INKOVEMA-Podcast „Gut durch die Zeit“

#192 – Conflict Culture Playbook (Publikation 2024)

Von Restorative Justice zu Restorative Circles zu Restorative Conflict Management?

Im Gespräch mit Hendric Mostert & Dana Hoffmann

Hendric Mostert: Organisationsentwickler und Mediator, von Hause aus Wirtschaftspsychologe, der sich für neue Arbeitsweisen begeistert, Veränderungsprozesse in Unternehmen vorantreibt und Konflikte erfolgreich klärt. Er wurde für seine herausragende Arbeit mit dem New Work Award ausgezeichnet. Das Personalmagazin zählt ihn 2024 zu den Top-10-HR-Influencern.

Dana Hoffmann: Moderatorin, Trainerin und Coachin für Führungskräfte und Teams. Von Hause aus Journalistin. Als systemische Organisationsentwicklerin berät und begleitet sie Organisationen und Teams auf dem Weg zu effektiven Meetings, einer wirksamen Feedback- und Konfliktkultur und mehr psychologischer Sicherheit.

Gut durch die Zeit.

Der Podcast rund um Mediation, Konflikt-Coaching und Organisationsberatung.

Inhalt

Kapitel

0:00 – Konfliktkultur in Organisationen
3:49 – Die Vielfalt der Konflikte
7:57 – Kultur und Haltung in Konflikten
12:38 – Der Weg zur psychologischen Sicherheit
15:51 – Die Rolle der Mediatoren
19:11 – Umgang mit Widerstand
24:16 – Restorative Circles als Methode
28:25 – Übertragung auf Organisationen
37:16 – Gemeinsamkeiten von Organisation und Gemeinschaft
45:28 – Feste Räume für Konfliktbearbeitung

Zusammenfassung

Im Podcast „Gut durch die Zeit“ dreht sich alles um die zentrale Bedeutung von Konfliktkultur innerhalb von Organisationen. In dieser Folge sprechen wir mit Dana Hoffmann und Hendrik Mostert, den Autoren des „Conflict Culture Playbook“. Sie teilen Ihre Einsichten und Methoden, um Konflikte konstruktiv zu gestalten und die Kommunikationskultur in Unternehmen zu verbessern.

Das Gespräch beginnt mit einem grundlegenden Verständnis von Konflikten – dass sie in jeder Organisation unvermeidlich sind und häufig nicht offen angesprochen werden. Dana, als Journalistin und Moderatorin, und Hendric, als Wirtschaftspsychologe und Mediator, erzählen von ihren Erfahrungen und der Notwendigkeit, eine offene Konfliktculture zu etablieren. Sie heben hervor, dass viele Mitarbeiter oft das Gefühl haben, dass ihre Anliegen nicht gehört werden und wie wichtig es ist, einen Raum zu schaffen, in dem sie sich sicher fühlen können.

Dana und Hendric erläutern, dass die erste Herausforderung darin liegt, bestehende Ängste im Umgang mit Konflikten zu überwinden. Oftmals werde durch mangelnde Kommunikation der Konflikt nicht gesehen oder gar ignoriert, was zu intensivere Spannungen führen kann. Um diese Barrieren zu durchbrechen, stellen sie Methoden vor, die helfen, die Konfliktgespräche zu entstauben und einen offenen Dialog zu fördern. Besonders die Methode „Meet the Elephant“ wird vorgestellt, in der zunächst die Befürchtungen der Mitarbeiter gegenüber dem Konflikt anonymisiert angesprochen werden, bevor das eigentliche Thema diskutiert wird. Diese Vorgehensweise ermöglicht eine behutsame Annäherung an die Konfliktsituation und trägt dazu bei, ein Gefühl von Sicherheit zu schaffen.

Ein weiterer zentraler Punkt in der Diskussion ist die Notwendigkeit, feste Routinen und Strukturen für den Austausch zu etablieren. Hendric betont, dass ohne definierte Zeitfenster, in denen Konflikte angesprochen und bearbeitet werden können, wichtige Themen oft aus dem Blick geraten. Er und Dana fordern Unternehmen dazu auf, regelmäßige Gelegenheiten zu schaffen, damit Mitarbeiter ihre Anliegen in einem geschützten Umfeld äußern können. Die Lösung wird nicht ausschließlich von Mediatoren erwartet, sondern sollte von den Menschen innerhalb der Organisation getragen werden.

Zusammenfassend bieten Dana und Hendric in dieser Folge wertvolle Perspektiven und praktische Tipps, wie Organisationen eine gesunde Konfliktkultur aufbauen können. Ihr Buch „Conflict Culture Playbook“ enthält eine Vielzahl von Methoden, die dazu dienen, Konflikte nicht nur als Störfaktor wahrzunehmen, sondern als Chance zur positiven Entwicklung zu nutzen. Es lohne sich, diese Ansätze in jeder Organisation zu implementieren, um langfristige Erfolge zu fördern und eine offene Kommunikationskultur zu etablieren.

  • Mostert, H. / Hoffmann, D.: Conflict Culture Playbook, 2024

Transkript der Episode

 

[0:00] Konfliktkultur in Organisationen
[0:00]Wie fühlt sich das an, wenn ich auf Augenhöhe ins Verstehen komme und eben dann einen Konflikt kläre oder ein Anliegen kläre? Und oftmals haben wir eben nicht die Erfahrung gemacht und dann ist es komplett, dass das gut ausgeht, weil wir eben nicht die optimalen Strategien bisher genutzt haben. Und dann ist natürlich die Angst im Raum. Herzlich willkommen zum Podcast Gut durch die Zeit, der Podcast rund um Mediation, Konfliktcoaching und Organisationsberatung, ein Podcast von Incofema. Ich bin Sascha Weigel und begrüße dich zu einer neuen Folge. Heute soll es direkt um das Thema Konflikte gehen. Konfliktkultur in Organisationen ganz genau genommen. Und Anlass bietet eine Publikation meiner beiden heutigen Studiogäste hier im virtuellen Podcaststudio. Diese Publikation, die sich Conflict Culture Playbook nennt. Und deren Autorinnen Dana Hoffmann und Hendric Mostert sind heute bei mir zu Gast und ich freue mich darüber ganz besonders. Hallo und herzlich willkommen. Wir freuen uns auch. Hallo Sascha. Vielen Dank für die Einladung.
[1:01]Ja, sehr gerne, weil das Buch mir sozusagen vorgestellt wurde und ich war sowohl vom Inhalt als auch von der Haptik, als auch von der Optik schwer angetan. Ein Buch, das sich wirklich gerne lesen lässt. Und bei dem ihr so das Thema Konfliktkultur aufgreift. Bevor wir so thematisch einsteigen, zunächst mal zu euch. Wer seid ihr und wie kommt es dazu, dass ihr zu Konflikten was schreibt? Dana, wer bist du? Ah, das wollte ich gerade Hendric vorstellen. Na, da mache ich es bei mir selbst. Geht auch leichter im Zweifel. Ich bin von Haus aus Journalistin und Moderatorin, also Moderatorin im Sinne von Bühne und ein bisschen Fernsehen. Und bin aber auch systemische Organisationsentwicklerin. Und für mich ist das insofern kein Widerspruch, als dass ich als Moderatorin, egal ob ich in Workshops oder in Coaching-Settings bin oder auf der Bühne stehe, ich bin immer eine Übersetzerin, eine Transporthilfe, eine Brückenbauerin, wie auch immer, von Informationen zwischen Menschen. Und so ist das für mich total naheliegend, dass ich jetzt das tue, was ich tue.
[2:13]Konflikte und Konfliktklärung sind ein Teil meiner Arbeit und der, der mich natürlich aktuell am meisten begeistert und beschäftigt. Hendric, dann stell du dich doch selber vor und dann gucken wir mal noch, was ihr gegenseitig ergänzen wollt auch, was wichtig ist, um euch zu verstehen. Sehr gerne. Ich bin Wirtschaftspsychologe und Organisationsentwickler und Mediator. Das könnte man ganz gut so beschreiben. In den Kontexten bin ich unterwegs. Hauptsächlich geht es bei mir darum, in meiner täglichen Arbeit Wirksame Arbeit zu ermöglichen. Wirksame Arbeit ich als Mensch, dass ich wirksam werde, wirksam wir als Team, aber eben auch als Organisation. Seit vielen Jahren eben im Kontext von Agilität und New Work vor allen Dingen im Einsatz und begleite da kleine und große Organisationen auch vor allen Dingen im Kontext der kulturellen Transformation. Da habe ich die letzten Jahre aber immer mehr gemerkt, okay, nur Strukturveränderung alleine reicht nicht. Deswegen muss auf jeden Fall eine Kulturveränderung folgen und vor allen Dingen müssen wir in den Beziehungsraum investieren. Agilität und New Work kommt eben an die Grenzen, wenn wir es eben nicht schaffen.
[3:18]Eine Konfliktkultur zu etablieren. Und das ist so unser Steckenpferd geworden, dass wir gesagt haben, okay, da wollen wir vor allem den Beitrag leisten und vor allem die Menschen mehr in Verbindung wieder bringen. Ihr habt ja das Thema mit Konflikten sozusagen angepackt, das in allen Bereichen und überall aufkommt. Also jedes Konfliktbuch, glaube ich, geht so los in den ersten Sätzen. Hat jeder, gibt es überall, kann man nichts machen, muss damit irgendwie gut klarkommen. Und trotzdem will keiner drüber reden. Also ja, oder in den letzten Monaten
[3:49] Die Vielfalt der Konflikte
[3:48]schreiben unglaublich viele darüber. Wenn man das im Buchladen anschaut, Konflikte hatten mittlerweile ein eigenes Regal bekommen.
[3:55]Insoweit wollen zumindest viele darüber nicht nur schreiben, vermutlich wollen da viele auch drüber lesen und was darüber erfahren. Was sind denn, sage ich mal so, Eckpunkte oder Eckdaten der Kontexte, auf deren Basis dieses Buch beruht? Es riecht und klingt natürlich zunächst mal nach Organisation und nicht jetzt nach Familie. Was sind denn die Organisationen so von der Typik her, wo ihr Konfliktbearbeitung durchführt? Ist das breit gefächert, zugespitzt, dass wir uns so ein Bild machen können, in welchen Bereichen ihr jetzt Konfliktmanagement und Konfliktkultur bearbeitet? Im Grunde ist das tatsächlich, wie du sagst, sehr breit gefächert, weil, es ist jetzt redundant, aber wir haben alle Konflikte ständig und überall gibt es Konflikte, größere und kleinere. Das heißt, unser Arbeitsbereich oder unsere Zielgruppen vom kleinen, super innovativen Drei-Personen-Startup bis hin zu einem Großkonzern und alles dazwischen, Handwerksbetriebe, was weiß ich, es können im Grunde alle sein.
[5:01]Rein theoretisch, wenn man es jetzt wirklich überspitzt formuliert, und da sind wir nicht tätig in dem Bereich, könnte man es natürlich auch auf den Bereich Familie, Schule, Bildung, also man kann das natürlich ausrollen. Das ist jetzt kein wirtschaftseigenes Thema, sage ich mal. Und auch unser Ansatz ist das nicht. Und so wie wir unterwegs sind, vielleicht da der Unterschied, wir machen nicht nur einfach reine Konflikt-Trainings oder Workshops. Das ist ja oftmals eben der Ansatz, Okay, wir schicken unseren Mitarbeitenden ein, zwei Tage in irgendeinem Training, lernen doch die www.de-Methode als Feedback-Methode oder die Vierstrittil der gewaltfreien Kommunikation und dann soll es rund laufen. Macht man das heute noch? Durchaus, auf jeden Fall. Also bekomme ich immer wieder mit. Ich bin ja auch in Anstellung bei einem großen Mobilitätsunternehmen im Fern- und Nahverkehr tätig. Das Lächeln sehen wir euch im Podcast.
[5:53]Und dort ist ja der Fall, dass, also klassisch www.de-Methode ist so die Standard-Feedback-Methode, die dort vermittelt oder trainiert wird. Und dann war es das fast auch schon. Und wir sagen, okay, neben Schulungsmaßnahmen müssen wir auf jeden Fall erstmal auch in den Teams Routinen schaffen, aber auch die Organisation hat eine Verantwortung. Wenn ich auf diesen drei Ebenen von Individuum, Team und Organisation dort investiere und arbeite, dann kann ich wirklich auch eine gute Konfliktkultur etablieren. Und nur warten, bis es dann knallt, ist eben auch nicht die Option, sondern wir müssen eher auch Formate schaffen, um proaktiven Dialog überhaupt sicherzustellen. Ihr habt ja euer Buch auch schon im Titel deutlich gemacht, worum es euch geht. Es geht nicht nur um Konflikt, sondern um Kultur. Also packt damit sozusagen ein Thema an, das schwer greifbar ist, sehr voraussetzungsreich ist und nicht im Organigramm irgendwie erkennbar wird. Und wenn man mal jetzt, was weiß ich, gängige andere Methoden sagt, müssen wir halt über die Strategie reden oder müssen wir die Struktur verändern, die Ablauforganisation, damit eben bestimmte Leute sich nicht mehr ins Gehege kommen.
[7:02]Dann ist das ja offensichtlich etwas völlig anderes, als wo ihr anpackt, wenn es zu Konflikten kommt. Ihr geht direkt auf die Konfliktkultur. Was ist für euch da der Grundgedanke? Warum Kultur anpacken und nicht einfach die Leute auseinandersetzen?
[7:18]Das schließt ein bisschen tatsächlich an das an, was Henrik gerade gesagt hat. Also nur zu gucken, wir haben hier Konfliktbeauftragte oder ein MediaturInnenpool oder, oder, oder. Also wir greifen erst dann ein, wenn es wirklich einen sichtbaren Konflikt gibt. Den Konflikt gibt es ja wahrscheinlich schon lange vorher, bevor er überhaupt sichtbar wird. Und das ist nach unserer Meinung nicht sinnvoll. Kultur heißt für uns eine ganzheitliche Betrachtung, auch eine Art von Strategie, von Übereinkunft. Es hat auch viel mit Haltung zu tun, wie eine Organisation mit Konflikten umgeht.
[7:57]
Kultur und Haltung in Konflikten
[7:53]Das kann sogar bedeuten, dass es so einen Konfliktleitfaden gibt. Also wenn Konflikt, dann erst so versuchen, dann das. Und ganz zum Schluss gibt es vielleicht eine Mediation. Der muss nicht unbedingt verschriftlich sein. Also das ist unser Verständnis von Kultur, die Haltung, den Umgang mit Konflikten in einer Organisation ganzheitlich und auf allen Ebenen, so wie Henrik das gerade beschrieben hat. Also das kann dann durchaus in die Struktur der Organisation übergehen, was ihr als Kultur oder kultivierten Umgang mit Konflikten dann bewirkt habt. Das muss ein Teil der Struktur sein. Das ist nicht entweder oder und das gehört zusammen.
[8:34]Und wir brauchen auch feste Strukturen eben im Alltag, um überhaupt in den Austausch zu gehen. Also da feste Räume und Routinen überhaupt zu etablieren, damit es eben nicht nur dann am Ende die klassische Mediation dann wird. Bei beiden Begriffen fällt mir immer was auf und vielleicht können wir da gemeinsam nochmal reindenken. Bei Konflikten und bei Kultur, dass auf der einen Seite deutlich wird, wir brauchen eine Kultur.
[9:01]Als wenn wir sie noch nicht hätten, also eine Konfliktkultur. Auf der anderen Seite kann man immer meistens auch noch mithören und das kommt auch manchmal so bei euch im Buch auch mit raus, jeder hat eine Kultur, also keine Organisation kommt ohne Kultur aus. Wenn alle eine Kultur haben, ist ja das, wofür er dann eintritt, irgendwie abgrenzbar von den anderen Kulturen. Was sind die Kriterien, wo ihr sagen würdet, jetzt ist ausreichend gute Kultur da? Das definieren ja nicht wir, das definieren ja die Mitglieder der Organisation für sich. Und ja, wie du sagst, Sascha, jede Organisation hat eine Konfliktkultur, hat vielleicht auch eine Arbeitskultur. Also Kultur ist auch so ein bisschen ein sehr großer, offener Begriff. Und es kann auch sein, dass diese Kultur nicht irgendwie systematisch erarbeitet worden ist und dass sie trotzdem funktioniert. Wenn das so ist, herzlichen Glückwunsch. Dann sind wir ja die Letzten, die kommen und sagen, nee, also in unserem Buch steht es aber anders, mach das jetzt bitte so und so. Aber der Impuls muss ja von innen kommen.
[9:58]Was gehört jetzt dazu zu einer, also nicht nur zu einer Konfliktkultur, wir beschreiben es auch als effektive oder gute oder positive Konfliktkultur im Buch, dass wir Dinge frühzeitig ansprechen, ohne die Angst zu haben, dass ich dadurch eine negative Konsequenz erfahre. Also erstmal herrscht psychologische Sicherheit in einer positiven Konfliktkultur. Also ich bin in der Lage, ich traue mich, Dinge anzusprechen, ohne irgendwie ein Risiko zu tragen, dass ich vielleicht irgendwie implizit, explizit von meinem Vorgesetzten bewertet werde oder irgendwie sozial geächtet werde, im Extremfall von meinen Kolleginnen.
[10:36]Und dann aber auch eben, wir haben Räume und Routinen, wo wir Dinge frühzeitig entsprechend ansprechen können, sodass wir eben mit Konflikten, mit Spannungen, dass die wirklich als Treibstoff für die Organisation genutzt werden. Weil, wie du ja schon am Anfang gesagt hast, jede Organisation hat Konflikte und wir müssen mit denen eben ein Handling finden, gut die nutzbar zu machen. Die gute Nutzbarkeit und die Wirksamkeit sowohl der einzelnen Personen als auch für die Organisation, die haben ja unterschiedliche Ziele. Und das fand ich auch schön an eurem Buch, dass jetzt nicht nur die Person X mit Person Y einen Konflikt hat und im Sinne von ich kann die nicht riechen oder ich kann die nicht leiden, sondern es gibt eben auch Konflikte, da ist die Organisation involviert. Die hat Interesse, dafür bezahlt sie viel Lohn, dafür macht sie Riesenaufwand, dass sie ihre Interessen mithilfe der Mitarbeitenden irgendwie auch erfüllt sieht. Die sind ja auch unterschiedlich den Interessen der einzelnen Mitarbeitenden. Auch dort entstehen ja die Konflikte und Konflikte.
[11:42]Ich finde keinen Ausweg aus diesem Widerspruch, dass dort Angst okay ist, weil verständlich, also wie schafft ihr angstfreie Räume, wenn Konfliktkultur bedeutet, ein offener Austausch, am Ende kann es auch auseinander gehen oder man muss sogar zusammenbleiben, auch wenn man es nicht will. Also das heißt, Offenheit und Unsicherheit gehören zum Geschäft im Konfliktmanagement und damit auch Angst und Ängste. Also erstmal ganz wichtig, weil du das mit der Trennung auch gerade schon angesprochen hast.
[12:14]Konflikt, Klärung oder auch Lösung, das sind für uns zwei verschiedene Dinge, können wir gerne später nochmal erklären, bedeuten ja nicht unbedingt, dass sich danach alle in den Armen liegen und sich lieb haben und alle einer Meinung sind. Darum geht es nicht, sondern es geht darum, die unterschiedlichen Positionen, Perspektiven, Hintergründe sichtbar und verständlich zu machen. Und auf der Grundlage schaut man dann weiter.
[12:38]
Der Weg zur psychologischen Sicherheit
[12:39]Möglicherweise kommt es zu einer Trennung, möglicherweise passiert irgendwas ganz anderes. Vielleicht haben sich auch alle lieb danach. Darum geht es uns im Kern nicht. Und was diese psychologische Sicherheit angeht und den geschützten Raum, das funktioniert natürlich nicht, indem wir reingehen und sagen, so Freunde, jetzt haben wir hier einen Stuhlkreis und jetzt sagt mal jeder wirklich ganz ehrlich, wo der ihr geht. Angstschweiß. Ja, aber im Stuhlkreis, also kleiner Spoiler, im Stuhlkreis kommt man bei uns nicht rum. Das passiert ganz vorsichtig und es braucht Zeit. Und die Menschen müssen langsam Vertrauen zueinander, aber auch natürlich zu ihrem Team, zu ihrer Organisation aufbauen. Da kann man mit ganz kleinen, niederschwelligen, mit Hötchenübungen erstmal anfangen, auf allen Ebenen. Also auch hier haben wir dann ganz schnell wieder die Ebenen mit im Spiel.
[13:31]Man muss also erstmal wirklich die Erfahrung machen. Wie fühlt sich das an, wenn ich auf Augenhöhe ins Verstehen komme und eben dann einen Konflikt kläre oder ein Anliegen kläre? Und oftmals haben wir eben nicht die Erfahrung gemacht und dann ist es komplett, dass das gut ausgeht, weil wir eben nicht die optimalen Strategien bisher genutzt haben. Und dann ist natürlich die Angst im Raum. Und unsere Erfahrung zeigt, wenn Teams, wenn Menschen die Erfahrung machen und merken, ja, es kostet zwar Energie und es ist auch anstrengend und gleichzeitig hat es aber zu einer Entlastung und Entspannung gesorgt, dann ist auch die Bereitschaft da, sich weiter zu öffnen und auch öfters auch in den Konflikt zu gehen. Aber in vielen Organisationen herrschen oftmals eben auch Strukturen, wo ich eben nicht in der Lage bin, Dinge direkt offen anzusprechen, weil ich eben die Erfahrung vielleicht gemacht habe, eine negative Konsequenz zu erfahren. Und das ist dann plötzlich die Konsequenz, dass dann auch oftmals Angst im Raum ist. Und so wie Dana sagt, da braucht es auch Zeit. Also sofort da zu sagen, das ist jetzt ein sicherer Raum, das funktioniert eben nicht, sondern wir müssen schon dort arbeiten, Uns schrittweise vortasten und schauen, wie weit können wir gehen und auch abhängig von den Methoden da zu intervenieren, dass wir eben nicht explizit in einer Methode fragen, wie geht es dir jetzt damit, wie fühlst du dich, sondern eher so offen fragen, womit möchtest du gehört werden und wir überlassen das der Person selber in der Eigenverantwortung, was sie überhaupt beteilen möchte.
[15:00]Im Grunde ist das ganz ähnlich, wie auch wirklich dann bei der Konfliktklärung. Also Henrik und ich sind beide systemisch ausgebildet. Das heißt, wir gehen an die meisten Geschichten mit einer systemischen Haltung dran. Und unserer Überzeugung nach funktioniert es nicht, wenn wir oder irgendjemand kommt und sagt so, hier, bumm, ist jetzt euer sicherer Raum, tauscht euch aus. Sondern das Team, die Organisation, die müssen den sicheren Raum für sich gestalten. Und ob das dann in dem Format ist oder in dem, also das geben wir nicht vor. Und bei der Konfliktlösung und Klärung ist es eben genauso. Es ist was anderes, ob ein Mediator, eine Mediatorin mit den beiden Konfliktparteien hinter verschlossener Tür irgendeinen Plan aushackt und dann rauskommt und die Lösung wird präsentiert und der Rest vom Team denkt sich, what, das soll es jetzt sein?
[15:51]
Die Rolle der Mediatoren
[15:52]Unserer Meinung nach ist es nicht nachhaltig im Sinne von Dauerhaft, sondern auch Konfliktlösung kann nur dann wirklich dauerhaft gut funktionieren, wenn das ganze Team daran beteiligt wird. Das fand ich auch eine wichtige Botschaft, also aus eurem Buch, die mir persönlich auch sympathisch ist, wenn ich es so sagen darf. Und ich hoffe, dass das nicht gemacht wird, dass Mediatoren sagen, gib mir mal die beiden Konfliktparteien und lass mich mal kurz mit denen eine halbe Stunde oder eine Stunde oder einen Tag allein. Da kommen wir auch zu dem Punkt, und ich habe dieses Bild vor Augen, das du Hendrik gewählt hast, Oder ihr, dass eben so eine Maßnahme, ein Stuhlkreis oder einen runden Tisch oder so, die Organisation stellt ihn plötzlich so hin. Also zumindest ist es meine Erfahrung, dass Mitarbeiter…
[16:34]Voller Berechtigung, die Perspektive gewinnen dürfen, was ist denn jetzt los? Also was soll das jetzt? Ich habe das nicht gerufen. Manchmal rufen das ja sogar die Mitarbeiter und sagen, also ich will jetzt hier ein Klärungsgespräch haben. Da kommt für mich eher noch, und ich weiß nicht, wie ihr das erlebt, die Angst von Organisationen auf oder Organisationen Vertretern. Wenn das Problem, Konflikt hier nicht geklärt wird, verschwinden meine Mitarbeiter. Da kündigen die Besten. Die klassische Angst sozusagen, dass die Individuen Angst haben, letztlich den Arbeitsplatz zu verlieren. Also negative Konsequenzen heißt ja, am letzten Ende, und das steht halt immer im Raum, dass halt die Kündigung passieren kann oder eine versteckte und sonstige Kaltstellmethode. Aber es ist ja viel eher, und deshalb machen ja Organisationen solche Methoden, auch wie ihr oder auch Mediationen, weil sie Angst haben, dass die Konflikte dazu führen, dass die Mitarbeiter verschwinden. Oder ich weiß nicht, wie ihr das erlebt, dass die schon eine Berechtigung haben zu sagen, was ist denn das jetzt hier? Was haben sie sich jetzt wieder einfallen lassen? Du meinst, dass sie skeptisch gegenüber uns oder Kolleginnen und Kollegen sind, wenn wir da ankommen mit unserem Schulkreis. Genau, skeptisch und da ist Angst. Und da muss man erst mal damit arbeiten. Da hilft die beste Methode nicht, will ich sagen, sondern das ist der Ausgangspunkt.
[17:50]Grundprinzip ist wirklich Freiwilligkeit in unserer Arbeit. Also wir zwingen keinen in den Stuhlkreis und auch wenn es jetzt wirklich ein großer Konflikt im Raum steht, versuchen wir bestmöglich auch mit jeder einzelnen Person ein Vorgespräch zu führen, damit wir einmal deren Sicht der Dinge verstehen, dass sie aber auch dieses Gespräch nutzen können, um selbst ihre eigene persönliche Sichtweise zu diesem Thema zum Anliegen versuchen zu verstehen und die emotionale Bedeutung, arbeiten wir auch gemeinsam raus. Und damit sind sie oftmals eben auch schon vorbereitet, eben in den großen Stuhlkreis dann zu gehen. Das wirkt aber auch, haben wir die Erfahrung gemacht, wie heute Stuhlkreis, kennen wir ja gar nicht. In manchen Organisationen kennen die das nicht und assoziieren dann eher den Morgenkreis aus dem Kindergarten damit. Unsere Erfahrung zeigt aber dennoch, es ist sehr, sehr wertvoll, in dieser Form auch dann zu arbeiten.
[18:43]Weil wir eben diese Schutzschilder aller Notebooks oder die lange Tafel, die irgendwie diese wirkliche Distanz auch dann kreiert, damit auflösen. Und jeder kann wirklich gesehen werden und sich auch in dieser Kreisstruktur auch mitteilen. Also die Idee kann ich total nachvollziehen und habe auch schon Tische abgeschraubt, die festgeschraubt waren, die müssen dann zur Seite. Ich will aber sagen, es gibt einfach diese Angst vor solchen Methoden.
[19:11]
Umgang mit Widerstand
[19:08]Und da hat man es schon gut, wenn die wenigstens im Kindergarten das mal gemacht haben. Die meisten oder viele, mit denen ich arbeite, die haben nur Fantasievorstellungen von anonymen Alkoholikern, von Therapiegruppen, von Männerrunden und alles mit Abwehr belegt. Also sprich, keine eigenen Erfahrungen.
[19:28]Wir hatten auch schon, dass eben Mitarbeitenden das im Vorfeld boykottiert haben und gesagt haben, ich komme nicht, ich will nicht. Das war ein riesengroßes Thema, was alle auf unterschiedlichen Ebenen beschäftigt hat. Und am Ende haben wir gesagt, okay, wir laden ein. Der, der kommen möchte, die, die kommen möchte, ist herzlich eingeladen. Wir möchten euch einen Raum zur Verfügung stellen, einen geschützten Raum, wo Austausch stattfinden kann in einer moderierten Form. Und am Ende des Tages sind dann doch alle gekommen. und die, die am größten das boykottiert haben und die größten Sorgen haben, haben am Ende gesagt, hey, das war so wertvoll, darüber mal gesandt im Team zu sprechen. Und da hat man wirklich gemerkt, dass da eine richtige Ruhe reingekommen ist ins System. Das ist eine gute Erfahrung. Wie handhabt ihr das? Also ihr werdet ja von der Organisation beauftragt und gerufen oder vielleicht auch öfter von den Beteiligten von Einzelnen und sagen, wir brauchen euch und ich frage jetzt meinen Chef, ob der das bezahlt oder so. Ich weiß nicht, wie das kommt, aber wenn die Organisation euch ruft und sagt, wir müssen hier was tun, wir wissen