INKOVEMA-Podcast „Gut durch die Zeit“

#195 – Das Lebensskript.

Ein Konzept der Transaktionsanalyse

Hilfreich zur Professionalisierung und Selbsterfahrung von Mediator*innen und Berater*innen.

Im Gespräch mit Natalia Berrio Andrade

Natalia Berrio Andrade, ist Lehrtrainerin und Lehrsupervisorin für Transaktionsanalyse u.S. (PTSTA-C) sowie Aikido Meisterin (5. Dan Aikikai Tokyo) Institutsgründerin. Sie hält einen Lehrauftrag der Hochschule Deggendorf und leitet den TA-Campus in Hamburg.

Gut durch die Zeit.

Der Podcast rund um Mediation, Konflikt-Coaching und Organisationsberatung.

Inhalt

Kapitel

0:05 – Herzlich willkommen zum Podcast Gut durch die Zeit
6:03 – Selbsterfahrung und Lebensskript in der Mediation
10:15 – Die Bedeutung von unbewussten Mustern
17:25 – Einfluss von Kindheitserfahrungen auf Konflikte
21:43 – Reflexion über eigene Konflikterfahrungen
30:56 – Persönlichkeitsentwicklung während der Beratung
35:08 – Fazit zur Skriptarbeit für Mediator*innen

„Nicht Alles muss ich mir von mir gefallen lassen.“

Zusammenfassung

In dieser Episode beschäftigen wir uns mit dem Thema Selbsterfahrung ein, das eine essenzielle Rolle für Berater, Konfliktmanager und Mediatoren spielt. Ich spreche mit meiner Kollegin Natalia Berrio-Andrade über die Herausforderungen, die auftreten können, wenn Mediator*innen in Gesprächen agieren, die ihnen vertraut sind und einst sehr belastende Erfahrungen mit sich gebracht hatten. Diese Prägungen, die Transaktionsanalytiker als mögliche Lebensskriptinhalte konzeptuell erfasst, können die heutige Beratungsarbeit trüben. Selbsterfahrung ist deshalb entscheidend, um zu verhindern, dass eigene unbewusste Muster und negative Erfahrungen die Professionalität im Gesprächsprozess beeinträchtigen.

Wir diskutieren das Konzept des Lebensskripts, ein zentrales Modell der Transaktionsanalyse, das uns helfen kann, unsere unbewussten Entscheidungen und Verhaltensmuster zu erkennen. Wir beleuchten, wie frühkindliche Erfahrungen und die Art, wie wir damals mit Konflikten umgegangen sind, unser heutiges Verhalten und unsere Einstellung zu Konflikten prägen. Diese unbewussten Muster können, wenn sie nicht reflektiert werden, letztlich die Qualität unserer Beratung negativ beeinflussen.

Natalia erzählt von ihren eigenen Erfahrungen, etwa bei einem Seminar, das sie kürzlich mit Pferden und Aikido durchgeführt hat, und wie diese praxisnahe Arbeit ihr Verständnis für den eigenen Lebensplan vertieft hat. Der Gedanke, dass jede Entscheidung, die wir treffen, direkt mit unseren frühen Erfahrungen verknüpft ist, wird als eine Kraft angesehen, die sowohl hinderlich als auch hilfreich sein kann. Der Austausch fördert ein besseres Verständnis dafür, wie wichtig es ist, die eigene Konfliktkultur und Beziehungsmuster zu kennen, insbesondere in Beratungssettings.

Die Bedeutung von Selbstreflexion wird in unserem Gespräch herausgestellt. Wir diskutieren, wie die Auseinandersetzung mit persönlichen Konflikterfahrungen nicht nur für das eigene Wachstum entscheidend ist, sondern auch für die Qualität der Interventionen, die Mediatoren in ihrer Arbeit durchführen. Wenn Mediatoren sich ihrer eigenen Reaktionsmuster bewusst sind, können sie ihre Klienten in Konfliktsituationen effektiver unterstützen und ermutigen.

Abschließend zeigen wir auf, dass die Arbeit mit dem Lebensskript eine wertvolle Methode ist, um die eigenen unbewussten Muster zu durchbrechen. Durch diese bewusste Reflexion der eigenen Vergangenheit und die Anwendung in aktuellen Beratungssituationen wird es möglich, ein klareres Bild der eigenen Rolle zu bekommen und letztlich die Qualität der Beratungsarbeit zu steigern. Die Expertise von Natalia und die methodischen Ansätze, die sie beschreibt, eröffnen neue Perspektiven für alle, die in der Konflikt- und Mediationsarbeit tätig sind.

  1. Berne, E. (1972). Was sagen Sie, nachdem Sie „Guten Tag“ gesagt haben? Psychologie des menschlichen Verhaltens. Fischer Taschenbuch Verlag.
  2. Steiner, C. (1982). Wie man Lebenspläne verändert: Die Arbeit mit Skripts in der Transaktionsanalyse. Junfermann Verlag.
  3. Stewart, I. & Joines, V. (2000). Die Transaktionsanalyse: Eine Einführung. Herder Verlag.
  4. Goulding, M. M. & Goulding, R. L. (1979). Changing Lives through Redecision Therapy. Grove Press.
  5. Kahler, T. (1975). Drivers: The Key to the Process of Scripts. Transactional Analysis Journal, 5(3), 280-284.
  6. Cornell, W. F., de Graaf, A., Newton, T., & Thunnissen, M. (2016). Into TA: A Comprehensive Textbook on Transactional Analysis. Karnac Books.

Transkription des Gesprächs

 

[0:00]Also wo aktiviere ich möglicherweise die Muster, wo sie gar nicht hilfreich
[0:05]
Herzlich willkommen zum Podcast Gut durch die Zeit
[0:03]sind, weder für mich noch für mein Klientensystem. Herzlich willkommen zum Podcast Gut durch die Zeit, der Podcast rund um Mediation, Konfliktcoaching und Organisationsberatung. Ein Podcast von INKOVEMA. Ich bin Sascha Weigel und begrüße dich zu einer neuen Folge. Und in der heutigen Folge geht es um Selbsterfahrung. Also Selbsterfahrung, die für Berater, für Konfliktberater, für Konfliktmanager und Mediatoren zumal eine bedeutende Funktion haben, auch wenn wir uns nähern, was das im Einzelnen bedeutet oder sinnigerweise mit sich bringt. Aber wir werden also heute nicht so direkt über Konflikte sprechen, sondern über die Herausforderung von Mediatorinnen und Beratern, die in Gesprächsprozessen helfen sollen, die ihnen mitunter selbst bekannt vorkommen und vielleicht gar nicht so gute Erfahrungen damit gemacht haben und jetzt in schwierigen Gesprächen begleitend wirken sollen.
[1:04]Ohne dass ihre eigenen Erfahrungen, problematischen Erfahrungen, negative Auswirkungen auf den Gesprächsprozess haben sollen. Also keine Projektionen, keine Überfrachtungen. Das ist schwierige Materie und auch in der Ausbildung ein Faktor, der gekonnt vermittelt werden will. Und weil das nicht so einfach ist und weil es auch immer wieder Spaß macht, mit meiner heutigen Kollegin zu sprechen, die hier schon im Podcast war, habe ich sie mir wieder eingeladen. Herzlich willkommen, Natalia Berrio-Andrade. Hallo Natalia.
[1:38]Hi Sascha, vielen Dank für die Einladung. Ja, und ich habe mich schon ein bisschen schwer getan bei dem thematischen Hinführen, weil das doch immer irgendwie am Anfang so ein paar Stolpersteine mit sich bringt. Und wenn wir das heutige Thema aufgreifen, ein Konzept, ein Modell, das sich genau für Selbsterfahrungsprozesse, für Reflexionsprozesse eignet, dann haben wir es schon auch mit einem wuchtigen Konzept zu tun, das Lebensskript. Bevor wir da aber so reinsteuern, Anteja, war es lange nicht hier im Podcast. Wie geht es dir? Was machst du so? Danke, mir geht es gut. Ich habe tatsächlich gerade letzte Woche ein mehrtägiges Skriptseminar mit Pferden und Aikido mit einer Kollegin durchgeführt. Das war wunderbar. Es hat wirklich viel Freude gemacht. Auch bei all dem, was das natürlich so an Prozessen mitbringt. Aber war genau das Thema, das wir gerade haben. Mit Pferden? Und auch Teilnehmern noch dazu, klar.
[2:42]Ja, war voll ausgebucht. Mit Aikido, was ja eines deiner Spezialthemen ist, dass du auch für deine Beratungstätigkeit aufbereitet hast. Du bist Aikido-Dahn-Trägerin. Manche sagen Meisterin, andere sagen Experten. Und wie man das auch bezeichnen darf, aber auf jeden Fall schon ziemlich weit fortgeschritten auf einem solchen Lebensweg. Der vierte, wenn ich mich richtig erinnere. Der fünfte. Der fünfte. Jetzt kannst du vielleicht sagen, was du meinst damit, für die Hörer und Hörerinnen. Mit dem fünften da? Der fünfte. Ich glaube, da gibt es nicht mehr viel drüber. Das war jetzt so zwischen uns.
[3:23]Da gibt es nicht mehr viel drüber. Und natürlich das Lebensskript als Thema des Seminars, was du da gemacht hast. Also mittendrin in dem Erfahrungsbereich, den wir heute ansteuern wollen. Weshalb ist das wichtig? Warum sollten sich Berater oder Mediatoren, die also mit Konfliktberatung und Begleitung zu tun haben, sich so einem Thema widmen?
[3:43]Also wir haben ja sozusagen auch unbewusste Muster und aus der Transaktionsanalyse sagen wir ja auch, dass vieles von uns selbst uns nicht so bewusst ist und vor allem möglicherweise Dinge, die gar nicht so angenehm sind für uns. Und jetzt ist Konflikte ja gerade so ein Thema, das ist ja meist eher negativ besetzt auch. Ich fand es spannend, du hattest ja letztens im Podcast eine Kollegin zum Thema Macht und da habe ich irgendwie auch darüber nachgedacht. Da ging es ja auch um Selbstreflexion und Macht. Und Konflikt ist ein bisschen vielleicht ähnlich, wie das Thema Macht, meistens eher negativ belegt. Und wenn die KlientInnen ins Coaching kommen, dann ist es oft das Thema, sie sollen mit Konflikten anders umgehen, sie sollen Konfliktkompetenz erwerben und meistens wollen Menschen einfach Konflikte nur weghaben, in Anführungszeichen. Und da ist es gerade als Mediator, Mediatorin oder auch Beraterin ja super wichtig, die eigenen Muster gerade speziell hinsichtlich auf Konflikt zu kennen auch und sich bewusst zu machen, weil ich ja sonst möglicherweise Potenziale überhaupt nicht wahrnehme in der Beraterinrolle.
[4:54]Ganz konkret Sachen vielleicht ausblende, die wichtig wären, bis hin zu konkreten Interventionen, aber auch Hypothesen, die ich ableite oder Bezugsrahmen. Wie denke ich eigentlich über Konflikt? Und insofern finde ich den Bereich super wichtig, gerade wenn ich als Untersuchungsgegenstand einen Konflikt habe, dass ich selbst meine eigene, ich nenne es individuelle Konfliktkultur, gut kenne. Das heißt auch so ganz praktisch, wenn ich in der Mediation bin und mich als Mediator frage, darf ich das jetzt so sagen? Darf ich jetzt so agieren? Dann wird diese Antwort unreflektierterweise mit meinen.
[5:30]Unbewussten oder ungeklärten Annahmen über Konflikte, über Konfliktparteien, über Menschen verbunden sein. Und Selbstreflexion bedeutet in dem Fall es, sich vorher darüber klar zu werden, was ist meine Einstellung, meine Erfahrung mit konflikthaften Situationen, mit emotional belastenden Situationen. Und das Lebensskriptthema bietet dafür eine Denk- und Arbeitsfläche, mich dem zu nähern?
[6:03]
Selbsterfahrung und Lebensskript in der Mediation
[6:00]Also die eigenen Muster einfach auch im Konflikt zu kennen. Also die eigenen Gefühle, die eigenen Denkweisen und die eigenen Verhaltensweisen auch konkret. Und das Lebensskript ist ja eben ein Konzept oder im Grunde genommen eine Metapher, wie alle Konzepte metaphorisch zu verstehen sind, aus der Transaktionsanalyse und bietet auch so ein Herzstück der Transaktionsanalyse. Eine weitere Metapher, das Herzstück.
[6:25]Als Herzstück, genau. Ja, genau. Wo es darum geht, dass dieser Lebensplan, den wir entwickeln, also das Lebensskript, auch Lebensplan genannt, dass der unbewusst ist zu großen Teilen. Also er wird eben als unbewusster Lebensplan dargestellt. Und der bietet insofern ein gutes Konzept, weil wir darüber Informationen bekommen können über diese, wie ich es nenne, individuelle Konfliktkultur oder meine eigenen Konfliktmuster. Das heißt, die Idee ist, es gibt einen Plan oder Inhalte, die man als Plan verstehen kann, die wir gemacht haben, nicht direkt aufgeschrieben haben, aber wir haben sie uns veröffentlicht. Und dann sind sie unbewusst gelandet oder ist das unbewusst von Anfang an?
[7:12]Wie ist das zu verstehen, dass da ein Plan ist? Also kann ich den irgendwo auffinden? Ja, ja, klar. Du suchst noch weit genug in so einem Wald. Also unbewusst deshalb, weil wir ja schon ganz früh die Idee ist, dass wir den Lebensplan quasi zu Beginn unseres Lebens entwickeln. Und diese ganz frühen Erfahrungen, die wir machen in den ersten Lebenswochen, Lebensmonaten, auch die ersten Lebensjahre, da sind die Erfahrungen ja eher körperlich gespeichert. Die sind nicht verbal, die sind eher nonverbal, atmosphärisch. Und diese Teile, also dieser ganz frühe Skriptentwurf, nennt man das, gilt als unbewusst, gilt als komplett körperlich abgespeichert. Während dann später wir diese Skriptentwürfe immer wieder verändern.
[8:02]Vervollständigen, aber auch nochmal komplett ändern und irgendwann ja dann ab einem Alter von drei bis fünf oder so, dann diese Inhalte sind ja durchaus bewusstseinsfähig, da kommen wir dann schon ran. Nur einen ganz frühen Skriptentwurf nicht. Und das ist mit unbewusst gemeint, weil der Lebensplan, vielleicht noch dieser eine Satz, darauf basiert, dass wir den selbst entwickeln haben. Zwar unter starkem Einfluss der Eltern, der Bezugspersonen, der Umgebung und der wird ja auch immer weiterentwickelt. Aber diese erste Idee von Dörn war ja ganz frühkindlich und irgendwann auch abgeschlossen. Da guckt man heute mittlerweile ein bisschen anders drauf. Sozusagen das, was anderweitig als Prägung verstanden wird. Menschen werden geprägt, frühzeitig, sozial verortet, werden sich bestimmte Muster soziologisch betrachtet herausbilden oder psychologisch bestimmte Charakterweisen, die den Lebensweg beeinflussen. Das packt die Transaktionsanalyse in ein Konzept namens Lebensskript und sagt dann, und das ist ja ganz auf ihrer Idee von Entscheidungsorientierung, das hat derjenige geplant, in Zeiten, an die er sich nicht erinnert, aber aufgrund der Erfahrungen, die er gemacht hat.
[9:19]Und das ist ein ganz individueller Plan, der dann auch leitend wirkt. Und das war ja die Idee dann auch damals zumindest von Birn und sicherlich heute auch noch, dass wir das in heutigen Schicksalsschlägen, Entscheidungswegen wiedererkennen können, dass unser Skript aktiviert ist oder umgesetzt wird, abgespult wird. So verstehe ich das Lebensskript. Das ist also nichts Besonderes, sondern einfach die Art der modellhaften Verpackung sehr plastisch gemacht wird.
[9:52]Genau. Und was du gerade gesagt hast mit dem, was ich sagen wollte und das, was du gerade benannt war mit der Entscheidung, dass wir sozusagen das auf eigene Entscheidungen basiert.
[10:03]Dieses Wort Entscheidung ist auch so zu verstehen, das ist nicht so, wie wir im Erwachsenenalter jetzt eine große Entscheidung treffen,
[10:15]
Die Bedeutung von unbewussten Mustern
[10:09]sondern es sind ja Anpassungsleistungen. Also das Kind kommt auf die Welt und ist komplett abhängig. Also es gibt ja andere Spezies, die sind vielleicht nicht so kratzabhängig. Wir sind als Menschen, Kinder ja sehr davon abhängig, dass wir versorgt werden, dass unsere Bedürfnisse gut versorgen. Wir sind allein nicht lebensfähig mit der Geburt. Ich glaube, wir brauchen am längsten, bis wir selbstständig sind. Ganz genau, wir sind abhängig, wir sind nicht lebensfähig alleine. Das heißt, das Kind entwickelt Anpassungsleistungen, und zwar sehr kluge aus der Kindperspektive, um auch Bedürfnisse erfüllt zu kriegen. Und diese Akkumulationen, also Anpassungsleistungen, die werden als diese Entscheidungen genannt. Das ist ein anderes Wort, das wir jetzt im Erwachsenen benutzen, eine andere Wortbedeutung.
[10:57]Und damit die Dinge quasi einen Sinn ergeben, die wir erleben, kreieren wir dieses Lebensskript. Das ist die Idee, um eine Orientierung für die Lebensgestaltung zu haben, um auch unsere Erfahrungen zu verbinden, also vergangene Erfahrungen und jetzige Erfahrungen und auch zukünftige, damit die für uns einen Sinn geben und damit wir auch eine gewisse Vorhersehbarkeit kreieren, um mehr Sicherheit zu entwickeln. Weil es ist alles zu dieser Zeit für uns unvorhersehbar, was geschieht. Später ist es allerdings eben schwierig, weil wir das quasi als unbewusste Muster wiederholen. Zum Teil, es sind ja nicht nur hinderliche Sachen in dem Lebensskript, sondern auch sehr viele förderliche Sachen, die wir da entwickelt haben.
[11:42]Aber eben auch, um einen Platz zu finden im Kontext des Familiensystems zum Beispiel oder Kita später Schule und Beziehungsgestaltungsmuster. Das ist mir noch ganz wichtig, weil da geht es ja in Konflikten auch drum. Wir entwickeln das Skript immer in Beziehungskontexten. Von der Warte her ist es eben dann auch eine Möglichkeit, die Zukunft ein wenig voraussehbarer erscheinen zu lassen. Wenn ich also da reinschreibe, mir geht es mit meinen Mitmenschen so und so und das erlebe ich dann auch eben, weil ich das wie eine selbsterfüllende Prophezeiung dann auch geplant habe, dann bin ich zumindest in sicheren Gefielden, auch wenn es sich nicht gut anfühlt. Das ist eine entscheidende Wirkung, glaube ich. Und Entscheidung ist, glaube ich, nochmal ein Punkt, den wollte ich nochmal kurz nochmal stark machen, weil das war für mich faszinierend immer an der TA Und gleichzeitig dann auch mit zunehmender Beschäftigung hat das auch eine problematische Seite bekommen, diese Entscheidungsorientierung. Und am Skript ist es mir jetzt deutlich geworden, auch als du es genannt hast, dass alles in eine Entscheidungsgewalt gepackt wird, des Einzelnen, aus der Therapieidee heraus. Er hat es in der Hand, er kann sich heute umentscheiden, er kann das Skript angucken und umschreiben. Aber bei dem kleinen Kind, wo wir jetzt sagen, okay, das trifft Entscheidungen.
[13:02]Da würden wir es, wenn wir das Verständnis so mit Verantwortung belegen, was der Begriff Entscheidung mit sich bringt, dann würden wir es ganz schön überfrachten, weil das kleine Kind einfach nicht die Verantwortung übernehmen kann, auch wenn es sich später die Konsequenzen tragen muss.
[13:17]Würdest du diese Problematik von Entscheidungsorientierung auch mit so einer zweischneidigen Bedeutung versehen oder ist das bei dir anders konnotiert? Das finde ich klasse, mit dir darüber gemeinsam nachzudenken, weil ich finde das Wort tatsächlich auch problematisch. Weil wenn ich dem eine andere Wortbedeutung gebe, wenn ich sage, das sind die Akkumulationen, die Anpassungsleistungen, Also die klugen Anpassungsleistungen des Kindes an die Umwelt, an den Kontext, an das System. Dann hat es aber eine andere Bedeutung als für Entscheidungen im Erwachsenenalter, weil das ja keine bewusst gewählte Entscheidung ist. Kluge Anpassungsleistungen, da steckt ja etwas drin, was eben auch darauf hindeutet, dass man darüber abwägen kann und eine echte Wahl hätte, klug oder unklug zu agieren.
[14:06]Ja, das stimmt. Also das wollte ich nämlich gerade sagen. Aus der Kindperspektive ist da ja nicht viel Wahl. Also wenn es mir in meinem Familiensystem nicht gefällt mit drei, dann kann ich nicht die Koffer packen und sagen, du, ich zieh drei Häuser weiter zu den Nachbarn, die sind immer so nett zu mir. Das ist ja völlig absurd. Aus der Kindperspektive ist überhaupt keine Wahl in der kindlichen Realität, sich das aussuchen zu können. Klug habe ich eher anders gemeint. Ich habe es eher gemeint als Ressource und Mürdigung, weil das Thema Skript in der Transaktionsanalyse und vor allem in den früheren Schriften, auch bei Steiner und Byrne, hat es ja sehr von hinderlichen Faktoren geprägt. Und Vanita English hat da ja eine sehr ressourcenorientierte Perspektive reingebracht.
[14:50]Und haben gesagt, das sind ja auch ganz viele förderliche Dinge im Skript entwickelt durch das Kind und die einem auch im Erwachsenenalter dann helfen. Das meinte ich mit klug, aber nicht im Sinne von Wahlmöglichkeit. Ja, genau. Da sind wir auch zwischen praktischer Beratung, wo das eine sehr wirksame und auch erleichterende Funktion hat zu hören, das war klug, was du gemacht hast, auch wenn heute die Entscheidung, wenn du die weiter so fortführst in schwierigen Situationen oder so, dann Probleme mit sich bringt. Und der Bezeichnung halt, wie kann man das konzeptionalisieren. Da bringen auch die Begriffe Entscheidung, Verantwortlichkeit, klug oder sinnvoll immer ihre Schwierigkeiten mit sich. Ich finde es interessant, weil wenn ich das jetzt so erwähne in der Beratung mit kluge Entscheidung, dann ist das meistens super hilfreich, weil es entlastend ist. Aber mit dem Thema Entscheidung, das ist eher schwierig, weil dann kommt sofort der Gedanke, da habe ich ja eine eigene Verantwortung, möglicherweise, da bin ich ja selbst schuld und um das geht es nicht. Das wird unterschiedlich erlebt und ich glaube, das ist skriptabhängig, wie man das erlebt.
[15:56]Absolut, genau. Weil das so, wie du vorhin auch gesagt hast, das Skript an sich ist ja wie ein Filter. Also wir gucken ja in die Welt durch unseren eigenen Bezugsrahmen. Das ist jetzt zwar ein anderes Konzept als das Skript, aber letztendlich ist es das eigene Weltbild oder Weltmodell durch diese Erfahrungen, die wir gemacht haben. Und da können wir ja nicht raustreten. Wir können uns ja nicht außerhalb von uns selbst die Dinge angucken. Ich kann mich da ziemlich an genaue Situationen erinnern. Für mich war das tatsächlich eine echte Erleichterung und Erlaubnis oder so eine Logik, die drinnen hing. Ja, ich kann das entscheiden, ich kann es heute anders machen. Zumindest mein immer noch auch nach viel Therapie gewähltes Selbstbild davon ausgeht, dass ich sehr entscheidungsfreudig bin, war das für mich total passend. Und ich fand das total erleichternd, in schwierigen Situationen mitzubekommen, okay, ich habe das in der Hand, auch wenn ich es noch nicht steuern kann, sondern das noch mich ein bisschen überfordert, aber es ist prinzipiell in meinem Hoheitsbereich. Ja, das ist das Schöne daran, dass wir heute eben sagen, wir können die Dinge verändern. Wir können uns heute ein anderes Narrativ erzählen. Wir müssen uns nicht immer diese Geschichte wieder erzählen. Ja, und damit nehme ich den Bogen oder den Abzweig, der sich vorhin auch schon nochmal deutlich gemacht hat. Wenn das eigene Skript oder es hat Inhalte, die Beziehungsmuster und Beziehungsaufnahme und Beziehungsgestaltung beinhaltet, das kann man glaube ich in Sicherheit so sagen, dass diese Inhalte bei jedem Skript enthalten sind.
[17:25]
Einfluss von Kindheitserfahrungen auf Konflikte
[17:26]Dann hat es Auswirkungen auf heutige Beziehungsgestaltung. Und das ist der direkte Weg zur Arbeit, zur Beratungsarbeit. Als Coachin wie du und Trainerin und Beraterin, als Mediatorin ist eine ganz gehörige Portion der Aufgabe, Beziehungsarbeit oder Beziehungsgestaltung zu organisieren. Und aus dieser Warte wird deutlich, es tut Not, sich damit zu beschäftigen. Was ist man, was bin ich für ein Typ in bestimmten Situationen? Was sind Muster, in die ich immer wieder neu gestalte und mir darüber nicht im Klaren bin? Es gibt sicherlich Punkte, da bin ich mir vollkommen im Klaren und kann ich dann denken, da bin ich zufrieden oder nicht zufrieden. Aber das Lebensskript soll helfen, vor allem den unbewussten Mustern auf die Spur zu kommen.
[18:14]Also erstmal das als These, würdest du das sagen? Wie gelingt das? Wie kann ich mir das vorstellen? Wie können sich Mediatoren das vorstellen, dass die Beschäftigung mit dem Lebensskript eine ganz praxiserforderliche Arbeit ist? Die eigenen Konfliktthemen mal anzugucken, also sich selbst im Prinzip damit zu beschäftigen. Zum Beispiel, wie wurde denn in meiner Erkrankungsfamilie mit Konflikten umgegangen? Was gab es da für Sätze zum Beispiel? Gab es da zum Beispiel Sätze wie, der Klüger geht nach oder, und jetzt vertragt euch wieder, wenn die Kinder untereinander irgendwie sich gestritten haben. Bis einer heult, war bei uns immer. Wir waren vier Jungs, bis einer heult. Oder bis einer heult, genau. Und was heißt denn so ein Satz eigentlich? Man musste aufpassen, dass man nicht der eine ist. Ja, und was heißt das heute für dich? Wie gut kannst du Tränen zulassen zum Beispiel? Also man könnte einfach mal gucken, was bedeutet das denn eigentlich? Also gerade wenn man jetzt auch eine klügere Gymnare oder sowas macht, wird man dann überhaupt ernst genommen? Kann man sich überhaupt mit der eigenen Position vertreten und den eigenen Standpunkt vertreten? Lohnt es sich überhaupt, klug zu werden?
[19:30]Ja, ganz genau, ganz genau. Lohnt sich das. Ja, sich mit solchen Themen mal zu beschäftigen. Also gerade zum Beispiel so bestimmte Sätze, die einem so in Sinn kommen, wie dir jetzt gleich dieser in Sinn kommt, dein eigener. Ich habe fünf andere ausgefiltert vorher. Fünf andere habe ich ausgefiltert, die sind nicht.
[19:49]Und auch, wie haben das denn die Eltern miteinander gemacht? Oder die Geschwister, das ist gerade, was du sagst, Geschwister und Konstellation untereinander ist ja sehr skriptbildend auch. Oder wie erleben wir diese Beziehungsgestaltung? Und keine Ahnung, hat der Vater den Konflikt beendet? So, jetzt vertragen wir uns alle wieder und jetzt ist ruhig. Oder sowas zum Beispiel. Jetzt Ruhe im Karton. Jetzt ist Ruhe im Karton. Also wie war das eigentlich? Dass man sich das einfach mal genauer anguckt. Und später aber auch, was ich total wichtig finde, es ist ja sehr, bei Byrne noch in der Ursprung, sehr auf die Familie gegangen. Klar, die Familie ist natürlich super wichtig. Es sind aber auch die Kontexte wichtig. Die Kita, die Schule, die ganze Grundschule, die ganze Teenager-Zeit. Wie war denn das da mit Konflikten? Was wurde eher gefördert vielleicht? Was wurde abgelehnt und abgewertet? Und indem man sich das zum Beispiel einfach auch mal klar macht. Schreie ich bei Konflikten Juhu oder versuche ich alles, um den Konflikt gar nicht erst aufkommen zu lassen? Über diese Gedanken zu früher, kommt man da schon einigen Mustern auf die Spur? Das heißt, ich habe jetzt mal so wirklich, manchmal klischeehaft, aber so das Erstbeste genommen.
[21:04]Ich habe jetzt mal so den erstbesten Satz, der mir da sofort kommt oder die erste Idee und die erste Erinnerung. Wie war denn das so? Wie wurde das beendet oder so? Also ist das, weil es mir noch präsent ist, die wichtige Situation und der wichtige Inhalt, wo ich jetzt meine Muster darin erkennen soll? Oder geht es um Dinge, die mir nicht jetzt einfach im Gespräch sofort einfallen, sondern…
[21:29]Die ich vielleicht vergessen habe? Also meinst du, es gibt da noch mehr danach? Ich habe jetzt so, da kam dann der Älteste rein oder da kam der Ruf aus der Küche, bis einer heult und dann macht er wieder so. Also das sind ja die Dinge, die präsent sind.
[21:43]
Reflexion über eigene Konflikterfahrungen
[21:43]Was ist wichtig, wenn du sagst, wir gehen lebensskriptorientiert ran? Ist das schon der Punkt, wo ich sagen könnte, damit muss ich weiterarbeiten? Beides. Das eine ist ja, was fällt dir so ein? Das andere ist aber, was fällt dir nicht ein? Dir ist es jetzt