INKOVEMA-Podcast „Episoden der Mediation“
#20 – Organisationsmediationen im Angesicht von Arbeitnehmervertretungen
Welchen Einfluss haben Betriebsräte, Personalräte und Mitarbeitervertretungen auf die Organisationsmediation?
Episoden der Mediation. Der Podcast zu den praktischen Fragen zur Mediation und des Konfliktmanagements.
Herzlich Willkommen zu den Episoden der Mediation,
dem Lehrstream von INKOVEMA zu den praktischen Fragen der Mediation und und des Konfliktmanagements.
Hier werden Praxissituationen der Mediation, aber auch von Coachings und Konfliktberatungen erläutert, reflektiert und eingeordnet.
Das ist Folge 20 – Organisationsmediationen im Angesicht von Arbeitnehmervertretungen.
Eine Mediation zwischen der Vertretung der Arbeitnehmerschaft (BR, PR, MAV) und dem Arbeitgeber (Geschäftsleitung bzw. Personalleitung) ist keineswegs ungewöhnlich, aber in ihrer Anlage und Durchführung auch keineswegs selbstverständlich. Zudem kommt, dass die AN-Vertretung auch lediglich am Spielfeldrand des Konflikts steht, aber jederzeit bereit, genau dieses zu betreten. Arbeitnehmervertretungen können sich faktisch selbst einwechseln.
Um dieses strukturell bedingte Konfliktverhältnis zwischen Arbeitnehmervertretungen und den jeweiligen Organisationen soll es in dieser Episode gehen. Denn wir können an diesen Konfliktverhältnissen Grundideen der Mediation sowie gängige Praktiken der Mediation auf den Prüfstand stellen. Ich möchte also Einblick in meine Praxis mit diesen Konfliktkonstellationen geben, andererseits aber auch Grundbausteine und Praktiken der klassischen Mediation reflektieren und ihre Anwendungen lehren.
Wenn Du im Zuge der Episode Fragen hast, sende mir doch eine Sprachnachricht – und ich werde sie in der nächsten Sendung bzw. im Podcast Gut durch die Zeit beantworten, bei dem ich regelmäßig, namentlich wöchentlich veröffentliche.
Die Inhalte dieser Episode stammen aus Beispiele aus meiner beraterischen und mediatorischen Praxis der vergangenen Jahre und umfassen hier ca. knapp drei Dutzend Konfliktberatungen, bei denen Betriebsräte direkt involviert waren bzw. durch meine Intervention involviert wurden.
Hier deutet sich schon eine erste Erkenntnis an, wenn wir zu Konflikten in Unternehmungen und Organisationen hinzugerufen werden: Arbeitnehmervertretungen sind keineswegs immer Konfliktpartei, aber infolge Ihrer „kollektivbezogenen Rechte“ stets im Einzugsgebiet des Konflikts. Gerade weil die von der Organisation initiierte mediative Konfliktbearbeitung den BR auf den Plan ruft bzw. rufen sollte, ist es für Mediatoren nicht die schlechteste Idee, sie immer mitzudenken, auch wenn sie nicht vom Auftraggeber benannt werden. Dann müssen wir proaktiv im Auftragsklärungsprozess nachfragen, ob es eine AN-Vertretung gibt, inwiefern sie informiert ist oder es überlegenswert ist, diese aktiv einzuschalten – proaktiv von Seiten der GL oder PL! Das erscheint für uns Externe mitunter riskant, lohnt sich aber in aller Regel und in jeder Hinsicht. Wenig ist ärgerlicher und fällt auf uns Externe zurück, wenn sich im Laufe des Mediationsprozesses oder gar erst im Anschluss der BR oder die MAV einschalten würde und all die bereits getane Arbeit in Frage stellt, in Frage stellen muss, weil AN-Rechte nicht beachtet wurden. Das ist auch für die beauftragende Organisation in aller Regel ärgerlich.
Welche Herausforderungen stellen sich bei Organisationsmediationen mit Blick auf die AN-Vertretungen (Betriebsräte und Personalräte, MAV)?
1. Im Grundsatz handelt es sich um eine Organisationsmediation, d.h. es gibt nur eine Auftraggeberin – anders als bei einer klassischen Mediation, bei in aller Regel zwei Auftraggeberseiten die Mediation beauftragen. Dennoch ähnelt in Mediationen, bei denen ein BR eine Mediationspartei ist, die Grundstruktur einer klassischen Mediation. Denn die GL oder PL kann den BR/PR nicht die Mediation, genauer gesagt, den Beginn einer Mediation anordnen. Die BR-Mitglieder sind mit besonderen Rechten ausgestattet, weshalb der Start einer Mediation nicht im Einzugsbereich des arbeitgeberrechtlichen Direktionsrecht liegt. Wie bei einem klassischen privaten Konflikt startet die Mediation überhaupt nur dann, wenn „vorab“ beide Konfliktparteien zugestimmt haben, also von der Mediation als Verfahren und dem Mediator als Vermittler überzeugt sind. Sie können nicht erst in der Mediation überzeugt werden! Dort verlieren sie allenfalls ebenjene wieder. Was heißt das für die Praxis? Halte als angefragte Vermittlungsperson so früh wie möglich danach Ausschau, wenn sich eine passende Gelegenheit ergibt, nach der Existenz, der Involviertheit oder Einbindung der ANVertretung zu fragen, ohne aber freilich taktlos und herumpolternd aufzutreten! Verwende mit der Auftraggeberperson ausreichend Zeit für die Frage, was die klügste und passendste Vorgehensweise ist, den BR anzusprechen und zur Mediation einzuladen. Zu Beginn der Coronazeit hatte ich ein IT-Team betreut, bei dem ein Mitglied auch im BR war und für den Institutsleiter zunächst kein Grund bestand, den Betriebsrat seinerseits einzubinden in seine Absicht, mit Hilfe einer Mediation die Konflikte in diesem Team beizulegen. Um jedoch die Rollenvielfalt im Blick zu behalten und die potenzielle Wirkkraft der AN-Vertretung angemessen zu würdigen, war es angezeigt, den BR formell korrekt zu informieren und einzuladen, die Mediation aktiv zu unterstützen. Es war keineswegs ausgemachte Sache, dass das Teammitglied diesen seinen Konflikt auch im Betriebsrat eingebracht hat. Es kam auf die proaktive Einbindung durch die IL an.
2. Wenn die GL und der BR gemeinsam die Mediation als Werkzeug nutzen und der BR sozusagen die Mediation mitbeauftragt, ist m.E. nach ein wirkmächtiger Rahmen für die Konfliktklärung gesetzt. Arbeitnehmer, die untereinander in Konflikt geraten sind, gehen eine mediative Klärungsarbeit disziplinierter, ernsthafter und auch konsequenter an, wenn beide Schutz- und Fürsorgeorgane diese Mediation unterstützen. Denn einerseits hat der AG gesetzliche Fürsorgepflichten gegenüber AN, ebenso aber auch der BR, wie BetrVG ausweist. Das betrifft die Konstellation, dass Mitarbeiter untereinander in Konflikt geraten sind und AG sowie BR als Organisationsvertretungen das Instrument der Mediation befürworten.
3. Ist der Betriebsrat als Gremium selbst Konfliktpartei, kommt es zunehmend mehr zu Mediationen mit der GL oder HR, obschon das kollektive Arbeitsrecht ein eigenes und wohlbekanntes KM-Programm dafür vorsieht, Stichwort: Einigungsstelle. Scheitern zwischen den Organen der Unternehmung eigenständige Verhandlungen, sieht das Recht vor, diese Einigungsstelle an- und einzuberufen. Da dieses Verfahren allgemein hin als ein enormer Eskalationsschritt gewertet wird, wird – soweit ich das überblicke – zunehmend das Instrument der Mediation „vorgeschaltet“. Das ist sicher kein großflächiges Phänomen, aber für meine Praxis kann ich das feststellen. Das Recht jedenfalls erlaubt dieses Vorgehen und sieht die eigenen Regelungen nicht als abschließendes Eskalationsprogramm an. Und für Mediatoren ist das ein gutes Arbeitsfeld, weil hier die Bedeutung des Konflikts sowie die finanzielle Ausstattung der Beteiligten wichtige Voraussetzungen schaffen für einen gelingenden Sprung über die AnfangsHürde. Das Ja zur Mediation ist der Engpass für die Mediation. Das sei hier nochmals betont.
4. Eine besondere Herausforderung für die Konfliktvermittlung besteht darin, dass der BR bzw. PR Gremien sind, die für sich per Beschluss ihren Willen kundgeben. Es stellt sich das Principal-Agent-Problem. Nimmt das gesamte Gremium an den Mediationsgesprächen teil, was m.E. nicht selten ist, vor allem, wenn der BR Konfliktpartei ist, stellt sich das Problem freilich nicht. Sind allerdings lediglich Vertreter anwesend, dann ist die Rückkopplung der Inhalte und Absprachen zu beachten, der Umfang des Verhandlungsmandats sowie die ggf. Verführungssituation, ein doppeltes Spiel zu spielen, sei es, dass das abwesende Gremium genutzt wird, um in der Mediation nichts zu entscheiden, sei es, dass das Gremium hintergangen wird bzw. das in der Mediation – vielleicht auch fahrlässig – provoziert wird.
Aber dazu in einer eigenen Episode demnächst mehr.
Das war’s für dieses Mal, vielen Dank fürs Zuhören, und vielleicht konntest Du die ein oder andere Idee für einen Deiner Fälle entwickeln, weiterspinnen und Entscheidungen treffen. Dafür wünsche ich gutes Gelingen!
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Für den Moment verabschiede ich mich bei dir mit den besten Wünschen. Bis zum nächsten Mal!
Komm gut durch die Zeit! Prof. Dr. Sascha Weigel
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