INKOVEMA-Podcast „Gut durch die Zeit“

#205 GddZ

Konflikte innerhalb von Betriebsratsgremien

Konfliktakteur Betriebsrat. Teil 1

Im Gespräch mit RAin Antje Burmester

Antje Burmester, Rechtsanwältin, Fachanwältin für Arbeitsrecht, Mediatorin (Viadrina Frankfurt); Expertin für kollektiv-arbeitsrechtliche Konflikte.

Kleine Reihe: Betriebsrat als Konfliktakteur

  • Konflikte innerhalb von Betriebsratsgremien

  • Konflikte zwischen Betriebsratsgremien

  • Konflikte mit Betriebsratsgremien

Gut durch die Zeit.

Der Podcast rund um Mediation, Konflikt-Coaching und Organisationsberatung.

Inhalt

Kapitel:

0:12 – Einführung in Konflikte am Arbeitsplatz
4:48 – Die Rolle der Betriebsräte
11:21 – Herausforderungen von Betriebsratsarbeit
18:12 – Konflikte innerhalb der Gremien
24:33 – Geschlechterverteilung im Betriebsrat
29:08 – Der Einfluss der Jugend im Betriebsrat
35:41 – Digitale Herausforderungen im Gremium
41:04 – Freigestellte Betriebsräte und ihre Dynamik
48:49 – Persönliche Konflikte und ihre Intensität
58:04 – Fazit und Ausblick auf zukünftige Themen

Inhaltliche Zusammenfassung

In dieser Episode des Podcasts „Gut durch die Zeit“ widme ich mich dem Thema der Mediation und Konflikten am Arbeitsplatz, insbesondere im Kontext von Betriebsräten. Ich habe die Arbeitsrechtsexpertin und Mediatorin Antje Burmester eingeladen, um mit mir über die Rolle und die Herausforderungen von Betriebsratspersonen bei der Konfliktbearbeitung zu sprechen. Wir starten eine Reihe von Gesprächen, in denen wir die verschiedenen Konfliktlinien untersuchen, die innerhalb der Betriebsratsgremien und zwischen diesen und der Unternehmensführung entstehen.

Wir beleuchten, wie gesetzliche Rahmenbedingungen, unterschiedliche Interessen und Dynamiken innerhalb von Gremien Konflikte beeinflussen können. Antje erzählt von ihrer langjährigen Erfahrung in der Zusammenarbeit mit Betriebsräten und zeigt auf, wie verschiedene Herangehensweisen an Konflikte nicht nur die Lösung, sondern auch die Beziehung zwischen den Betriebsräten und der Geschäftsführung prägen. Ein zentrales Thema sind die internen Konflikte innerhalb der Gremien, die entstehen, wenn gewählte Betriebsräte unterschiedliche Ansichten und Interessen vertreten und wie diese oft unter dem Deckmantel von Harmonie ausgetragen werden.

Antje berichtet von den Herausforderungen, die sich ergeben, wenn Betriebsräte in ihren Gremien eine heterogene Zusammensetzung aufweisen und wie unterschiedliche Hintergründe, aber auch persönliche Animositäten zu Konflikten führen. Wir diskutieren, dass die Mediation in solchen Fällen nicht nur auf die Suche nach Lösungen gerichtet sein sollte, sondern auch das Verständnis für die individuellen Perspektiven und Erfahrungen der Gremienmitglieder fördern muss. Dabei erforschen wir auch die unterschiedlichen Rollen von Freigestellten und ehrenamtlichen Betriebsräten und wie sich dies auf ihre Konfliktkultur auswirkt.

Ein weiterer Schwerpunkt ist die Bedeutung der Kommunikation innerhalb der Gremien und zwischen den Betriebsräten und der Unternehmensleitung. Wir sind uns einig, dass das Verständnis der rechtlichen Rahmenbedingungen und der Möglichkeiten, die ihnen zur Verfügung stehen, entscheidend ist, um Konflikte effektiv zu bearbeiten. Antje teilt ihre Erkenntnisse darüber, wie eine langsame und respektvolle Vorgehensweise notwendig ist, um Vertrauen aufzubauen und echte Dialoge zu fördern.

Unser Gespräch schließt mit einem Ausblick auf die nächste Episode, in der wir uns vertieft mit den Konflikten zwischen Betriebsratsgremien innerhalb eines Unternehmens befassen werden. Dieser Themenbereich stellt ebenso eine wichtige Herausforderung dar, da verschiedene Gremien möglicherweise unterschiedliche Ansätze vertreten, die zu weiteren Spannungen innerhalb der Organisation führen können.

Vollständige Transkription

[0:00]Und der persönliche Konflikt, das persönliche Reiben, das persönliche Beinstellen oder so, da gibt es ja mannigfache Möglichkeiten im betrieblichen Alltag,
[0:12]
Einführung in Konflikte am Arbeitsplatz
[0:11]steht absolut im Vordergrund. Und das, denke ich, auch etwas unterschiedlicher Herangehensweisen.
[0:18]Herzlich willkommen zum Podcast Gut durch die Zeit, der Podcast rund um Mediation, Konfliktcoaching und Organisationsberatung, ein Podcast von INKOVEMA. Ich bin Sascha Weigel und begrüße dich zu einer neuen Folge. Heute geht es um Mediation oder im Kern um Konflikte am Arbeitsplatz. Und zwar wollen wir heute speziell Betriebe in den Blick nehmen, in denen Betriebsräte existieren und agieren. Und genau dort den Betriebsrat als Konfliktfeld und Konfliktakteur in einer kleinen Reihe beginnend unter die Lupe nehmen. Heute mit dem Schwerpunkt Konflikte in Betriebsratsgremien, wenn also dort gewählte Betriebsräte miteinander zu tun bekommen, etwas auf die Beine stellen wollen, Mitbestimmung beleben wollen und sich dann natürlich auch in Konflikte miteinander und untereinander begeben. Und um dieses Thema und damit auch diese kleine Reihe kompetent begleitend hier im Podcaststudio zu beginnen, habe ich mir eine Expertin für Arbeitsrecht und Mediation eingeladen. Ich begrüße hier Frau Antje Burmeester. Hallo Antje. Hallo Sascha.
[1:39]Ich habe schon ein bisschen so angedeutet, wir wollen das eine kleine Reihe aufbauen, weil wir mit Betriebsräten ja ganz unterschiedliche Konfliktbearbeitungserfahrungen machen können. Einmal innerhalb von Gremien zwischen den einzelnen Betriebsratspersonen, dann natürlich auch zwischen Gremien. In größeren Firmeneinheiten sind mehrere Gremien an unterschiedlichen Standorten mit unterschiedlichen Aufgaben betraut, die auch in Konflikte geraten können untereinander oder unterschiedliche Interessen haben. Stichwort Standortbetriebsräte, Gesamtbetriebsräte, Konzernbetriebsräte, gucken wir uns alles im Einzelnen an. Und natürlich die Konfliktlinie, die man am ehesten im Blick hat, Betriebsrat und Geschäftsführung, Betriebsrat und HR, aber auch Betriebsrat und Schwerbehindertenvertretung zum Beispiel oder andere Stakeholder noch in Unternehmen. Bevor wir das im Einzelnen heute starten und dann fortführen, zunächst zu dir, Fachanwältin für Arbeitsrecht. Mediatorin, aber wahrscheinlich auch noch vieles drumherum. Antje, was verbindet dich mit dem Thema und was macht dich aus als Anwältin und Mediatorin?
[2:56]Ich denke, als Anwältin macht mich aus, dass ich das Arbeitsrecht seit vielen Jahren aus sehr unterschiedlichen Perspektiven beleuchte, was sich darin zeigt, dass ich keine, wie so oft anzutreffend, Arbeitgeber oder Arbeitnehmer oder Betriebsratsrechtsanwältin bin, sondern ich bin eine für alle. Das ist für mich sehr reizvoll, alle verschiedenen Perspektiven auch in der Interessenvertretung zu betreuen. Im Laufe der Jahre lernt man sehr, sehr viel über die unterschiedliche Art und Weise des Umgangs mit Konflikten, über die unterschiedliche Art und Weise zu kommunizieren in Konflikten. Und da ist es für mich eine sehr schöne Gelegenheit, das Anwaltliche, das fachspezifisch Arbeitsrechtliche und das Mediative miteinander zu verbinden. Das sind schon mal ganz viele Aspekte. Und wie gelingt es dir, dass du sowohl von Arbeitgeberseite ansprechbar und interessant bist als Konfliktberaterin, Anwältin oder Mediatorin, als auch für Betriebsräte? Denn es ist relativ schnell und verbreitet, dass man doch für eine Seite erscheint und dass man für die andere Seite dann wie verbrannt ist. Auch wenn man das gar nicht will, aber passiert das doch recht schnell. Wie gelingt dir das?
[4:18]Wir leben ja alle als Anwältinnen beziehungsweise als Mediatorinnen von Empfehlungen. Ich denke, dass im Laufe der Jahre ein gewisses Vertrauen in meine Person entstanden ist, zu sagen, okay, das ist jemand, der nicht in einem Lager verharrt, sondern das ist jemand, der gut das andere Lager auch wahrnimmt.
[4:48]
Die Rolle der Betriebsräte
[4:42]Denn es geht ja immer erst mal um Wahrnehmung, um Zuhören, um möglicherweise auch Übersetzen. Es sind ja teilweise unterschiedliche Sprachebenen, in denen die Kontrahenten, sage ich jetzt mal, unterwegs sind. Und ich denke, da läuft viel über Empfehlung und da man mich dann vielleicht mal in einer spezifischen Situation erlebt hat selbst oder man sich erkundigt und sagt, wer ist das eigentlich, wie macht die das? Und dass dann gesagt wird, ja, das war in Ordnung, da haben wir uns gesehen, da haben wir uns gehört gefühlt. Und führt das auch dazu, dass du Anfragen dann ablehnen musst, weil du den Eindruck hast, es lagert dich zu sehr auf die eine Seite ein, wo du Gefahr läufst, sozusagen ja doch ein Ruf oder ein Image.
[5:28]Dass du zunächst mal zuhörst. Also man muss irgendwie damit rechnen, dass du auch die Stimme der Gegenseite, die nicht im Raum ist, vielleicht bei einer Einzelberatung dann mit übernimmst und sagst, zu bedenken ist schon auch das. Also die Freiheit nehme ich mir durchaus. Ich halte das auch für sehr, sehr wichtig. Abseits von allen weiteren eigenen Interessen, nach dem Motto sehr interessante Fragestellung, sehr interessantes Umfeld, vielleicht auch finanziell interessant, dann auch zu entscheiden, bin ich dort die Richtige oder bin ich es gerade nicht, weil ich in einer bestimmten Diskussion nicht genügend neutral sein kann. Das kann durchaus vorkommen und ich versuche da auch tatsächlich sehr klar erst mal mit mir umzugehen und dann genauso klar aber auch mit dem Anfragenden umzugehen und sagen, gleich bin ich in diesem Fall tatsächlich nicht die Richtige. Versuche natürlich dann auch Alternativen aufzumachen, wie wir das alle tun, wenn wir Anfragen bekommen. Und vielleicht noch so eine letzte Frage, bevor wir dann zur Sache kommen auch. Du bist ausgewiesen als Rechtsanwältin und als Mediatorin. Welchen Stellenwert hat das bei den Anfragen, die dich erreichen, von Begründungen?
[6:54]Betriebsräte- und Arbeitgeberseite, dass du sowohl als auch bist. Also wirst du sozusagen als Mediatoren angefragt und damit dann eben für arbeitsrechtliche Beratung sozusagen dann verbrannt, wenn das einmal in die Richtung geht oder umgedreht, dass man sagt, Mensch, wir brauchen eigentlich eine Anwältin, finden es aber toll, dass sie auch irgendwie wohlwollend reden können. Ja, wobei ich würde es nicht aufs Wohlwollend reden, wenn wir das reduzieren wollen. Aber das ist tatsächlich ganz, ganz, ganz überwiegend der Weg. Also in Fragestellung, wir brauchen eine Beraterin für das Arbeitsrecht im Betriebsverfassungsrecht und das sind dann meistens wirklich auch Anfragen auf Betriebsratseite. Uns ist aber möglicherweise als Betriebsrat schon sehr gelegen oder aber die Arbeitgeberseite, die dahinter steht, die spielt ja hier eine wichtige Rolle, weil sie auch meine Kosten dann tragen muss, sagt, ja, das spielt dann schon eine Rolle, ob jemand einen Mediationskontext, einen Mediationsbackground hat und das ist durchaus von Vorteil. Aber es ist mitnichten so, dass der Weg umgekehrt so häufig beschritten wird. Das kann ich nicht sagen. Also dass man sagt, okay, wir kommen auf sie zu von ihrer Mediationskompetenz hier und nehmen die arbeitsrechtliche Kompetenz gerne mit. Nein, andersrum.
[8:07]Ja, bei dir konnte ich mir das auch gut vorstellen, weil du ja auch sozusagen wirklich auch ausgeflaggt bist als Anwältin und Fachanwältin. Ich für meinen Teil nehme ich da ja in der Darstellung sehr zurück. Also bei mir muss man schon genauer hingucken, dass man noch den Anwalt erkennt, weil ich eben Rechtsberatung im engeren Sinne tatsächlich vermeide und schon gar keine Prozessführung, sondern mich da ausschließlich als Mediator präsentiere. Daher kommen bei mir die Anfragen schon eher natürlich auf der Mediationsseite und da habe ich natürlich auch so ein bisschen zu gucken, dass die immer von beiden Seiten auch kommen oder zumindest attraktiv sind für beide Seiten. Ich habe zum Beispiel eben gar keine Anfrage für anwaltliche Betreuung, sondern das wird eher so, wie du es auch beschrieben hast.
[8:54]Als Zusatz mitgenommen, okay, die rechtliche Seite ist nicht ganz blind, sondern das ist schon nochmal sinnvoll, weil, und das macht glaube ich schon auch einen Punkt aus bei der Betriebsräte und Arbeitgeberseiteberatung, dass man rechtlich zumindest Erfahrung mitbringt, wenn nicht darin geschult, studiert und fertig ausgebildet ist. Dann wären wir schon so ein bisschen bei dem Punkt, was das Besondere ausmacht dieses Arbeitsfeldes. Ich glaube, er unterscheidet sich doch gehörig von klassischen Konflikten im Arbeitsleben, wo dann Mediation angefragt ist, wenn da zwei Kollegen oder zwei Teams miteinander im Streit sind. Aber sobald ein Betriebsrat mit dazukommt und damit auch Betriebsratspersonen, kriegt das nochmal eine andere Tonlage und eine andere Komplexität mit.
[9:45]Bevor wir uns sozusagen für das Hauptthema Konflikte im Betriebsratsgremium warm machen, vielleicht vorher so, was macht für dich das Besondere aus an Betriebsräten, Betriebsräten, sodass sie eine zu beachtende Größe in Konflikten sind und auch wie du herangehst. Sind Betriebsräte da was Besonderes oder einfach Personen wie andere Rollenträger auch?
[10:10]Ich habe auch über den Laufe der Jahre immer mehr Respekt gewonnen vor der Arbeit der Betriebsräte. Denn im Vordergrund steht für mich immer noch die Grundidee des Betriebsverfassungsrechts, dass Betriebsratsarbeit ein Ehrenamt ist. Und wir sehen ja auch im gesamtgesellschaftlichen Zusammenhang, wie wichtig Ehrenämter sind. Und insofern ist erstmal da die Wahrnehmung, der oder diejenige macht es in der Regel zusätzlich zu ihrem normalen Job und stellt sich sozusagen zur Verfügung.
[10:49]Zusätzliche Arbeit und zusätzliche Konflikte auch auf sich zu nehmen. Das nötigt mir immer noch großen Respekt ab, weil ich immer wieder sehe, wie vielfältige Aufgaben in der Betriebsratstätigkeit zusammenkommen und wie gerne dann auch mal Arbeitgeber soziale Aufgaben, die ja jetzt nicht so den ganz hohen Stellenwert haben,
[11:21]
Herausforderungen von Betriebsratsarbeit
[11:17]auf die Betriebsräte ausgelagert werden. Und das machen die dann eben mal so mit. Ja, da wird das Pensionärstreffen maßgeblich durch die Betriebsräte gestaltet. Oder die Weihnachtslotterie, das machen die Betriebsräte. Da stapeln sich dann, ich bin mal ins Büro gekommen, da konnte man kaum laufen, weil sich die Gewinne der Weihnachtstumme in dem Büro stapeln. Und sowas finde ich einfach unglaublich bemerkenswert. Und das macht auch was mit mir. Und insofern ist immer die Bereitschaft, da zu gucken, okay, erstmal hat sich der Mensch dafür zur Verfügung gestellt. Und das nötigt mir Respekt. Und dann ist der Mensch in eine bestimmte Konstellation gekommen, nämlich in ein, meistens sind sie ja nicht alleine, also in ein Betriebsratsgremium und haben sich da vermutlich auch manchmal unerwarteten Perspektiven, unerwarteten Anforderungen ausgesetzt. Das kann ich auch bestätigen, diese Anforderungen.
[12:05]Die soziale Funktion im Gefüge der Unternehmung wird doch stark auch von Betriebsratsseite ausgeführt und eben gar nicht von Arbeitgeberseite oder nicht so stark. Also Jubiläen, Geburtstage genau und auch Weihnachtsfeste sozusagen wirklich mit dem Ohr an der Basis oder auch eben die Basis verkörpernd. Du sagst, dass sie auch zusätzliche Konflikte auf sich nehmen, also nicht nur mit den Kollegen, die dann sehen, dass der Betriebsrat, der gewählte Betriebsrat dann eben von der Werkbank oder von der Produktion abgezogen ist und zur Betriebsratsarbeit geht, sondern auch Konflikte innerhalb der Gremien. Ich finde es immer bemerkenswert und mein Erfahrungshintergrund mit Betriebsräten sind vor allen Dingen Industriebetriebe, wo also Industriearbeiter sich in dieses Ehrenamt begeben haben und dort sozusagen Mitbestimmung beleben. Und das sind meist Leute, die sozusagen mal ganz bildhaft gesprochen nicht im Sitzen arbeiten gelernt haben, sondern wirklich an der Maschine stehend oder auf dem Box sitzend und da eine große Maschine fahrend, also wirklich Handwerk noch oder mit den Händen was schaffend und dann in ein Gremium kommen und eine Arbeit machen sollen, die hauptsächlich darin besteht, miteinander zu reden, Ideen zu wälzen, Zahlen anzuschauen und an einem Tisch zu sehen.
[13:30]Und dann auch irgendwas niederzuschreiben oder was zu präsentieren, was sie gar nicht in ihrer Ausbildung hatten. Das finde ich nach wie vor am erstaunlichsten, was das für den Einzelnen bedeutet, wenn er sagt, okay, ich lasse mich aufstellen. Und meistens ist es ja so, sich aufstellen lassen, weil man dazu gebeten wird, als dass man selber sagt, ich habe da Lust dazu und sonst nichts weiter zu tun.
[13:57]Ich denke, das ist wirklich erstmal diese sehr fremde Welt, die man betritt. Also es geht viel um Text erfassen, es geht viel um Meinungsbilden, es geht viel um, Um sprechen, also erstmal seine Meinung auch ausdrücken zu können, seiner Meinung dann Gehör zu verschaffen in einem Mehrpersonen-Gremium, festzustellen, dass andere vielleicht anderer Meinung sind, dann weiterzugehen, warum sind sie anderer Meinung, was veranlasst sie dazu, das ist schon wirklich eine Herausforderung.
[14:29]Ich habe sowohl mit produzierendem Gewerbe als auch mit Dienstleistern verschiedenster Art zu tun. Und es ist dann auch faszinierend festzustellen, dass diese Themen doch sich immer sehr ähneln, unabhängig von dem konkreten beruflichen Background. Also ich habe einiges in IT-Dienstleistern gemacht, die natürlich wiederum einen ganz anderen beruflichen Background haben. Aber trotzdem, da ist das Lesen und Kommunizieren natürlich kein Problem. Aber das Miteinander, das in den Dialog kommen, aus dem Dialog heraus dann auch etwas zu erarbeiten, ist dann auch wiederum eine besondere Herausforderung. Ja, das finde ich einen interessanten Punkt. Stimmt, dass da Meinungsbildung über Sozialkontakte läuft und nicht einfach ausgerechnet werden kann. Dann lass uns doch das mal anschauen, welche Konflikte in Gremien und damit zwischen den Gremien typischerweise aufkommen oder häufig anzutreffen sind. Wenn ich mir vorstelle, dass du häufig eher als Anwältin angefragt wirst vom Gremium, dann handelt es sich wahrscheinlich in dem Maße nicht so sehr um Konflikte zwischen Gremienmitgliedern, die du dann aber…
[15:45]Bei der Bearbeitung anderer Auftragsrichtungen mithändeln musst, oder? Wie erlebst du Konflikte in Gremien? Der erste Impetus, jemanden als anwältliche Beratung hinzuzuziehen, nicht der Konflikt innerhalb des Betriebsrates. Das ist, denke ich, fast durchgängig so. Es gibt Ausnahmekonstellationen, die dann bestimmte Phasen in der Gremienarbeit betreffen, zum Beispiel die Phase nach Neuwahl eines Gremiums. Dann kann schon mal klar auch die Bitte kommen zu Schulen. Das machen die Anwälte auch viel, Inhalte zu schulen, aber auch Abläufe zu schulen. Da kann man natürlich auch einiges unterbringen, was zur Gruppenbildung und zur Hilfestellung dort beiträgt. Aber der normale Erstkontakt ist aus einem bestimmten Anlass herausgegeben, der sich mit einem Konflikt doch meistens mit der Arbeitgeberseite, sage ich jetzt mal im Groben und Ganzen, auseinandersetzt. Dort fußt und dass man dann von dort kommend dem Thema auf den Grund geht und im Rahmen dieser Themenbearbeitung schneller oder langsamer, das dauert auch unterschiedliche Zeit, feststellt, dass es im Gremium unterschiedliche Auffassungen dazu gibt.
[17:10]Möglicherweise aber gar nicht dazu zu diesem Thema, sondern es ist innerhalb dieses Gremiums.
[17:16]Historisch unterschiedliche Gruppen gibt, bestimmte Mitglieder miteinander gar nicht können, solche Dinge. Das blättert sich dann auf. Dann hast du sozusagen die Konfliktsituation vor dir.
[17:28]Also wie gesagt, das konnte ich mir denken, wenn du als Anwältin angefragt wirst, dass du dann erst zwischen den Zeilen, wenn du dann aufgenommen bist, mitbekommst, oh, das ist jetzt nicht nur ein Gremium, sondern da sind auch unterschiedliche Meinungen da, die mehr oder weniger deutlich gezeigt werden. Als Mediator werde ich häufiger schon genau von Gremien dafür angefragt, weil deutlich ist und das sozusagen bewusst auch genannt und markiert ist, hier können einige nicht miteinander. Wir müssen was machen.
[17:59]Manchmal ist es so, dass die Arbeitgeberseite gesagt hat, also da müsst ihr was machen, wir können überhaupt nicht mit euch arbeiten. Dann gibt es da wirklich einen guten Kontakt zur Arbeitgeberseite,
[18:12]
Konflikte innerhalb der Gremien
[18:09]die gesagt hat, das müsst ihr nicht alleine austragen, da müsst ihr jemanden holen. Und häufig aber auch, dass die Beteiligten untereinander sagen, also alleine zerfleischen wir uns hier und wir kommen überhaupt nicht voran. Wir müssen das klären und das sind typischerweise Lagerkonflikte auch. Verschiedene Konfliktlinien, alte und neue Betriebsratsmitglieder, wenn die nach einer Wahl halt sich sozusagen zur Hälfte aufgefüllt haben. Und es gibt noch mehr solche Linien, aber mir kommt noch dieser Punkt, dass ich den Eindruck habe, Konflikte werden im Betriebsratsgremium eher verschämt benannt oder auch ausgelebt. Also wenn es sich nicht gehört, trifft das so auch auf dich zu. Die sind zwar manchmal ruppig und alles, aber eigentlich ist ein starker Kit zu sagen, wir gehören zusammen, wir stehen eigentlich auf derselben Seite und es fällt Betriebsreden eher schwer, untereinander Konfliktlinien deutlich zu markieren.
[19:07]Kannst du damit was anfangen? Ja, nicht ganz, denke ich. Also es kommt ganz auch auf den Eskalationsgrad an. Also wenn ich in hoch eskalierte Konflikte komme, dann habe ich häufig oder ist Teil dieser Eskalation auch der Umstand, dass der Betriebsrat sich nicht einig ist und dann unterschiedlich agiert, natürlich auch unterschiedlich spürbar für den Arbeitgeber agiert. Aber ich glaube, wir dürfen einen Fehler nicht begehen, indem wir den Betriebsrat als eine einheitliche Einheit, als ein homogenes Gebilde begreifen. Das ist deutlich nicht der Fall. Der Betriebsrat ist äußerst heterogen und ebenso heterogen ist sein Konstruktverhalten. Das heißt, die Frage, kennt man das lieber unter den Teppich, als das sozusagen zum Ausdruck zu bringen, die kann ich nicht allgemein mit Ja beantworten. Das erlebe ich unterschiedlich. Und ich erlebe es eben gerade auch so, und das macht es natürlich dann auch besonders schwer.
[20:14]Dass in welcher Art von zweier Konstellation auch immer dann das eine Betriebsratsmitglied einem Vertrauten auf Arbeitgeberseite was steckt, was dann vielleicht im Widerspruch zu der Gesamthaltung steht. Und Arbeitgeber machen das aber auch ganz gerne, dass sie dann das Vertrauensverhältnis zu einem oder anderen gerne nutzen und dann mal nachfragen. Die berühmte Zigarettenpause während Verhandlungen, wo dann gesagt wird, ist das wirklich ernst, ist das wirklich euer Anliegen?
[20:47]Und das ist doch ganz schnell so, dass da mal ein Wort rausführt, wo ich wirklich jetzt in der anwaltlichen Beratung, muss ich ganz ehrlich sagen, auch manchmal Mühe habe, zu sagen, so jetzt bleiben wir an einem Strang. Es gibt eine einheitliche Linie, es gibt eine einheitliche Kommunikation und keiner lässt hier irgendwie was raus. Ja, das finde ich interessant, dass du dafür stehst, dann zu sagen, jetzt müssen wir mal hier einheitlich liegen. Also die Gremien, die ich kenne, ich glaube schon, das ist ein kleiner Bereich. Ich glaube, Betriebsratsgremien sind wirklich sehr vielschichtig und es macht einen Unterschied, ob man zum Beispiel, ich sage jetzt mal, in Anführungszeichen autonom geführten Betriebsratsgremium vor sich hat oder zum Beispiel einer, der gewerkschaftlich mitorganisiert ist, wo da ein hoher Organisationsgrad sich auch im Gremium zeigt. Und bei denen ich schon den Eindruck habe, dass das ein Wert an sich ist, nach außen hin mit einer Stimme zu sprechen. Und dass das auch die Konfliktbearbeitung oder eben auch Vermeidung im Gremium dann ja unterstützt, zu sagen, also hier jetzt, wir wollen mit einer Stimme nach außen sprechen und dann werden Konflikte glatt gebügelt. Aber das kann einen Unterschied machen. Genauso glaube ich auch Personalräte, wenn man mal noch eine andere Professionalität mit dazu nimmt, dass die auch nochmal anders mit Konfliktlinien innerhalb des Gremiums umgehen.
[22:09]Da fehlt es mir offengesprochen an Erfahrung, was Personalräte anbelangt und die Dynamik in diesen Gremien. Da habe ich auf einer Seite wirklich Berührungspunkte, die ich jetzt auch für den mediativen Kontext nutzen könnte. Anworte ich natürlich schon, aber was den mediativen Kontext anbelangt, muss ich mich da zurückhalten, weil ich wirklich die Betriebsratsarbeit kenne, die ja auch teilweise unter unterschiedlichen rechtlichen Belegungen. Es gibt ja durchaus Unterschiede zwischen den Personalratsregelungen und den Betriebsratsregelungen. Und insofern ist das eher, es ist meine Heimat.
[22:44]Ich kann aber schon auch bestätigen, dass je stärker der Gewerkschaftseinfluss da ist, je stärker ist auch eine bestimmte Art von Führung des Gremiums, die sicherlich auch dazu führt, dass der Eindruck, den du schilderst, Nämlich, wir sind eins und das bleiben wir auch befördert. Das kann ich schon bestätigen. Ja, also nehmen wir zum Beispiel die Linie von unterschiedlichen Listen bei der Listenwahl. Das gibt es viel häufiger bei Betrieben, wo der Organisationsgrad gering ist oder wo das Gremium sich bewusst auch von gewerkschaftlichem Einfluss fernhält. Erlebe ich das viel häufiger, dass da unterschiedliche Listen auch sind, als in Betrieben, die einen starken Organisationsgrad haben und dann auch letztlich nur eine Liste, nämlich die Gewerkschaftsliste, auch das Gremium maßgebend beeinflusst. Und da erlebe ich, oder ich weiß nicht, ob das soziologisch ganz tragfest ist, dass viele Konfliktlinien schon ausdortiert werden. Dann ist ein starker Anteil von Produktionsleuten im Gremium und es fehlt völlig die Verwaltung als Arbeitnehmerschaft, was immer zu Konflikten führen würde. Dann ist sozusagen der Betriebsrat als Gremium okkupiert. Da sind dann eben die Leute.
[24:08]Produktionsvertreter drin. Oder auch Männer und Frauen ist ein ganz starker Teil oder Konfliktlinie, die man ziehen könnte und häufig in Gremien einfach ein Männerclub zustande kommt. Ja, ich meine, das Betriebsverfassungsrecht hat ja versucht, entgegenzuwirken. Es gibt ja tatsächlich wirklich noch eine ganze Reihe von Bestimmungen, die bei der Wahl sicherstellen sollen, dass die Geschlechterverteilung