INKOVEMA-Podcast „Gut durch die Zeit“
#184 – Konfliktantizipierende Vereinbarungen
Ein Gespräch über Mediationsklauseln
Mediationsklauseln – Teil 1
Im Gespräch mit Dr. Jörg Schneider-Brodtmann
Jörg Schneider-Brodtmann: Rechtsanwalt bei Menold Bezler in Stuttgart und Zertifizierter Mediator. Die WirtschaftsWoche 34/2019 bezeichnete den Verhandlungsexperten als einen der renommiertesten Anwälte für IT-Recht (Mitautor des IT-Recht Kommentars im Verlag Dr. Otto Schmidt KG), der sich seit Jahren für die Vorzüge der Mediation auch in konfliktanfälligen, weil komplexen Vertragsbeziehungen stark macht.
Gut durch die Zeit.
Der Podcast rund um Mediation, Konflikt-Coaching und Organisationsberatung.
Inhalt – Einführung zu Mediationsklauseln
Grundgedanke und Anlass für Mediationsklauseln
Mediationsklauseln stellen eine antizipierende und präventive Maßnahme dar, um zukünftigen Konflikten strukturiert und kooperativ zu begegnen. Sie werden häufig in Verträgen zwischen Projektpartnern, Ehepartnern oder anderen Vertragspartnern integriert. Der Grundgedanke hinter Mediationsklauseln ist es, einen klaren und gemeinsamen Weg zur Konfliktlösung zu definieren, bevor ein etwaiger Konflikt entsteht und dieses Mindestmaß an Kooperation im Konflikt schon nicht mehr zustandekommt. Das Ziel ist, destruktive Eskalationen zu vermeiden und eine Grundlage für konstruktive Verhandlungen zu schaffen. Es gilt, die Kooperationsbereitschaft zu einem Zeitpunkt für die Zukunft zu nutzen, in der diese Kooperationsbereitschaft auf die harte Probe gestellt sein wird. Mediationsklauseln schaffen hier ein Selbstbindung, die in die Zukunft wirkt.
Die Eingliederung von Mediationsklauseln in Verträge bietet den Parteien die Möglichkeit, bereits in friedlichen Zeiten eine gemeinsame Lösung für potenzielle Konflikte festzulegen. Dies erleichtert nicht nur die spätere Konfliktbewältigung, sondern stärkt auch das Vertrauen und die Zusammenarbeit zwischen den Parteien.
Regelungsgehalt von Mediationsklauseln
Der Regelungsgehalt von Mediationsklauseln kann variieren und wird in der Regel an die spezifischen Bedürfnisse und Umstände der Vertragsparteien angepasst. Das werden wir in weiteren Episoden vertiefen und uns auch Praxiserfahrungen mit Mediationsklauseln anschauen.
Typische Bestandteile einer Mediationsklausel sind:
- Verpflichtung zur Mediation: Die Parteien verpflichten sich, im Falle von Meinungsverschiedenheiten oder Konflikten zunächst(!) eine Mediation in Anspruch zu nehmen, bevor sie gerichtliche Schritte einleiten, sog. dilatorischer Klageverzicht.
- Verfahren zur Auswahl des Mediators: Es wird festgelegt, wie der Mediator ausgewählt wird. Dies kann durch eine vorher bestimmte Liste von Mediatoren oder durch bestimmte Kriterien für die Auswahl geschehen.
- Durchführung des Mediationsverfahrens: Die Klausel kann festlegen, wie das Mediationsverfahren ablaufen soll, einschließlich Ort, Sprache, Verfahrensordnung und Modalitäten der Kostenübernahme.
- Eskalationsmechanismen: Für den Fall, dass die Mediation nicht erfolgreich ist, können weitere Schritte zur Konfliktbewältigung definiert werden, wie z.B. eine Schiedsgerichtsvereinbarung.
Wirkungsweise von Mediationsklauseln
Die Wirkungsweise von Mediationsklauseln zeigt sich in mehreren Aspekten:
- Präventive Konfliktlösung: Durch die Festlegung eines klaren Verfahrens zur Konfliktlösung tragen Mediationsklauseln dazu bei, Konflikte frühzeitig und strukturiert zu bearbeiten. Dies kann helfen, Missverständnisse schnell aus dem Weg zu räumen und die Zusammenarbeit zu verbessern.
- Kosten- und Zeitersparnis: Indem die Parteien zunächst eine Mediation anstreben, können sie die oft hohen Kosten und langen Zeiträume gerichtlicher Auseinandersetzungen vermeiden.
- Erhaltung der Beziehung: Mediationsverfahren sind darauf ausgelegt, eine Win-Win-Situation zu schaffen. Dies fördert den Erhalt und die Stärkung der Beziehungen zwischen den Parteien, was besonders in langfristigen Geschäftsbeziehungen oder Partnerschaften wichtig ist.
- Flexibilität und Selbstbestimmung: Mediationsklauseln ermöglichen den Parteien, selbstbestimmt und flexibel auf Konflikte zu reagieren. Sie haben die Kontrolle über den Prozess und können gemeinsam Lösungen erarbeiten, die ihren spezifischen Bedürfnissen und Interessen entsprechen.
Potenzielle Anwendungsfelder von Mediationsklauseln
Mediationsklauseln könnten in verschiedenen Bereichen und Kontexten einen erheblichen Mehrwert bieten, selbst wenn sie bisher noch nicht flächendeckend in der Praxis angewendet werden.
Nachfolgend sind einige Anwendungsgebiete aufgeführt, die sich besonders gut für die Implementierung von Mediationsklauseln eignen würden:
- Geschäftsverträge und Handelsabkommen:
- Mediationsklauseln könnten dazu beitragen, Streitigkeiten über Vertragsauslegung, Leistungspflichten oder Zahlungen effizient und kostensparend zu bearbeiten. Es bestünde prinzipiell die Möglichkeit, dass Unternehmen von derlei einvernehmlichen Streitbeilegung profitieren, die Geschäftsbeziehungen aufrechterhalten, soweit gewollt, und lange Rechtsstreitigkeiten vermeiden. All das wäre aber auch nicht ausgeschlossen und könnte trotz der Vereinbarung durchgeführt werden. Mediationsklauseln verhindern keinesfalls absolut Gerichtsprozesse; sie gewähren viel eher die Möglichkeit zu wählen.
- Arbeitsrechtliche Vereinbarungen:
- In Arbeitsverträgen oder Betriebsvereinbarungen könnten Mediationsklauseln helfen, Konflikte zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern frühzeitig zu identifizieren und zu Wege vorzuzeichnen, die sodann beschritten werden können. Dies könnte das Betriebsklima verbessern und arbeitsrechtliche Auseinandersetzungen minimieren.
- Immobilien- und Mietverträge:
- Bei Miet- oder Pachtverträgen könnten Mediationsklauseln genutzt werden, um Streitigkeiten über Mietbedingungen, Reparaturen oder Mietzahlungen einvernehmlich zu lösen. Dies würde sowohl Vermietern als auch Mietern zugutekommen und gerichtliche Auseinandersetzungen vermeiden. Hier sei vor allem an geschäftliche und gewerbliche Mietverträge zu denken!
- Familienrechtliche Vereinbarungen:
- In Eheverträgen oder Scheidungsvereinbarungen könnten Mediationsklauseln eingebunden werden, um zukünftige Streitigkeiten über Unterhalt, Sorgerecht oder Vermögensaufteilung friedlich zu lösen. Dies könnte besonders in emotional geladenen Situationen hilfreich sein und langwierige Gerichtsverfahren vermeiden. Vermutlich bestehen hier die meisten praktischen Erfahrungen mit konfliktantizipierenden und -präventiven Mediationsklauseln.
- Erbverträge und Erbauseinandersetzungen:
- Mediationsklauseln in Erbverträgen oder Testamenten könnten helfen, familiäre Konflikte über die Erbverteilung zu vermeiden. Durch eine einvernehmliche Lösung könnten familiäre Beziehungen frühzeitig geklärt und kostenintensive „Abrechnungsverfahren vor Gericht“ verhindert werden.
- Bau- und Ingenieurverträge, auch IT-Projektverträge:
- In Bauverträgen könnten Mediationsklauseln sinnvoll sein, um Konflikte über Bauleistungen, Zeitpläne oder Kostensteigerungen zu regeln. Eine frühzeitige Konfliktlösung könnte Bauverzögerungen und zusätzliche Kosten vermeiden. Ein höchst komplexe Materie mit höchst unterschiedlichen Interessenlagen.
- Kooperations- und Forschungsabkommen:
- Bei Forschungs- und Entwicklungskooperationen könnten Mediationsklauseln verwendet werden, um Konflikte über geistiges Eigentum, Forschungsergebnisse oder Finanzierung einvernehmlich zu lösen. Dies würde die Zusammenarbeit fördern und langwierige Rechtsstreitigkeiten vermeiden.
- Versicherungsverträge:
- In Versicherungsverträgen könnten Mediationsklauseln helfen, Streitigkeiten über Schadensregulierungen, Versicherungsleistungen oder Vertragsauslegungen zu klären. Dies könnte sowohl für Versicherer als auch für Versicherungsnehmer vorteilhaft sein.
Die Implementierung von Mediationsklauseln in diesen Bereichen könnte dazu beitragen, eine frühzeitige und kosteneffiziente Konfliktlösung zu fördern. Sie würden ein konstruktives Klima schaffen und es den Parteien erleichtern, eine einvernehmliche Lösung zu erreichen, ohne sofort den Rechtsweg beschreiten zu müssen.
Insgesamt stellen Mediationsklauseln ein wirksames Instrument dar, um Konflikten präventiv zu begegnen und eine konstruktive Konfliktkultur zu fördern.
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