INKOVEMA-Podcast „Episoden der Mediation“

#07 EdM – Gewalt und Mediation III

Bejahte Gewalt und Entschuldigungsnöte in der Mediation

Wie wird eine Entschuldigung in der Mediation wirksam durch uns Mediator*innen vermittelt?

Episoden der Mediation. Der Podcast zu den praktischen Fragen zur Mediation und des Konfliktmanagements.

Warum es Blödsinn ist, sich zu entschuldigen (Blogbeitrag)

Das ist Folge 7Gewalt und Mediation. Teil III – Bejahung der Gewalt und Entschuldigungsnöte

Wie wird eine Entschuldigung in der Mediation wirksam durch uns Mediator*innen vermittelt?

Einordnung: 

Nachdem es in Episode 6 den bestrittenen Gewaltvorwurf in der Mediation ging, geht es diesmal um die Situation, dass der Gewaltvorwurf nicht abgestritten, sondern bestätigt wird und eine Entschuldigung im Raum steht. 

Folgende Fallsituationen habe ich im Hinterkopf, bei denen es in meiner Praxis um eine Entschuldigung ging: 

  • In einer Klärungs- und ggf. Trennungsmediation eines Ehepaares kam es zur Aussprache über einen Vorfall, der bereits einige Zeit zurücklag und in der beide Seiten zwar handgreiflich geworden waren, aber gleichwohl der diesen Streit eskalierend beendende Schlag des Ehemannes in Rede stand. Seine mehrmals eingeworfene Entschuldigung landete nicht und beruhigte auch nicht die Frau. Darüber war der Mann nun empört und fühlte sich zum Schmollen berechtigt. Die Frau ihrerseits war auch nicht bereit, ihre Provokationen und Eskalationen infrage zu stellen. Sie gerieten immer wieder in die gleiche Sackgasse. Das Risiko, mit den eigenen Schritten wahrlich ins Beziehungsrisiko zu gehen, störte die Kommunikation.
  • In einem anderen Fall ging es auch um eine Entschuldigungsnot in einer Mediation, aber ohne Gewalt. Hier hatte Konfliktpartei A einer Kollegin X dasjenige mitgeteilt, was er über ihren neuen Projektpartner und Konfliktpartei B gehört hatte, namentlich, dass er die Kollegin X für unfähig und schwierig hielt und völlig inkompetent. A hielt diese Aufklärung gegenüber X, der er sich verpflichtet fühlte, für gerechtfertigt, musste aber in der Mediation gegenüber B zugeben, dass er weder einen Beweis für die Behauptung hatte, noch sonst etwas Eindeutiges. B gelangte in der Mediation zur Einsicht, dass er sich bei A förmlich und offiziell entschuldigen muss, um die Situation auch für sich zu retten.

Beide Situationen verdeutlichen, dass eine Entschuldigung gar nicht so einfach ist – und in der Mediation initiiert, organisiert und ausgeführt werden muss, zuweilen sogar dokumentiert werden muss.

Problemdarstellung

Die Herausforderung für Mediator*innen besteht darin, dass Sie „auf ihrem Posten bleiben“ müssen. Sie können nicht einfach, weil unerlaubte Gewalt zugestanden wurde, nun in Täter- und Opferkategorien denken und agieren. Mediator*innen müssen neutral und allparteilich bleiben.

Dennoch muss die Entschuldigungskommunikation derart gelingen, dass gewissermaßen Erlösung von den Beziehungsbelastungen für die Mediant*innen eintritt. Und das bedeutet – sofern der Wunsch nach einer Entschuldigung aufscheint – zunächst folgendes Vorgehen schrittweise zu ermöglichen:

  1. Kommunikation entschleunigen

Klar muss Allen sein, was Entschuldigung bedeutet. Nicht bloß Einsicht beim Täter, sondern Entschuldigung durch das Opfer. Entschuldigung meint, dass von Schuld freigesprochen wird, also ent-schuldigt wird und konkret die verletzte Person („Opfer“) den Schuldigen von Schuld befreit. Die Täterperson kann sich nicht selbst von der Schuld befreien, sondern nur darum bitten. Zwar kann sie sich ihre Fehler und Verfehlungen selbst verzeihen und sich selbst vergeben (und sollte das auch unbedingt tun), aber im sozialen, zwischenmenschlichen Beziehungsgeschehen ändert sich dadurch noch nicht allzu viel.

2. Entschuldigungsbitte klar formulieren: 

Die schuldige Person beginnt den „sozialen Entschuldigungsprozess“ mit ihrer Bitte darum: „Ich möchte Dich um Entschuldigung bitten.“ Freilich nicht wortwörtlich, aber das Anliegen sollte beidseitig verständlich formuliert werden, damit klar ist, wer will was von wem! Nicht so sehr das Opfer, sondern die Täterperson möchte sich entschuldigen.

3. Verletzte Person erklärt ihre Bereitschaft dazu

Die verletzte Person muss ihre Bereitschaft erklären, eine solche Entschuldigungskommunikation mit zu führen: „OK, ich bin dazu prinzipiell bereit, Dich zu entschuldigen.“

4. Klärung der konkreten Situation und gemeinsame Verständnisbasis

Beide sollten sodann über den Vorfall sprechen und konkret und genau abklären, um welche Verfehlungssituation es geht, welches Verhalten in Frage steht und als moralisch, ethisch verwerflich von den Beteiligten identifiziert ist. Dabei geht es keineswegs um die Bewertung, sondern nur um das Verhalten als solches.

5. Schuldige Person übernimmt die Verantwortung für das vorgeworfene Verhalten

Die schuldige Person übernimmt im Folgenden die Verantwortung für ihr fehlerhaftes, verletzendes Verhalten und möchte. Eigene Rechtfertigungsversuche oder eigene Entschuldigungsversuche gehören nicht hierher („Aber ich war auch völlig übermüdet…neben mir stehend…unaufmerksam, ahnungslos, betrunken etc.). Die Unbedingtheit der Reue und des Bedauerns über das Vorgefallene lädt zur – anschließenden – Entschuldigung ein: „Ich übernehme für mein Verhalten die Verantwortung und bereue es.“

5. Formulierung der Entschuldigungsbitte. 

Gerichtet an das Opfer der Verfehlung wird dieses um Entschuldigung/Verzeihung/Vergebung gebeten. Die Schuld, über die sich beide Seiten einig sind (siehe 3. und 4.) soll nun durch das Opfer vom Täter genommen werden. In aller Regel steigt die Ungewissheit und emotionale Anspannung an dieser Stelle bei den Beteiligten an, weil die Bitte natürlich abgelehnt werden kann: „Ich bitte Dich, mich für dieses Verhalten und die dadurch verursachte Verletzung zu entschuldigen.“

6. Annahme des Entschuldigungsersuchens

Das Opfer der Verfehlung nimmt diese Bitte bestenfalls an, wenn und soweit ein Verzeihen und und damit eine Entschuldigung des Täters (nicht durch den Täter!) möglich ist. Auch hier gilt Klarheit: Ein „Ist schon gut!“ kann bedeuten, dass die Schuld nicht abgenommen wird, sondern heimlich, dh. psychologisch beim Täter verbleiben soll. 

Aber bei einer echten Entschuldigung verbleibt nix mehr an Schuld. Mit alten Schuldpaketen wird nicht mehr gehandelt, gewuchert und sonstiger Missbrauch betrieben: Nix ist mehr, was gelegentlich dem anderen „auf’s Butterbrot geschmiert wird“.

Mit der Annahme des Entschuldigungsersuchens wird die Schuld vom Täter genommen. Dadurch wird er vom Opfer entschuldigt. Der Täter ist nun in der zwischenmenschlichen Beziehung wieder frei (von Schuld) und kann sich befreit fühlen: „Ich entschuldige Dich.“

Bestenfalls sind beide Seiten nun in der Tat erleichtert…und können in der Konfliktklärung weitermachen.

Beim nächsten Mal 

wird es um eine Arbeitsplatzmediation zwischen Geschäftsführung und einer Mitarbeiterin gehen, bei der die Mitarbeiterin im Mediationsgespräch demonstrativ das Gespräch verweigerte und ihre Anwesenheit damit begründete, dass sie die Anordnung von ihrem Vorgesetzten erhalten habe (der anwesend war).  

Für den Moment bedanke ich mich, dass Sie wieder mit dabei waren. 

Bleiben Sie uns gewogen und kommen Sie gut durch die Zeit.

Ihr Sascha Weigel.