SanierungsMediation
in der Unternehmenskrise
in Zeiten der COVID-19-Epidemie
Gastartikel von Uwe Kassing
Hamburg – Leipzig – Oktober 2020
Rechtswissenschaftler, Ass. jur.,
Fachanwalt für Insolvenzrecht (DAA),
zertifizierter Mediator (DAA)
Sanierungsmediation,
gepr. ESUG-Berater (D.I.A.I.)
A. SanierungsMediation – der Mediationsansatz für (insolvenz-) bedrohte Unternehmen
Die SanierungsMediation ist ein Mediationsansatz, der auf die besonderen Umstände einer Unternehmenskrise abstellt und hinsichtlich Komplexität und Dauer von einem typischen Mediationssachverhalt (als 2-Parteien-Konflikt) abweicht.
Eine Unternehmenskrise erzeugt regelmäßig interne und externe Konfliktsituationen, die Anlass bieten, diese mit Hilfe der Mediation zu lösen. Im Zusammenhang der Bewältigung der Krisensituation wird bei rechtzeitiger Erkenntnis des Unternehmers der Weg einer Sanierung eingeschlagen. Das bedeutet regelmäßig, dass Entscheidungen in einer Ausnahmesituation unter hohem zeitlichem Druck bei physischer und psychischer Belastung der Beteiligten getroffen werden. Aktuell wird diese Situation durch die Auswirkungen der COVID-19-Epidemie verschärft, welche in mehrfacher Hinsicht eine zusätzlich Belastung für Unternehmen darstellen.
Die – auch durch die COVID-19-Epidemie bedingten – notwendigen internen strukturellen Veränderungen, zumeist in allen Unternehmensbereichen, müssen dabei auch gegen Widerstände, die sich oft schon allein aus der Veränderung von Gewohnheiten und traditionellen Geschäftsabläufen (Stichwort: Digitalisierung) ergeben, umgesetzt werden. Den Beteiligten werden beispielsweise finanzielle Zugeständnisse oder persönliche Beiträge in der Veränderung der Arbeitsprozesse zur Unterstützung der Sanierung abverlangt. Dies führt zu internen Konflikten, die nicht ungelöst bleiben dürfen, wenn die Umsetzung der Sanierungsansätze dauerhaft erfolgreich sein soll.
Sobald die Umsetzung der internen Sanierungsansätze zusätzlich die Einbeziehung der externen (Vertrags-) Partner des Unternehmens erfordert, sind auch im persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungsgeflecht des Unternehmers/ Unternehmens Sanierungsbeiträge zu verhandeln. Zumeist geht es dabei im Kern um die Veränderung der externen Finanzierungsstrukturen und daraus abgeleitete Maßnahmen. Beispielsweise werden Kreditinstitute, Lieferanten, Dienstleister und Vermieter angesprochen, um eine finanzielle Unterstützung des Sanierungsprozesses zu erreichen, typischerweise durch Ausweitung des Finanzierungsvolumens, die Veränderungen von Zahlungsbedingungen oder die Vereinbarung von (Teil-) Verzichten.
Befindet sich das Unternehmen bereits in einem Krisenstadium, welches sich auf die Ertrags- und Liquiditätssituation so auswirkt, dass eine insolvenznahe Situation entsteht, ergibt sich typischerweise ein externer Verteilungskonflikt zwischen dem Unternehmen und dessen Gläubigern. Der Handlungsdruck für die Unternehmensführung erhöht sich dann insbesondere, wenn die Pflichten der Organe von Kapitalgesellschaften ergeben, dass die Fristen der Insolvenzantragstellung bei Vorliegen von Insolvenzgründen (§§ 15a, 17, 19 InsO) zu beachten sind.
B. Die Vermeidung der Insolvenz durch SanierungsMediation
Vor dem Hintergrund der schon über Monate andauernden COVID-19-Epidemie ist für Kapitalgesellschaften zwar die Insolvenzantragspflicht temporär ausgesetzt (gemäß COVInsAG – bei Vorliegen einer Zahlungsunfähigkeit gem. § 17 InsO bis 30.09.2020; bei Vorliegen einer Überschuldung gem. § 19 InsO bis 31.12.2020), aber dies ändert nichts daran, dass die betroffenen Unternehmen sich aktiv mit der Krisensituation auseinandersetzen sollten, um ein gerichtliches Insolvenzverfahren zu vermeiden.
Die durch die COVID-19-Epiemie bedingte, zunehmende Insolvenzbedrohung von Unternehmen ist schon überregional bekannt geworden ( Galeria Kaufhof/ Karstadt, Condor, Esprit ). Nach Expertenmeinung soll es zu einer „Insolvenzwelle“ kommen, die auch nicht durch die von der Bundesregierung beschlossenen Gegenmaßnahmen, insbesondere die erneute Verlängerung des Kurzarbeitergeldes und die temporäre Aussetzung der Insolvenzantragsfrist vermeidbar sein werde. Diese Maßnahme erzeuge nur eine Verschiebung des sonst notwendigen Insolvenzantrags In diesem Zusammenhang ist neuerdings von „Zombie-Unternehmen“ die Rede (vgl. FOCUS online, unter www.focus.de, vom 19.08.2020, „Bis zu 800.000 Zombieunternehmen bedrohen Wirtschaftslage in Deutschland“).
Hier liegt der Ansatzpunkt für eine sinnvolle „Mediation in der Unternehmenskrise“, einem Thema mit dem ich mich in der Praxis als Mediator unter dem Ansatz „Sanierungsmediation“ und als Autor bereits seit Jahren intensiv beschäftige (vgl. zuletzt Handbuch Mediation Hrsg. Haft/ von Schlieffen, 3. Auflage, München 2016).
Eine Unternehmenskrise beinhaltet einen „Strauss“ von Konfliktpotentialen, der einer Mediation zugänglich ist. Zur Vermeidung längerer Ausführungen zähle ich die Konfliktbereiche, die aktuell in der Praxis im Vordergrund stehen (könnten) nur stichwortartig auf:
- Anordnung von Kurzarbeit und innerbetriebliche Konflikte zwischen Arbeitnehmergruppen wg. „Benachteiligung“ bei der Anordnung und Arbeitszeiteinteilung
- Auseinandersetzungen zwischen Unternehmen als Lieferant und/oder Kunde über die Belieferung mit und die Abnahme von Produkten (Störung der Vertragsbeziehungen)
- kritische Finanzierungsgespräche mit Kreditinstituten (Verhandlungen über Neukredite/ Prolongationen bei Unsicherheit von Prognoseentscheidungen – durch COVID-19 bedingte Planungsunsicherheit – branchenspezifisch)
In diesen beispielhaft aufgezählten Konfliktsituationen bestehen die Chancen einer Mediation, die Lösung noch so rechtzeitig zu erarbeiten, dass dadurch die Risiken einer drohenden Insolvenz entschärft bzw. vermieden werden.
Angeschlagene Unternehmen sollten den Aufschub für einen Sanierungsversuch mithilfe eines SanierungsMediators nutzen.
C. Die SanierungsMediation im Restrukturierungsverfahren (Umsetzung der EU – Richtlinie)
Einen vorinsolvenzlichen und zugleich mediativen Sanierungsansatz verfolgt auch die EU-Kommission in ihrer Restrukturierungsrichtlinie zu einem präventiven Restrukturierungsverfahren
(„Richtlinie (EU) 2019/1023 des europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Juni 2019 über präventive Restrukturierungsrahmen, über Entschuldung und über Tätigkeitsverbote sowie über Maßnahmen zur Steigerung der Effizienz von Restrukturierungs-, Insolvenz- und Entschuldungsverfahren und zur Änderung der Richtlinie (EU) 2017/1132 ,Richtlinie über Restrukturierung und Insolvenz“),
an deren Umsetzung in nationales Recht das Bundesministerium der Justiz auch vor dem Hintergrund der durch die COVID-19-Epidemie bedrohten Unternehmen derzeit mit Hochdruck arbeitet.
Im September 2020 wurde der Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Fortentwicklung eines Sanierungs- und Insolvenzrechts (SanInsFoG) veröffentlicht. Dort ist in dem sog. „Unternehmensstabilisierungs- und Restrukturierungsgesetz (StaRUG)“ ein Verfahren der „Sanierungsmoderation“ als eine mögliche Variante zur Durchführung eines Restrukturierungsverfahrens enthalten. Die Ansätze der Mediation werden dort allerdings noch nicht verbindlich als Anforderungsprofil für eine(n) zu bestellend(e)n Sanierungsmoderators/moderatorin dargestellt. Zudem wird der/die SanierungsmoderatorIn vom Gericht bestellt und unterliegt einer Berichtspflicht gegenüber dem Gericht sowie der Aufsicht des Gerichts.
Damit werden Grundsätze der Mediation, insbesondere der gemeinsamen Bestellung eines Mediators durch eine Entscheidung der Parteien nicht berücksichtigt. Dies stellt letztlich auch einen Eingriff in die Gläubigerautonomie und ein Eingriff in die Wahlfreiheit für einen Mediator zwischen den Parteien dar, da das Gericht nach der Ausgestaltung des Gesetzes sowohl die Auswahlentscheidung des/der Sanierungsmoderators/ -moderatorin als auch die Entlassungsentscheidung trifft. Dies wird einer der Gründe sein, warum die Bezeichnung Sanierungsmoderation anstelle des Begriffs SanierungsMediation vom Gesetzgeber gewählt wurde. Sollte das Gesetz in der aktuellen Fassung verabschiedet werden, wäre die Chance einer Implementierung eines gläubigerautonomen, kostengünstigen und effizienten Verfahrens der SanierungsMediation vertan.
Gleichwohl kann bereits jetzt angenommen werden, dass eine persönliche Mediationskompetenz des/der Restruktureiungsbeauftragten und eines/ einer Sanierungsmoderators/ – moderatorin zwingend erforderlich sein wird, zumal es sich um eine unabhängige Person handeln soll, welche die Erfüllung der Restrukturierungsaufgabe des Unternehmens durch den von ihr einzubringenden Vorschlag eines Restrukturierungsplans allparteilich zu fördern hat. Der Restrukturierungsplan hat in der inhaltlichen Ausgestaltung die gleichberechtigten Interessen aller an dem Verfahren beteiligten Parteien zu wahren und nicht einseitig die Interessen der Gläubiger zu vertreten. Insofern unterscheidet sich die Funktion des Restrukturierungsbeauftragten im präventiven Restrukturierungsverfahren deutlich von der eines kontrollierenden Sachwalters im sogenannten Eigenverwaltungsverfahren (gemäß ESUG – §§ 270, 270a, 270 b InsO) und der eines Insolvenzverwalters in einem Regelinsolvenzverfahren. Letztgenannte haben aufgrund der Haftungsfunktion des materiellen Insolvenzrechts in einem gerichtsförmigen Verfahren vornehmlich die Einhaltung der Interessen der (geschädigten) Gläubiger zu wahren.
Die Rolle des Restrukturierungsbeauftragten unterscheidet sich deutlich von der Rolle eines kontrollierenden Sachwalters im Eigenverwaltungsverfahren und von der Rolle eines Insolvenzverwalters im Regelinsolvenzverfahren.
In dem präventiven Restrukturierungsverfahren sind z.B. Sonderrechte für das betroffene Unternehmen derart vorgesehen, dass nur bestimmte Gläubiger in die Sanierungsmaßnahmen einbezogen werden können. Dazu kann auch ein außergerichtliches Sanierungsmoratorium vereinbart werden. In dieser Phase ist es besonders wichtig, die beteiligten Konfliktparteien durch eine Mediation mit einem spezifischen Kommunikationskonzept an einen Verhandlungstisch zu holen. Für die Rettung des Unternehmens müssen die Konfliktparteien aufeinander zugehen. Hier hat sich die SanierungsMediation, auf die sich alle freiwillig einlassen müssen, bewährt. Der SanierungsMediator kann den Konfliktparteien mit einer besonderen Kommunikations- und Methodenkompetenz helfen, Vorbehalte zu überwinden und verhärtete Positionen aufzulösen.
Auch eine punktuelle mediative Unterstützung, z.B. in innerbetrieblichen, arbeitsrechtlichen Konflikten oder Konflikten innerhalb von Liefer- oder Kundenbeziehungen, die u.a. einer Gesamtlösung zur Überwindung einer Unternehmenskrise entgegenstehen, kann dabei sehr hilfreich sein.
Die schnelle Rettung des Unternehmens kann beiden Seiten langfristig mehr bringen, als ein langwieriges Insolvenzverfahren mit ungewissem Ausgang. Mit dieser Erkenntnis haben die beteiligten Konfliktparteien eine echte Chance, eine Sanierungslösung zu finden und dabei gleichwohl ihre Interessen auszugleichen. Es bleibt zu hoffen, dass der Gesetzgeber den aktuellen Entwurf zu dem Instrument der Sanierungsmoderation noch einmal entsprechend überarbeiten wird.
Leipzig, den 13.10.2020
Uwe Kassing
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