INKOVEMA-Podcast „Gut durch die Zeit“
#121 – Hinweisgeberschutzgesetz
Worum geht es beim Hinweisgeberschutzgesetz und was hat das mit Organisationsmediation zu tun?
Im Gespräch mit Sebastian Steeck
Gut durch die Zeit. Der Podcast rund um Mediation, Konflikt-Coaching und Organisationsberatung.
Sebastian Steeck, Jurist und Rechtsanwalt, seit 2021 kaufm. Vorstand der Diakonie Leipzig (1600 MA), zuvor acht Jahre Personalleiter der Diakonie Leipzig; Verwaltungs- und Verwaltungsrechtserfahrung als Referent im Hessischen Ministerium für Wirtschaft, Verkehr und Landesentwicklung sowie als Rechtsanwalt bei der Leipziger Anwaltskanzlei Füßer&Kollegen.
Fehlerkorrektur:
Im Interview wird fälschlicherweise vom Bundesjustizministerium als externe Meldestelle gesprochen; es muss freilich vom „Bundesamt für Justiz (BfJ)“ die Rede sein, das durch das Hinweisgeberschutzgesetz als externe Meldestelle vorgesehen wird!
Einführung
Whistleblower bzw. Hinweisgeber tauchen im Kontext von Organisationen auf, also in Unternehmungen und Behörden -, in dem sie auf Missstände aufmerksam machen, die trotz entgegenstehender Gesetze nicht unterbleiben oder ausgeräumt werden. Sie sind damit selbstredend in einem Bereich oder zu einem Zeitpunkt aktiv, die hoch konfliktär sind. Die Situationen weisen viele Beteiligte und entgegenstehende Positionen auf – typisch für eskalierende Konfliktlagen. Und mitunter werden von den Beteiligten paradoxerweise identische Interessen angemeldet und ins argumentative Feld geführt, die sich auf das Wohl der Organisation zusammenbündeln lassen – und einen guten Ausgangspunkt für Aushandlungsprozesse bilden.
Mediation ist als Verfahren hier häufig naheliegend, unterliegt aber zugleich der Missbrauchsgefahr. Es kann die Mitglieder und Stakeholder einer Organisation in konstruktive, vertrauliche Aushandlungsprozesse führen, es kann aber auch infolge dieser Vertraulichkeit als weiterer und destruktiver Geheimhaltungsversuch missbraucht oder zumindest eingeschätzt werden.
Insoweit tangiert das Whistleblower- bzw. Hinweisgeberschutzgesetz die Anwendbarkeit und Durchführung von Organisationsmediation – und zwar in ganz erheblichem Maße.
Zum Hinweisgeberschutzgesetz (das noch nicht erlassen wurde):
Das Hinweisgeberschutzgesetz (HinSchG) ist ein Gesetz, das Arbeitnehmer schützt, die Verstöße ihres Arbeitgebers gegen gesetzliche Vorschriften oder ethische Grundsätze melden. Es soll sicherstellen, dass Whistleblower, auch Hinweisgeber genannt, nicht benachteiligt oder bestraft werden, wenn sie Missstände offenlegen.
Das Hinweisgeberschutzgesetz sollte, nachdem es im Bundestag beschlossen wurde (Dezember 2021) im März den Bundesrat passieren. Das scheiterte jedoch. Der Bundesrat lehnte das Gesetz ab. Aktuell wird es im Vermittlungsausschuss verhandelt. Prinzipiell ist das Hinweisgeberschutzgesetz ein wichtiger Schritt für den Schutz von Hinweisgebern in Deutschland und wird dazu beitragen, die Transparenz und Rechenschaftspflicht in Unternehmen und Organisationen zu verbessern. Das Gesetz wird vermutlich für alle Unternehmen mit mehr als 50 Mitarbeitern und für Behörden auf Bundes- und Landesebene gelten. Genau hier liegen jedoch aktuelle Streitpunkte für die gesetzgeberischen Organe. Das Hinweisgeberschutzgesetz schützt Hinweisgeber, die Verstöße gegen Gesetze und Vorschriften melden, die die öffentliche Sicherheit und Gesundheit, den Umweltschutz, den Verbraucherschutz, die Finanz- und Steuervorschriften, den Arbeitsschutz und andere gesetzliche Vorschriften betreffen.
Das Hinweisgeberschutzgesetz sieht vor, dass die Arbeitgeber interne Meldekanäle einrichten müssen, um sicherzustellen, dass die Hinweisgeber ihre Bedenken und Anliegen in einem geschützten Umfeld melden können. Diese internen Meldekanäle sollen eine vertrauliche, sichere und leicht zugängliche Möglichkeit für Hinweisgeber bieten, Verstöße gegen Gesetze und Vorschriften zu melden. Darüber hinaus müssen die Arbeitgeber die Hinweisgeber über ihre Rechte gemäß dem Hinweisgeberschutzgesetz informieren und sie vor Benachteiligungen und Vergeltungsmaßnahmen schützen.
Interne Kanäle können auch beauftragte externe Personen oder Firmen sein, müssen also nicht als Angestellte der Firmen aktiv werden. Das ist praktikabel und bekannt aus der Figur des Datenschutzbeauftragten.
Das Hinweisgeberschutzgesetz verpflichtet die Arbeitgeber auch, eine angemessene Untersuchung der gemeldeten Verstöße durchzuführen und angemessene Maßnahmen zu ergreifen, um Verstöße zu beheben. Wenn ein Arbeitgeber Maßnahmen ergreift, um den Hinweisgeber zu benachteiligen oder zu bestrafen, kann der Hinweisgeber Schutzmaßnahmen in Anspruch nehmen, wie zum Beispiel die Einleitung eines Gerichtsverfahrens oder die Beantragung einer einstweiligen Verfügung.
Die Hinweisgeber haben auch das Recht, sich an externe Behörden zu wenden, wenn sie der Ansicht sind, dass ihre internen Meldungen nicht angemessen behandelt werden würden oder wurden oder wenn sie glauben. Die externen Behörden müssen sicherstellen, dass die Identität des Hinweisgebers geschützt bleibt und dass keine Vergeltungsmaßnahmen gegen den Hinweisgeber ergriffen werden.
Whistleblower und Hinweisgeber
Whistleblower sind Menschen, die internes Wissen über illegale, unmoralische oder unethische Aktivitäten in Unternehmen oder Regierungsorganisationen offenlegen. Sie können interne Dokumente, E-Mails, Video- oder Audioaufzeichnungen, oder andere Beweise sammeln und diese an Medien, Regulierungsbehörden oder die Öffentlichkeit weitergeben.
Whistleblower haben oft einen hohen Preis für ihre Enthüllungen bezahlt, darunter den Verlust ihres Arbeitsplatzes, sozialer Isolation und sogar rechtliche Verfolgung. Dennoch haben sie in der Geschichte eine wichtige Rolle gespielt, indem sie dazu beigetragen haben, Korruption, Missbrauch und Missstände in verschiedenen Bereichen aufzudecken.
Ein Beispiel für einen der bekanntesten Whistleblower der Geschichte ist Edward Snowden, der ehemalige NSA-Vertragsarbeiter, der Dokumente über die Massenüberwachung durch die NSA und andere Geheimdienste der USA an Journalisten weitergegeben hat. Snowdens Enthüllungen haben weltweit für Aufsehen gesorgt und haben eine globale Debatte über die Grenzen von Überwachung und Datenschutz ausgelöst.
Ein weiteres historisches Beispiel für Whistleblower ist Karen Silkwood, eine amerikanische Atomarbeiterin, die für die Sicherheit in einer Plutoniumfabrik kämpfte und sich später für die Sicherheit und Gesundheit der Arbeiter in der Anlage einsetzte. Silkwood wurde schließlich bei einem mysteriösen Autounfall getötet, der viele glauben lässt, dass es sich um einen Mord handelte, um sie zum Schweigen zu bringen.
Erfahrungsgemäß können Whistleblower in vielen Fällen ein hohes Maß an Isolation und Gegenwind erfahren, da viele Arbeitgeber und Regierungsbehörden versuchen werden, sie zum Schweigen zu bringen oder zu diskreditieren. Dies kann zu erheblichem Stress und emotionalen Belastungen für die Whistleblower führen.
Um Whistleblower besser zu schützen, gibt es verschiedene Initiativen und Gesetze, wie eben jetzt das Hinweisgeberschutzgesetz in Deutschland oder den Whistleblower Protection Act in den USA. Diese Gesetze sollen sicherstellen, dass Whistleblower ihre Bedenken ohne Angst vor Vergeltungsmaßnahmen durch ihren Arbeitgeber oder die Regierung melden können. Insgesamt haben Whistleblower eine wichtige Rolle bei der Aufdeckung von Korruption, Missbrauch und Missständen in Unternehmen und Regierungsorganisationen gespielt. Ohne sie wäre es schwieriger, Verantwortliche zur Rechenschaft zu ziehen und Missstände zu beseitigen. Daher ist es wichtig, dass ihre Arbeit und ihr Schutz weiterhin unterstützt und gestärkt werden.
Andererseits erscheint es angemessen zu beachten, dass die Figur des Whistleblowers einem tiefsitzenden Bedürfnis des modernen Menschen entspricht, der sich in einer unübersichtlichen Welt unbekannten Mächten gegenüberzusehen glaubt. Whistleblower stehen in der Tradition David vs. Goliath, Robin Hoods und ähnlichen einsamen Helden, die das Unmögliche für die vielen Einzelnen anvisiert haben: Edward Snowden und die auf ihn aufbauende Propaganda mag hier ebenso beispielhaft für diese Wirkungen stehen.
- Der Fall Brigitte Heinisch, den der Menschenrechtsgerichtshof in Straßburg entschied, (LINK zum Whistleblower-Netzwerk)
- Whistleblowing-Report der Fachhochschule Graubünden 2021 (LINK zur Pressemitteilung).
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