Vier Dinge, die die Zukunft als Gegenwart ausweisen
Die Zukunft ist nicht nur ein fester Bestandteil unseres Denkens geworden, sondern gilt angesichts der Digitalisierung als Geschäftsmodell schlechthin.
Ob man die Entwicklung nun mit der Aussicht auf die „smarte Fabrik“ kennzeichnet, als Industrie 4.0 etikettiert, das Internet der Dinge proklamiert oder gleich vom „zweiten Maschinenzeitalter“ (Brynjolfsson/MacAffee, The Second Machine Age, 2012) spricht, ist gleichgültig:
Sie, die vor uns liegt, ist das, was uns antreibt.
Dabei ist das, was sicher ist, allenfalls die Krise. Nachdem die alten Paradigmen der politikgesteuerten, Ost-West-geteilten Welt untergegangen sind, ist mit der aufkommenden Globalisierung und der sich anschließenden Digitalisierung die Tatsache der existenten Krise nicht hinweg zu denken. Die Krise als Dauerzustand, Kristallisationspunkt der Identität, v.a. der jungen Generation („Ypsiloner“) und Dauergast in Nachrichtensendungen und Politikshows.
Die Krise hat den Krieg abgelöst
Nun wollen wir hier nicht den Fortschritt dieser Situation verkennen: Die Krise scheint großteils, keineswegs für Alle, den Krieg abgelöst zu haben und könnte uns ein wenig Erholung und Gelassenheit gönnen.
Aber wer will schon die Früchte der Zukunft als zweiter kosten?!
Und das erst recht in dem Falle, wenn keine schmackhaften mehr für den Zweitplatzierten übrig bleiben. Das Wesen der Digitalisierung aller ökonomischen Prozesse ist gerade, dass der Gewinner Alles bekommt (Shapiro/Varian, Information Rules. A Strategic Guide to the Network Economy. 1999) und der Zweite der erste Letzte ist, den bekanntlich die Hunde beißen.
Nun ist es kein Geheimnis, dass sich das chinesische Zeichen für Konflikt aus den Zeichen für Chance und Krise zusammensetzt. Der Preis der neuen Möglichkeiten, dieser allerorts gepriesenen Chancen der Digitalisierung hat eben auch die Krise als Merkmal. Und der Wandel führt stets eine gehörige Portion Konfliktpotenzial mit sich.
Nichts scheint mehr sicher, nichts mehr einfach, nichts mehr eindeutig. Ach, was scheint die Vergangenheit dagegen klar und einfach und eindeutig. Und es fällt uns zunehmend schwer, sich an diese Zeit zu erinnern, als das Heute noch Übermorgen war und die Zukunft noch vor uns lag.
Darüber lohnt keine Debatte, hier braucht es keinen Dialog. Das ist der Stoff, aus dem Märchen gestrickt werden. Die Vergangenheit ist der Stoff, der unsere mentalen Webmuster des Seufzens und Sehnens anregt.
Die Zukunft, die benötigt heute anderes – und es sei gleich an dieser Stelle deutlich gesagt: am wenigsten benötigt sie Helden. Selbst Batman mag sich heute nicht mehr heroisch in den Lüften halten, sondern zweifelt, hadert und weiß um das, was die Welt ist: vuka.
Wenn heute etwas sicher ist, dann, dass die Welt vuka ist.
Die Welt ist volatil, sie ist sprunghaft, nicht vorhersehbar und unerträglich abwechslungsreich.
Die Welt ist ungewiss, sie ist unsicher, nicht beruhigend und einfach riskant.
Die Welt ist komplex, sie ist undurchschaubar, nicht regelgeleitet und schwer fassbar.
Die Welt ist ambig, sie ist mehrdeutig, nicht einfach interpretierbar und ganz schön widersprüchlich.
Für Unternehmen aller Art kommt es deshalb darauf an, Ihre Strategie entsprechend auszurichten oder aber, wie ein Geschäftsführer uns dieses Jahr gegenüber andeutete: „Wir machen keine Strategie mehr! Wozu planen?! Morgens ist‘s ohnehin schon wieder anders.“
Kann man machen, aber dann wird‘s halt…
Und dennoch, so ganz unrecht hatte dieser Geschäftsführer nicht, denn sein Befund war richtig, nur die Schlussfolgerung etwas…na, wir sagen mal, vorschnell. Denn es kommt in einer volatilen Umwelt verstärkter darauf an, die schwachen Signale frühzeitig wahrzunehmen und entsprechend zu deuten.
Es sind die schwachen Signale, die die Revolutionen einläuten.
Was es dafür bedarf, sind systemintegrierte Frühwarnsysteme, deren interpretatorischen Erkenntnisse umfänglich bei der Strategiefindung beachtet werden.
Derartige Frühwarnsysteme sind formell konzipierte Räume für informellen Informationsaustausch. Schwache Signale stehen im Kampf um die Aufmerksamkeit der Entscheidungsträger_innen schlicht in Konkurrenz mit den starken Signalen, die das Tagesgeschäft beherrschen. Das hängt nicht nur mit der Stärke der Signale zusammen, sondern auch mit der begrenzten Aufnahmekapazität der Entscheidungsträger_innen. Hinzu kommt, dass in einer vuka-Welt die Versuchung groß ist, sich an sicherer, einfach verständliche und leicht fassbare Aufgaben heranmacht: Sie sind lösbar und bergen kaum die Gefahr des Scheiterns.
Aufgaben, die aus schwachen Signalen erwachsen, sind da ganz anderen Schlages. Sie sind kaum erkennbar und werden bearbeitet, während unklar ist, ob es auf ihre Lösung ankommt. Ihre Bedeutung ist einfach unsicher. Und Fehler unvermeidlich.
Deshalb sind informelle Netzwerke so wichtig und Kommunikationsräume, die diese Netzwerke stärken und intensive Kommunikation untereinander ermöglichen überlebenswichtig in einer vuka-Welt. Sie ermöglichen den ständigen Abgleich im Interpretieren der Signale, der Profilierung der Aufgabe und der strategiegeleiteten Umsetzung innerhalb der Organisation. Das sind keine Aufgaben für Helden, sondern für Organisationen.
Vielleicht ist es nicht einmal im Nachgang möglich, die ersten SignaldeuterInnen zu ehren. Das wäre doch mal ein Anlass für ein wahres Gruppenfest!
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