INKOVEMA-Podcast „Gut durch die Zeit“

#193 – Politische Diskurse in Unternehmen

Wer treibt Diskussionen in Unternehmen? Wer ist der Adressat politischer Meinungsäußerung?

Im Gespräch mit Prof. Dr. Guido Möllering

Prof. Dr. Guido Möllering: Promovierte 2003 an der Universität Cambridge und habilitiert 2011 an der Freien Universität Berlin, ist seit 2016 Direktor und Lehrstuhlinhaber am Reinhard-Mohn-Institut für Unternehmensführung (RMI) an der Universität Witten/Herdecke. Zu den inhaltlichen Schwerpunkten des RMI unter seiner Leitung zählen unter anderem: Kooperative Beziehungen, Netzwerk- und Allianzstrategien, Management von Offenheit und Transparenz, Vertrauen in und zwischen Organisationen, neue Führungs- und Arbeitsformen im digitalen Zeitalter sowie unternehmerische Verantwortung.

Gut durch die Zeit.

Der Podcast rund um Mediation, Konflikt-Coaching und Organisationsberatung.

Inhalt

Kapitel

0:34 – Konflikte in Unternehmen

2:05 – Politische Diskurse und deren Bedeutung

6:26 – Herausforderungen für Führungskräfte

11:19 – Externe und interne Einflüsse

14:44 – Politische Positionierung von Unternehmen

17:13 – Toleranz und Gesprächskultur

26:22 – Individualität und Teamarbeit

29:35 – Der Nutzen von Konflikten

35:33 – Ethik und Wirtschaftlichkeit

44:24 – Demokratie und Unternehmen

48:54 – Führungsaufgaben in politischen Diskursen

55:23 – Abschluss und Ausblick

Inhaltliche Zusammenfassung

In dieser Episode widmen wir uns dem komplexen Thema von Konflikten und politischen Diskursen, die innerhalb von Organisationen, insbesondere in Wirtschaftsunternehmen, stattfinden. Um dieses Thema eingehend zu beleuchten, habe ich den Experten Prof. Guido Möllering von der Universität Witten-Herdecke eingeladen, der sich intensiv mit den Auswirkungen solcher Diskurse auf Führungskräfte und Mitarbeiter beschäftigt.

Wir beginnen unsere Diskussion mit der Frage, warum politische Themen in Unternehmen zunehmend relevanter werden. Herr Möllering bringt das Beispiel eines plötzlichen politischen Meinungswechsels eines Kollegen an, der die berufliche Beziehung auf die Probe stellen kann. Vertrauen, so erklärt er, ist eng verbunden mit den Erwartungen, die wir an unsere Kollegen haben. In der Vergangenheit war es oft einfacher, solche Themen zu ignorieren. Doch durch Ereignisse wie den Überfall auf die Ukraine hat sich die Dynamik in der Unternehmenswelt verändert. Unternehmen sehen sich gezwungen, Stellung zu beziehen, sei es in Bezug auf Boykotte oder die Unterstützung betroffener Mitarbeiter.

Ein weiteres zentrales Thema sind die Veränderungen in der gesellschaftlichen Erwartungshaltung an Führungskräfte. Diese sind oft damit konfrontiert, dass ihre Mitarbeiter sie nach ihrer politischen Meinung fragen, was in Deutschland als ein Tabu gilt. Möllering beschreibt, wie Führungskräfte aus den USA auf diese Fragen reagieren und ethische Dilemmata entstehen, wenn sie versuchen, auf diese Erwartungen einzugehen. Die Erhebung „Führungskräfteradar“, die regelmäßig durchgeführt wird, zeigt, dass politisches Engagement und die Positionierung zu gesellschaftlichen Themen von den Mitarbeitenden zunehmend eingefordert werden.

Wir sprechen auch über die Herausforderungen, die damit verbunden sind, und die Notwendigkeit, politisch neutrale Räume zu schaffen. Möllering erklärt, dass Unternehmen gezwungen sind, politisch zu agieren, weil sie Teil der Gesellschaft sind. Interne Konflikte, die aus unterschiedlichen politischen Haltungen resultieren, können sowohl das Betriebsklima als auch die Zusammenarbeit beeinträchtigen. In diesem Zusammenhang skizzieren wir, dass Unternehmen einen neuen Umgang mit politischen Themen finden müssen, um sowohl interne als auch externe Konflikte produktiv zu gestalten.

Der Dialog über die Demokratisierung und Partizipation in Unternehmen wird ebenfalls thematisiert. Möllering beschreibt, wie wichtig es ist, die Stimmen der Mitarbeiter ernst zu nehmen und wie eine funktionierende Kommunikationskultur dazu beitragen kann, politische Diskussionen in einem produktiven Rahmen zu führen. Es wird deutlich, dass Toleranz und Verständnis für unterschiedliche Meinungen Schlüsselkompetenzen sind, die in der heutigen Geschäftswelt essenziell sind.

Abschließend diskutieren wir die Verantwortung von Unternehmen und Führungskräften, Stellung zu beziehen, und die damit verbundenen Risiken. Wenn sich Unternehmen politisch positionieren, setzen sie sich dem Risiko aus, Kunden oder Mitarbeiter zu verlieren. Die Balance zwischen geschäftlichen Interessen und gesellschaftlicher Verantwortung wird als herausfordernd, aber auch als notwendig erachtet.

Diese Episode bietet einen tiefen Einblick in die Herausforderungen und Chancen, die politische Diskurse in Unternehmen mit sich bringen, und wir beleuchten, wie Führungskräfte die Verantwortung übernehmen können, um einen Raum für offenen Dialog und konstruktive Konfliktlösung zu schaffen. Wir werden diesen Themenkomplex in zukünftigen Episoden weiter vertiefen, um die Dynamiken innerhalb von Organisationen im Kontext der politischen Realität besser zu verstehen.

Transkript

[0:00]Musik.
[0:20]Und heute soll es um Konflikte gehen oder auch Diskussionen, Diskurse, harte politische Auseinandersetzungen, die sich auch in Organisationen,
[0:34]
Konflikte in Unternehmen
[0:31]konkret auch in Wirtschaftsunternehmen abspielen. Für einige zunehmend mehr, für andere aber schon länger wahrnehmbar. Es ist auf jeden Fall ein Thema, das uns als Gesellschaft beschäftigt und auch hier im Podcast, der sich mit Konflikten beschäftigt, genau angebracht ist. Und ich habe mir dafür wiederum den Kollegen Prof. Guido Möllering von der Universität Witten-Herdegge eingeladen, der genau für dieses Thema ein Experte ist. Hallo Herr Möllering. Hallo und vielen herzlichen Dank. Es ist auch ein Herzensthema für mich. Das ist gut zu hören, weil es ja so einen ganz anderen Zugriff hat auf das Zusammenarbeiten als das Thema, was wir bisher immer bearbeitet haben, Vertrauen. Und heute das Thema politische Diskurse in Unternehmen, was hat das für das Unternehmen oder für die Führungskräfte, Mitarbeiter zu tun, ist mit dem Thema Vertrauen sicherlich verbunden, denn das kann schnell dazu führen, dass das darunter leidet. Man sagt ja so, man soll über Religion und Politik nicht gleich am Anfang reden. Und das sind einfach hochstrittige Themen. Wieso ist denn das jetzt ein Thema ganz besonders auch für Sie?
[1:45]Also das ist richtig und es kann auch wirklich sein, dass jemand, mit dem man ganz gut zusammenarbeiten konnte bisher bei der Arbeit, einen auf einmal überrascht durch eine extreme politische Meinung und dann tatsächlich auch diese Berufsbeziehung dann infrage stellt, will ich mit dem eigentlich zusammenarbeiten,
[2:05]
Politische Diskurse und deren Bedeutung
[2:01]selbst wenn es in der Zusammenarbeit ja gar nicht um dieses politische Thema direkt geht. Einfach weil Vertrauen auch was damit zu tun hat, dass man ganz allgemein positive Erwartungen hat von dem anderen.
[2:13]Also, dass ich mich jetzt sehr stark mit diesen politischen Diskursen in und um Unternehmen beschäftige, das liegt lange zurück. Also auch der Lehrstuhl, den ich in habe, der hat immer was damit zu tun gehabt, wie Unternehmen mit der Gesellschaft verzahnt sind und eine gesellschaftliche Verantwortung haben, die sicherlich mehr als rein ökonomisch ist, sondern auch eben gesellschafts- und gesellschaftspolitisch. Jetzt muss ich sagen, konkret wurde das bei mir nochmal getriggert durch den Überfall auf die Ukraine.
[2:39]Da habe ich tatsächlich auch bei mir in der Uni an den Lehrveranstaltungen gesagt, da müssen wir jetzt darüber reden. Wie positionieren sich jetzt eigentlich Unternehmen? Das reichte von Fragen wie, wer macht einen Russland-Boykott? Wann, wie schnell und wie drastisch? Über, wie geht es eigentlich den Managerinnen, die jetzt in der Ukraine ihre Betriebe entweder schließen oder irgendwie weiterführen? In der Tat haben sie größtenteils weitergeführt, ganz beeindruckend. Also die mussten die Entscheidung treffen, ne? Und wenn wir jetzt dann zweieinhalb Jahre weiter, können wir uns noch verschiedene andere politische Themen vorstellen, die mich noch mehr dazu gebracht haben, das persönlich wichtig zu finden. Aber ich werde auch darauf angesprochen. Wir machen ja zum Beispiel regelmäßig eine Erhebung unter Führungskräften, den sogenannten Führungskräfteradar. Und da ist das jetzt auch in den zwei Jahren immer stärker, auch schon ein kleines bisschen davor gekommen, dass wir gehört haben, Führungskräfte werden jetzt plötzlich darauf angesprochen, auch von ihren Leuten in ihrer Belegschaft, in ihren Teams, wie sie denn auch zu bestimmten politischen Themen stehen. Und ein ganz plakatives Beispiel wurde uns berichtet von einer Führungskraft aus den USA.
[3:45]Die dort in einer Tochtergesellschaft abgestellt war für eine Zeit und wo dann die Mitarbeitenden aus den USA teilweise auf die Führungskraft zugegangen sind und gefragt haben, ja, wir haben ja jetzt Präsidentschaftswahlen, wen soll ich denn wählen? Und das kommt uns in Deutschland ziemlich komisch vor. Wir hätten wahrscheinlich reagiert, das musst du selber wissen. Wieso fragst du mich das überhaupt? Ich bin dein Chef und nicht dein… Aber nein, das war dann auch dort. So wurde ausgestrahlt, ja, wir wollen ja, dass die nächste Regierung gut für uns ist. Also für unsere Arbeitsplätze, für unser Unternehmen. Wenn es ein deutscher Konzern ist. Und wir haben jetzt einfach, wissen nicht, wer besser ist. Und wir würden gerne einen Tipp haben, so ungefähr. Und also wirklich, Führungskräfte werden auch direkt darauf angesprochen, sind darauf nicht vorbereitet.
[4:29]Und damit meine ich auch Führungskräfte auf allen Ebenen. Und solche Fragen kommen dann eben auch bei uns im Unikontext an, dass man da diskutieren möchte. Was kann man da eigentlich machen? Was ist eigentlich auch eine legitime Art, sich dann damit zu beschäftigen? Denn viele denken ja auch erst mal, dass es nicht ihre Aufgabe ist oder vielleicht sogar auch ihnen gar nicht zusteht, eine politische Meinung zu haben als Abteilungsleiter. Ich habe eine Meinung zu… Und unsere Abteilung, wie die laufen sollte, aber alles, was erstmal so quasi von außen zu kommen scheint, das ist ja gar nicht mein Job, dafür bin ich ja gar nicht eingestellt worden. Also würden Sie sagen, auch so in der Traufsicht, bevor man sozusagen konkret zu unserer Situation heute kommt, aber wenn man das mal in einer längeren historischen Betrachtung kurz erfasst, ist das was Neues? Also würden Sie sagen, da hat sich was geändert für Führungskräfte, für Unternehmen, möglicherweise auch durch sozusagen die Aufmerksamkeitsökonomie, Digitalisierung, dass wir immer auf der Bühne sind und beobachtet werden und man sich auch sozusagen rechtfertigen muss, wofür, wie arbeiten wir, wie kriegen wir unsere Produkte hergestellt, mit wem arbeiten wir zusammen. Also dass heute sozusagen auch immer mit sozusagen die Gefahr kommt, also wenn du mit dem zusammenarbeitest, hat das Auswirkungen, weil das macht man halt nicht oder das ist nicht entsprechend euren Leitlinien. Ist das das Neues, Grundlegen oder Politik in Unternehmen?
[5:59]Also es ist immer schwieriger, das einfach zu trennen oder auszublenden. Also das heißt, früher konnten solche Sachen auch aufkommen. Also früher konnte es auch einen heftigen Streit im Frühstücksraum geben, weil die einen eher links wählen, die anderen eher rechts. Und dann irgendwann wird es ein bisschen wärmer da im Frühstücksraum, weil man sich über ein Thema nicht einigt.
[6:26]
Herausforderungen für Führungskräfte
[6:26]Dann hat man aber das Gefühl gehabt, sobald man den Frühstücksraum verlässt, ist das dann aber auch schon wieder vergessen. Das ist dann sozusagen privat am Arbeitsplatz. Oder Unternehmen, die im Stakeholder-Management da wesentlich weniger überhaupt Gruppen direkt bearbeitet haben und vieles ausgeblendet haben, weil es weit weg ist. Jetzt auf einmal kommen, wie Sie gerade auch schon sagten, plötzlich Anfragen von auch Unternehmen. Weit weg sowohl geografisch als auch inhaltlich, wo man plötzlich jemanden was hinterfragt, den man früher einfach ignorieren konnte, aber jetzt halt nicht mehr. Und ich glaube, dass sozusagen so zu tun, als sei das Unternehmen von der Politik und dem Rest der Gesellschaft irgendwie isoliert, das funktioniert einfach nicht mehr. Und das merkt man an ganz, ganz vielen Stellen. Und übrigens ist es ja auch nicht nur zum Nachteil für die Unternehmen, für die Mitarbeitenden. Die kriegen ja auch teilweise durch die Stakeholder auch viel Input, was ihnen hilft. Die haben auch viele Chancen vielleicht dadurch. Sie suchen ja manchmal auch politische Themen, die sie selber beeinflussen wollen, zum Beispiel Standortbedingungen und so. Das ist ja nicht so, dass Unternehmen nicht auch ein Interesse an Politik hätten.
[7:30]Aber so diese Vorstellung, wir können uns davon abkapseln, außer es passt uns, das ist vorbei. Und das liegt an der Vielzahl der Themen, die wir jetzt haben und auch an der Dramatik der Themen. Also wir haben ja wirklich in allen Bereichen heutzutage schwere Krisen und weitreichende Transformationen, die anstehen. Und das ist eben schon eine andere Qualität. Vielleicht können wir das so ein bisschen klastern oder auch kategorisieren, Weil auch das Stichwort zusammen, was ich so rausgelesen oder jetzt rausgehört habe, Lobbyismus im Sinne von Unternehmen gucken natürlich auf Politik, gucken auf anstehende oder auch mögliche regularische Eingriffe der Politik und da ist das ja auf jeden Fall ein Thema. Auf der strategischen, unternehmerischen Sicht ist es je nach Produkt auch, Tabakindustrie, Ölindustrie jetzt, die ganze Mobilitätsfragestellung, da sind politische Diskurse ja hoch relevant für unternehmerische Entscheidungen. Den Teil, den Sie genannt haben, da kommt der Mitarbeiter zur Führungskraft, weil er in einem deutschen Konzern arbeitet und amerikanischen Wahlen ja wirklich Auswirkungen haben können. Das ist ja eine ganz andere Flughöhe auch, wo Politik einschlägt.
[8:49]Können Sie das kategorisieren und sagen, da sind Diskurse geübter oder erwartbarer, aber jetzt im neueren Umfeld gibt es keine politikfreien Räume mehr? Ja, also das mit den politikfreien Räumen, das stimmt. Man hat aber, vielleicht kommen wir da später noch zu, auch Möglichkeiten auch wirklich zu sich zu orientieren. Wann lässt man so einen Diskurs auch wirklich explizit zu und unterstützt ihn vielleicht sogar, weil man denkt, dadurch können wir was lernen und kommen wir weiter. Und wann sagt man wirklich so, Leute, jetzt bitte, also das hat jetzt wirklich gar nichts auch mit unserem Unternehmen zu tun. Lass uns doch jetzt deswegen nicht streiten. Aber da muss man auch vorsichtig sein. Aber vielleicht gleich, da hast du noch mal mehr. Also natürlich kann man erst mal unterscheiden, ob sowas rein intern abläuft. Also dass im Unternehmen wirklich so verschiedene Gruppen im Unternehmen unterschiedliche Haltungen zu einem bestimmten politischen Thema haben und sich dann immer wieder darüber auch streiten, klassische Konflikte sich entwickeln, dass sie auch deshalb unterschiedlich arbeiten wollen, unterschiedliche Dinge priorisieren wollen für das Unternehmen. Das kann zum Beispiel, in einer Abteilung sein oder auch im Vorstand oder sowas, dass dort einfach immer unterschiedliche Vorstellungen aufeinander prallen. Das bleibt aber intern. Und es wird auch intern getriggert quasi. Jemand schlägt halt vor, sich damit zu befassen und dann hat man unterschiedliche Meinungen. Ich glaube, das können wir mit ganz normalen.
[10:17]Entscheidungsprozessen abdecken. Interessanter sind die Sachen, wenn die externen. Also ich glaube, das ist einfach, das kennen wir quasi eigentlich schon. Und da können Sie oder auch die Mediatoren sicherlich viel helfen, dass solche Dinge produktiv bleiben. Was stärker ist, glaube ich, dass externe Treiber von Themen an das Unternehmen rankreten. Da sind nicht alle gut drauf vorbereitet. Und umgekehrt, das Unternehmen selber kann Treiber von Themen sein. Auch da hatte man früher als Unternehmen vielleicht so seine zwei, drei Themen, die offensichtlich waren, wo man irgendwie auch einen Blick auf die Politik hatte. Und andere Themen hat man nicht so gesehen. Jetzt werden das einfach mehr Themen und dann ist man nicht so gut darauf vorbereitet. Aber ja, es ist schwer, dass du schichterst. Ich würde immer danach reden, wen betrifft es? Also extern oder intern? Und wer treibt das Thema an? Ist das jemand extern oder intern? Und danach würde ich schon mal sortieren, um dann zu schauen,
[11:19]
Externe und interne Einflüsse
[11:16]also mit internen Sachen geht man halt anders um als mit externen. Das ist ganz banal, aber das ist erstmal schon mal wichtig, sich das klar zu machen. Woher kommt das und an wen richten wir uns eigentlich mit dem, was wir dann tun? Und wir heißt jetzt die unternehmerische Sicht von Führungskräften. Man kann sich, bei dem wir die Unternehmensleitung oder einfach die Führungsebene einer Organisation vorstellen, aber auch das wir als Organisation.
[11:44]Also deswegen die zwei wichtigen Dimensionen. Wer treibt es? Also wer bringt die Diskussion auf? Wer bringt die Fragestellung auf in Form von Problembeschreibungen, Konflikt, Tätigkeiten etc.? Also Eskalation auch. Und an wen adressiert er diese Diskussion? Diese Botschaft, das kann auch intern oder extern sein.
[12:08]Mich hat das jetzt… Aber, ja, wollen wir es ein bisschen kompliziert halten und aber gleichzeitig ein bisschen konkreter. Das ist eine Unterscheidung, damit auch einzelne Menschen wirklich wissen, wo sie da gerade stehen und an welcher Stelle sie auch gefragt sind oder nicht. Also wenn ich jetzt Führungskraft bin in einem Team, dann kann ich mir das sozusagen als kleine Landkarte, was wir jetzt gleich besprechen, heranziehen. Aber auf der anderen Seite, wenn ich ein praktisches Beispiel mal nennen darf, also die Deutsche Telekom hat ja in 2023 eine Kampagne gehabt gegen Hass im Netz und ist auch dafür ausgezeichnet worden, prämiert worden. Also das hat sehr viel positive Beachtung gefunden. Und diese Kampagne ist natürlich, die wirkt natürlich nicht nur extern. Die wirkt auch intern. Natürlich ist das auch ein Signal an die eigene Belegschaft, wenn es so eine Kampagne des Unternehmens gibt, dass man auch selber keinen Hass im Unternehmen haben will und keine Mitarbeitenden haben will, die unter Umständen Social Media nutzen, um Hass zu verbreiten. Es ist eine Botschaft an die eigenen Kunden.
[13:22]Also, denn viele Menschen nutzen ja Telekom-Services, um sich im Internet zu bewegen. Und das ist auch eine Botschaft eigentlich an die eigenen Kunden und an die Gesellschaft als Ganze. Und gleichzeitig ist es auch nicht nur ein gemeinnütziger Einsatz gegen Hass, sondern auch eine Art von Produkt- und Kundenpflege. Man möchte natürlich auch positiv wahrgenommen werden. Das ist die Image-Seite. Aber man möchte auch eben für eine positive Nutzung der digitalen Medien stehen und damit natürlich auch pflegt man seine Produkte und seine Kunden. Und da ist auch ein politisches Interesse, eine gesellschaftliche Verantwortung zu zeigen und aber durchaus auch ein kaufmännisches Interesse, als Unternehmen positiv wahrgenommen zu werden. Und diese ganzen, dieses politische und das kaufmännische eigene Interesse, das Image und die Haltung, das spielt schon am Ende auch alles zusammen und wohlgemerkt auch nochmal der Punkt intern-extern. Also gerade bei so riesengroßen Konzernen gibt es eigentlich fast nicht mehr dieses Trennen zwischen interner Kommunikation und externer Kommunikation. Alles, was extern ist, wird sowieso auch von der eigenen Belegschaft wahrgenommen.
[14:39]Und interne Sachen, wenn die sich an zigtausende Mitarbeitende richten,
[14:44]
Politische Positionierung von Unternehmen
[14:43]sind auch mehr oder weniger öffentlich. Und da sind diese Unterscheidungen etwas zu stark, aber für den einzelnen Mitarbeitenden bei der Telekom kann man schon herausfinden, an welcher Stelle bin ich jetzt eigentlich mit diesem Thema beschäftigt oder nicht.
[15:01]Ja, ich kann mich dunkel an diese Kampagne erinnern und bei mir ordnet sich das so ein, und das ist auch eine Social-Media-Diskussion, die ich auch in Konflikten, in Teams erlebe.
[15:16]Dass wahrgenommen wird als Politisierung von Unternehmen und bei dem sich Mitarbeiter dann manchmal sozusagen, die nicht dieser Meinung sind, dann sich aufregen. Mensch, kann man nicht mal einfach seinen Job machen und so, ich möchte mich dafür nicht rechtfertigen. Und sie werden aber als Mitglieder dieser Organisation praktisch mit als Absender auch aufgenommen oder dann sich die Frage fallen lassen müssen oder sich selber auch stellen, will ich das? Also will ich da sozusagen mich dafür mit hergeben? Also diese Politisierung, das glaube ich, hat sich tatsächlich vervielfältigt durch diese ständige Beobachtbarkeit in sozialen Medien, die auch befeuert wird. Also ob das die Nationalmannschaft ist mit der Regenbogenbinde oder Gendersternchen. Es ist ein schwieriges Thema. Es ist meiner Meinung nach nötig und unvermeidbar, aber durchaus heikel, sich als Unternehmen dann auch wirklich so politisch zu zeigen, also eine Haltung zu vertreten und deswegen ist es vielleicht auch ganz wichtig, dass man das nicht nur aus so einem kurzfristigen kaufmännischen Kalkül macht. So nach dem Motto, wenn wir jetzt mal eine Woche lang eine Regenbogenfahne raushängen.
[16:38]Dann finden Leute das gut und dann hilft uns das. Aber das ist sozusagen einfach nur oberflächlich. Und gerade weil das so heikel sein kann, kann man nur empfehlen, dass man da, wenn man dann Position bezieht. Man muss ja auch nicht immer unmittelbar Position beziehen. Man kann auch einfach manchmal nur helfen, dass Leute, die eine unterschiedliche Meinung haben, mal miteinander reden und so. Man kann ja auch vermitteln tätig sein. Also Räume öffnen, Gesprächsrunden. In Ihrer Szene ist das ja der Hauptjob, nicht direkt zu sagen, das ist die Wahrheit, sondern dafür zu sorgen,
[17:13]
Toleranz und Gesprächskultur
[17:11]dass erstmal noch eine Gesprächskultur da bestehen bleibt. Auch da können sich Unternehmen für stark machen, ganz allgemein für Toleranz und für aufeinander zugehen, statt die Fronten immer weiter zu verhärten. Aber wenn man bei einem bestimmten Thema einfach mal eine politische Position dann wirklich bezieht, dann muss man eben auch bereit sein, die Konsequenzen zu tragen. Und das kann heißen, Kunden zu verlieren oder auch Mitarbeitende zu verlieren. Ein Beispiel aus den USA war, dass ich denke, es war Walmart. Und da gab es seitens der Unternehmensleitung eine Unterstützung der gleichgeschlechtlichen Ehe. Und dann hat man festgestellt, dass einige Mitarbeitende doch so, manche Mitarbeitende das nicht so unbedingt unterstützen und deswegen ist auch nochmal ein ganz wichtiger Punkt, also Unternehmen meiden deshalb oft auch.
[18:01]Das kann man verstehen, die besonders kontroversen Themen. Weil sie da genau wissen, sie treffen da auf eine polarisierte Landschaft und sie wollen eher neutral bleiben. Das ist noch dieser alte Instinkt. Wir sind ja eigentlich nur ein Unternehmen, wir haben eigentlich gar nichts damit zu tun. Und dann gibt es eben andere Dinge. Und ich glaube, das haben wir auch eben bei dem Überfall auf die Ukraine gesehen, bei dem Krieg, der da eröffnet wurde von Russland oder weitergeführt wurde. Der hat ja eigentlich schon 2014 angefangen. Und dass man dann plötzlich eine starke Solidarisierung mit der Ukraine gesehen hat, also auch von Unternehmen. Das war aber innerhalb der deutschen Grenzen ja nicht sehr gefährlich, weil man da wusste doch, also der allergrößte Teil der Bevölkerung, der solidarisiert sich mit der Ukraine. Und da konnte ich, also habe ich wenig riskiert, wenn ich eine Ukraine-Fahne vor das Bürogebäude des Unternehmens gestellt habe. Aber das ist sozusagen easy. Es ist aber trotzdem eine politische Haltung. Und die Frage ist, warum macht man das heutzutage? Das hätte früher keiner gemacht. Also das fand ich auch selber in meinem Umfeld, wenn ich hier so, ich bin ja in Westdeutschland, in einem hauptsächsischen Nordrhein-Westfalen unterwegs und wenn man also auch mal so über die Dörfer fährt und auf einmal steht vor so einem ganz normalen Handwerksbetrieb steht eine Ukraine-Fahne.
[19:21]Dann habe ich mir auch gedacht, also erstmal freue ich mich, dass sie sich solidarisieren, aber habe mir auch dann versucht vorzustellen, was die untereinander besprochen haben vorher und dann entschieden haben, wir machen das. Also auch dieses Bedürfnis zu haben, wir zeigen das, auch wenn das eigentlich mit unserem Handwerksangebot, was wir hier den Leuten an unserem Ort anbieten, nichts zu tun hat. Und das ist, glaube ich, auch sehr wichtig, diese Beschäftigung damit vorzunehmen. Hat das mit unserem Unternehmen was zu tun? Und das kann dazu führen, dass man einmal sagt, also bei manchen politischen Themen, da haben wir vielleicht wirklich einfach nichts mit zu tun. Dann sollte man, dann würde ich auch sagen, dann sollte man sich da vielleicht auch einfach zurückhalten.
[20:01]Und auf der anderen Seite kann es aber auch sein, dass man, wenn man sich diese Frage stellt, man erst mal merkt, wie viel eigentlich davon abhängt. Und dass dann doch auch der kleine Handwerksbetrieb sagt, das kann nicht sein, dass Russland damit durchkommt, weil am Ende, wir wissen nicht wie schnell, aber eines schönen Tages ist auch unser Betrieb hier gefährdet und ist nicht mehr frei und kann nicht mehr handeln. Das ist nicht eine Frage von ein paar Tagen oder Wochen, das ist dann aber eine langfristige Einsicht und dann stellt man diese Fahne vielleicht doch auf, nicht nur um sich zu solidarisieren, sondern auch um sich selber zu schützen.
[20:38]Also hier würde ich auch bei solchen Beispielen auch eine Tendenz sehen, die gar nichts mit Politik zu tun hat, aber die darauf zurückwirkt, ist diese, manchmal die Diskussion geführt worden, Entgrenzung der Arbeit, dass also Arbeitnehmer privat einfach immer noch mehr checken können und müssen und dergleichen, was dann erwartet wird. Aber diese Entgrenzung ist ja keine Einbahnstraße, sie geht auch andersrum. Also Privatheit wird mit in Unternehmen genommen und nicht nur der Amazon-Account, das dann bestellt wird und eingekauft wird oder geshoppt wird auf Arbeit, sondern eben auch, wir kommen heute nicht nur als Rollenträger Arbeitnehmer zur Arbeit, sondern wir sind immer auch noch Mama und Papa, wir sind immer auch noch möglicherweise geflüchtete Ukrainer und Bürger Deutschlands mit Migrationsgeschichte. Und daraus entsteht dann eine persönlich, moralisch, politische Verpflichtung, auch Stellung zu beziehen bei gesellschaftlichen Fragen, die brisant sind. Also der Handwerksbetrieb, den Sie genannt haben, das kann sein.
[21:43]Da sind Aufträge weggebrochen, die vielleicht mit Osteuropa geführt wurden oder es ist eine Herkunftsgeschichte oder es ist tatsächlich ein Geflüchteter einfach dort mittlerweile als Arbeitnehmer tätig. Und das sind ja keine kleinen Bevölkerungszahlen, da kommen ja hunderttausende. Das kann ich mir sehr gut vorstellen. Auch, dass es eben so auch ganz konkrete Gründe vor Ort in dem Betrieb gibt. Und Unternehmen können das nicht mehr weghalten. Können dann nicht sagen, nee, also du bist nur Arbeitnehmer. Und dass du zufällig aus der Ukraine kommst, da bin ich blind als Unternehmen. Das geht schlichtweg nicht.
[22:21]Was ich aber auch sehr interessant finde, ist eben, dass im Moment auf der einen Seite so eine Erwartung da ist, dass Unternehmen sich positionieren und auch die einzelne Führungskraft sich so positioniert. Und da haben wir dann eben die eine Variante dann zu sagen, ja, wir wollen Haltung sehen. Und ich glaube, da gibt es auch Themen, wo eine klare Haltung wichtig ist, weil… Also, weil auch, dass einfach die Stakeholder auch wissen wollen, mit wem sie es zu tun haben. Und wenn da ein Unternehmen jetzt uneingeschränkt Russland unterstützen würde, dann wollen, dass die Leute wissen, damit sie das auch boykottieren können. Jetzt die andere Seite, die mich aber auch sehr interessiert ist, und gerade je größer das Unternehmen, desto mehr ist das relevant, ist, inwieweit wir die Pluralität, die wir in der Gesellschaft ja irgendwie aushalten müssen und gleichzeitig auch einschätzen müssen, Stichwort Innovation. Wie weit wir die im Unternehmen auch haben und dann auch damit umgehen müssen und da auch eben nicht dazu kommen müssen, dass alle im Unternehmen die gleiche Partei wählen. Und so stramm durch, so wie man das vielleicht gerne hätte, vielleicht als Patriarch oder so, würde man gerne, dass alle die gleiche politische Orientierung haben wie man selber. Aber effektiv ist es ja so, dass in jedem größeren Unternehmen wird man auch eine Pluralität, eine Bandbreite aus der Gesellschaft haben. Und wie man das dann halt aushält.
[23:44]Und das ist eben auch nichts Neues. Auch da wissen wir, in der Fabrik, da gab es Leute, auch wenn sie sozusagen ein bisschen mehr, die einen waren mehr die Arbeiter, die anderen mehr so die Büro. Und dann könnte man natürlich schon so ein bisschen auch vermuten, wer was wählt. Aber letztendlich war auch da eine Pluralität da. Und dann hat man das aber auch ausgehalten.
[24:05]Dann hat halt der CDU-Wähler mit dem SPD-Wähler zusammengearbeitet, das haben die schon hingekriegt. Oder ich kann es auch nochmal auf eine religiöse Ebene bringen, im Ruhrgebiet Schalke oder Dortmund. Also natürlich fand man das nicht gut, dass der andere Schalke unterstützt, aber wenn man halt zusammen in der Montagehalle ist oder im Büro sich einen Schreibtisch… Da gab es bestimmt aber auch andere Auseinandersetzungen. Da kann man auch mit dann klarkommen. Aber wieso hat sich das, Herr Müller… Das ist also fast schon auch eine Frage von politischer Bildung, dass die Menschen das wissen, dass nicht jeder so tickt wie sie selber und dass man sich nicht bei allem einig sein muss und trotzdem sehr gut und fair und kollegial miteinander umgehen kann. Das ist doch… Auch eine Veränderung, eine Tendenz, die wir lange Zeit erleben. Wir können das ja sozusagen, früher die Arbeitsuniformen haben auch die Menschen äußerlich dann gleich gemacht. Die Blue-Color und White-Color.
[25:06]Und dann war irgendwie deutlich, die sollen jetzt ihre Arbeit machen, dafür haben sie die Arbeitsklamotten an und was Privat ist, ist Privat und Schnaps ist Schnaps. Und Politik bleibt außen vor. Jetzt gehen immer mehr soziologisch gesehen Individuen in die Firma und jeder will mit seiner gesamten Persönlichkeit gesehen werden und beachtet werden. Und das ist ja das, was Sie auch als Aufgabe und Herausforderung da beschreiben mit dieser Pluralität, die wir ja auch unter unternehmerischen Gesichtspunkten, Innovationsfähigkeit, Bereicherungsperspektiven, die Stichworte auch haben wollen. Das bedeutet aber auch, es wird nicht mehr nur an der Sache gearbeitet, sondern Unternehmertum bedeutet immer stärker dann auch Beziehungsarbeit toleranzfähig zu halten oder auch in der Waage zu halten.
[26:02]Wenn ich mir das so deutlich mache, dann haben Führungskräfte heute wirklich eine ganze Menge zu tun, mal ganz simpel gesagt.
[26:11]Ja, aber der nächste Schritt ist eben, dass die Individuen wiederum eine Fähigkeit
[26:22]
Individualität und Teamarbeit
[26:19]entwickeln müssen, zu respektieren, dass die anderen auch Individuen sind. Also dann sind wir wieder bei ganz klassischen Diskussionen rund um Freiheit, Freiheit des Andersdenkenden.
[26:32]Meine Freiheit ist nicht alles, sondern die Freiheit von anderen ist genauso wertvoll und dadurch kommt man dann ja in die Notwendigkeit, wieder einen gemeinsamen Weg zu finden und auch sich Räume zuzugestehen, Freiräume, wo man die anderen nicht bedrängt, weil man selber auch nicht bedrängt werden will. Und das ist ja dann die, also es ist nicht die Kehrseite, sondern es ist der nächste Schritt, nachdem wir vielleicht eine Individualität an sich erstmal als gegeben nehmen, dann die Frage zu stellen und wie kommen wir jetzt damit klar, dass wir alle so individuell auch behandelt werden möchten. Und dann muss man sich halt auch, dann braucht man Toleranz und dann braucht man eine Fähigkeit, sich auch mal zurückzunehmen an einer Stelle, wo es einfach mal auch nicht so entscheidend und relevant für einen ist. Da lässt man dem anderen halt mal dann seinen Raum und beansprucht den nicht auch noch für sich. Also was wichtig ist, da nimmt man das. Also ich glaube, die Aufgabe ist eben dann auch nicht zu suggerieren, jeder wird hier genau nach seinen eigenen Wünschen jetzt auch bedient, sondern wir müssen gemeinsam einen Weg finden. Jeder ist anders, aber wir müssen gemeinsam was erreichen.
[27:45]Also ich frage das deshalb so aus dem Hintergrund. Meine Arbeit ist ja dadurch geprägt als Mediator, dass ich zu Konfliktfällen hinzugerufen werde von Unternehmen, bei denen die Konnotation so ist, dass der Konflikt ist für uns ein Problem. Der Konflikt von Mitarbeitern in einem Team zwischen bestimmten Leuten ist für uns als Unternehmen ein Problem. Und jetzt müssen wir das machen. Wir müssen jetzt einfach so ein Aushandlungsverfahren wie eine Mediation oder eine Konfliktmoderation durchführen. Und das ist schon auch das, wo ich sozusagen unterschreiben würde, ja, es braucht für diese praktische Toleranz mehr Aushandlungsräume, mehr Gesprächsräume, weil die Menschen eben wirklich als Individuum auch wahrgenommen werden wollen. Und dann können sie Dinge nicht mehr einfach voraussetzen. Also man kann jetzt nicht voraussetzen, ich gehe… Zu Evonik und dann sind halt dort alles nur Dortmund-Fans. Das geht halt nicht. Es sind nämlich traditionell mehr Schalke-Fans dort. Und wenn ich eben mit Menschen, die andere Ansichten, andere Lebensweisen etc. Haben, zusammenarbeiten soll, muss ich mich mit denen mehr abstimmen. Und es braucht einfach mehr Zeit, dieses Kennenlernen bis ins Detail und dann zu gucken, da kann ich mich zurücknehmen, da kann ich mich darauf verlassen und so. Für Unternehmen ist das doch aber eine Zumutung.
[29:10]Oder wie sehen Sie das sozusagen als Betriebswirtschaftler? Ist das okay oder Unternehmen, das immer noch als Sand im Getriebe war? Das ist eine super Frage. Und es ist eben genau die Schwierigkeit herauszufinden, wann so ein Diskurs einfach wirklich unproduktiv wird.
[29:35]
Der Nutzen von Konflikten
[29:36]Und da muss man manchmal so um die Ecke denken. Also manchmal kann man relativ schnell sagen, wir sind hier ein metallverarbeitender Betrieb und deswegen interessieren uns alle Sachen, die quasi mit Dienstleistungen zu tun haben politisch, Die blenden wir alle schon mal aus. Oder ich mache es jetzt zu kompliziert. Ich will es eigentlich viel einfacher beantworten. Und zwar, dass man selbst bei Themen, wo man erst mal denkt, das hat doch nichts mit unserem Geschäft hier zu tun, das nicht unterschätzt. Zum Beispiel vegane Angebote in der Kantine. Riesenthema. Also wenn wir jetzt jetzt darüber auch noch streiten müssen, dann schaffen wir ja gar nichts mehr. Aber das sollte man immer kurz mal innehalten und sich überlegen, okay, über welche Umwege könnte das denn doch jetzt wichtig sein? Und da sind heute so manche Themen, wo wir dann bei dem Thema Fachkräftemangel landen und bei dem Wettbewerb um Fachkräfte und plötzlich…
[30:34]Könnte ich mir sozusagen einen Arbeitsmarkt, also angebotsseitig, also von den Arbeitskräften her gesehen, verschließen, wenn ich solche Themen ausblende? Oder wenn jemand in meiner Belegschaft sich persönlich sehr mit dem Thema Nachhaltigkeit beschäftigt und ich das dann einfach überbügle und sage, also komm hier, wir wollen das nicht diskutieren, hier unser Betrieb ist so und so zertifiziert, das reicht. jetzt hör mal auf. Und wenn ich so eine Person dann frustriere, weil ich auch ihre Ideen, wie man jetzt im Unternehmen Nachhaltigkeit voranbringen könnte, einfach abblocke und sage, haben wir schon erledigt, deine ganzen Ideen brauchen wir nicht, dann demotiviere ich diese Person und die verlässt dann vielleicht das Unternehmen und geht irgendwo hin, wo ihr ein bisschen mehr zugehört wird. Das heißt, man braucht da schon ganz schön viel Fingerspitzengefühl, weil indirekt könnte das Thema dann doch wieder für einen relevant sein und nicht mal unbedingt das Thema selbst, sondern der Umgang damit. Und das heißt, diese Zeit, die ich mir nehme, um auch mit dem Mitarbeiter zu sprechen, also Chef, wen soll ich wählen, dass ich dann nicht entweder sage, ist mir egal, Hauptsache nicht AfD, oder ich sage.
[31:47]Wähl mal Partei X, die finde ich persönlich auch gut, sondern dann eine Rückfrage zu stellen und zu sagen, ja, was glaubst du denn, warum die eine oder die andere, was hast du denn bisher selber dir dazu überlegt? Und wie bringst du das jetzt, wenn du mich schon hier in dem Kontext unseres Unternehmens fragst, das mit unserem Geschäft zusammen und mit dem, wie wir so unterwegs sind und was wir hier vorhaben und einfach den Moment darüber zu sprechen, was die Antwort sein könnte und eben nicht einfach nur eine Antwort zu geben, wähl doch mal diese Partei. Übrigens nicht AfD zu wählen, wäre auf jeden Fall auch gut, das zu sagen. Aber ansonsten muss man die Zeit sich nehmen. Und ja, das war jetzt vielleicht auch nicht der beste Scherz, weil selbst da sollte man sich dann die Zeit nehmen, glaube ich, im Unternehmenskontext, sollte man sich mit einem Mitarbeitenden, der eigentlich zum Klarzung erkennen gibt, dass er dort eine extremistische Partei wählen will.
[32:45]Mit dem sollte man sich vielleicht erst recht die Zeit nehmen, das mal zu besprechen. Aber ich will das kurz unterbrechen, weil ich das einfach schon markieren will, dass das Plädoyer ist eben nicht jetzt zu denken, jetzt muss ich Politik machen in der Firma, wo ich doch eigentlich einfach nur auf Profitabilität, auf Effektivität Wert lege, sondern sich klar zu machen, das ist eine Frage zu eigenem Nutzen. Und es ist okay, eine Nutzenrechnung anzustellen und das kann gerne auch ökonomisch unterfüttert sein, was ist die beste Umwelt, also was brauchen wir für ein politisches System, um erfolgreich zu sein.
[33:27]Was wäre, wenn wir da Einfluss drauf haben, eben für uns das Beste? Und sei es auch nur eben, ich biete veganes Essen in der Kantine an, damit wir Mitarbeiter haben, ist eine andere Perspektive. Ach, jetzt muss ich das machen, weil der sich halt vegan ernähren will. Kann ja nicht mit seinem Spleen irgendwie aufhören. Ja, genau. Und das finde ich ja nicht überraschend, aber ich finde es schön markieren zu dürfen, das ist ja eine zutiefst betriebswirtschaftliche Sichtweise, die hier einfach konsequent an den Tag gelegt werden sollte und muss gar nicht jetzt eine moralisch-politische Aufladung bekommen, sondern darf auch dort wirken oder überziehe ich das ein bisschen? Ich sage mal, ich stimme vollkommen zu, wie Sie das dargestellt haben und würde das auch wirklich auch so sagen, dass man diese betriebswirtschaftlich-kalkopischen Interessen ruhig mit den politischen Themen verknüpfen darf.
[34:28]Ich würde es allerdings nicht ganz so stark von dem ethisch-moralischen trennen. Also ich glaube, es ist vielleicht so ein bisschen eine Einsicht, dass rein ethisch-moralisch-unternehmerisches Handeln ist irgendwie sehr, sehr selten. Also an irgendeiner Stelle kommt selbst ein Handeln, ein unternehmerisches Handeln, was ethisch motiviert ist, kommt irgendwann an so ein Realitätscheck, dass das auch als Unternehmen funktionieren muss.
[34:53]Und damit meine ich nicht dieses Platte, wir müssen auch Geld verdienen, sondern es muss am Ende irgendwie aufgehen. Und da kann man aber viel Fantasie entwickeln. Also ich würde es nicht so ganz so trennen, aber ich würde vor allen Dingen unterstreichen, dass es nicht funktioniert, verwerflich ist, also eine eigene, auch ethische Haltung, auch im Eigeninteresse, und das ist dann eben bei Unternehmen auch ein ökonomisches Interesse, also auch damit auch zu begründen. Das ist ja, finde ich, auch ein Zeichen der Zeit. Aber auf den Fehler ist es, glaube ich, wenn das nur noch ökonomisch begründet wird. Wenn also quasi dann auch eben alles Mögliche bedient wird,
[35:33]
Ethik und Wirtschaftlichkeit
[35:30]nur weil es irgendwie vielleicht kurzfristig eine Verkaufschance gibt. Also wenn ich das jetzt sage, dann ist das gut an. und morgen sage ich aber was anderes, weil das kommt dann morgen gut an. Und da muss man, glaube ich, aufpassen. Von daher ist es also dieses Zugeständnis, man darf das auch ökonomisch-kaufmännisch begründen, entbindet einen noch nicht davon, eine moralisch-ethische Haltung zu entwickeln. Und das ist, glaube ich, oder sagt der Motto, wenn wir sagen, wir müssen die Demokratie schützen, weil das demokratische System für uns als freies, privates Unternehmen irgendwie besser ist, als jetzt irgendwie so eine totalitäre Diktatur. Das ist ja dann sozusagen diese eigennützige Überlegung, aber die hat man nicht, wenn da nicht auch noch grundsätzliche Prinzipien mitschwingen. Beziehungsweise, wir müssen das jetzt eigentlich nochmal ein bisschen ausdiskutieren, weil ja viele Unternehmen.
[36:20]Die ihren Stammsitz in demokratischen Gesellschaften haben, haben ja Geschäfte und Tochterunternehmen in China oder irgendwo, wo es überhaupt nicht so zugeht wie im Stammhaus. Und trotzdem machen sie dort ihre Geschäfte. Und das wäre eigentlich noch mal ein eigenes Thema, wie das eigentlich zusammengeht. Aber ich glaube, das ganze Thema ist voller Ambivalenzen und voller auch eigentlich Widersprüche. Und worauf ich hinaus will, ist ja auch eher, dass man lernen muss, damit umzugehen. Und dazu gehört eine ökonomische Bildung, gehört aber vielleicht auch eine politische Bildung sogar für Führungskräfte und eine Sensibilisierung für Konfliktthemen. Da habe ich übrigens auch eine bessere Position, Wenn ich mit meinen Studierenden eher abstrakt über Konflikte rede, werden sie immer gleich so richtig da reingerufen werden, wo es schon heiß ist. Also auch da ist es natürlich ein anderer Blick.
[37:12]Ja, allerdings aus Mediator-Sicht, man kann wirklich wenig falsch machen, weil es ist schon alles irgendwie am Kochen und Brennen und Dampfen und dann geht es darum, Brände zu löschen, wenn man mal dieses Bild nimmt, anstatt jetzt zu gucken, dass nicht überhaupt ein Teller runterfällt.
[37:30]Also wir sagen, das ist keine schlechte Position, hinzuzukommen. Also wenn ich dann aber unseren Studierenden sage, sie sollen auch nicht nur so eine negative Haltung gegenüber Konflikten entwickeln, sollen auch anhand von Beispielen sehen, wie Konflikte auch wirklich für alle Beteiligten nachher zu einer besseren Lage führen können als vor dem Konflikt. Also dieses Konstruktive, Positive, gibt es ja verschiedene Konfliktkategorien oder Typen von Konflikten, die man dann mehr oder weniger funktional oder dysfunktional klassifizieren kann. Aber das ist eben sozusagen nach dem Motto, wenn jetzt so ein Konflikt sich andeutet, dann flippt nicht gleich aus. Vielleicht ist der ja sehr hilfreich und danach steht ihr besser da als vorher. Das ist natürlich leichter gesagt, abstrakt im Seminarraum mit Studierenden, als wenn man in einem Unternehmen, wo schon alle wirklich die Nase voll haben und dann jetzt endlich hoffen, dass das irgendwie wieder gelöst wird. Das ist natürlich eine andere Sache.
Das ist auch tatsächlich in der Praxis von Mediation einfach eine Verführung, eine Falle dahin zu kommen und zu sagen, Mensch, Konflikte sind auch eine Chance und die mögen das natürlich gar nicht hören, weil die gerade mittendrin sind im Strudel. Ich will mal kurz zurückspulen, weil das scheint mir wichtig zu sein bei den Fragen, nach welchen Werten und Kategorien entscheide ich das überhaupt?
[38:53]Also diese eine Sichtweise, ich muss jetzt sozusagen nach ethischen Standards mein Unternehmen führen, hat ja heute auch einen ökonomischen Wert, wenn das Ganze eben auf einer Bühne stattfindet und es bewerten meine Kunden oder meine Stakeholder, wie benehme ich mich auch gegenüber. Da hat ja Ethik auch durchaus einen messbaren Wert, wobei man hinten runterfallen kann mit Greenwashing, so betitelt, dass man das nur macht, weil man Fördergelder bekommt oder Lob und Likes etc. Das darf sozusagen nicht umfallen und aus der anderen Seite, funktioniert heute eben auch nicht mehr und das finde ich sehr konsequent dass man nicht mehr sagen kann, es ist egal wo wir arbeiten oder in welchen Umständen, wir gehen nur nach der Bilanz, das funktioniert eben nicht weil ganz deutlich wird, dass es bilanzschädigend ist egal wo man jetzt reinguckt, ob jetzt die Finanzbilanz oder die Mitarbeiter etc.
[39:58]Ja, es ist aber auch, ja, ja, ja, also gut, so die Bilanzen und so weiter, das wird schon immer ziemlich ernst genommen. Es ist aber, oder oft ist halt die Haltung gewesen, das muss erst mal stimmen und das andere ist dann sozusagen das, was wir uns dann leisten können. Das hat sich, glaube ich, geändert. Also da wird ganz oft, werden diese Fragen vorher schon, früher schon gestellt. Was ich aber noch meinte, wo auch viele nicht drüber nachdenken.
[40:25]Ist das eine Frage, oder anders gesagt, ich habe manchmal den Eindruck, dass bei Konflikten innerhalb der Mitarbeiterschaft das Unternehmen als Selbstverständlichkeit wahrgenommen wird. Und sozusagen die Gefahr, die manchmal von Führungskräften oder Leitungskräften gesehen wird in weiter Distanz, dass das nicht real erscheint vielen. Dass es nicht mehr glaubwürdig ist, aber aufgrund einer Illusion, dass es nämlich schon Konsequenzen hat, wenn die Bilanz nicht stimmt. Dass dann das Unternehmen schlichtweg auch schließen müsste oder der Standort geschlossen. Also ist es etwas, was wir jetzt erst wieder lernen in der Krise, dass unsere Lebensweise, unsere Unternehmen, ihr Erfolg, dass es keine Selbstverständlichkeit ist? Es wird ja durchaus diskutiert. Also das ist natürlich quasi nochmal ein ganz neues Thema. Also wie veränderungsbereit sind Menschen und auch wie weitsichtig passen sie sich an oder doch immer erst kurzfristig, wenn es ganz schlimm wird.
[41:39]Also wir haben tatsächlich, also da im Ruhrgebiet meiner Uni steht, da ist ja das beste Beispiel für eine jahrzehntelange Fahrtabhängigkeit, die also wirtschaftlich, technologisch, kognitiv, politisch alle den gleichen Pfad immer weitergetrieben haben und sich also viel zu spät erst das eingestanden haben, dass die Kohle- und Stahlindustrie tatsächlich auf Dauer keinen Bestand haben kann. Und also das, gehen Sie mal ins Bochumer Bergbaumuseum, da geht das ziemlich klar. Das in den 50er Jahren war schon klar, das geht noch eine Weile und dann war es das. Und dann haben alle immer wieder, wie Sie das gerade sagten, daran geglaubt, dass es doch irgendwie weitergeht. Haben viel investiert, viel auf Steuergelder investiert. Natürlich auch ein paar technische Innovationen noch gefunden, dass es irgendwie in die Länge gezogen wurde. Aber es war vollkommen klar, dass das nicht so auf Dauer gut gehen kann. Und so ähnlich ist es jetzt mit der Klimakrise.
[42:44]Es ist sowas von klar, dass das schlimm wird. Aber trotzdem, jetzt so von heute auf morgen macht man dann doch nichts. Und was soll ich da sagen? Also das führt natürlich dazu, dass auch wenn wir gerade auch politisch Pluralität und so ja auch eigentlich eher wollen, dass dann auch manchmal so das kollektive Handeln nicht kommt. Weil dann doch zu viele in der Fahrtabhängigkeit auch kritisieren. Sich wohlfühlen und diejenigen, die die Veränderung wollen, doch dann die Minderheit sind oder wirklich Veränderung wollen. Und solche Veränderungsdiskussionen sind auch politisiert, also sind auch politische, kommen in politischen Rahmung daher.
[43:29]Und deswegen diese Pluralität hochhalten, Toleranz, die andere Meinung ertragen und so, das sind schon sehr, sehr hohe Werte. Aber es könnte auch sein, dass das mit zu solchen Fahrtabhängigkeiten auch beiträgt.
[43:44]Ich hatte gerade noch einen anderen wichtigen Gedanken, aber das ging auch so in diese Richtung, inwieweit man im Unternehmen sozusagen die gleichen Ansprüche auch hat, wie man woanders in der Gesellschaft hat. Und ich glaube, da ist es auch eine Diskussion wert, dass sich Unternehmen für die Demokratie als Staatsform beziehungsweise auch als Regierungsform entscheiden und dann aber im Unternehmen das gar nicht so demokratisch zugeht. Und diese Beobachtung gab es ja schon länger. So wie gesagt, wir arbeiten in der Diktatur und wir sind Bürger in der Demokratie. Und anscheinend haben wir Menschen, viele von uns kein Problem damit sozusagen.
[44:24]
Demokratie und Unternehmen
[44:25]Sich acht Stunden am Tag der Diktatur zur Verfügung zu stellen und danach aber auf jeden Fall auf unseren Bürgerrechten zu beharren. Und diese Diskussion ist auch schon älter. Inwieweit also gelebte Demokratie in Unternehmen sich auch positiv auf die Demokratie als Staatsform auswirkt. Auch mein Institut und der Namensgeber unseres Instituts, Reinhard Mohn, hat auf diesen Punkt auch schon so in den 80er Jahren hingewiesen, dass also auch in den Unternehmen Partizipation und sowas, also auch dem Unternehmen dienen, aber auch wirklich mithelfen, dass die Menschen überall in ihrem Leben diese Stimme haben und das auch wissen, dass ihre Stimme zählt. Das heißt, es gibt einerseits die Debatte… Und Diskussion unter dem Motto, würde ich jetzt mal, Eigentum verpflichtet. Mein Unternehmen hat auch eine gesellschaftliche Verpflichtung dem Staat und der Gesellschaft gegenüber, sodass Demokratie gelernt und gelebt wird im Unternehmen.
[45:27]Und andererseits aber auch, Demokratie steht im Dienste der Unternehmung. Und die Idee ist auch wirtschaftlich oder ökonomisch, ist es sinnvoll.
[45:38]Demokratisch zu wirtschaften und das steht in Diskussion mit, sind wir da innovativ, muss da nicht ein Typ her, der voranschreitet und da muss er auch den Widerstand, Trägheit von anderen überwinden, damit es wahre Innovation gibt und Innovation ist ja etwas, was gerade in Deutschland momentan zumindest in der Presse, in der medialen Wahrnehmung als abwesend deklariert wird oder zumindest nicht in eine Wirtschaftlichkeit übergeht, wo man wieder sagen könnte, okay, lasst uns mal jetzt arbeiten und nicht mehr reden. Wir müssen jetzt wirklich mal was schaffen auch. Das finde ich einen interessanten Aspekt bei der Frage, politische Diskurse im Unternehmen. Also da kommt auch, sagen wir mal, die eigentliche Orientierung meines Forschungsinstituts ist ja, wir sind ja Organisationsforscher allgemein, wir beschäftigen uns mit Organisationstheorie. Das heißt also eigentlich dann mit der Frage, wie man etwas macht. Und jetzt haben wir auch am 8. November eine Veranstaltung zum Thema Demokratie stärken in Witten. Was ist die Rolle der Unternehmen? Aber auch da werden wir an den Diskussionspunkt kommen, dass Demokratie ja erstmal ein Prinzip ist, aber die Art und Weise, wie auch dann Demokratie organisiert wird oder wie man Demokratie in Organisationen einbaut, das ist immer eine Frage der konkreten Ausgestaltung.
[46:59]Und so sind ja auch nicht alle demokratischen Staaten gleich organisiert also diese repräsentative.
[47:07]Also dass wir wählen und dass dann die Gewählten was machen und die, die gewählt haben, müssen eine Weile dann sozusagen zuschauen, was sie daraus machen, haben aber die Chance, die dann wieder abzuwählen und so. Diese ganzen Repräsentanzsysteme, die ja zum Beispiel in den USA ganz anders funktionieren als in den meisten EU-Staaten und so, das sind ja alles Formen der Organisation von Demokratie. Und wo man dann eben auch eben zugesteht, dass man jetzt nicht überall in jeder Sekunde mitredet. Also ganz, ganz starke Basisdemokratie fordern manche ja auch. Also wirklich zu allem eine Volksbefragung zu machen und so weiter. Aber wir organisieren auch hier im Staat ja die Demokratie, indem wir dann bestimmte Prozesse installieren. Und so ähnlich ist das auch im Unternehmen. Das ist natürlich, also es ist schon ganz was anderes, ob ich ein privatwirtschaftliches Unternehmen habe und da ist ein Eigentümer und Geschäftsführer und so weiter. Aber diese Idee auch des Delegierens nach oben, das ist ja auch im Staat nötig. Sonst funktioniert auch der Staat nicht. Und wiederum, dass dann wieder nach unten runter auch ein Feedback da ist. Das muss man auch im Unternehmen organisieren. Und da kommen wir dann wieder als Organisationsvorstandsspiel. Aber auch da müssen wir schauen, wenn sich Unternehmen für die Demokratie einsetzen, wie machen sie das? An welchen Stellen setzen sie da auch an? Wann unterstützen sie zum Beispiel Pluralität?
[48:34]Und wann äußern sie sich aber auch ganz klar zum Beispiel gegen Extremismus und dann wirklich auch sagen, da hat auch die Toleranz irgendwo mal eine Grenze.
[48:43]Da ist irgendwie eine Position, die ist so schädlich. Und ich glaube, da können wir auch nochmal wieder bei den Führungskräften landen.
[48:54]
Führungsaufgaben in politischen Diskursen
[48:49]Die müssen auch nicht jeden politischen Dissens in ihrem Team aus der Welt schaffen. Aber wenn dort jemand wirklich so vergiftete Sachen verbreitet, auch klare Unwahrheiten, dann ist es nicht nur irgendwie eine persönliche Sache, dass man das einfach nicht mehr ertragen mag, sondern da hat man, glaube ich, dann auch eine Aufgabe, wenn es keiner anderer tut, da mal zu sagen, also hier ist jetzt aber meine Grenze. Und man kann unterschiedliche Meinungen haben, aber man kann hier nicht solche extremistischen Meinungen oder einfach wirklich Unwahrheiten weitertragen, die man irgendwo bei TikTok gehört hat. Da muss man dann irgendwie auch mal wirklich einschreiten. Im Interesse des Unternehmens, aber auch, weil man da selber ja auch nicht nur als Funktionsträger ist, sondern auch als Person.
[49:35]Das nehme ich als Schlusswort, weil das genau zu Ihrer Veranstaltung auch hinführt. Politische Diskurse in Unternehmen. Wir werden das nochmal in den Show Notes auch genau notieren und auch den Flyer mit, weil das ist eine ganz interessante Veranstaltung, die, jetzt bald, im November in Wittenherdeke stattfindet. Können Sie mal das genaue Datum, der 8. November? Das war der 8. November. Das ist eine ganztägige Veranstaltung. Morgens eher so mit Keynotes und Podiumsdiskussionen und nachmittags mit Workshops, parallelen Workshops zu deinen Einzelthemen. Aber ich freue mich sehr, wenn wir das auch in Show Notes noch etwas genauer darstellen können.
[50:15]Und dort kriegen wir auch noch mal Anregungen, sicherlich auch über dieses letzte Thema Demokratisierung und Demokratiegestaltung, sowohl aus der Sicht von Unternehmen und den Diskussionen, die momentan in der Gesellschaft dazu geführt werden. Ich glaube, da stecken wirklich noch ein paar Punkte drin, die in Organisationen momentan für Zündstoff sorgen, wo hart drum gerungen wird, manchmal unter politischer Flagge und manchmal auch unter.
[50:45]Organisationsveränderungsflagge. Also die gesamte agile Bewegung ist nicht von Argumenten frei, die genau in diese Richtung zielen. Also Mitbestimmung, Demokratisierung sind da nicht gerade die Schlagworte, aber im Endeffekt die Partizipation von auf Augenhöhe mitzuarbeiten könnte man jetzt schlaglichtartig nehmen. Da stecken noch viele Dinge drin, die auch in Konflikten dann ausverhandelt werden. Also das kann ich bestätigen, wenn ich momentan in Organisationen zugezogen werde. Es ist nicht mehr nur die klassische Konfliktlinie von Betriebsrat und Geschäftsführung, wo man früher dann sagen konnte, Mensch, der eine ist wahrscheinlich so SPD-nah und der andere ist so FDP-liberal. Das hat sich alles verwischt. Es ist kleinteiliger und auch in der Hinsicht individueller und bunter geworden, was die Konfliktwelt mit sich bringt.
[51:38]Das glaube ich auch. Und ich glaube auch vor allen Dingen, dass gerade diese, also dass gerade Partizipation als Schlagwort, das klingt so harmonisch. Es ist aber nicht so. Partizipation ist anstrengend und bedeutet auch, diese Konflikte, diese Vielfalt eben auch zu ertragen, aber dann eben konstruktiv zu ertragen. Und das kann ich sehr gut nachvollziehen, dass heutzutage gerade dort, wo man eigentlich sich auch überlegt hat, komm, wir machen die Hierarchien flacher und es wird alles irgendwie viel mehr Augenhöhe geben und so. Auch die Augenhöhe ist konfliktrechtig. Gerade.
[52:22]Hier würden auch andere wiederum die Funktionalität von Macht und Hierarchie auch ansprechen, dass dadurch also gewisse Dinge unkomplizierter werden, dass man einfach mal akzeptiert, wer jetzt Recht hat, einfach der, der oben ist und nicht der, der die besseren Argumente hat. Also das kann ja auch mal ganz funktional sein, aber so funktioniert die Welt halt eben heute dann doch auch wieder nicht. Und deswegen, das müssen auch viele erst lernen, wenn sie diese bewusste gleiche Augenhöhe herstellen. Das ist für beide der eine, der angehoben wird und der andere, der etwas sich vielleicht herunter begibt, wenn man in dem Bild bleiben will. Die müssen das ja beide auch lernen, sich dann wirklich so in die Augen zu schauen. Das ist für beide Seiten, auch bei denen, die plötzlich vielleicht mehr gehört werden als vorher, ist es oft so, dass sie darauf gar nicht vorbereitet sind und plötzlich eine Meinung haben sollen. Und das erleben wir zum Beispiel auch bei westlichen Managern in bestimmten Schwellenländern, die dann sagen so, ja, ich möchte gerne, dass die Mitarbeiter mir Verbesserungsvorschläge mal jede Woche am Freitag vorbeibringen und dann kommen keine. Und dann, das liegt aber einfach daran, dass das noch nie einer von denen erwartet hat und so weiter. Also das, auch das ist immer alles so, klingt alles so gut, wir nehmen die gleiche Augenhöhe, aber wir müssen dann auch darauf vorbereitet sein oder uns darauf vorbereiten, auf der Ebene auch miteinander sprechen zu können. Und für diese politischen Themen brauchen es vielleicht auch einige Führungskräfte ein besseres Gespür.
[53:45]Das kann bis hin zu politischer Bildung gehen. Also das Business Council for Democracy, die machen jetzt Führungskräftetraining quasi im Prinzip, was ist eigentlich nochmal Demokratie? So ganz klassisch politische Bildung unter anderem, da werden natürlich auch noch andere Sachen gemacht. Und vielleicht müssen wir auch in der BWL-Ausbildung einfach das Politische nicht ausblenden. Und eben auch da, genau wie Lehrer in der Schule oder Sie als Mediatoren, stelle ich mich nicht hin und sage, ich habe jetzt eine bestimmte politische Präferenz oder so, sondern einfach zu sagen, stellt euch darauf ein, dass politische Themen bei euch im Betrieb eine Rolle spielen werden. Irgendwie.
[54:20]Das greift mal auf. Ich finde das genau nochmal für eine nächste Sendung passend, wenn man das Bild nimmt, Partizipation im Sinne von wie entscheidet die Person von oben, wie stark sie die von unten einbinden will. Demokratie ist ja bestimmt, die unten sind, bestimmt, was die oben machen. Und auf Augenhöhe hat auch seine Herausforderungen. Und da würde ich mit Ihnen nochmal anknüpfen wollen. Ich glaube, da steckt noch viel drin, was Unternehmen und Führungskräfte benötigen, was aber auch Mediatoren, Konfliktmanager erwartet, wenn sie zu Organisationen gerufen werden und sich da berufen fühlen, dort dann zu vermitteln. Ja, würde mich freuen. Vielen Dank. Vielen Dank für das Gespräch, Herr Möllering. Es war wie immer anregend und wahnsinnig lehrreich und schnell. Und wir haben so vieles angesprochen, also wir werden das noch auftröseln. Ich freue mich darauf, sehr gerne. Dankeschön und ein schönes Wochenende schon mal und viele weitere tolle Folgen. Tschüss.
[55:23]
Abschluss und Ausblick
[55:24]Wow, das war das Gespräch mit Guido Möllering. Ein Auftaktgespräch kann das nur gewesen sein zu diesem Thema Konflikte in Organisation durch politische Diskurse, politische Themen, die natürlich ausverhandelt, diskutiert, debattiert und manchmal auch eskalierend dann verhandelt werden. Und das ist nicht nur eine Frage für Konfliktmanager, Konfliktbeauftragte in Unternehmen, sondern eben in erster Linie auch für Führungskräfte, Unternehmenslenker, Manager. Wie gehen sie damit um? Was hat Politik überhaupt für eine Rolle in Organisation? Das war heute ein Einstiegsthema. Wir werden daran weiterarbeiten und das nochmal vertiefen. Für den Moment jedenfalls bedanke ich mich bei euch, dass ihr mit dabei wart hier im Podcast, als es wieder um Konflikte, Mediation und Organisationsberatung geht. Wenn es euch gefallen hat und dieser Podcast euch generell zusagt, dann hinterlasst auch ein Feedback auf Apple Podcast und eine Sternebewertung dort, wo ihr eure Podcast abhört. Das hilft, dass dieser Podcast auch von Menschen gefunden wird, die den noch nicht kennen, aber den interessant finden würden. Bis zum nächsten Mal. Kommt gut durch die Zeit.
[56:43]Music. Verhandlungsmanagement und Partner für professionelle Mediations- und Coaching-Ausbildungen.
[56:44]

44:24 – Demokratie und Unternehmen

48:54 – Führungsaufgaben in politischen Diskursen

55:23 – Abschluss und Ausblick