Mediation für Eheleute bei Trennung und Scheidung.

Ein Themenüberblick für Mediator*innen

Hin und wieder übernehme ich auch die Bearbeitung und Beratung in Trennungs- und Scheidungskonflikten. Und diese führt in aller Regel auch zu einer Trennungs- und Scheidungsmediation mit den Eheleuten. Das sind – im Vergleich mit Organisationsmediationen – für mich zuvorderst lehrreiche Abwechslungen!

Die Komplexität der Themen und Streitpunkte ergibt sich dabei keineswegs nur aus den langjährig aufgebauten Beziehungsgeflechten einer Familie, sondern auch aus den „Querschnittsfragestellungen“, die bei einer Trennung und Scheidung aufkommen: Da mag es um (erkaltete, warmgehaltene oder wieder aufkeimende) Liebe gehen, aber es geht auch um (vorhandenes, vermutetes, angezweifeltes, beiseite geschafftes oder erwünschtes) Geld, es geht um (beteuerte, vorgeworfene, bestrittene, anekelnde) Werte ebenso wie um Vergangenes und vor allem Zukünftiges, um Abgestorbenes und Aufkeimendes, um Ängste und Fesseln, um Sehnsüchte und Flügel, die gewünscht, erhofft, ersehnt werden, aber auch die gestutzt, kleingehalten, in Schach gehalten werden sollen – und wer hierfür die Kraft aufbringt, muss nicht der sein, der die Verantwortung zu übernehmen hat.

Der Reichtum des (Familien-)Lebens kommt umfänglich auf den Tisch, wo er gesichtet, geschichtet und geschlichtet werden soll. Eine Mediation ist – zumindest der Auftakt – einer Bilanz, aber auch eines neuen Abenteuers, das allein erlebt werden will und muss. Aber das ist enorm viel.

Dieser Beitrag soll einen Überblick über die Themenvielfalt gewähren, die regelmäßig aufkommt, wenn man in einem Trennungs- und Scheidungskonflikt eine Mediation durchführt – und deshalb vor allem für Mediator*innen geschrieben.

Die Trennungs- und Scheidungsmediation bietet Paaren die Möglichkeit, ihre Trennung einvernehmlich und fair, vor allem aber umfassend zu gestalten. In diesem Verfahren kann über alles gesprochen werden, was relevant für den Trennungs- und Scheidungsvorgang insgesamt ist.

  • Einiges hat Relevanz, weil es gesetzlich vorgesehen ist und unbedingt in der Trennungs- und Scheidungsmediation besprochen und geregelt werden muss.
  • Anderes hat Relevanz allein für die konkret Beteiligten, weil es Ihre spezifische Situation betrifft, ihre Eigenarten, persönlichen Vorlieben und Abneigungen.
  • Und Weniges wird vielleicht nur für einen der Ehepartner Relevanz haben – und dennoch bietet dieses Verfahren die Möglichkeit, das „offiziell“ anzusprechen. Das ist Offenheit und Zumutung des Mediationsverfahrens zugleich.

Im Folgenden liste ich die wichtigsten Punkte auf, die mir in meiner Praxis begegnet sind und die ich als Mediator auf meiner „Liste“ habe.

Im Falle, dass nicht Alles angesprochen wird von den Beteiligten, gestatte ich mir stets (und kläre das mit den Beteiligten vorab), die Punkte dieser Liste anzusprechen und nachzufragen, inwiefern die Beteiligten zu diesen Themen etwas besprechen müssen. Das ist mitunter riskant (Neutralität und Fettnäpfchen!), aber nötig. Deshalb ist es methodisch wichtig, diese Liste mit den Beteiligten auf einer guten vertraglichen Basis zu besprechen, so dass das Ansprechen von – für die eine Seite möglicherweise heiklen Punkte – nicht abstoßend wirkt, sondern im Dienste einer vollständig einvernehmlichen Trennung.

Manchmal ist die Frage: einvernehmlich oder friedlich durch den Mediationsprozess?

Denn die eine Sache ist, dass eine Trennung und Scheidung zweier umfänglich „sozial-etablierten und -integrierten“ Lebenskonzeptionen einvernehmlich erfolgt, etwas anderes ist, dass sie friedlich und höflich erfolgt. Für mich als beauftragter Mediator ist viel wichtiger, dass sie einvernehmlich erfolgt, was mitunter auch Kampf, Aggression, Wut-, Ärger- und und Schmerzausdruck bedeuten mag, als dass sie friedlich, ruhig, lieb, zuvorkommend und höflich ist und die Mediation mehr als ein sozial disziplinierendes Schmerz- und Schlafmittel wirkt, denn als Klärungs- und Lösungsmittel.

Ehewohnung

Wer wird weiterhin in der Ehewohnung wohnen? Eine der ersten Fragen, die geklärt werden muss, ist, wer nach der Trennung in der gemeinsamen Wohnung bleiben wird. Oft hängt die Entscheidung von verschiedenen Faktoren ab, wie z.B. der Betreuung gemeinsamer Kinder, der finanziellen Situation und der emotionalen Bindung an die Wohnung.

Hausrat

Wir Menschen verlieren uns nicht nur in den Dingen, die wir gekauft haben, sondern wir finden uns in ihnen auch wieder.

Sofern eine neue Wohnung für den ausziehenden Part gefunden und angemietet wurde, stellt sich die Frage nach dem weiteren Benutzen und damit dem Verbleib des (gemeinsam angeschafften) Hausrats. Was geschieht konkret mit dem Hausrat? Der Hausrat, also Möbel und andere Einrichtungsgegenstände, muss fair aufgeteilt werden. Dies kann durch eine einvernehmliche Vereinbarung oder im Notfall durch eine gerichtliche Entscheidung geschehen. Keinesfalls sollte unausgesprochen davon ausgegangen werden, dass der vorhandene Hausrat für die vorhandene Ehewohnung angeschafft wurde und deshalb dort zu verbleiben hat.

Praxistipp: Als Mediator bietet mir der Hausrat die Möglichkeit, die Beteiligten in konkrete Aushandlungsprozesse zu verwickeln über Dinge, die nicht zu viel Wert für die Beteiligten haben, aber der Wert und das Erleben eines Aushandlungsprozesses mit dem Trennungs- und Scheidungspartner erlaubt!

Praxistipp: Häufig gehen die Beteiligten derart in die Verhandlung, dass Alles so bleiben soll, aber ein finanzieller Ausgleich ausgehandelt werden soll. Hierbei gebe ich zweierlei zu bedenken. Einerseits gibt es (immer!) Gegenstände im Haushalt, die der einen Person mehr ans Herz gewachsen sind als der anderen und die mit identitätsbildend wirken, ohne dass das in einem Gespräch ohne Weiteres benannt werden kann. Das kann der Weinöffner sein oder ein Kühlschrankmagnet, aber auch Teller, besondere Tassen, Badspiegel oder ein Teppich. Wir Menschen verlieren uns nicht nur in den Dingen, die wir gekauft haben, sondern wir finden uns in ihnen auch wieder, wie Frank Trentmann, ein deutscher Sozial- und Konsumhistoriker es auf den Punkt gebracht hat. Zum anderen lässt sich dafür kaum ein Preis bestimmen, so dass der Ausgleichsbetrag (für den Hausrat, der in der Ehewohnung damit verbleiben soll) stets als ungerecht erlebt wird, überteuert oder als viel zu wenig.

Nutzen Sie als Mediator hier die Gelegenheit zur Wirksamkeit, fragen Sie nach konkreten Gegenständen, Erinnerungsstücke, die sich eben auch in der Küchenzeile finden lassen und organisieren Sie einen konkreten Aushandlungsprozess. Verhandeln macht Spaß, will aber gelernt und geübt sein. Und für die anstehenden Fragestellungen einer Trennung und Scheidung, wird das sehr unterstützend wirken.

Trennungsunterhalt

Trennungsunterhalt ist der Unterhalt, den ein Ehepartner dem anderen während der Trennungsphase, aber vor der Scheidung, zahlen muss. Merke: Trennungsunterhalt können nur getrennte Ehegatten, nicht aber Unverheiratete erhalten. Dieser Unterhalt soll sicherstellen, dass der finanziell schwächere Ehepartner seinen Lebensstandard trotz räumlicher Trennung aufrechterhalten kann. Es muss also in einer Mediation zumindest angesprochen und geklärt werden, ob finanziell ein Gefälle zwischen den Ehegatten besteht.

Versorgungsausgleich

Der Versorgungsausgleich betrifft die Rentenansprüche, die während der Ehezeit erworben wurden. Ziel ist es, die Rentenansprüche beider Ehepartner gleichmäßig zu verteilen, um eine finanzielle Absicherung im Alter zu gewährleisten.

Ehegattenunterhalt und nachehelicher Unterhalt

Nach der Scheidung kann ein Ehepartner Anspruch auf Ehegattenunterhalt haben, um seine Existenz zu sichern. Dieser Unterhalt ist abhängig von der Bedürftigkeit des einen und der Leistungsfähigkeit des anderen Partners sowie der Ehedauer und den während der Ehe getroffenen Vereinbarungen.

Schulden und Kredite

Hier muss geklärt werden, wie gemeinsame Schulden und Kredite, wie z.B. für Haus, Auto oder Studium, aufgeteilt werden. Es ist wichtig, eine faire Lösung zu finden, die beide Parteien finanziell nicht übermäßig belastet.

Vermögensaufteilung

Immobilien, Geschäftsanteile und Aktien, Sparguthaben: Das während der Ehe erworbene Vermögen muss gerecht aufgeteilt werden. Dies betrifft Immobilien, Unternehmensanteile, Aktien und Sparguthaben. Eine detaillierte Bestandsaufnahme und Bewertung des Vermögens ist hierfür notwendig.

Erbrechtliche Ansprüche der Ehepartner

Während der Trennungsphase und auch nach der Scheidung können erbrechtliche Ansprüche bestehen. Diese sollten frühzeitig geklärt werden, um Missverständnisse und zukünftige Streitigkeiten zu vermeiden.

Bei Ehen mit Kindern

Kindesunterhalt 

Der unterhaltspflichtige Elternteil muss für den Unterhalt der Kinder aufkommen. Die Höhe des Unterhalts richtet sich nach der Düsseldorfer Tabelle und hängt vom Einkommen des unterhaltspflichtigen Elternteils ab. Das lässt sich zwar in der Mediation besprechen, aber die konkreten Berechnungen sollten erfahrene Profis durchführen. Soweit die Mediationsperson ein Profi ist, muss sie überlegen, ob sie diese Arbeit selbst durchführt oder sie auslagert, um sich auf ihre Vermittlungsaufgabe zu fokussieren.

Kindergeld

Das Kindergeld wird in der Regel dem Elternteil ausgezahlt, bei dem die Kinder hauptsächlich leben. Es sollte geklärt werden, wie dieses Geld verwendet wird und ob es eventuell geteilt wird. Deshalb lässt sich über das Kindergelt erst sprechen, wenn über den Lebens- und Aufenthaltsort der Kinder gesprochen wurde und eine Regelung gefunden wurde.

Sorgerecht und Umgangsrecht bzgl. Kinder

Neben dem Umgangsrecht muss ggf. auch das Sorgerecht geregelt werden. Es wird entschieden, ob das gemeinsame Sorgerecht bestehen bleibt oder ob ein Elternteil das alleinige Sorgerecht erhält – oder umgekehrt.

Das Umgangsrecht bestimmt, wie häufig und unter welchen Bedingungen der nicht betreuende Elternteil seine Kinder sehen darf. Hierbei steht das Wohl und die Entwicklung der Kinder im Vordergrund. Regelmäßige und verlässliche Umgangszeiten sind wichtig für die emotionale Stabilität der Kinder. Hierfür gibt es unterschiedliche Modelle, die nicht selten den Kern für das Gelingen der Mediation ausmachen.

Soweit beide Elternteile das Sorgerecht haben, gibt es drei unterschiedliche Modelle (mit im Detail verschiedenen Varianten) zur Auswahl

  • Residenzmodell: Bei diesem Modell lebt das Kind vorrangig bei einem Elternteil. Häufig lebt das Kind nach der Trennung und Scheidung bei dem Elternteil, der in den letzten Jahren auch überwiegend die Betreuung übernommen hat. Der andere Elternteil hat in diesem Falle das Recht, aber auch die Pflicht zum Umgang mit dem Kind.
  • Wechselmodell: Auch Doppelresidenzmodell genannt. Hier lebt das Kind bzw. die Kinder bei beiden Elternteilen zu gleichen Teilen, so dass sich jene die Betreuung ebenfalls hälftig teilen. Freilich muss die Aufteilung nicht paritätisch erfolgen und kann sich an den Erfordernissen der Praxis anpassen, wichtig ist die Vereinbarung und das Einverständnis zu den konkreten Wechseln. Die Kindern wechseln in diesem Modell häufig wochenweise. Es ist aber auch möglich, die Wechsel alle 14 Tage oder monatlich zu gestalten. Hier sollten alle Beteiligten ihre Zustimmung erteilen, weil dieses Modell in der Praxis viel Logistik und Anpassungsbereitschaft beansprucht. (Hinweis: Beim paritätischen Wechselmodell muss kein Kindesunterhalt gezahlt werden, solange die Elternteile in etwa das gleiche Einkommen haben. Ansonsten erhält der weniger verdienende Elternteil anteilig einen Teil vom „Mehrverdienst“ des anderen Elternteils.)
  • Nestmodell: Dieses Modell schafft für das Kind eine Wohnung als Nest, in dem es aufwachsen kann – und die Eltern kommen zur Betreuung abwechselnd hinzu, wohnen aber ansonsten in einer oder zumeist in zwei anderen Wohnungen. Das Nestmodell ist finanziell sehr aufwendig, gewährt aber dafür den Kindern die Möglichkeit, sich nicht in anderen elterlichen Wohnungen zurecht finden bzw. einleben zu müssen.

Weitere wichtige Punkte

Zusätzlich zu den genannten Hauptpunkten lassen sich noch folgende, knapp benannte Punkte ansprechen in einer Trennungs- und Scheidungsmediation:

  • Versicherungen: Zu klären ist, welche Versicherungen bestehen (bleiben) und wer die Prämien übernimmt. Das kann mitunter nicht nur Einigungsarbeit bedeuten, sondern stellt auch Klärungsarbeit dar. Denn häufig ist die Trennung der Anlass, sich über beidseitig mit den (nicht) vorhandenen Versicherungen zu beschäftigen. Das gilt auch für sonstige Verträge…
    • z.B. Hausrat-, Haftpflicht-, Lebensversicherungen: Es sollte besprochen werden, wer welche Policen übernimmt und wer weiterhin die Prämien zahlt.
    • Krankenversicherung: Nach einer Scheidung kann sich der Versicherungsschutz ändern, insbesondere wenn ein Partner über den anderen familienversichert war. Es muss geklärt werden, wie der Versicherungsschutz in Zukunft gewährleistet wird.
  • Verträge und finanzielle Verpflichtungen der Familie: Es sollte eine umfassende Bestandsaufnahme aller finanziellen Verpflichtungen gemacht werden, inklusive Leasingverträge, Mitgliedschaften, Abonnements und anderen regelmäßigen Zahlungen. Diese gilt es zu überprüfen und anzupassen:
    • Kraftfahrzeuge, ggf. Zwei- bzw. Lastenräder etc.
    • Streamingabos (Musik, Kino; Zeitungen etc.)
    • Internetdienste (Familiencloud u.ä.)
    • Vereinsmitgliedschaften o.ä.
    • regelmäßige Spenden
  • Haustiere: Vereinbarungen über den Verbleib und die Versorgung gemeinsamer Haustiere.
  • Steuerliche Aspekte, die zuweilen auch weitere Fachberatung benötigen (Stichwort: Selbständige und [Famlien-]Unternehmer*innen!):
    • Steuerklassenwechsel: Nach der Trennung müssen die Ehepartner ihre Steuerklassen ändern. Dies kann finanzielle Auswirkungen haben, die berücksichtigt werden müssen.
    • Steuerliche Vorteile und Nachteile: Die steuerlichen Konsequenzen von Unterhaltszahlungen und Vermögensaufteilungen sollten ebenfalls geklärt werden, um unvorhergesehene finanzielle Belastungen zu vermeiden.
  • Private Altersvorsorge: Neben dem Versorgungsausgleich sollte auch die private Altersvorsorge berücksichtigt werden. Es muss geklärt werden, wie private Rentenversicherungen oder andere Altersvorsorgeprodukte aufgeteilt werden.
  • Geplante größere Ausgaben: Geplante größere Ausgaben, wie Renovierungen oder Anschaffungen, die noch gemeinsam vereinbart wurden, müssen neu besprochen und finanziert werden. Hier sollte geklärt werden, wer welche Verpflichtungen übernimmt.
  • Kommunikation und Konfliktmanagement: Eine Vereinbarung über die zukünftige Kommunikation und den Umgang mit Konflikten kann helfen, die Beziehung trotz der Trennung auf einem konstruktiven, kooperierenden Niveau zu halten. Dies ist besonders wichtig, wenn Kinder involviert sind.
  • Berufliche Veränderungen: Die Trennung oder Scheidung kann berufliche Veränderungen mit sich bringen, insbesondere wenn ein Partner bisher wegen der Familie beruflich zurückgesteckt hat. Es sollte erörtert werden, wie dieser Partner wieder in das Berufsleben einsteigen kann und welche Unterstützung dafür nötig ist.
  • Unterstützung durch Dritte: Es kann hilfreich sein zu besprechen, welche Rolle Freunde, Familienmitglieder oder professionelle Berater (wie Anwälte oder Therapeuten) während und nach der Trennung spielen sollen.
  • Paul, Christoph C.: Abschlussvereinbarungen in der Familienmediation, in: ZKM 2014, 191 (Heft 06).
  • Trenczek, Thomas: Trennungs- und Scheidungsmediation. Regelungsbedürftige Aspekte und Vereinbarungsmöglichkeiten, in: Kindschaftsrecht und Jugendhhilfe Nr. 4, 2007, S. 138 – 141.