10 Bücher zur Digitalen Transformation, die es wert sind, gelesen zu werden – und ein paar mehr.

Wenn Papier hilft, die digitale Welt zu verstehen.

Vergangene Woche war es wieder soweit: Ich konnte vier Tage mit Betriebsratsvorsitzenden aus unterschiedlichen Industriefirmen auf der Ostsee segeln. Wieder ging es darum, den anstehenden Veränderungen durch die Digitale Transformation ins Auge zu blicken. Was kommt da auf Betriebe und Industrien in Deutschland zu? Woran wird gearbeitet? Woran müssen wir arbeiten? Worauf vorbereiten?

Wie ist „diese ganze Sache“ einzuordnen?

Aber auf einem Segelschiff sind die Dinge niemals endgültig planbar. Es ist wie in der VUKA-Welt. Entscheidungen werden auf unsicherer Datengrundlage im Kontext einer komplexen Umwelt getroffen, Widersprüchlichkeiten und Sprunghaftigkeit der wechselnden Verhältnisse eingeschlossen. Und es gibt nur wenige andere Orte, an denen sich dieVeränderungen der Digitalen Welt besser verdeutlichen lassen als auf einem Segelschiff: Jahrtausende segelten die Menschen in Holzschiffen, erkundeten die Welt, transportierten Waren (in der Frühen Neuzeit, dem Höhepunkt der Segelschifffahrt: v.a. Sklaven!) und eroberten Kontinente. Und mit einem Male und innerhalb von wenigen Jahrzehntengeht diese Welt der Segelschiffe buchstäblich unter – und die Welt der Dampfschiffe aus Eisen sowie der Motorenschiffe kommt auf. Die großen privaten Compagnies der Alten Welt sahen diese disruptive Innovation nichtund gingen unter.

Beim besagten Seminar auf dem Segelschiff  blieb letztlich nur wenig Zeit: das Wetter und einige heftige Regeneinsätze verlangten uns alles ab! Es blieb nur vereinzelt Zeit, auf das ein oder andere Buch einzugehen. Deshalb beschloss ich noch an Bord, die wichtigsten Bücher hier im Blog vorzustellen und nicht an Bord.

Die folgenden Bücher halfen mir, mich der Komplexität und Dringlichkeit des Themas zu nähern, der ich von Haus aus etwas gegen Computer hatte. Der Aufarbeitung meines persönlichen Traumas, mit 16 Jahren zur Jugendweihe vor einem IBM 486er gesetzt zu werden und ahnungslos dem blinkenden Zeichen ausgeliefert zu sein, das mich unablässig aufforderte, einen Befehl einzugeben, der mir aber verborgen blieb, konnte ich nur lesend begegnen – und schreibe jetzt diesen Blogbeitrag ;-)

Los geht’s!

1. Der Einordner – Das große Ganze

Homo Deus von Y. N. Harari, 2017

Nachdem der junge, israelische Popstar unter den Historikern mit seinem Erstlingswerk „Eine kurze Geschichte der Menschheit“ (2011) einen echten Bestseller geschrieben hat, der von allen  hochgelobt wurde – etwa Obama und Gates –,  entspinnt Harari in seinem zweiten Hauptwerk „Homo Deus. Eine Geschichte von Morgen“ (2017) eine schlüssige „Fortsetzung“.

Die Menschheit hat die drei großen Plagen (Krankheit, Krieg und Hunger) beseitigt und vermag sich nun den neuen Weltproblemen stellen (Menschliche Begrenztheit, Kurzweiliges Glück, Sterblichkeit). Die Menschheit wird Hararis Annahme nach weiterhin danach streben, sich zu optimieren und das heißt: Seine Sterblichkeit weiter bekämpfen, den Alterungsprozess aufhalten, kurz: Amortale erschaffen; dem Glück weiter nachjagen, jetzt aber biochemisch manipulierend. Die Grenzen werden aufgehoben werden. Welche Grenzen gemeint sind? Die Grenze zwischen Maschine und Mensch, zwischen Leben und Tod.

Wer da pessimistisch werden will, der sei daran erinnert, dass auch heute noch Homo Sapiens in den Wäldern Südamerikas leben, niemals etwas von Bäuerlichkeit, Sesshaftigkeit, Religion, Demokratie, Menschenrechte, Diktaturen, Großstädten und Altkleidersammlung gehört haben. Für diese sind wir bereits Götter. In Zukunft, so meint Harari, werden wir selbst diesen Amazonas-Menschen von Gestern gewissermaßen ähnlich werden – weil unsere Nachkommen angesichts ihrer Fähigkeiten wirklich zu Göttern geworden sind.

Harari bildet mit seinen Werken einen historischen Rahmen zur Einordnung der Digitalen Transformation – wie kein Zweiter.

Wer einen solchen Rahmen in etwas kleinerem Maßstab möchte, etwas mehr deutschlandbezogen, etwas mehr neuzeitbezogen, dem sei Andreas Rödders „21.0 – eine kurze Geschichte der Gegenwart“ (2015) empfohlen. Kurzweilig, kenntnisreich und dabei völlig unaufgeregt. Eine Wohltat.

2. Der Klassiker

The Second Machine Age von E. Brynjolfsson und A. McAfee, 2014

Die beiden Wissenschaftler vom Massachusetts Institute of Technology (MIT) zeigen in ihrem mittlerweile zum Standardwerk gereiften Buch die Bereiche auf, in denen die Digitale Transformation vonstatten gehen wird. Dabei ist ihrer mentaler Ordnungsrahmen denkbar einfach. Die Industrielle Revolution hat die Grenzen der Muskelkraft gesprengt – wodurch wir die Welt verwandeln konnten.

Wie das genau erfolgte, lässt sich am besten und umfassendsten bei J. Osterhammel, „Die Verwandlung der Welt. Eine Geschichte des 19. Jahrhunderts“, 2010  nachlesen.

Das zweite Maschinenzeitalter seinerseits wird die Grenzen unserer Denkkraft sprengen und wir werden nicht nur die Welt verändern – sondern uns selbst, wie Harari (Nr.1) deutlich macht. Bei Brynjolfsson und McAfee werden diese Änderungen allerdings noch mit technikfokussiertem Optimismus beschrieben. Dabei ist die Botschaft einfach gehalten: Wir hatten schon einmal eine solche umfassende Revolution erlebt und „wir“ sind (fast alle) besser, glücklicher, gesünder daraus hervorgegangen. Unbestreitbar.

Harari sieht das historisch etwas anders: Als die Maschinen der ersten Revolution aufkamen, lernten die Menschen schmerzhaft, Arbeiten zu verrichten, die keine Muskel-, dafür aber Denkkraft benötigten. Was aber tun wir Menschen, wenn in Zukunft Maschinen auch besser Denken und bessere Entscheidungen treffen? Ach, ja, künstlerisch werden diese Maschinen auch besser sein.

„The Second Machine Age – Wie die nächste digitale Revolution unser aller Leben verändern wird“, 2014 hat auch den Vorzug, dass es die Menschheitsgeschichte hinsichtlich seiner Maschinen einfach in zwei bzw. drei Teile zerlegt. Die Zeit vor der Dampfmaschine von Watts, eine Zeit ohne Maschinen, die Zeit danach und das aufziehende zweite Maschinenzeitalter, (Was wird dessen Äquivalent zur Dampfmaschine von Watts?).

Dabei ist der Optimismus der beiden Autoren wohl der Grund, weshalb ich an  N.A. Christakis und J. Fowlers „Connected. Die Macht sozialer Netzwerke und warum Glück ansteckend ist“ (2009) erinnert bin. Dieses Buch beschäftigt sich zwar nicht direkt mit der Digitalen Transformation. Aber es hätte ohne diese nicht geschrieben werden können. Es geht dabei um die Netzwerkforschung, die Erkenntnisse, wie verbunden, gebunden und berechenbar wir sind. Das Buch ist Grundlage für die gesamte Diskussion um Nudging, ebenso aber für die Möglichkeiten von Big Data. Ein Muss, weil es eine erste „Auswertung“ liefert, was es heißt, über unsere Verbundenheit informiert zu sein! Wissen ändert die Welt.

3. Die Mahner

Sie wissen alles von Y. Hofstetter, 2014

Für Frank Schirrmacher, dem ehemaligen Chef-Herausgeber der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, war Yvonne Hofstetter eine Schlüsselfigur bei der Diskussion um Big Data und unsere gesellschaftlichen Zukunft. Kaum jemand sonst scheint aktuell bei diesem Thema den Intellekt, die Erfahrung und die kognitive Fähigkeit zur Mitteilung zu haben als Yvonne Hofstetter. Sie legt den Finger in die Wunde, wendet die Medaille, die allzu hell in Googles Startbildschirm aufleuchtet und benennt die Gefahren für unser demokratisch organisiertes Zusammenleben.

In „Sie wissen alles. Wie intelligente Maschinen in unser Leben eindringen und warum wir für unsere Freiheit kämpfen müssen“ (2014) sowie Das Ende der Demokratie. Wie die künstliche Intelligenz die Politik übernimmt und uns entmündigt.“ (2016) legt sie ausführlich und schlüssig dar, welche Risiken wir eingehen und wie der „Überwältigungsprozess“ schleichend vonstatten geht. Angesichts ihrer Analysen und Einschätzungen verblassen regelrecht ihre gut gemeinten Gegenmittel und Ratschläge.

Freilich, ein Gegenmittel scheint fraglich, weil es einfach darauf verzichten müsste, kluge Antworten auf drängende Frage zu finden. Es ist ja nicht so, dass wir gezwungen werden, die Vorzüge der Tech-Firmen bzw. des Internets zu nutzen – wir tun es freiwillig, gern und häufig. Denn, das sei hier gesagt: Die angebotenen Lösungswege von Big Data, KI und Digitalisierung sind einfach gut und effizient. Wir würden doch nicht bessere Entscheidungen treffen, wenn wr diese Maschinen nicht befragen würden. Maschinen werden früher oder später menschliche Problemstellungen besser und „billiger“ lösen. Ökonomisch wird es einfach von Vorteil sein, eine KI zu befragen, statt Menschen. Was will man da für Gegenmittel finden?

Nick Bostrom hat das in seinem hervorragenden und allzeit spannenden Werk „Superintelligenz“ beschrieben und Szenarien für eine solche, namentlich „die“ Superintelligenz, die Problemlösemaschine schlechthin, aufgezeigt. Das Buch mag „amerikanisch“ daherkommen, aber es hat die Qualität, die dem Thema angemessen ist – und zeigt, was schon möglich ist.

Etwas optimistischer im Konkreten, wenn auch pessimistisch deutend, erscheint mir der Preisträger des Deutschen Buchhandels, Jaron Lanier die Digitalisierung anzugehen…Seine Bücher sind philosophisch und im Geiste der Hippies geschrieben. Wer etwas zu anderen technischen Möglichkeiten des Internets lesen möchte, dem sei wärmstens „Wem gehört die Zukunft?“ (2011) empfohlen.

4. Der Philosoph

Die 4. Revolution von L. Floridi, 2015

Einen ersten großen Wurf für die Einordnung der Digitalen Transformation in die Menschheitsentwicklung lieferte (mir) der Italiener Luciano Floridi mit seinem Werk „Die 4. Revolution“. Dabei vermutete ich zunächst eine Darstellung der vier industriellen Revolutionen, aber weit gefehlt. Die Technik als solche ist Floridis Sache nicht, sondern die Einordnung in die gesamtgesellschaftliche Entwicklung des Menschen. Dabei geht er dem Zusammenspiel zwischen Mensch und Technik nach. Er differenziert zwischen Vorgeschichtlichen, geschichtlichen und hypergeschichtlichen Gesellschaften. Entscheidendes Kriterium ist dabei die Entwicklung, Nutzung und Ausgestaltung von Informations- und Kommunikationstechnologien.

Besonders plastisch stellt er die Frage der Schnittstellen zwischen Mensch und Technik in den Fokus; sie sind der erfolgskritische Faktor. Wenn die Schnittstelle nicht gut ist, taugt die Technik nichts. Damit ordnet er ganz nebenbei die Faszination von Apple-Produkten in den Nuller-Jahren des 3. Jahrtausends ein – namentlich als Durchbruch für die Computertechnologie für die Menschheit. Denn das Problem der Technik war bis dato nicht die Technik, sondern das Design der Schnittstelle. Apples Verdienst ist es, den Wert des Designs für die Technik, nicht für die Ästhetik, herausgearbeitet zu haben!

(Das gilt freilich nicht für die neuen Kopfhörer!)

Was mir besonders wichtig war an dem Buch, war das Konzept des ONLIFE; die Erkenntnis, dass wir zur letzten Generation gehören, die zwischen on/off, zwischen online und offline unterscheiden werden und dass es in Zukunft ein reales Leben gibt, das beide Bereiche verschmelzend umfasst.

Dazu auch dieses kurze Interview mit Floridi in der FAZ.

5. Der Wirtschaftswissenschaftler

Die Vierte Industrielle Revolution von Kl. Schwab, 2016

Etwas weniger abstrahierend schreibt der Gründer und ehemalige Vorsitzende des Weltwirtschaftsforums Klaus Schwab zu den Entwicklungen der Digitalen Transformation. Sein – nicht unmäßig überbordendes – Büchlein ist intellektuell alles andere als ein Leichtgewicht, besitzt aber nicht die Tiefe und Wagnis von Floridi oder Harari. Doch die nüchterne Aufzählung und Aneinanderreihung „aller“ wesentlichen Entwicklungen macht eines sofort deutlich: Das Zusammenspiel steigert die Bedeutung der Gesamtentwicklung exponentiell! Es geht nicht um die einzelne Erfindung, die uns in den Abgrund führt. Es gibt keine zweite Atombombe. Es ist vielmehr das guerillahafte, von Neugierde, Machtstreben und Bedeutungssucht getriebene Gesamtsystem, dessen einzelnen Elemente stabilisierend und weiter ausgreifend agieren. Die Kombinatorik der Teildisziplinen – wie schon der Erfinder Charles Kettering feststellte – wird die Entwicklung aller beschleunigen, auch wenn nichts maßgeblich Neues erfunden werden würde.

Schnell macht Schwab deshalb deutlich, dass es nicht eine Entwicklung ist, die uns Sorgen bereiten sollte oder Chancen auf lang herbeigesehnte Problemlösungen ankündigt. Es sind viele unterschiedliche Entwicklungsfelder und -stränge, die allein schon für sich die Geschichtsbücher der Zukunft füllen würden. Wir mögen zwar lineare Geschichten, aber die Geschichte wird sich kaum noch linear darstellen lassen.

6. Der Wirtschaftshistoriker

The Innovator’s Dilemma von Cl. M. Christensen, 2013

Hierbei handelt es sich um den Klassiker schlechthin. Jedes Startup hat ein Exemplar von „The Innovator’s Dilemma. Warum etablierte Unternehmen den Wettbewerb um bahnbrechende Innovationen verlieren.“ (1997/2013) in der Ecke stehen – oder digital. Es ist das Buch, das nicht nur wissenschaftlich, also mathematisch-zahlengetrieben historische Entwicklungen nachzeichnet und verdeutlicht, sondern auch jedem Jungunternehmer Mut zuspricht, den Kampf um einen einen (Markt-)Platz in der Geschäftswelt aufzunehmen. Die Digitalisierung bietet wie kaum eine andere Entwicklung die Chance zur Selbständigkeit – auch wenn diese Entwicklung durchaus ihre Blüten treibt (Clickworker, Gig-Arbeiter, Profi-Blogger etc.)

Zwei weitere Bücher gehören für mich in diese Rubrik, auch wenn sie anderer Natur sind. Jedoch gehören sie zu den Pflichtlektüren für webbasiertes Business, Geschäftsmodelle, die im Zuge des Web 2.0 aufgekommen sind und den Bereich des Verbraucherinternets umkrempelten. Zum einen handelt es sich um „Online zum Erfolg. Strategien für das Internet-Business“ (1999) von Carl Shapiro und Hal R. Varian, das viel besser bekannt ist unter seinem englischen Namen „Information Rules“, dessen Doppeldeutigkeit 1999 noch nicht ganz klar war, aber nunmehr den großen Treiber BIG DATA zum Vorschein kommen lässt. Nicht die Dümmsten behaupten, dass dieses Buch der Masterplan für die google-Gründer war.
Wer noch einen Masterplan für das eigene Business braucht, dem sei „Lean Startup“ (2011) von Eric Ries empfohlen. Untertitel: Schnell, risikolos und erfolgreich Unternehmen gründen. Das mag alles sehr „amerikanisch“ klingen, aber es scheint mir das Buch zu sein, von dem unsere Konzerne und Industriebetriebe aktuell am meisten lernen (können). Es ist das Buch, das es tatsächlich geschafft hat, dass das Wort „Experimente“ wieder salonfähig geworden ist, dass Manager geradezu geil drauf sind, Fehler zu machen und Fehler anderen zuzugestehen, soweit sie im Rahmen einer Produktprüfung und Feedbackschleife stattfinden und damit ein notwendiger Schritt auf dem Weg zur Verbesserung. „Minimal Funktionsfähiges Produkt“ (MFP, engl. „minimal viable product“ – mvp) – Alteingesessene lernen derzeit – aufgrund dieses Buches.

Mit Christensens „Innovator’s Dilemma“ lässt sich die Gefahr erkennen, mit Ries‘ „Lean Startup“ Lösungsansätze.

Bei beiden geht es nicht in erster Linie um Erkenntnis und Reflexion, sondern um Erkenntnis und Tun.

7. Die Schüler

Silicon Valley von Chr. Keese, 2014

Im Jahre 2013 organisierte der Springer-Verlag eine Klassenfahrt ins Silicon Valley, mit dabei Kai Diekmann, Peter Württemberger, Martin Sinner und Christoph Keese, allesamt mit ihren Familien. Mittlerweile sind derartige Learning Journeys nichts Ungewöhnliches mehr, aber nur die wenigsten sind derart konsequent und ökonomisch in der Lage, 6 Monate dort zu leben, einzutauchen und tatendurstig wieder zurück zu kehren.  Für den Springer-Verlag sind aus dieser Reise wichtige innovative Geschäftsideen und -felder entstanden, die bis heute nachhallen. Für Christoph Keese war es der Start für zwei wachrüttelnde Bücher: „Silicon Valley. Was aus dem mächtigsten Tal der Welt auf uns zukommt.“ (2014) sowie „Silicon Germany. Wie wir die digitale Transformation schaffen.“ (2016).

Mir sind beide Bücher eine wertvolle Lektüre gewesen, auch wenn ich sie beide sicher nicht noch einmal lesen werde (anders als andere der hier genannten Werke). Keese schreibt unaufgeregt, beobachtend und pointiert. Einfach gute journalistische Schule!

Als journalistischer Beobachter, wenn auch mit eigenen wirtschaftlichen Interessen als Vertreter des Springer-Verlags, ordnet er die beobachteten Entwicklungen in größere, vor allem gesellschaftliche Zusammenhänge ein. Seine Analyse der deutschen Verhältnisse, Herausforderungen und Möglichkeiten gehören mit zum Besten, was es diesbezüglich gibt. Im Detail muss man ihm keineswegs immer zustimmen, aber diese beiden Bücher sind enorm wichtig gewesen für die Wahrnehmung und Bedeutungszuschreibung der Digitalen Transformation in Deutschland.

Als Schüler ganz anderer Art darf Mario Herger gelten, der mit seinem Buch „Das Silicon Valley Mindset. Was wir vom Innovationsweltmeister lernen und mit unseren Stärken verbinden können“(2016) seine Erfahrungen als Migrant im Silicon Valley notiert. Einst Entwicklungsleiter bei SAP lebt Herger bereits seit 2001 dauerhaft im Silicon Valley und gilt als Experte im Gamification und berät (v.a. deutsche) Firmen, die das Beste aus beiden Welten verbinden möchten.

8. Die Einheizer

Deutschland 4.0 von T. Kollmann und H. Schmidt, 2016

Holger Schmidt und Carsten Knop, beide (einstmals) Redakteure bei der FAZ, der eine verantwortlich für Fragen zum Internet, der andere für Unternehmen, haben je ein Buch zum Thema verfasst. Beide haben über Jahre tiefe Einblicke in die Netzentwicklung und -wirtschaft bekommen und fassen Ihre Eindrücke hier zusammen.

Unabhängig voneinander haben sie sich jeweils ein personelles Schwergewicht hinzugeholt: Holger Schmidt, mit seinem Blog Netzökonom einer der erfolgreichsten Blogger Deutschlands, hat sich mit Prof. Dr. Tobias Kohlmann, Inhaber des Lehrstuhls für E-Business und E-Entrepreneurship and der Universität Duisburg-Essen, einen echten Business-Kenner zu Rate gezogen, der selbst auch aktiv ist – Business-Angel des Jahres 2012 und Entwickler der ersten UMTS-App in Deutschland (2004). Beide zusammen haben sich umfassend den Themen Deutschlands 4.0 gewidmet und herausgekommen ist ein echter Wachrüttler, zwar nüchtern in der Sprache, aber inhaltlich echter Zündstoff. Dennoch, so schien mir zumindest, blieb die Resonanz eher aus, was ich wirklich bedauere. (Aber vielleicht täusche ich mich da auch, habt Ihr anderes gehört?)

Carsten Knop seinerzeits hat zusammen mit Thomas Becker, Managing Director der Recruiting-Beratung Russell Reynolds Associates, „Digitales Neuland. Warum Deutschlands Manager jetzt Revolutionäre werden“ (2015) verfasst. Stark managementbezogen und eher auf die Kraft/Schwäche der Führungsleute und Entscheider bezogen. Insoweit unterscheidet sich der Ansatz beider Bücher, so dass sie eine wunderbare Ergänzung bieten.

Apropos Ergänzung: In diesem Zusammenhang darf nicht Tim Coles „Digitale Transformation. Warum die deutsche Wirtschaft gerade die digitale Zukunft verschläft und was jetzt getan werden muss! (2015) fehlen. Es handelt sich um ein Plädoyer vor dem Herrn vom „Wanderprediger des deutschen Internets“ (Süddeutsche), das aber noch rechtzeitig, bevor es Untergangsstimmung verbreitet, mit der frohen Kunde daherkommt: Es kann gelingen – und es steht in diesem Buch. Da drin steht in der Tat vieles und auch viel Interessantes. Aber es ist nicht bahnbrechend neu (gewesen). Also worin liegt der Wert des Buches? Es ist sein deutsch-amerikanischer Blick auf die Entwicklungen, der mir doch vieles gerade rückte und über den Umweg einer anderen Netz- und Veränderungskultur die eigenen Vorzüge und auch problematischen Nachteile nahebrachten.

9. Der Fahrlehrer

Wer kriegt die Kurve? Zeitenwende in der Autoindustrie von F. Dudenhöffer (2017)

Prof. Dr. F. Dudenhöffer, der Director des CAR-Instituts an der Universität Duisburg-Essen und deutsche Autopapst, packt in seinem Buch zur aktuellen Lage der deutschen Automobilwirtschaft die heißen Eisen an. Schonungslos, aber nicht niederschmetternd spricht er die kommenden drei großen Entwicklungssprünge der Automobilfirment hin zum Mobilitätsservice an: E-Antrieb, Vernetzung und Roboterautos. Alle drei Entwicklungen hätten das Zeug dazu, die deutsche Automobilwirtschaft aus den Angeln zu heben. In allen drei Entwicklungen sieht er aber auch die Chancen für die deutsche Wirtschaft, „die Kurve zu kriegen“ und in Führung zu bleiben.

Bis auf eine Entwicklung – für die sieht er tatsächlich schwarz: Die verfahrene Situation um die Kernmarke VW. Hier beschreibt er ein unheilvolles Geflecht aus Management, Co-Management (Betriebsratsunkultur), Regierung und Gesetzgebung. Ein düsteres Lehrstück!

Besonders hilfreich sind Dudenhöffers Ausführungen zu historischen Langzeit-Entwicklungen in der Automobilwirtschaft, vor allem zum Umwelt- und Verbraucherschutzes und der ideologiefreien Einschätzung amerikanischer Behördenarbeit (Kalifornien!).

Für mich ist das Buch ein echter Gewinn beim zutiefst deutschen Thema: Digitale Transformation industrieller Schwergewichte!

Kein Buch für Startup-Fanatiker, die alles amerikanisch machen wollen!

10. Die Kybernektiker

Maschinendämmerung von Th. Rid, 2016

Zum Abschluss mag ich noch einmal eine historische Darstellung empfehlen: Maschinendämmerung. Eine kurze Geschichte der Kybernetik von Thomas Rid (2016)  – diesmal aber nicht eine allgemeine Darstellung der Entwicklung von Homo sapiens wie bei Harari, sondern der Maschinen(-Steuerung). Kybernetik nennt sich die Wissenschaft von der Steuerung von Systemen. Und das Revolutionäre dieser Wissenschaft war es, dass es um die Steuerung aller Systeme geht. Kybernetiker machen keinen Unterschied zwischen der Steuerung maschineller Systeme und der Steuerung menschlicher, sozialer Systeme. Sie suchen nach den Gemeinsamkeiten, den Mustern und Möglichkeiten. Nun ist aber die Steuerung von Menschen nicht sehr hoch im Kurs, auch wenn alle (und wie zum Trotz!) von Führungskonzepten und -kompetenzen reden. Doch wer wen führt in Unternehmen, ist nicht nur die feixende Frage der Geführten, sondern mittlerweile auch die Ahnung der Führenden.

Aber schon beim Begriff des Feedback, der in humanistisch geprägten Sozialsystemen mittlerweile auf der Prioritätenliste (von Beratern und Personalerinnen) ganz weit oben steht, hat seine Ursprünge in der Kybernetik und wurde anhand maschineller Steuerung entwickelt. Aber das führt schon zu weit hinein in die Geschichte der Kybernetik, die sich hier wirklich zu lesen lohnt.

Was gibt es dazu noch zu sagen – naja, vielleicht: Ich hätte halt gern FEEDBACK von EUCH ;-)

Nachtrag: Zur Robotik (von heute) lohnt sich vor allem M. Fords „Aufstieg der Roboter. Wie unsere Arbeitswelt gerade auf den Kopf gestellt wird – und wie wir darauf reagieren müssen.“ (2015). Das Buch hat mir das überaus dynamische Thema schmackhaft abgerundet, weil es sowohl die großen Entwicklungen aufgreift und sie anhand unseres modernen Identitätskerns fokussiert: Der ZUKUNFT UNSERER ARBEITSWELT.

Welche Bücher waren für Dich von Interesse, die Digitale Transformation ein Stück weit besser zu verstehen? Über reichlich Kommentare und Feedback würde ich mich freuen!