#26 EdM – Beratungs- und Mediationsverständnis

Was tun wir und woran arbeiten wir, wenn wir keine Ratschläge und Lösungsansätze bringen?

Episoden der Mediation.

Der Podcast zu den praktischen Fragen zur Mediation und des Konfliktmanagements.

Das ist Folge 26 – Beratungs- und Mediationsverständnis in der Prozessberatung

Was tun wir und woran arbeiten wir, wenn wir keine Ratschläge und Lösungsansätze bringen?

Kapitel

0:30 Einführung in Mediation und Konfliktcoaching

3:46 Die Rolle des Beraters im Konflikt

7:37 Überblick und Klarheit im Beratungsprozess

9:13 Metaphern aus der Kindheit

11:24 Fazit und Ausblick auf die Zukunft

Zusammenfassung

In dieser Episode widmen wir uns dem grundlegenden Verständnis von Beratung im Kontext der Mediation und des Konfliktcoachings. Anhand einer Metapher des dunklen Waldes untersuche ich, wie sich Klienten in schwierigen Situationen fühlen, wenn sie nicht wissen, wie sie vorankommen sollen. Zudem wird erörtert, was unsere Rolle als Mediatoren und Coaches in diesen Momenten beinhaltet. Wir vermeiden es, Lösungen vorzugeben, und bringen die Klienten stattdessen dazu, ihre eigene Situation zu reflektieren und zu analysieren.

Ich betone, dass es eine entscheidende Aufgabe ist, dem Klienten einen Überblick über seine Situation zu ermöglichen. Oft befinden sie sich an einer metaphorischen Kreuzung, umgeben von Bäumen, die den Blick auf mögliche Wege versperren. Meine Aufgabe besteht darin, ihm zu helfen, seine Position im „Wald“ zu bestimmen und darüber nachzudenken, woher er kommt und wohin er möchte. Dabei ist es entscheidend zu erkennen, dass wir nicht die Lösungen für ihre Probleme haben, sondern dass der Klient selbst der Experte seiner eigenen Situation ist. Es gilt, ihm zu helfen, um den Wald herum zu sehen und die verschiedenen Möglichkeiten zu identifizieren, die ihm zur Verfügung stehen.

In dieser Episode gehe ich auch auf den emotionalen Aspekt ein und erläutere, wie Gefühle zwar eine Rolle spielen, jedoch nicht das Kernstück unserer Beratungsarbeit darstellen. Unser Ziel ist es, den Klienten nicht nur zu sich selbst oder seinen inneren Konflikten zu führen, sondern ihm zu helfen, Klarheit über die gegenwärtige Situation zu erlangen. Der Weg nach oben, symbolisiert durch das Erklimmen eines Aussichtsturmes im Wald, ermöglicht es dem Klienten, die Dinge aus einer neuen Perspektive zu betrachten, Vergangenes zu reflektieren und Zukünftiges wohlbegründet zu planen.

Ein wichtiges Element unserer Arbeit ist es, genügend Zeit zu investieren, um diese Perspektivwechsel und Rückblicke zuzulassen. Oft sind die Klienten zunächst frustriert, weil sie denken, dass sie keinen Fortschritt erzielen. Dennoch wird deutlich, dass das Verständnis ihrer Situation und die Erkundung möglicher Wege bereits einen wertvollen Schritt darstellen. Abschließend ziehe ich Parallelen zu meiner eigenen Kindheit im Erzgebirge, wo die Landschaft und diese Metaphern für mich eine tiefere Bedeutung haben. Ich betone, dass wir in unserer Beratungsarbeit nicht vor unseren Klienten stehen oder hinter ihnen zurückbleiben müssen, sondern dass wir uns gemeinsam auf den Weg machen können, um in herausfordernden Situationen Fortschritte zu erzielen und das nächste Ziel zu definieren.

Transkription

[0:24]Das ist Folge 26.
[0:30]
Einführung in Mediation und Konfliktcoaching
[0:30]Beratungsverständnis für Mediation und Konfliktcoaching im dunklen Wald nicht weiterwissen.
[0:36]Diese Folge möchte ich nutzen, nicht anhand eines einzigen Falles das Thema des Beratungsverständnisses aufzubereiten, sondern etwas Grundlegendes zum Beratungsverständnis zu sagen, weil das nicht nur in der Mediation bei der Auftragsklärung eine Rolle spielt, sondern auch in Ausbildungskontexten immer wieder Klarheit benötigt beziehungsweise auch Fragen aufwirft. Ja, was machen wir denn eigentlich als Mediatoren und als Coaches? Und zu diesem Thema ließe sich eine ganze Menge sagen. Und da wurde auch schon wahnsinnig viel geschrieben. Daher möchte ich hier in dieser Episode ein ganz eigenes Bild entwerfen, das mir hilft, meine Arbeit und meine Aufgabe und auch mein Rollenverständnis zu verdeutlichen. Und das hat was mit dem dunklen Wald zu tun. So viel zur Vorrede. So wie Mediatoren, zumindest in hiesigen Gefilden, darauf achten, keine Lösung vorzugeben, sind Business-Coaches und Supervisoren darauf bedacht, keine Ratschläge zu erteilen. Ob schon genau das Ihr erster gemeinsamer, wenn auch möglicherweise der einzige Ratschlag ist, den Sie geben, sich auf ein solches Verfahren einzulassen. Aber was soll das bringen? Für Ausbildungskandidaten und Beginner liegt genau hier eine erste Bewährungsprobe. Sich den Sinn und den Nutzen einer solchen Vorgehensweise zu erschließen. Denn intuitiv ist das keineswegs.
[2:05]Intuitiv gehen wir von einer Fachberatung aus. Der Experte als Berater weiß von seiner Fachdisziplin mehr als der Zuberatende, der das Problem hat. Und deshalb ist Bruderrat teuer.
[2:20]Während für Prozess beratet die heilige Kuh ist, dass der Problemträger, die problemtragende Person, der Experte seines Problems ist und auch bleiben soll und deshalb bei ihm auch die Lösung liegt. Und da mag sich der eine oder andere schon fragen, was tue ich da als Coach, als Mediator, wenn doch die Lösung ohnehin schon bei dem anderen liegt, meinem Klienten, meinem Medianten. Und diese Frage möchte ich mit meinem ganz persönlichen inneren Bild hier beantworten. Mein inneres Bild entspricht einer Person, die im dichten dunklen Wald steht und nicht weiter weiß. Möglicherweise an einer Kreuzung mit vielen Abzweigungen, aber nicht wissen, was ist die richtige.
[3:08]Keine Sorge, das ist auch keine biografische Kindheitserfahrung aus dem Erzgebirge, wo ich herstamme. Jedenfalls nicht im engeren Sinne. In meiner Kindheit war der Regen sauer und der Wald, soweit überhaupt vorhanden war, sehr licht. Nein, es geht hier schon um den dunklen Wald. Und dennoch habe ich natürlich erzgebirgische Hügel vor dem inneren Auge. Da komme ich vielleicht später nochmal dazu. Da ist also jemand oder mehrere in einem Konflikt, die im dichten Wald nicht weiter wissen, sich im Kreise drehen, allseits umschauen und nur Wald entdecken. Bäume, die keinen Weg preisgeben.
[3:46]
Die Rolle des Beraters im Konflikt
[3:46]Zuweilen droht Panik. Das Bedürfnis, sich hinzukauern, Platz zu nehmen, ist groß, aber es muss ja irgendwie weitergehen. Aber wohin?
[3:55]Was ist also meine Aufgabe als hinzugezogener Berater oder auch Mediator?
[4:02]Jedenfalls nicht, ihm den Weg zu weisen. Ich weiß ja gar nicht, wohin er will und woher er kommt. Nein, meine Aufgabe ist es, ihm einen Überblick zu ermöglichen, eine Standortbestimmung, die es ihm erlaubt, seinen Weg in die richtige Richtung fortzusetzen. Und das ist nicht nur eine Frage des Waldes, wo er sich befindet, sondern das hat auch was mit ihm zu tun, woher er kommt und wohin er will. Als Berater sehe ich nur die Momentaufnahme, dass er in dieser Situation, in diesem Wald, in dieser Verfassung nicht weiter weiß. Aber ob das ein 100 Meter Lauf ist oder ein Marathon oder ein Ultramarathon, ich weiß es nicht. Und deshalb kann ich nicht sagen, wo er sich befindet und wie weit es noch zum Ziel ist, beziehungsweise wo sich das befindet. Doch wie das auch im Erzgebirge so ist, diese Personen fragen schon, wo bin ich hier gelandet? Wo geht es weiter? Und das bedarf eines ausführlicheren Gesprächs, zu dem ich als Berater und Mediator gerne bereit bin. Ich übernehme also gerne den Auftrag, dieser Person eine Vogelperspektive zu ermöglichen und zu erkennen, wo kommt er her?
[5:17]Wo befindet er sich konkret und wohin mögen seine Wege ihn führen? Und sich für einen dieser Wege dann zu entscheiden. Und dann können wir uns auch verabschieden. Und das ist auch in der Mediation so, dass ich diesen Personen als ein Konfliktsystem ermögliche, die Fugelperspektive einzunehmen und von dort aus zu erkennen, wie haben wir uns dahin bewegt, wie haben wir uns hinein manövriert und wie kommen wir hier wieder raus. Und sei es auch auf unterschiedlichen Wegen. Dieses Bild hat Konsequenzen. Ich verstehe meine Arbeit nicht darin, ihn zu führen, ihn aus dem Wald zu führen oder dergleichen mehr, sondern die Basis einer Fortführung zu schaffen, also im besten Sinne eine Standortbestimmung zu ermöglichen. Meine Arbeit besteht nur zu einem kleinen Teil darin, ihn zu sich selbst zu führen, zu seinen Gefühlen, zu seinem Innenleben etc. Das ist für mich nur insoweit von Belang, als dass diese Phänomene im Weg stehen können, diese Standortbestimmung gut und umfassend vorzunehmen. Wer gerade verängstigt, sich an den nächstbesten Baum kauert, der ist kaum in der Lage, den höchsten Baum zu erklimmen, um von dort aus sich Klarheit über seinen Standort zu verschaffen. Ist logisch.
[6:39]Seine Gefühle und sein Innenleben können aber ein starker Motivator sein, eben diesen Baum oder die nächste Lichtung zu erreichen, um von dort aus weiter sehen zu können. Also Gefühle spielen schon eine Rolle, aber nicht die einer Schlüsselfunktion, wie vielleicht in einer Therapie.
[6:57]Also, meine Arbeit besteht nicht darin, metaphorisch ihn von seinem Ort fortzuführen oder generell zu führen, sondern ihm einen Überblick zu gewähren, ihn zur Übersicht zu befähigen, damit er mit Weitblick und Klarheit sieht, wie seine Situation zustande kam und wie sie momentan beschaffen ist und was es braucht, um sie zu ändern. Diese Arbeit ist manchmal mühsam. Manchmal sind nur Bäume vorhanden, die hochgeklettert werden wollen. Manchmal ist da auch ein Aussichtsturm oder eine Plattform in der Nähe und steht
[7:37]
Überblick und Klarheit im Beratungsprozess
[7:34]zur Verfügung, die genutzt werden könnte, um Aussicht zu gewinnen. Aber sie möchte auch erklommen werden. Und ein wichtiger Teil der Arbeit besteht darin, sich da oben umzuschauen, in aller Ruhe und nicht gleich den erstbesten Weg auszuwählen, hinabzusteigen und weiterzugehen, sondern, wenn man schon einmal die Mühsal aufgebracht hat, sich richtig umzuschauen, einen Ort zu erklimmen, von dem eine solche Umschau mit Weitblick auch möglich ist, und die Dinge in 360 Grad zu erkunden, wo man Vergangenes reflektieren kann und Zukünftiges in radikaler Offenheit wohlbedacht auswählen kann.
[8:13]Dann muss man sich dafür Zeit nehmen. Und dann steigen wir auch gemeinsam wieder hinab zu der Stelle, wo wir uns begegnet waren. Und nicht selten kommt dann auch eine Bemerkung, völlig zu Recht in der Metapher, jetzt bin ich auch noch keinen Schritt weiter. Und ja, das stimmt. Gleichwohl ist es ein wohliges, beruhigendes Gefühl zu wissen, dass vor einem kein Abgrund ist, oder wenn da einer war, dieser umgangen werden kann und die inneren Abgründe ohnehin gut erkundet wurden auf dem Weg nach oben.
[8:49]Und zum Abschluss dieser kleinen Episode zum Beratungsverständnis, das ich anhand einer Metapher versuche zu verdeutlichen, komme ich doch nochmal auf das Erzgebirge zurück. Denn in der Vorbereitung wurde mir klar, dass mein inneres Bild mit dem Wald und dem Aussichtsturm und der Möglichkeit, Überblick zu gewinnen,
[9:13]
Metaphern aus der Kindheit
[9:11]eng mit dem Erzgebirge verbunden ist. Denn in meiner Kindheit gab es diesen Berg, der sogenannte Galgenberg, über den man sich die schrecklichen Geschichten erzählt hat, die man sich in einer Kleinstadt vom Mittelalter erzählt und der für mich eine gute Abkürzung war, von dem einen Ort zum anderen zu kommen, wenn ich zum Sport gegangen bin oder dergleichen, aber den ich nie gehen wollte und schon gar nicht, wenn es dunkel war im Winter. Und dieser Berg samt seiner Bäume und der Aussichtsplattform auf der Spitze, die nochmal erklommen werden konnte, aber nicht durfte.
[9:48]Bot eine sehr gute Übersicht, Umsicht und Aussicht auf das umliegende Erzgebirge. Man konnte weit schauen und doch sehen, dass man auf dem Galgenberg war und wenn man wieder zurück wollte, durch den Wald musste.
[10:08]Diese Metapher hilft mir und möglicherweise auch dir und lass mich das wissen, ob es der Fall ist, was wir für eine Aufgabe haben und wie wir unsere Beziehung zu unseren Klienten organisieren können auf einer sehr basalen, narrativen Ebene. Nämlich, dass wir nicht den Klienten führen. Wir müssen keinen Schritt voraus sein und auch nicht hinterherhängen. Wir begegnen uns in einer möglichen Notlage, in einer schwierigen Situation, in der der Klient oder das Klientensystem in einem Konflikt nicht weiter weiß. Prinzipiell schon weitergehen könnte, aber die Befürchtung hat, der Schlamassel wird nur immer tiefer. Und hier ist es wichtig, einen Überblick zu bekommen, einen Rückblick zu ermöglichen, einen Ausblick zu gewähren und auch einen momentanen Durchblick wieder zu gewinnen, um damit dann den nächsten Schritt zu planen und den Weg voranzugehen. Und das ist was wert. Und wohl dem, der in einer solchen Situation sich befindet, eine Person findet, die das ermöglicht.
[11:24]
Fazit und Ausblick auf die Zukunft
[11:25]Und andererseits ist das eine sinn- und freudvolle Arbeit, wie ich mir kaum eine andere vorstellen kann.
[11:33] Musik