INKOVEMA-Podcast „Gut durch die Zeit“

#201 GddZ – Das vertikale und das horizontale Kommunikationssystem

Wie sich Kommunikationsbemühte ignorieren – und eskalieren.

Im Gespräch mit Dr. Peter Modler

Dr. Peter Modler: Unternehmensberater, Coach und Bestsellerauto. Seit 1998 betreibt er eine eigene Unternehmensberatung in Freiburg im Breisgau mit Schwerpunkt auf Firmensanierungen und Coaching und Führungskräfteentwicklung.

Gut durch die Zeit.

Der Podcast rund um Mediation, Konflikt-Coaching und Organisationsberatung.

Kapitel

0:04 – Willkommen zum Podcast

1:36 – Über Kommunikationssysteme

6:38 – Von Akademikern und Praktikern

11:56 – Kommunikationsmuster im Alltag

17:56 – Rang und Revier

23:43 – Die Macht der Ranganerkennung

33:30 – Die Zweisprachigkeit von Führungskräften

35:25 – Politische Kommunikation verstehen

38:46 – Bedeutung nonverbaler Kommunikation

42:02 – Eskalationsstufen im Vertikalen System

44:16 – Ausblick auf die nächste Episode

Inhaltliche Zusammenfassung

In dieser Episode des Podcasts „Gut durch die Zeit“ beleuchte ich mit Dr. Peter Modler das komplexe Thema der verbalen Auseinandersetzungen und Konflikte im Kontext unterschiedlicher Kommunikationssysteme. Unser Gespräch zielt darauf ab, ein besseres Verständnis für die Dynamik zwischen horizontalen und vertikalen Kommunikationsmustern zu entwickeln und wie diese Muster oft zu Missverständnissen und Eskalationen führen können.

Dr. Modler bringt eine interessante Perspektive mit, die auf seinen vielfältigen Erfahrungen beruht. Nachdem er aus einer handwerklichen und akademischen Karriere kommt, hat er ein tiefes Verständnis für die verschiedenen Kommunikationsstile entwickelt, die in unterschiedlichen sozialen und beruflichen Kontexten entstehen. Wir diskutieren, wie er als Akademiker auf der Baustelle gelernt hat, dass die sprachlichen Muster und Kommunikationsformen vor Ort völlig anders sind, als das, was ihm aus der akademischen Welt vertraut war. Hier wird deutlich, dass die unterschiedlichen Herangehensweisen an Kommunikation nicht unbedingt negativ sind, sondern vielmehr unterschiedliche Bedürfnisse und Erwartungen spiegeln.

Ein zentrales Thema unserer Diskussion ist das Konzept von Rang und Revier in Kommunikationssystemen. Dr. Modler erklärt, dass vertikale Kommunikatoren primär nach Rangklärungen streben, während horizontale Kommunikatoren mehr Wert auf Zugehörigkeit und Inhalte legen. Dies führt häufig zu Missverständnissen, wenn beispielsweise eine Oberärztin versucht, in einer Besprechung produktiv zu kommunizieren, während ihr Vorgesetzter signalisiert, dass die Rangordnung ihm wichtiger ist als die tatsächlichen Inhalte des Gesprächs. Anhand von anschaulichen Beispielen aus seinem beruflichen Alltag wird klar, wie essenziell das Verständnis dieser dynamischen Effekte für die erfolgreiche Kommunikation ist.

Im Verlaufe der Episode arbeiten wir heraus, wie wichtig es ist, als Führungskraft die Fähigkeit zur „zweisprachigen“ Kommunikation zu entwickeln, die es ermöglicht, zwischen horizontalen und vertikalen Mustern zu navigieren. Sie beschreibt die Widersprüche, die entstehen, wenn unterschiedliche Systeme aufeinanderprallen. Es wird klar, dass eine effiziente Kommunikation nicht nur Wissen über die jeweils andere Seite erfordert, sondern auch eine Haltung des Respekts und ein echtes Interesse daran, die Perspektiven des anderen zu verstehen.

Wir beleuchten auch, wie persönliche und gesellschaftliche Polarisation in der Kommunikation entsteht und wie diese Elemente im Unternehmenskontext zu ineffizienten Besprechungen und schlechter Teamdynamik führen können. Dr. Modler stellt fest, dass der Schlüssel zur Überwindung dieser Herausforderungen oft darin liegt, die eigene Blase zu verlassen und den Dialog mit unterschiedlichen Kommunikationsmustern aktiv zu suchen, anstatt sie zu verurteilen oder zu ignorieren.

Abschließend sprechen wir darüber, wie jeder von uns von einer bewussteren Auseinandersetzung mit unseren eigenen Kommunikationsmustern und der Bereitschaft profitieren kann, die von anderen zu verstehen. Diese Episode bietet nicht nur wertvolle Einsichten für Führungskräfte und Kommunikatoren, sondern auch praktische Anregungen dafür, wie wir in unserem täglichen Leben konstruktiver miteinander sprechen können.

Ursprünge Deborah Tannen:

Das publizistische Werk von Dr. Peter Modler baut maßgeblich auf die Untersuchungen von Prof. Deborah Tannen aus den USA auf. Deborah Tannen ist eine renommierte amerikanische Soziolinguistin und Bestsellerautorin, die sich intensiv mit Kommunikationsmustern zwischen Männern und Frauen auseinandergesetzt hat. Zu ihren bedeutendsten Werken zählen:

  • Du kannst mich einfach nicht verstehen: Warum Männer und Frauen aneinander vorbeireden (1990): Dieses Buch untersucht die unterschiedlichen Kommunikationsstile von Männern und Frauen und wie diese zu Missverständnissen führen können. Es stand fast vier Jahre auf der Bestsellerliste der New York Times und wurde in 30 Sprachen übersetzt. WIKIPEDIA
  • Das hab‘ ich nicht gesagt! Kommunikationsprobleme im Alltag (1986): Tannen analysiert hier, wie unterschiedliche Gesprächsstile Beziehungen beeinflussen und zu Missverständnissen führen können.
  • Job-Talk. Wie Frauen und Männer am Arbeitsplatz miteinander reden (1994): In diesem Werk beleuchtet sie die Kommunikationsdynamiken am Arbeitsplatz und wie Geschlechterunterschiede die Interaktion beeinflussen.
  • Laß uns richtig streiten. Vom kreativen Umgang mit nützlichen Widersprüchen (1998): Tannen diskutiert hier den konstruktiven Umgang mit Konflikten und wie unterschiedliche Streitkulturen zu besseren Ergebnissen führen können.

Zusätzlich zu diesen populärwissenschaftlichen Büchern hat Tannen zahlreiche wissenschaftliche Publikationen verfasst, darunter „Conversational Style: Analyzing Talk Among Friends“ (1984) und „Talking Voices: Repetition, Dialogue, and Imagery in Conversational Discourse“ (1989). DEBORAH TANNEN

Ihre Arbeiten haben maßgeblich dazu beigetragen, das Verständnis für geschlechtsspezifische Kommunikationsstile zu vertiefen und die Bedeutung von Sprache in zwischenmenschlichen Beziehungen hervorzuheben.

Vollständige Transkription:

 

[0:00]Eine Führungskraft, die ihren Job wirklich gut macht, die sollte aus meiner Sicht zweifelig sein.
[0:04]
Willkommen zum Podcast
[0:05]Und zwar egal, welches Heimatsystem zu haben. Ob es jemand ist, der horizontal kommuniziert oder ob es jemand ist, der vertikal kommuniziert. Herzlich willkommen zum Podcast Akut durch die Zeit. Der Podcast rund um Mediation, Konfliktcoaching und Organisationsberatung. Ein Podcast von INKOVEMA. Ich bin Sascha Weigel und begrüße dich zu einer neuen Folge.
[0:25]In der heutigen Folge wollen wir uns mit verbalen Auseinandersetzungen beschäftigen. Also im Grunde genommen das, was wir einen Konflikt nennen. Und dann ein Kommunikationskonzept uns zu Gemüte führen, das mein heutiger Podcast-Gast für die deutschsprachige Welt ausformuliert hat. In Anlehnung an ein schon etwas älteres Kommunikationskonzept aus Amerika. Aber das ganz interessante Einsichten erhält, Weshalb? Zuweilen die Personen eines Kommunikationssystems so völlig untergehen in der Auseinandersetzung gegen die Personen, die das andere Kommunikationssystem nutzen. Und bevor wir darauf inhaltlich eingehen, begrüße ich zunächst hier im Podcaststudio Dr. Peter Modler. Hallo. Hallo Herr Weigel. Sie haben in den letzten Jahren sich mit diesem Konzept des vertikalen und horizontalen Kommunikationssystems auseinandergesetzt, Sie haben dazu mehrere Bücher geschrieben, spezielle Trainings, auch speziell für Frauen. Und es ist nicht unbedingt der Ursprung Ihrer Tätigkeit. Sie kommen eigentlich aus ganz anderen Bereichen.
[1:33]Und daher zunächst mal ein paar Worte zu Ihnen. Wie sind Sie dazu gekommen? Und was ist für Sie das Faszinierende daran, dass Sie sich mit diesem Thema des horizontalen, vertikalen Kommunikationssystems und damit mit Konflikteskalation beschäftigen?
[1:48]Naja, ich habe in meinem eigenen Berufsleben sehr unterschiedliche gruppenspezifische Kommunikationseigentümlichkeiten kennengelernt. Ich habe eine Weile auf dem Bau gearbeitet, ich habe eine bautechnische Ausbildung als Zimmermann. Das heißt, ich habe als Akademiker, ich hatte nämlich vorher bereits studiert, ich kam als Akademiker auf die Baustellen. Ich war 25, ich war den akademischen Argumentations- und Höflichkeits-Slang gewohnt, kam dann auf die Baustellen und musste merken, dass die Leute auf diesen Baustellen in einer völlig anderen, mir total fremden Weise kommunizieren. Was mich am Anfang sehr irritiert hat, bis ich dann irgendwann mal kapiert habe, dass da kaum irgendwas abträglich gemeint ist, nur die Muster der Kommunikation sind eben völlig anders. Also Sie merkten, dass Sie es nicht persönlich nehmen müssen, wenn Sie dort etwas ruppig angegangen wurden?
[2:42]Ganz genau. Ich weiß heute noch, ich musste Probearbeiten, um mir überhaupt eine Lehrstelle verdienen zu müssen, also zwei Wochen gratis auf dem Dach. Und da weiß ich noch, am ersten Arbeitstag, als ich da angefangen habe, alle fanden es ein bisschen komisch, dass ein Studierter mit 25 jetzt da eine Lehrstelle will. Am ersten Tag, als ich dann da ein Werkzeug nach dem anderen gekriegt habe, habe ich mich für jedes Werkzeug bedankt. Also eine Säge gekriegt, danke. Eine Zange gekriegt, danke. Einen Schraubenschlüssel gekriegt, danke. Bis mir der Polier gesagt hat, noch ein Danke. Und ich hau dir so auf die Fresse, dass es dir vergeht. Spätestens da war mir klar. Ich komme aus dem Erzgebirge, ich habe gerade einige Flashbacks.
[3:24]Und Sie haben es nicht persönlich genommen? Also Sie haben sich dann nicht entschuldigt und gesagt, danke für den Hinweis.
[3:32]Naja, also jedenfalls war es irritierend für einen Akademiker. Mit der Zeit habe ich dann einfach verstanden, dass die Muster, die sprachlichen Muster, die in diesem Kontext angewandt werden, eben einfach völlig andere sprachliche Muster sind, aber gar nichts damit zu tun haben, dass mich da jemand fertig machen will. Sondern das waren eben Muster. Und wenn ich mich auf diese Muster eingelassen habe, da konnte ich da sehr gut leben. Also ich habe mit den Kollegen ein ganz hervorragendes Verhältnis gehabt. Es gibt da ja auf dem Bau dann, vor allem wenn sie auf dem Dach arbeiten, eine Menge Situationen. Da hängt ihr Überleben davon ab, dass sie anderen Leuten blind vertrauen. Das war auch so. Also die Loyalität und die Solidarität war sehr groß, aber mit vollkommen anderen kommunikativen Tools. Nachdem ich dann auf dem Bau gearbeitet habe, habe ich meine Promotion fertig gemacht. Bin dann als Quereinsteiger Geschäftsführer von einem großen Verlagshaus geworden. Das ist jetzt alles schon wieder 30 Jahre, vielleicht sogar 40. Vielleicht sind ja einige Akademiker auch unten zuhören. Woran haben Sie promoviert? Ich habe in katholischer Theologie promoviert, aber nie aktiv als Theologe gearbeitet. Wobei ich für das Studium selbst bis heute dankbar bin, weil diese geisteswissenschaftlichen Studien einem in der Regel, vor allem, wenn man dann in Führungspositionen arbeitet.
[4:51]Einen ganz enormen Horizont eröffnen, den Sie mit einem Schmalspurstudium, ich hoffe, die BWLer verzeihen mir das jetzt, wenn Sie mit einem BWL-Studium in eine Firmenleitung gehen, dann ist das eben ein riesiger Unterschied, weil Sie von vornherein in Gewinn- und Verlustrechnungen denken, oder in Betriebswirtschaftlichen Kennziffern. Während Sie als Geisteswissenschaftler reinkommen, müssen Sie sich das zwar aneignen, Aber sie denken sowieso viel langfristiger. Also ein Jahr bedeutet für einen Geisteswissenschaftler was anderes als für einen BWLer. Insofern würde ich mal die kühne These nebenbei erwähnen, Geisteswissenschaftler in Führungspositionen können leichter strategisch denken. Ich war da relativ erfolgreich, die Firma dann komplett umstrukturieren müssen. Und weil das sich rumgesprochen hat, wie erfolgreich ich damit war, gab es dann schon die ersten Beratungsanfragen anderer Firmen. Und irgendwann wurden die so viel, dass ich dann komplett umgestiegen bin.
[5:46]Beratungsanfragen hinsichtlich Ihrer BWL-Kenntnisse beim Umstrukturieren von Firmen oder sozusagen des Umgangs mit so einem Wechsel innerhalb einer Firma, so einem Change? Es ging eigentlich um die Restrukturierungen. Also ich habe die Firma restrukturiert erfolgreich. Nachdem sich das rumgesprochen hatte, kamen andere Firmen und wollten auch sowas haben. Die Restrukturierung war deswegen erfolgreich, weil die im Gegensatz zum Status vorher sich ganz konsequent nach Märkten ausgerichtet hat. Also Marktanalysen gemacht und dann die Firma auf diese Märkte hin strukturiert. Und genau das wollte dann eine Firma nach der anderen außerhalb meines damals aktuellen Arbeitgebers auch haben. Und so irgendwann waren die Anfragen so viel, dass ich dann meine eigene Unternehmensberatung gegründet habe. Es ist auch schon wieder viele Jahre her. Also auch den Markt ausgerichtet. Das habe ich vor einigen Jahren nicht mehr gemacht, die Sanierungen.
[6:38]
Von Akademikern und Praktikern
[6:39]Sondern habe mich völlig konzentriert auf die Begleitung von Führungskräften in Krisensituationen.
[6:45]Und so sind dann auch meine Bücher entstanden. Und mit einem Thema, das sich durch die Bücher durchzieht, also auch wenn sie thematisch sich sozusagen unterschiedlichen Zielgruppen widmen, Moderatoren, Frauen, manchmal auch politischen Diskutanten oder zumindest Personen, die in verbalen Auseinandersetzungen agieren und jetzt nicht dort in den Dialog geraten wollen, sondern wirklich in der Diskussion bleiben, politische Debatten oder auch in Meetings, zieht sich dieses Kommunikationssystem durch, das Sie so mit vertikalem, horizontalem Kommunikationssystem beschreiben oder auch betiteln. Bevor wir da tiefer einsteigen, noch so den Punkt, Sie haben ja so unterschiedliche Disziplinen im Akademikerwesen aufgezeigt und Ihre Herkunft oder zumindest zeitweises Arbeiten auf dem Bau, auf dem Dach, das sind für Sie, wenn ich so sagen darf, nicht verschiedene Disziplinen einfach nur, sondern Sie machen einen klaren Schnitt zwischen Akademikern und Nicht-Akademikern.
[7:41]Ja, so klar würde ich es vielleicht nicht machen. Es gibt ja nun auch mal eine Reihe von Akademikern, die nicht akademisch sozialisiert worden sind. Die Supermarktkassiererin, die sich in ihrer Freizeit fortbildet, Realschulabschluss macht, dann auf dem zweiten Bildungsweg das Abitur und dann irgendwann studiert, die ist ja da auch irgendwann Akademikerin, hat aber einen völlig anderen Hintergrund als jemand, der aus einer Akademikerfamilie kommt und keine Ahnung hat, wie es im Supermarkt an der Kasse zugeht. Also man muss das eine Kommunikationssystem, was man mit Sicherheit nicht in der Universität lernt, das muss man erlebt haben und sich darin bewegt haben, um es nachvollziehen zu können?
[8:19]Also ich glaube gar nicht mal, dass man das alles selber erlebt haben muss, aber was man lernen kann und was ich auch versuche in meinen Workshops weiterzugeben, ich sollte eine Wachheit und eine vorurteilslose Offenheit dafür haben und nicht deswegen etwas runtermachen, weil es nicht in meine Muster passt. Also wenn ich es ausblende, dann blende ich einfach Kommunikationsinhalte aus, das Konsequenzen haben wird. In einem meiner Bücher mit Ignoranten sprechen, da heißt ja der Untertitel, Wer nur argumentiert, verliert. Das ist so ein Klassiker. Also da treffen zwei Seiten aufeinander. Die eine Seite bringt in schnellster Diktion ein Argument nach dem anderen und hält diese Art der Kommunikation für selbstverständlich und selbsterklärend, während auf der anderen Seite große Pausen entstehen. Und dann ganz einfache Satzkonstruktionen verwendet werden, also Argument, Argument, Argument und auf der anderen Seite sagt dann jemand, nö, blöde Maus und dann sagt er, ist doch Quatsch.
[9:23]Irgendwie so, ja, und so. Und dann, was heißt das dann für die Seite, die da gewohnt ist, dass da argumentativ vorgegangen wird, denkt sich dann, ja, der ist halt ein bisschen beschränkt oder der ist halt doof, der ist halt ignorant.
[9:34]Statt wahrzunehmen, dass das, was diese andere Seite macht, auch Kommunikation ist, nur halt keine schnell argumentative Argumentationskette, die diese akademisch gebildete Seite jahrzehntelang trainiert hat. Deswegen ist es keine schlechte Kommunikation, es ist eine andere. Das gucken wir uns genauer an, weil als dieses Buch geschrieben war, war irgendwie klar, worum es da ging. Es war so in der Zeit des Aufkommens von Donald Trump. Man hat verzweifelt versucht zu verstehen, was da passiert. Man hat sich lustig drüber gemacht, wie er in Debatten ausschaut, wie er diskutiert und dennoch schien es so, dass er Punkte gemacht hat. Und das war so ein bisschen das Aufkommen. Es wurde irgendwie klar, wer ist der Ignorant oder wer sind die Ignoranten?
[10:23]Jetzt habe ich ja den Eindruck auch, dass sie, wenn wir das ausblenden würden, sage ich jetzt mal, die Akademiker, Klicke, auch die Politiker, die großteils akademisch gebildet sind, dann sind das ja auch Ignoranten. Also Ignoranten haben wir irgendwie auf beiden Seiten, sozusagen der übergreifende Thomas. Aber es scheint Unterschiede zu geben im Ignorieren. Wenn Sie erlauben, ich würde mal ein Beispiel erzählen, dass man vor ein paar Monaten begegnet ist. Weil wir können hier viel über Trump reden. Klar, der zieht unsere Aufmerksamkeit enorm auf sich, aber in Wirklichkeit geht es ja nicht um Trump. Also es gibt eine Menge dieser Trump-Figuren, selbstverständlich auch in deutschen Firmen und Unternehmen und übrigens auch in Hochschulen. Die heißen halt anders, verhalten sich aber ähnlich. Die Szene, die ich erzähle, bildet in einer Klinik, hoch angesehene Klinik.
[11:09]Und einmal in der Woche trifft sich der Klinikchef mit der Oberärztin zum Jurfix. Diese Oberärztin kommt in sein Büro rein mit einer langen Liste von Themen, die sie mit ihm besprechen will oder wo sie seine Entscheidung braucht. Dieser Klinikchef hat nie irgendwas auf dem Tisch liegen, wenn die reinkommt. Es ist immer ein fester Termin. Es ist immer 15 Uhr, also es ist nicht überraschend für ihn, aber wenn die dann reinkommt, steht er noch an seinem Schreibtisch und telefoniert. Oder er fängt sogar an zu telefonieren, wenn sie reinkommt. Naja, gut, also ein bisschen blöd. Dann wedelt er da so mit seiner Hand, soll sich hinsetzen. Dann setzt sich die Frau, was wahrscheinlich der erste Fehler war, aber sie setzt sich und dann bequemt sich der Chef auch an den Tisch zu kommen,
[11:56]
Kommunikationsmuster im Alltag
[11:51]setzt sich dazu, flätzt sich in seinen Sessel rein und sagt nur und. Und dann fängt die brav an, entsprechend ihrer Frageliste oder Themenliste zu berichten. Was ist jetzt in einer Woche passiert? Welche Probleme sind aufgetaucht? Was braucht sie für Entscheidungen mittendrin? Sie hat die ganze Zeit das Gefühl, er hört ihr nicht richtig zu. Sie thematisiert es aber nicht. Sie findet es auch zu beschämend, das zu thematisieren. Irgendwann holt dieser Typ einen Tacker vom Schreibtisch, setzt sich hin, klappt den Tacker auf, zieht eine Tackernadel raus, während sie weiterspricht und fängt an, sich mit dieser aufgebogenen Tackernadel die Fingernägel sauber zu machen. Das findet sie super peinlich. Peinlich?
[12:33]Aber sie findet sein Verhalten, sie ist im Grunde, schämt sie sich fremd für diesen lächerlichen Act von dem. Aber sie ignoriert es und bleibt an ihrer Themenliste. Er sagt immer nur, während er sich die Fingernägel sauber macht, immer nur der hmm, hmm, hmm.
[12:48]Und die arme Frau rätselt, was sie schon wieder falsch gemacht hat. Ja, und das geht eben wochenlang so. Also die kam mit in einem Workshop, hat diese Szene erzählt, eine dieser vielen Szenen, die man dann da so hört, was in Firmen kommunikativ abläuft, die einem im Grunde den Schuh ausziehen vor Fremdschamen.
[13:06]Aber das Typische für jemanden aus ihrem System, das ist jemand, der aus dem horizontalen System kommt, dieser Oberärztin, das Typische ist, dass man in so einer Situation in eine solche Hilflosigkeit gerät, dass man das dann lieber ignoriert, weitermacht mit dem eigenen System, auch wenn es überhaupt nichts nützt. Und in dem Fall hat es auch gar nichts genützt. Also die Stunde war vorbei, der Chef beendet das Gespräch und sagt, ja, Stunde vorbei, danke. Sie hat praktisch nichts gehabt davon. Er hat ihr auch nie zugehört. Dann geht sie raus und geht und hat schon Schiss vor der nächsten Woche, wo das Ganze wieder ablaufen wird. Da treffen diese zwei Systeme, die Sie angesprochen haben, auf eine ganz miese Weise aufeinander. Nämlich diese horizontalen Leute, deren System durch zwei Achsen definiert wird. Die eine Achse ist die Achse der Zugehörigkeit. Die andere Achse ist die Achse der Inhalte. Das bedeutet, dass dieses System zum Beispiel an einer Besprechung ab der ersten Sekunde im Inhaltsmodus sich befindet. Das andere System hat aber nicht diese beiden Achsen. Das andere System, das komplementäre System, das sogenannte vertikale System, folgt den Achsen Rang und Revier. Hört sich ein bisschen archaisch an und natürlich kann man sich als Akademiker sofort fragen, okay, wenn da Rang und Revier steht, wo sind denn da die Inhalte?
[14:33]Genau, die Unterfütterungssinn. Der Oberarzt, der Chef sollte also irgendwann mal auch Inhalt geplant haben. Ja, es ist jedenfalls zunächst schon mal klar, wenn da das eine System mit Zugehörigkeitsbotschaften und Inhaltsbereitschaft reingeht in die Auseinandersetzung, das andere System aber mit einem Rang- und Revierbedürfnis, dann ist eigentlich vorherzusehen, dass ohne Dolmetscher werden wir ein Problem kriegen. Die Deutung wäre völlig in die Irre führend, wenn ich jetzt anfangen würde, naja, sie gehört halt noch nicht zu der Gruppe von Chefinnen. Und das macht er ihr deutlich. Also Zugehörigkeit ist, also dass sie nicht dazugehört, ist nicht die Botschaft aus seinem vertikalen System. Naja, ich würde es mal so sagen, diese beiden Systeme, wenn die in diesen Raum reinkommen, die haben andere Bedürfnisse und die verhalten sich auch anders.
[15:26]Die Frau geht davon aus, ist eigentlich egal, ob es jetzt eine Frau oder ein Mann ist, es gibt auch horizontal kommunizierende Männer. Diese Frau jedenfalls geht rein und denkt sich, wir haben ja jetzt unseren Besprechungstermin, also habe ich mich vorbereitet, also reden wir jetzt über Inhalte. Ich komme rein und bin zack im Inhaltsmodus. Und ich werde geprüft an den Inhalten, ich muss jetzt gut sein. Und ich bin auch bereit, ihm ab der ersten Sekunde, wenn ich die Schwelle zu diesem Raum überschreite, gebe ich dem Zugehörigkeitszeichen. Also ich lächle, ich grüße freundlich, ich behalte mich nicht. Ah, da ist Zugehörigkeit drin. Das ist Zugehörigkeit, weil das machen Horizontale. Kommt nicht zu spät. Man kommt nicht zu spät. Grundlos in einen Baum reinlächeln mit lauter fremden Leuten, das machen Horizontale. Vertikal machen das nicht. Die können auch lächeln, die lächeln aber dann, wenn sie es angebracht finden.
[16:16]Wenn sie ein bisschen nach unten lächeln können. Das wäre dann nochmal eine Variante. Kommt die also mit ihren Zugehörigkeitszeichen, mit ihrer Inhaltsbereitschaft rein und denkt, die andere Seite ist auch so wie ich und hat dieselben Muster wie ich und erwartet also von der anderen Seite auch Zugehörigkeitszeichen und auch ein inhaltliches Eingehen auf die Fragen. Die andere Seite ihrerseits befindet sich in einem anderen System und in einem anderen Kommunikationsmodus. Die andere Seite ist interessiert an Rangklärungen und an Revierbotschaften. Und das hätte die Oberärztin eigentlich schon daran sehen können, an dieser merkwürdigen kleinen Theaterszene, dass der telefoniert an seinem Schreibtisch und sie sich an einen anderen Tisch, nämlich an den Besprechungstisch setzen soll. Und dann hört er irgendwann mal auf, hätte er ja nicht machen müssen, hat er gewusst, dass es ein vereinbarter Termin war. Nein, er macht also ein kleines Theaterstück und läuft dann durch den Raum hin zu diesem Tisch und setzt sich dann hin und als nächstes schiebt er den Schul ein bisschen zurück und fläzt sich da rein. Das sind Regierbotschaften.
[17:19]Das heißt, ich will, dass du mein Revier anerkennst. Die zweite Ebene, die dir eine riesige Rolle spielt, ist eine Ebene, die er nicht ausspricht, die sich dann im Workshop bei mir herausgestellt hat, weil diese Oberärztin ist eine extrem erfolgreiche Oberärztin. Einmal an dieser Stelle, ich möchte, dass du das anerkennst, das ist mein Revier. Woran würde der merken und würde er das honorieren, dass das anerkannt wird? Oder ist das auch etwas, wo man sich jetzt hilflos bemühen kann, aber man schafft es nicht, sozusagen da Gleichklang herzustellen?
[17:56]
Rang und Revier
[17:52]Also zunächst mal ist die Regel, ein Revier beginnt an der Türschwelle. Das heißt, wenn ich das Büro von jemand anderem betrete, betrete ich ein fremdes Revier. Sollte mir klar sein, für dieses Betreten dieses fremdes Revier brauche ich die Erlaubnis des Reviereigentümers. Das heißt, Tür aufmachen, reingehen und sich dann irgendwo hinsetzen, ist keine Revieranerkennung. Anders wäre es, wenn ich klopfe und warte, falls die Tür überhaupt zu ist, weil in manchen Kontexten steht sie ja auf, gehen wir mal davon aus, dass die Tür aufsteht, dann klopfe ich am besten am Türrahmen und frage, obwohl der Termin vereinbart war.
[18:30]Frage ich, geht’s jetzt? Oder passt’s jetzt für Sie? Oder irgendwie sowas. Das heißt für einen Vertikalen nicht einfach nur, da ist jemand höflich, sondern das heißt für den, okay, da kapiert jemand, dass das nicht sein Revier ist und dass er um Erlaubnis fragen muss. Und die Termin und die Vereinbarung, man trifft sich im Büro, ändert daran gar nichts? Ändert gar nichts daran. Dann komme ich also rein, nachdem mir der Revierinhaberin die Erlaubnis gegeben hat, dann komme ich rein, dann werde ich wahrscheinlich nochmal eine Kommentierung meines Hereingehens kriegen. Die andere Seite wird entweder sagen, ja klar, komm rein, setz dich doch oder vielleicht sagt sie sogar, setz dich am besten hierhin. Das wäre der positive Kommentar oder sie würde einen negativen Kommentar sagen. Zum Beispiel, warte noch einen Moment oder jetzt geht’s nicht.
[19:20]Oder, kommt auch vor, du kannst ruhig stehen bleiben, das wird jetzt ganz kurz. Gehen wir mal davon aus, die Revierfrage ist geklärt. Nur der Indikator für jemand Horizontalen, dass da Revier eine Rolle spielt, sind meistens solche kleinen Revieraktionen, die man sehen könnte, wenn man darauf achtet. So, jetzt ist der Hintergrund der ganzen Sache, und das habe ich erst rausgekriegt in der Befragung der Klientin. Der Hintergrund ist, das ist eine ehrgeizige Oberärztin, medizinisch ganz hervorragend ausgebildet, mit einem ganz großartigen Rekord über ihre operativen Erfolge. Im Grunde ist sie ein medizinischer Star an dieser Klinik. Während der Chef nicht besonders gut ist als Mediziner. Ist halt der Chef. Aber wie kommt das?
[20:01]Ja gut, naja, das passiert laufend. Das meine ich sozusagen, das scheint Bedeutung zu haben, dass man so agiert auch. Wenn man sagt, der war nicht irgendwann früher mal ein Star und lebt halt noch zufällig in diesem Chefbüro, sondern vielleicht gibt es einen Zusammenhang zwischen beiden Dingen. Ja, nicht unbedingt. Also in diesem Fall gab es den Zusammenhang. Es hat es nur noch mal klarer gemacht. Warum? Weil ein vorgesetzter Chef, ein vertikaler Vorgesetzter oder eine vertikale Vorgesetzte, die fachlich auch noch schwach ist, die fühlt sich ja die ganze Zeit als eine Art Hochstapler, die Angst haben muss, enttarnt zu werden. Jetzt kommt dieser Überflieger und stellt im nächsten Meeting wieder so eine blöde Frage. Dann merken leider schon wieder alle, der Chef hat es nicht drauf. Der Chef checkt sich. Und diese arme horizontale Überfliegerin denkt,