist, ich brauche die Möglichkeit der Wiedergutmachung, das würde ich gerne. Aber bitte, liebes Opfer, mach mit.
[21:33]Was bedeutet das für euch, wenn ihr hinzugezogen wird und die sich ja sozusagen vom Selbstverständnis her für das Opfer zuständig fühlen? Darf ich das so sagen oder ist das zu weitgehend? Ja, das kannst du ruhig so sagen, weil so ein Vorwurf, der uns als Theualer, auch oft gemacht wird, ist, dass wir täterorientiert arbeiten. Also dieser Vorwurf kommt auch von Opfer unterstützenden Organisationen, die da auch immer zu uns eine Distanz gewahrt haben. Inzwischen hat sich das auch in eine gute Richtung, konstruktive Richtung verändert. Aber das war ja so ein Vorbehalt uns gegenüber. Und laut Gesetz wirkt das ja erstmal, aha, der kriegt also eine Strafmilderung oder unter Umständen kann das Verfahren eingestellt werden, wenn er das macht. Ja, wenn man mich in der Situation fragen würde, würde ich das auch machen. Dann habe ich keine Haftstrafe zu befürchten oder eine mildere Strafe. Ja, klar mache ich das. Thema Freiwilligkeit, würde sofort die Mediatoren schreien. Und man kann auch sagen, da wird ein Attraktor geschaffen, dass man das macht und zwar ein extrinsischer sozusagen. Und das wird auch von Tatbetroffenen Seite oft kritisiert oder als Vorbehalt genommen. Ja, der macht das ja nur, weil er dann eine Strafmilderung kriegt. Und das ist eine Voraussetzung, die auch sicherlich besonders ist in Mediation und Strafsachen, weil wir mit dieser Voraussetzung arbeiten müssen.
[22:52]Das ist euer Kontext. Genau, unser Kontext. Und wir müssen natürlich gucken, auch im Sinne einer Opferorientiertheit, ich benutze das Wort Opfer jetzt einfach nochmal, dass keine Retraumatisierung da eintritt oder dass ein Schaden am Ende des Prozesses entstanden ist. Im Sinne von, dass wir da zwei Parteien oder auch mehrere zusammenbringen, also betroffene Tatverantwortliche, und am Ende geht der Tatbetroffene raus und sagt, ich habe von einer wirklichen Reue auf Seiten des Tatverantwortlichen nichts gemerkt und das hat mich bestärkt in meiner Vermutung, der macht das nur, weil der Schwaffmilderung hier erreichen kann. Und das ist, glaube ich, eine Anforderung an uns Mediatoren.
[23:32]
Die Rolle der Mediatoren im Prozess
[23:33]Das im Vorfeld in diesen Vorgesprächen zu prüfen. Diese Frage kriege ich auch oft gestellt, ja, wie will man das denn prüfen? Ich bin ja niemand, der in die Leute hineinguckt. Wir können die nicht scannen und auch nicht an einen Lügendetektor anschließen oder sonstige Sachen. Aber im kommunikativen Prozess und in diesen Vorgesprächen ist das ein wichtiger Punkt, immer mit der Folie das auch zu prüfen. Wie wäre das, wenn ich jetzt ein gemeinsames Gespräch zwischen hart betroffenen und hart verantwortlich mache? Ist das glaubhaft, was der sagt? Kann der das so rüberbringen? Oder kann er seine Motivation mir gegenüber so authentisch darstellen, dass ich sage, ja, der möchte das gerne wieder gut machen, der möchte eine Entschuldigung aussprechen, der hat wirklich Einsicht in dem, was er da gemacht hat. Weil ja Mediatoren häufig die Haltung in den Vordergrund rücken und sagen, die Haltung muss stimmen und wir müssen erstmal davon ausgehen, sodass mediatorische Selbstverständnis alle Menschen gut sind, im Grunde gut und auch in der Mediation das als tolle Chance finden, das auch mal mit dem anderen bei einem Missverständnis zu klären. Und hier sehe ich schon auch ein Rollenverständnis. Und vielleicht bin ich da etwas, vielleicht ein bisschen zu weit, da meine Frage an dich. Ich prüfe für das Opfer, bevor es mit dieser Person in einen Raum und ein Gespräch geht, kritisch will der oder die Täterin, wollen die tatsächlich die Sache wieder gut machen?
[24:59]Also ich muss schon jetzt Anzeichen finden. Und ich verstehe mich als ein Schutzschild, Schild, wohlwollend, aber doch bestimmend für die Opferperson, dass da nicht eine Retraumatisierung stattfindet, erreicht bei Delikten, um die es heute noch gehen wird, Sexualdelikte, also wirklich höchstpersönliche, intim verletzende Delikte. Ist das ein Rollenverständnis, das euch mit Themen wie Allparteilichkeit, Neutralität, so als Mediatoren da in Schwierigkeiten bringt oder ist das einfach Kontext angemessen? Es ist eine gute Frage, also diese mediative Haltung, von der sprichst, die würde ich auch uns natürlich großen im Kreis der Mediatoren auch zu sprechen. Und wir arbeiten in der Ausbildung sehr viel mit Ausbildungsteilnehmern an dieser Haltung oder versuchen, das zu transportieren. Dieser Punkt, dass wir sozusagen eine Prüfinstanz sind.
[25:48]Ja, da würde ich sagen, meine Verantwortung ist es, dass hier ein guter Prozess stattfinden kann, wo die Interessen beider Seiten verwirklicht werden kann. Und ich prüfe das auch mehr, das hört sich vielleicht technisch an, aber ich prüfe das aus einer Haltung heraus, dass dieser Prozess sinnvoll gestaltet werden kann und ich am Ende ein gutes Ergebnis für beide Beteiligte habe.
[26:11]Das ist so ein bisschen Rückzug auf so eine mechanische, methodische Ebene, aber das hat auch viel mit Menschenbild zu tun. Du hast vorhin angesprochen, ja, gibt es sowas, geht man davon aus, dass es etwas Böses gibt im Menschen, so ein Kern, der sich da vielleicht in dieser Tat ja geäußert hat und so. Das sind interessante Fragen, aber mediativer Haltung ist für uns in dieser Arbeit in Mediation und Strafsachen auch, dass hier jemand eine Tat verübt hat und wir sehen diese Tat erst mal als einzelnes Ereignis. Dahinter sehen wir jetzt nicht, das ist ein schlechter Mensch. Das wäre grundsätzlich vielleicht keine humanistische Haltung. Das wäre auch ein bisschen weit, genau. Genau, und in dieser Arbeit auch nicht sinnvoll und es würde zu keinem guten Ergebnis führen. Von daher ist es vielleicht auch zu vergleichen mit anderen Mediationsbereichen, dass man davon ausgeht, dass die Menschen, die hier daran teilnehmen, dass die das Potenzial haben, zu reflektieren und auch das Interesse haben, eine gute Lösung zu finden. Und das ist auf beider Seiten gleichermaßen von uns Voraussetzung. Und deshalb ist es für mich ein spannendes Mediationsfeld auch, nicht nur aus strafrechtlichen Überlegungen heraus, was ich gerne früher gemacht habe, auch als Jurist, dass wir daran erkennen in dem Kontext TOA, jeder hat auch sein egoistisches Interesse.
[27:29]Und das ist in Ordnung. Also das kann sogar beides befriedigt sein, ohne dass die Personen sich als soziales Paar wieder sozusagen als Sozialpartner ein Stück aufeinander zugegangen sind. Die können sich sozusagen auch missverstehen und trotzdem hat jeder sein Interesse auch erreichen können, weil da habe ich sozusagen, würde ich sagen, eher einen realistischen Blick drauf oder möchte ich bewusst einnehmen, dass ich nicht von so einer überschießenden Innentendenz bei Medianten ausgehe, dass die immer für das Gemeinschaftliche jetzt diese Gespräche führen und das bereinigen wollen, sondern es gibt auch ganz nüchterne egoistische Motive, eine Mediation durchzuführen und das ist völlig in Ordnung. Egoistische Motive sind auf beiden Seiten und die sind total egal.
[28:13]Ja, Schadenswiedergutmachung auf Seiten der Betroffenen. Auch zum Beispiel, was wir häufig hören, ist einfach auch dieses Ereignis und alles, was damit zusammenhing in der Folge an polizeilichen Verfahren, an gerichtlichen Verfahren, aber auch das, was das mit einem in seinem sozialen Umfeld, in seiner Familie oder anderen engen Beziehungen gemacht hat, einfach abschließen zu können. Das ist ein ganz großes Motiv hier auch oftmals. Und von Seiten der Tatverantwortlichen gibt es auch Motive, nämlich das abschließen zu können. Auch das Gefühl, so ein zutiefst menschliches Bedürfnis vielleicht zu haben, ich will das wieder gut machen. Ich glaube, das ist auch ein menschliches Bedürfnis grundsätzlich, dass wenn man etwas beim anderen geschädigt hat oder wenn man Schaden zugefügt hat, Verletzungen zugefügt hat, dieser Drang, das irgendwie wieder gut machen zu wollen. Und das setzen wir hier um. Und Gerichtssaal kann das nicht praktiziert werden oder kann das nicht umgesetzt werden. Der empfängt eine Strafe, aber er hat ja in dem Sinne bei dem Betreffenden nichts wieder gut gemacht. Und das ist auch ein ehrenhaftes und legales Motiv, egoistisches Motiv der Tatverantwortlichen hier.
[29:20]Gucken wir uns die praktische Arbeit an und auch jetzt in den spezifischen Fällen der Sexualdelikte, die zumindest meiner Kenntnis nach viel stärker und intensiver auch Familiendelikte sind, da sozusagen gleich passender sogar auch gerahmt sind mit dem Begriff Familiendelikte und die ganze Dramatik und Tragik da auch deutlich wird. Welche Besonderheiten sind da in der Praxis für die Mediatoren besonders zu beachten, weil einfach diese Deliktarten besonders verletzend sind? Ich sage mal ganz, ganz simpel erstmal für den Anfang. Vielleicht noch zur Historie. Grundsätzlich sind ja alle Delikarten für ein TOA geeignet. Mit ein paar Ausnahmen, also organisierte Kriminalität würde weniger geeignet sein und es muss eine natürliche Person sozusagen als Tatbetroffener zur Verfügung stehen. Das sind so grobe Ausschlusskriterien. Und die Strafhöhe, also es darf nicht mehr als ein Jahr drohen, sonst fallen sie raus.
[30:16]Sexualdelikte würden demnach auch unter möglich potenzielle Fälle, die für ein Theorie geeignet sind, fallen, aber sind in der Vergangenheit also nicht in Auftrag gegeben worden bei uns. Historisch gesehen war das immer so unausgesprochen sowas, ja, Sexualdelikte eignen sich nicht. Aus bestimmten Gründen vermutlich und zwar vorbehalten, dass man in diesen Fällen halt besonders eine Reviktimisierung der Betroffenen befürchtet hat. Viel aus Schamgefühl oder weil man halt vermutet hat, sich mit so einer Tat nochmal in der Art auseinanderzusetzen. Aus Schamgründen ist das gar nicht gewollt von den Betroffenen. Von daher sind wenig Fälle dieser Art in den Täter-Opfer-Ausgleich gelangt. Wobei ich auch sagen muss, und deswegen ist es nicht umsonst, dass dieser Auseinandersetzung mit dieser Thematik entstanden ist, jetzt in dieser Zeit auch, weil in letzter Zeit das vermehrt wir hier auch vor Ort beobachtet haben, dass wir auch solche Fälle oder Anfragen bekommen haben, auch viel von Selbstmeldern auch, die gesagt haben, ja, ich möchte gerne mit dem Tatverantwortlichen sprechen, ich möchte mich damit auseinandersetzen. Also da ist hier vor Ort kommunal hier auch eine Häufung festgestellt worden von uns. Wir haben diese Fälle gemacht, die sind auch sozusagen erfolgreich durchgeführt worden, aber wir haben wichtige Rückmeldungen bekommen von den Beteiligten, wie man das besser machen könnte.
[31:38]Welche Settings auch optimaler sein könnten in so einem Verfahren. Und das hat mich zusammen übrigens mit einer Anfrage vor eineinhalb Jahren von Frau Dr. Kavemann, die hat eine große Studie im Auftrag der Bundesrepublik gemacht. Deutschland gemacht im Zusammenhang mit sexuellem Missbrauch bei Kindern und hat geguckt, was für Unterstützungssysteme der Staat da eigentlich zur Verfügung steht und in Verfahrensunterstützung und so. Und die hatte mich nämlich vor anderthalb Jahren angerufen und wollte mal hören, was denn der Täter-Opfer-Ausgleich da zu bieten hat. Und ehrlich gesagt, am Ende, das war ein spannendes Gespräch für mich.
[32:14]Am Ende musste ich eigentlich feststellen, ja, wir haben da nichts Spezifisches zu bieten. Und dann haben wir am Ende dieses Gesprächs noch gesagt, ja, vielleicht wäre es sinnvoll, da ein Konzept zu entwickeln. Und dann habe ich gesagt, ja, das ist eine gute Idee, ich werde mich mal darum kümmern. Und dann kam eben aus anderen Gebieten, aus anderen Arbeitsbereichen eben auch noch so Einflüsse oder Impulse und am Ende ist dann wirklich für uns hier auch so ein Konzept daraus gekommen. Das habe ich ihr übrigens letzte Woche gegeben, als ich sie getroffen habe und das war ein ganz schöner Moment. Die Studie, die werden wir mit verlinken, wenn die öffentlich ist, dass wir da auf jeden Fall den Ausgang haben. Und bedeutet das eine lange Zeit, weil die Stakeholder des Verfahrens das für nicht sinnvoll erachtet haben, Richter, Staatsanwalt, Verteidigung oder so, dass das einfach nicht zustande kam? Man muss ja auch sagen, dass dieses Täter-Opfer-Auslaufsverfahren, das war seit den 90er Jahren im Gesetz implementiert, aber da muss man sich mal vorstellen, dass das erst mit anderen Delikten angefangen ist und diese spezifischen Delikte, die wirklich auch schwerwiegende, andere Delikte können auch schwerwiegende Schweden machen, aber diese nochmal in besonderer Art und Weise, glaube ich.
[33:23]Dass das auch natürlich ist, dass solche Fälle dann nicht unbedingt die ersten sind, die man als Staatsanwalt, als Staatsanwältin für einen TOA geeignet hat. Das ist jetzt auch gar nicht böse gemeint, sondern es ist auch begründet im Sinne von Opferschutz. Man will dem Opfer nicht zumuten, sich in dieser intensiven Art und Weise nochmal mit der Tat auseinanderzusetzen, weil man vermutet, dass… Richtet eher Schaden an und dass man eher die Tendenz so gesehen hat von Betroffenen, das schnell abzuschließen und möglichst wenig darüber zu reden. Und das hat sich geändert, vielleicht auch dadurch, dass Täter-Opfer-Ausgleich vielleicht doch durch viel Öffentlichkeitsarbeit und im Rahmen des Jurastudiums gibt es jetzt auch eine Reform, dass Studenten auch darin sozusagen gelehrt werden oder von diesem Verfahren wissen, dass da doch nähere Kenntnisse sind, wie das abläuft und eben auch, was das für Vorteile hat. Dass eine Auseinandersetzung mit dieser Tat für die Betroffenen gerade eine sinnvolle oder eine gute Art der Bewältigung ist. Hey, du, der diesen Podcast hört, vergiss nicht, ihn zu bewerten und eine Rückmeldung zu geben. Vielen Dank und jetzt geht’s weiter.
[34:36]Also ich kann mich erinnern zu meiner Zeit, das war in den Nullerjahren, bei der Staatsanwaltschaft gab es halt so ein Opfertelefon. Da konnte man halt anrufen als Opfer einer Straftat, die jetzt bei Gericht ist und da ging es aber so um Erkundigungen, wann das Verfahren ist oder wie weit das ist. Also es war eher so ein administratives Begleiten, als dass es jetzt mit einem bestimmten Zweck von Wiedergutmachung oder auch Tatbewältigung, also viele, bei denen eingebrochen wird in der Wohnung, die können einfach nicht in der Wohnung bleiben, die ziehen dann aus. Und das hat im Strafverfahren gar keine Bewandtnis, deren Problem dann im Nachgang. Aber es hat ganz entscheidende Wirkung, wenn Gespräche zustande kommen, dass die Wohnung wieder sozusagen als Hoheitsgebiet und als Intimsphäre wieder wahrgenommen werden kann. Genau, ein klassisches Beispiel, was du auch nennst, was wir hier auch ein Delikt ist, was wir hier auch oft im TOA bearbeiten.
[35:36]
Herausforderungen im Täter-Opfer-Ausgleich
[35:31]Und das sind ja sehr nachhaltige Lösungen, die in diesem Verfahren auch gefunden werden können. Und zwar im Sinne, dass die Tatbetroffenen wieder ein normales Leben führen können und auch das in Anspruch nehmen können.
[35:44]Unbesorgt, was eigentlich normal für uns ist, nämlich das eigene Haus als sichere Sphäre erleben zu können, aber auch öffentlicher Raum. Also wenn jemand im öffentlichen Raum zum Beispiel aggressiv angegangen, Körperverletzung da verübt worden ist, der traut sich dann auch nicht mehr raus bei Nachts oder in bestimmten Gegenden oder so. Und das wiederherzustellen maximal durch eine Begegnung zwischen Tatverantwortlichen und Tatbetroffenen, das kann erreicht werden bei uns. Ja, ist paradox, aber tatsächlich wirkt das. Ja, man begegnet dem Übeltäter und denkt, ja, das ist ja schlimm, jetzt begegne ich dem nochmal im Täter-Opfer-Ausgleich. Aber der gegenteilige Effekt ist da, nämlich von dem zu hören, okay, ich sehe, was ich angerichtet habe, ich bereue das und ich möchte es wieder gut machen. Das ist sehr heilsam und kann das zukünftige Leben sozusagen wieder besser herstellen, dass man seine Freiheiten da auch unbesorgt nutzen kann und einfach ein normales Leben führen kann. Gehen wir in das Verfahren. Ich merke gerade, wir sind ein bisschen abgekommen von Sexualstraftaten im TOA. Wir nähern uns aus mehreren Richtungen an. Also ein wichtiger Punkt, den ich in dem Beitrag gelesen habe, war das Thema Allparteilichkeit. Zweite Ordnung hast du es genannt. Was so birgt sich für Mediatoren dahinter?
[36:57]Ja, dieser Begriff zweiter Ordnung, der ist mir eingefallen. Ich war ganz glücklich darüber, weil das natürlich das so in Worten auszudrücken und zu beschreiben ist immer schwierig. Aber dann ist mir das eingefallen, dass man das gut so benennen kann. Wegen Allparteilichkeit. Wir sind allparteilich, auch in der Mediation in Strafsachen. Das sind Prinzipien, die auch bei uns natürlich herrschen. Und dann war es interessant zu erfahren aus Rückmeldungen aus Fällen, also Mediation in Strafverfahren bei Sexualdelikten, die wir von Betroffenen als Rückmeldung bekommen haben, dass die gesagt haben, ja, ich konnte das irgendwie ganz schlecht haben, dass sie mit dem Tatverantwortlichen genauso geredet haben wie mit mir. Und das ist aus mehreren Kanälen, ist das sozusagen an uns, an mich herangetragen worden. Ich habe es übrigens auch in einem Film.
[37:46]All eure Gesichter kann ich nur empfehlen. Vielleicht kannst du den Link auch nochmal zu diesem Film einstellen. Da sagt die Schauspielerin, die auch da eine Betroffene spielt, eine Betroffene von einem Sexualdelikt, die sagt dann zu ihrer Mediatoren am Ende, ja und ich zitiere jetzt mal, ich fand das zum Kotzen, dass sie den Täter genauso beschützt haben wie mich. Und das war auch nochmal so ein Impuls, wo ich dachte, aha, das ist ein wichtiger Punkt oder ein wichtiger Faktor für diejenigen, die sich in dieses Verfahren hier als Betroffene geben. Dann habe ich mich im engen Austausch mit Wildwasser und anderen Beratungsstellen, also Opfer unterstützenden Beratungsstellen bei sexualisierter Gewalt auseinandergesetzt und einen richtig guten Austausch mit denen gehabt. Und die mir dann nochmal erklärt hat, was ich dann vielleicht die Fußschule geahnt habe, dass durch ein Sexualdelikt eben dieses Vertrauen in Beziehungsangeboten, die wir tagtäglich annehmen, wenn ich beim Bäcker was kaufe oder wenn ich irgendjemanden grüße, dann ist das ein Beziehungsangebot, was ich annehme, völlig vertrauensvoll. Und das durch so eine Sexualstraftat, Sexualdelikt massiv erschüttert bei diesen Betroffenen. Und dass die selbst in so einem Beratungssetting, was wir dann anbieten.
[38:57]Wo wir ja sagen, wir tun dir nichts Böses natürlich, wir unterstützen dich sogar. Selbst in diesem Beratungssetting ist es schwierig für die Betroffenen, das so unvoreingenommen und vertrauensvoll anzunehmen, wenn die sehen, dass ich mit dem Täter, mit ihrem Täter, mit ihren Tätern auch genau so ein vertrauensvolles Verhältnis habe. Das verursacht eine skeptisch und Misstrauen und wieder so ein Rückzug, das kann ich nicht machen oder da kann ich mich nicht öffnen. Und deswegen so der Schluss daraus, dass in diesen Verfahren bei Sexualdelikten die Betroffenen eine absolute exklusive Arbeitsvertrauensbeziehung zum Mediator, zum Mediatoren haben müssen. Und deswegen die Idee, das zu zweit zu machen auch, dass jemand sich mit dem Tatverantwortlichen beschäftigt, die Gespräche führt und dass das im Team, in diesem Ko-Mediationsteam, da wieder so eine Allparteilichkeit hergestellt werden würde.
[39:57]
Die Bedeutung der Allparteilichkeit
[39:54]Und das fand ich eine gute Idee und die haben wir auch praktiziert und umgesetzt. Und tatsächlich haben wir ungefragt Rückmeldungen gekriegt. Ja, das fand ich gut, das war für mich gut, ich konnte mich öffnen. Ich musste nicht immer prüfen, ist das Beziehungsangebot, was ich hier vorsichtig handhaben muss. Nein, ich konnte mich in diesem Prozess begeben, offen sein und alles sozusagen hier reingeben, was ich wollte. Und hatte keine Angst, dass da die Gefahr ist, dass ich da enttäuscht werde. Also ihr baut sozusagen die personelle Komplexität auf. Es gibt immer zwei Leute.
[40:27]Einer der Mediatoren darf sozusagen auch mit der Tatverantwortlichen vertrauensvoll zugewandt sprechen. Und die andere Mediatorin sozusagen ist für die Tatbetroffene, die Opferperson, exklusiv. Und an eurer Gemeinsamkeit seid ihr allparteilich, aber die Person, die sich der Tat betroffenen Person näherstellt, die ist auch exklusiv für sie tätig, um dieses Schutzangebot zu verdeutlichen. Ja, und auch um möglich zu machen, dass diese Arbeitsbeziehung überhaupt gut funktionieren kann. Ja, es ist nicht möglich, und das ist jetzt nur eine überprüfende Frage, dass diese Personen in der Komediatorenrolle sich wechseln, sondern man muss das durchziehen. Eine Person ist für die Opferperson die Zugewandte.
[41:17]Ja, würde ich so sagen, das ist auch ein Ergebnis des Austausches hier mit der Beratungsstelle hier vor Ort. Eine gute Arbeitsbeziehung oder vertrauensvolle Arbeitsbeziehung, da ist auch der Faktor Kontinuität. Und eine spezifische Person ist halt auch wichtig. Wenn man das jetzt immer wechseln würde, dann funktioniert das. Genau, geht nicht. Das kann ich gut nachvollziehen. Und das heißt dann aber eben auch, dass es eine funktionale, damit erlernbares Verhalten ist, dass die Allparteilichkeit als Team gewahrt wird, aber als Mediatorin-Person bin ich… Nicht allparteilich, sondern bin ich dieser Person zugeschrieben. Ich finde das einen wichtigen Punkt für das Verständnis von Mediatoren. Es hört sich paradox an. Es hört sich paradox an. Ich finde das total plausibel. Ja, aber ich glaube, man kann das in dem Ablauf, in der Methodik, in meiner Funktion als Prozessverantwortliche, bin ich in der Lage, das zu trennen. Oder bediene auch diese Prinzipien der Mediation. Das ist die Professionalität. Ich finde es deshalb wichtig, aus zwei Aspekten. Einmal, ich habe schon Mediationen durchgeführt, wo es auch in Co-Mediationen, in anderen Zusammenhängen, also Wirtschaftsorganisationsmediationen, wo klar war, der Mediator ist mehr für die eine Seite vertrauenswürdig, Stichwort Arbeitnehmervertretungen und der andere Mediator ist für die andere Seite vertrauenswürdig, Arbeitgebervertretung und beide zusammen ergeben ein gutes Mediatorenteam und das konnte man auch nicht austauschen.
[42:45]Man kann aber natürlich, in dem Fall ist das etwas anders konnotiert, mit den Irritationen besser spielen. Das ist dann dort speziell, wo deutlich war, ich muss nicht den Parteien etwas zumuten, was sie nicht vertragen können. Nämlich, ich bin allparteilich, ich bin für euch alle gleich da. Das funktioniert in dem Falle nicht. Und damit dennoch Vermittlung möglich ist, dürfen sozusagen, und das ist für mich die Schlussfolgerung, Mediatoren auch einseitig arbeiten.
[43:12]Sie müssen dann halt nur zu zweit arbeiten. Ja, genau. Wie gesagt, ich fand es halt wichtig nochmal, dass ich hier diese Allparteilichkeit nochmal, das ist ja eine Ausdifferenzierung sozusagen und dass das aber auch den Hintergrund hat, dass von dieser Beratungsstelle mir nochmal wirklich eindrucksvoll erzählt worden ist, wie das aus der Perspektive der Tatbetroffenen ist, was mit deren Vertrauen in Beziehungsangeboten passiert ist. Und dass sich das natürlich auch auf dieses Beratungssetting immer auch auswirkt und immer auch unter diesem Vorbehalt nur das stattfinden kann. Und deswegen fand ich es so spannend, dieses Hindernis auf Seiten der Geschädigten oder diesem Vorbehalt dadurch entgegenzukommen und auf diese Anforderung von unserer Seite zu reagieren. Und das, finde ich, ist bei Mediation ja auch im Prinzip. Wir gucken, was die Beteiligten brauchen. Und das ist das, was die Betroffenen in Sexualdelikten offensichtlich brauchen. Und das können wir bedienen. Dieses Setting können wir herstellen. Ja, dass manchmal mehr Distanz, mehr Funktionalität notwendig ist, damit man sich darauf einlassen kann. Weil gerade bei den Delikten, gerade wenn es Familien- und Nahbeziehungen war, in denen dann sexuelle Straftaten erfolgt sind, da ist ja gerade die vertraute Situation als Gefahrensituation im Anschluss markiert.
[44:36]Also wenn wir dann als Mediatoren die Kekse hinstellen und einen Kaffee machen und es besonders heimelig machen, das ist dann eine Form von Wiederbelebung der Gefahrensituation und das will man natürlich nicht nochmal machen. Im TOA oder im Strafrecht wären solche Paradoxien besonders deutlich, wo wir uns dann drauf einlassen müssen professionell. Und das finde ich einfach da für die Professionalisierung von Mediatoren besonders wichtig. Ich würde auch sagen, dass bei Täter-Opfer-Ausgleichsverfahren bei Sexualdelikten eine spezifische Spezialisierung vielleicht auch notwendig ist oder im Sinne einer Kompetenzerweiterung zum Beispiel Curriculum der Ausbildung ist es auch so, dass wir über Traumatologie und traumatherapeutische Interventionen gibt es auch einen Input. Und wir sind in diesem Feld auch bewandert darin oder stellen immer unsere Antennen auch auf, um zu merken, passiert hier gerade eine Retraumatisierung, was passiert mit den Klienten, Tatbetroffene, geraten die hier in so eine Dissoziation oder andere traumatische Symptomatik, die vielleicht erkenntlich ist, müssen wir generell sowieso geschult sein. Und ich glaube, bei Sexualdelikten oder Täter-Opfer-Ausgleichsverfahren bei Sexualdelikten.
[45:50]
Spezielle Anforderungen bei Sexualdelikten
[45:45]Müssen wir da noch ein ganz anderes Level der Aufmerksamkeit haben. Weil da können sich erst mal ganz schnell dissoziative Störungen auch zeigen oder Symptomatiken zeigen in so einem Gespräch. Und da noch mal so eine besondere Sensibilität bei sich selber zu schaffen und auch eine adäquate Umgehensart damit. Was muss ich denn machen, wenn ich sowas feststelle? Und die Symptomatik ist manchmal so, dass es ganz normal erscheint, wie sich jemand verhält.
[46:12]Man bewertet das selber als konkurrentes Verhalten, aber es ist es gar nicht. Also da nochmal sensibel zu sein und auch Methoden an der Hand zu haben. Was kann ich in dieser Situation zum Schutz des Betroffenen jetzt machen? Muss ich das unterbrechen? Kann ich eine Methodik anwenden, um diese dissoziativen Symptome abzustellen, um den wieder ins Hier und Jetzt zu bringen? Also da glaube ich, ist auch nochmal eine besondere Erfahrung notwendig oder eine besondere Schulung oder Kompetenzerweiterung. Angesichts der fortgeschrittenen Zeit ein, zwei Themen noch sozusagen den Beitrag vorbehalten lassen, der sich wirklich lohnt zu lesen und nicht nur in einem Spezialgebiet, sondern auch einen guten Überblick über das Thema TOA und Mediation gibt. Mir wäre aber noch wichtig, mit dir als Praktikerin möglicherweise ein Vorurteil oder eine Tendenz zu besprechen, die ich eher so aus der Justiz und aus dem Strafprozessualen her habe, dass der TOA keinesfalls mehr so eine Erfolgsgeschichte ist, was die Anzahl angeht, was die Anfangseuphorie angeht. Und auch das sozusagen etwas ist, wo ich denke, das ist zwar ein ganz spezielles Feld, aber für Mediation und für Mediatoren ein ganz wichtiger Bereich, wie so eine kleine Laborsituation.
[47:22]Der TOA ist ins Gesetz gekommen, mit viel Aufwand, mit viel Streit und Diskussion und dann aber auch mit Euphorie aufgenommen. Bundesländer haben ihre Projekte, weil Strafverfahren, Ländersache ist auch durchgeführt. Aber so in den letzten Jahren ist das eher abgeflaut.
[47:39]Wie hast du das erlebt, die Entwicklung in TOA in den letzten Jahren? Ja, ich bin natürlich kein Pionier. Ich habe diesen Verein übernommen von meiner Vorgängerin und die hat mir immer aus der Geschichte der Entstehung des Vereins und auch bundesweit war die vernetzt und hat die Entwicklung oder die Entstehung dieser Umsetzung, dieser restorative justice erlebt. Also ich kenne das nur aus Geschichten. Auch wenn man es so nüchtern sagen muss, leider, das ist keine Erfolgsgeschichte bis hierher. Aber diese Euphorie der Anfangsjahre, wo man ja auch bedenken muss, das ist aus Projekten entstanden. Hier im Verein war es so, dass die einfach angefangen sind. Da gab es gar kein Gesetz. Meine Vorgängerin erzählt dann immer, sie ist von Tür zu Tür gegangen in der Staatsanwaltschaft im Gebäude und hat gefragt, habt ihr nicht einen Fall für uns, das uns nur Experimentierweise geben? Wir versuchen das zu regeln. Das muss man sich auch vorstellen, ohne Gesetzesgrundlage.
[48:32]Von daher ist dieser Schritt, dass das gesetzlich implementiert wurde. Da hätte man ja denken können, wow, das ist der Schritt und jetzt geht es…
[48:40]Und was sich auch in Fallzahlen darstellt. Und die sind leider auf einem, muss man sagen, niedrigen Niveau zwar konstant, aber es besteht jetzt auch nicht die Aussicht, dass das sprunghaft ansteigt in den nächsten Jahren. Und man muss eigentlich einfach sagen, dass diese Methode viel Potenzial hat, dass diese Möglichkeit viel Potenzial hat im Sinne auch der Tatbetroffenen gut ist, aber dass das in der Praxis nicht so umgesetzt wird oder sagen wir mal, dass es womöglich viel mehr Fälle gibt, die wir hier gut bearbeiten könnten, aber vielerlei Faktoren behindern das, würde ich sagen. Das sind strukturelle Faktoren. Wie funktioniert so ein Justizapparat? Wenn zum Beispiel ein Staatsanwalt, Staatsanwältin uns einen Fall geben will, dann ist das häufig mit negativen Auswirkungen behaftet. Einfach von dem Ablauf, der in so einer Bürokratie herrscht, nämlich dass so ein Fall dann als nicht beendet, nicht abgeschlossen gilt und auf der persönlichen Arbeitsleistungsliste als unerledigt gilt. Und im Mitarbeitergespräch das negative Auswirkungen haben kann. Und dann ist das auch individuell abhängig, dass vielleicht wenig Wissen über diese Methode, über diese Möglichkeit einfach vorhanden ist, was sich hoffentlich ändern wird im Jurastudium. Was ich hoffe, was schon mal eine gute Maßnahme ist. Die Hoffnung will ich jetzt nicht nähern.
[50:04]Das Jurastudium ist mit Hoffnungen befrachtet. Ja, genau. Es gibt viele Stellstrauben, an denen man drehen könnte. Und ganz einfach auch Erlasse, also so ein Top-Down-Prinzip, dass man einfach auf Bundesebene, aber auch auf Länderebene, weil TOA wird in den Ländern unterschiedlich organisiert, auch was die Trägerschaft betrifft, was die Finanzierung betrifft, dass man auch von oben zum Beispiel Erlasse erlässt, also was eine Fallüberweisung in den TOA erleichtern würde und zumindest keine Nachteile hätte für die betreffenden StaatsanwältInnen. Aber da gibt es vielerlei Möglichkeiten, das zu machen. Aber insgesamt ist es tatsächlich so, dass über viele Dekaden jetzt keine richtige Weiterentwicklung stattgefunden hat, sondern das muss man leider, das kann ich aus meiner kurzen Dekade hier seit 2016 sagen, dass es eher auch Rückschritte gibt oder Tendenzen.
[50:56]Die wieder in die negative Richtung gehen. Zum Beispiel, wo man bedenkt, dass die Landschaft der Fachstellen abnimmt, dass freie Träger aus diesem Arbeitsgebiet ausgeschlossen werden, aus finanziellen Gründen, verursacht einen großen Schaden. Das sind freie Träger auch, die eine große Expertise gewonnen haben in all den Jahren, seitdem sie das machen. Die Potenziale haben neue Konzepte, wie hier zum Beispiel meine Auseinandersetzung mit Sexualdelikten im TOA, die solche Arbeit leisten können, was in einem.
[51:26]Justizapparat und den angehängten Organisationen nicht unbedingt möglich ist. Und das ist nicht jetzt gegen die Mitarbeiter des Justizdienstes gesagt. Ich unterrichte selber Personen aus diesem Bereich in Ausbildungsgängen und das sind tolle Leute und die sind voll motiviert. Aber da erfahre ich halt auch, dass die in Strukturen arbeiten, die nicht unbedingt förderlich sind, um Erfolg in einem Täter-Opfer-Ausgleichsverfahren zu erreichen. Also man könnte an vielen Stellen das noch optimieren. Da bin ich auch dabei. Ich bin selber in der Bundesarbeitsgemeinschaft Täter-Opfer-Ausgleich im Vorstand. Ich bin da Vorsitzender. Also ja, die Wirktkraft ist gering, sage ich mal. Die Parallelitäten zur Mediationsentwicklung und auch Einschätzung sind so offenkundig. Also der Bericht zum Mediationsgesetz hat auch wortwörtlich,
[52:22]
Aktuelle Entwicklungen und Herausforderungen
[52:19]wie du es genannt hast, konstant niedrige Fallzahlen benannt. Da können wir, glaube ich, weil der Täter-Opfer-Ausgleich ein Stück älter ist.
[52:27]Wirklich so ein wenig schon hinschauen und gucken, was ist dort gelaufen und die Vermutung ist nah, wenn nichts passiert, würde auch unter Mediation das so laufen. Daher finde ich das eine ganz wichtige Perspektive und Raum, wo wir Mediatoren da durchaus was lernen können und schauen können, woran das liegt. Dort beim TOA ist ja das Interesse gerade für die tatverantwortliche Person besonders hoch. Also es droht diese Strafe, das Verfahren zeigt das und er kann es damit mildern. Also da ist eine Hürde so niedrig gelegt und das Motiv, die Interessenlage so deutlich, dass man eigentlich vermuten könnte, da muss es doch losgehen. Aber, und das finde ich ist dort schon deutlich, Mediation, Gespräche führen, unmittelbares Kommunizieren, das ist schon auch für viele eine einfache Zumutung. Das muss man erstmal überwinden und da würde ich nicht so schnell über die Brücke gehen, das sind strukturelle, systemische Schwierigkeiten, die das nicht zum Erfolgsgeschicht lassen, sondern vielleicht auch zu konstatieren, das ist nicht für jedermanns Sache eine Herausforderung in solchen Gesprächen zu wachsen. Dann dürfen wir uns noch was anderes überlegen. Dann dürfen wir uns noch was anderes überlegen als Mediatoren, das schmackhaft zu machen. Ja, ich will da jetzt nicht widersprechen, aber ich meine, es ist eine Herausforderung.
[53:43]Ja, ich weiß. Gewünscht. Das kriegt euch auch weiter. Nein, ich glaube, das ist schon eine Herausforderung, an so einem Prozess teilzunehmen. Das ist übrigens, wenn ich nochmal kurz zurückgegangen, auf TOA, interne Themen, das ist auch immer so eine Kritik an uns, an dieser Arbeit, an dieser Art der Mediation, dass das ja ein leichtes ist, an so einem Prozess teilzunehmen. Das macht man ja nebenbei, das ist wie so Kuschelromantik hier, wir reden mal miteinander, dann ist alles erledigt. Ja, das kostet den Tatverantwortlichen ja nicht viel, das kann er ja so mit links machen. Und das ist nicht so, das ist ein anspruchsvoller Prozess, wo die auch herausgefordert werden, sich mit ihrer Tat auseinanderzusetzen. Und das ist nicht so leicht. Ich hatte mal einen Anruf, das war ein Erwachsener vor einem Ausgleichsgespräch und der hat mich tatsächlich angerufen und hat gesagt, ja, Frau Kenkelschatz, morgen ist das Ausgleichsgespräch.
[54:32]Das stresst mich so. Ich habe richtig Angst zu kommen. Also da sieht man, dass das nicht so mit Links hier zu machen ist, sondern dass die hier echt was leisten müssen und sich dem stellen müssen und das auch richtig mit Arbeit und Herausforderungen verbunden ist. Und ich glaube, da dürfen wir das schon noch konkretisieren auch. Und das gilt auch für die Mediation als solches. Ohne das damit zu heroisieren. Die, die das gemacht haben, sind jetzt wahre Helden, sondern nee, das ist eine Zumutung im wahrsten Sinne des Wortes. Und es ist… Eher verständlich, wenn die Leute es nicht tun, als wenn sie es tun. Ich finde das immer wieder überraschend, dass das Menschen machen. Da sind wir vielleicht auch an der Schnittstelle, wo du sagst, es gibt nicht nur strukturelle Faktoren, die man verändern müsste, um den TOA weiter zu etablieren oder in einer höheren Masse Fälle auch zu generieren oder jemandem als Tatverantwortlichen dieses Angebot zu geben. Das sehe ich auch als Aufgabe bei uns Mediatorinnen, die sozusagen so zu empowern, dass die das für sich als gute Möglichkeit sehen. Das sehe ich für uns als Herausforderung, das machen wir auch, aber was für uns limitierend ist, dass wir überhaupt solche Fälle kriegen und dass wir Kontakt zu den Beteiligten herstellen können. Und das ist einfach ein Moment oder eine Schnittstelle, die wir nicht beeinflussen können oder wo wir nicht so viel Potenz haben.
[55:53]Das dermaßen beeinflussen zu können, dass uns erstmal ganz viele Fälle geschickt werden, die wir bearbeiten können. Das ist halt ein Punkt, wo wir auch immer überlegen, was können wir noch machen, um einfach diese Fälle, diese Zuweisung, die Anzahl der Fälle, die uns zugewiesen werden, die zu erhöhen. Ich gehe regelmäßig zur Staatsanwaltschaft.
[56:12]Und spreche mit jedem Einzelnen, weil es auch unter Umständen individuelle Vorbehalte gibt. Ich meine, du bist Jurist, das ist eine ganz andere Haltung und ein ganz anderes Verständnis auch in der Arbeit, die man da leistet. Und da ist TOA, Mediation, unter Umständen manchmal auch ganz weit weg von dem üblichen, von Strafphilosophien, von Sanktionstheorien, von Aufgabe des Staates. Und diese Brücke zu machen oder zu bauen, ist halt schwierig und ist lange Arbeit. Ja, also ich bin nicht so ein Fan von dem Konzept der Haltung. Juristen, also gerade auch Strafjuristen, machen sich viele Gedanken und haben da jahrhundertealte Traditionen, was sie damit erreichen wollen, was es dafür braucht. Also da kann man, glaube ich, viel lernen.
[56:59]Diese ganzen Dinge werden schon auch im Alltag geschliffen. Da geht es um Fallzahlen und das muss irgendwie abgearbeitet werden. Dennoch ist es eine Verzögerung. Es ist so ein Umweg, den man macht, wenn man ein TOA-Gespräch führt. Und das ist nur im ersten Moment eine Verzögerung. Wenn man das jetzt integriert und gewöhnlich dann auch durchführt, dann kommen ja die Fälle auch wieder zurück und dann sind die Fallzahlen auch wieder passend. Das spricht schon für einen systemischen Grund, dass das jetzt nicht in Masse durchgeführt wird. Man muss aber eben auch nüchtern sehen, also die Projekte waren gut gefördert, Es hat einen Anlauf gegeben und es ist nicht das rumgekommen, was man dachte von der Zahl, von der Wirkung her. Und da dürfen wir schon nochmal zurückgucken zu uns als Professionelle. Was hat es damit auf sich? Im TOA ist es wirklich wie eine Parallele im Besonderen zur Mediation. Also ich kenne jetzt nur die Fallzahlen aus Österreich, die habe ich durch Zufall gestern in einem Artikel gelesen, sie sind seit 1985 eingeführt, 300.000 Fälle praktisch generiert, 70% konnten gut abgeschlossen werden, haben eine Strafmilderung erfahren und die Rückfallquote ist auch geringer als sonst. Also wie in der Mediation, wenn es einmal gelingt, gute Zahlen, gute Wirkung, aber…, Diese Anfangshürte ist einfach hoch und da liegt der Hase im Pfeffer. Und das werden wir jetzt nicht auflösen können.
[58:20]Den Schlüssel haben wir noch nicht, aber wir haben auch momentan nicht die Zeit. Wir müssen nämlich auch zu den nächsten Terminen. Sascha, ich erlebe ja auch so eine Annäherung von diesen Mediationen und Strafsachen in Mediationsfeldern, die klassischen Mediationsfelder oder die, die aus einer anderen Richtung kommen. Vielleicht gibt das auch noch mal Potenzial oder Synergieeffekte, da gemeinsam noch mal was auf den Weg zu bringen. Mediationsgesetz, das ist auch immer noch eine Frage, ob das über Mediation in Straftaten auch sozusagen anwendbar ist. Da gibt es unterschiedliche Meinungen, Auslegungen, das ist endgültig auch noch nicht entschieden. Aber diese Annäherung in das Gesamtfeld der Familie, der Mediation insgesamt, könnte auch noch mal so ein Empowerment sein, mit dem man auch dieses Feld der Mediation vielleicht mehr voranbringen kann. Also das ist meine Hoffnung und das habe ich auch mit diesem Gespräch, weil ich kriege auch aus anderen Feldern Anfragen in Mediationsausbildung, Familienmediation oder auch allgemeine Mediationsausbildung, die auch einen Blick in Mediation und Straftaten werfen wollen. Und ja, vielleicht ist das auch ein Weg, da nochmal mehr Energie zu generieren und ja, noch eine Verbesserung zu erreichen.
[59:28]
Fazit und Ausblick auf die Zukunft
[59:29]Ja, und das ist auch eine meiner Thesen dazu und auch deshalb dieses Gespräch auch nutzen. Also wenn Mediatoren über Mediation nachdenken wollen und wie das in der Praxis läuft, die können bei Mediatoren, die in Strafsachen arbeiten, wirklich was lernen. Also denen muss man zuhören. Auch wenn ich heute viel gesprochen habe, das war toll, dir zuzuhören und deine Erfahrungen zu hören und die auch jetzt in diesem Beitrag in der Konfliktdynamik wirklich manifestiert wurden. Das fand ich war wirklich ein wichtiger Beitrag in dem Heft. Vielen Dank. Ja, ich danke dir für die positive Rückmeldung. Das freut mich. Ich stehe auch mit Herz und Verstand hinter diesem, was ich da geschrieben habe. Und ich habe mich gefreut über deine Einladung hier, was zu erzählen über Täter, Opfer, Ausgleich, Mediation und Strafsachen. Einige Dinge haben wir nicht benannt. Es gibt noch viel mehr darüber zu erzählen. Ich kann nur alle auffordern, vielleicht wenn sie Interesse haben, sich auf diversen Seiten, Zeitschriften oder auch Filmen sich damit zu beschäftigen. Es ist so spannend und wirklich ein gutes Instrument, was Konfliktlösungskulturen auch voranbringt oder fördert. und ist eine tolle Arbeit, auch wenn man sich mit negativen Dingen beschäftigt, die im Leben passieren können. Aber diese Art damit umzugehen und das zu bewältigen und zu bearbeiten ist für mich eine gute Sache und eine total bereichernde Arbeit. Deswegen rede ich gern darüber und freue mich, bei dir gewesen zu sein. Ich hoffe, dich zum letzten Mal.
[1:00:51]Hilke, vielen Dank. Gute Zeit für dich. Bis bald. Bis bald. Tschüss. Mein Gespräch mit Hilke.
[1:01:00]Kenkel-Schwartz zum Thema Täter-Opfer-Ausgleich bei Sexualdelikten und damit mehrere Themen, die für Mediatoren und Mediation generell wichtig sind. Der Kontext Strafrecht, besonderer Ausgangspunkt, wir haben das historisch ein bisschen auch aufgetröselt, wie sich das entwickelt hat, dass also auch die Geschädigten einer Straftat, also die Opferperson, die Tatbetroffenen, da eine Rolle spielen können um ihre Selbstwillen und damit aber auch, Stichwort restorative justice, um der Gemeinschaftswillen. Und dass in diesem Entwicklungsfeld sich Mediationen, Strafsachen dann auch ausgefaltet hat.
[1:01:41]Historisch gesehen staatlich gefördert wurde, viele Vereine sich dazu entwickelt haben und spezialisiert haben, die dann jetzt in den letzten Jahrzehnten aber doch eher in einer verkümmernden Situation sich wiedergefunden haben, auch schließen mussten. So dass wir da aus justizpolitischen, justizhistorischen Gründen jetzt nicht von der Erfolgsgeschichte sprechen können. Aber gerade das ist es, was für Mediation und für Mediatoren interessant ist und man sollte sich mit dieser Geschichte beschäftigen, um Mediation zu verstehen, eben in nicht strafrechtlichen Kontexten, aber in diesem gesellschaftlichen Kontext. Und das ist mit Hilke Kenkel-Schwarz gut und ausführlich gelungen, ein lehrreiches Gespräch. Und genauso lehrreich ist auch Ihr Beitrag in der Konfliktdynamik, den wir mit verlinken werden und der auch für einen gewissen Zeitraum dann öffentlich steht und abrufbar ist. Soweit von meiner Seite hier in einer doch sehr langen Episode zum Thema Konfliktmanagement, Mediation, Organisationsberatung im Podcast dazu gut durch die Zeit.
[1:02:52]Wenn dir das gefallen hat und der Podcast dir generell zusagt, dann hinterlasse auch ein Feedback und eine kleine Bewertung in deinem Podcast Catcher auf Google Business unter Inko Firma und empfehle diesen Podcast gerne weiter. Für den Moment bedanke ich mich, dass eben du hier wieder mit dabei warst und verabschiede mich für die besten Wünsche. Bis zum nächsten Mal. Kommt gut durch die Zeit. Ich bin Sascha Weigel, dein Host von InfoFEMA, dem Institut für Konflikt- und Verhandlungsmanagement in Leipzig und Partner für Projekte.
[1:03:18]Musik und Schluss.