INKOVEMA-Podcast „Gut durch die Zeit“
#187 – Gibt es Generationen und Generationenunterschiede?
Beiträge aus der Konfliktdynamik. Teil 1
Im Gespräch mit Prof. Dr. Hannes Zacher
Autor und Gesprächspartner
Prof. Dr. Hannes Zacher: Professor für Arbeits- und Organisationspsychologie an der Universität Leipzig. Nach seiner Promotion an der Universität Gießen arbeitete er an verschiedenen Universitäten in Australien und den Niederlanden. In seinem Forschungsprogramm untersucht er die Themen Alter und Arbeit, Laufbahnentwicklung, Gesundheit und Arbeit sowie Nachhaltigkeit in Organisationen.
Gut durch die Zeit.
Der Podcast rund um Mediation, Konflikt-Coaching und Organisationsberatung.
Inhalt
Der Begriff »Generation« beschreibt eine Gruppe von Personen, die aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu bestimmten Geburtsjahren (z. B. 1980 bis 2000) und geteilter Erfahrungen (z. B. Einführung des Internet) zusammengefasst und mit einem Namen (z. B. »Generation Y«) versehen werden. Wenn mehrere dieser Gruppen hinsichtlich psychologischer Merkmale verglichen werden, geht es um »Generationenunterschiede«.
Das erste Ziel des Artikels von Hannes Zacher in der Konfliktdynamik ist es, das Konzept der Generationen kritisch zu beleuchten und mögliche Probleme einer Fokussierung auf Generationenunterschiede aufzuzeigen. Das zweite Ziel besteht darin, alternative Erklärungen für »intergenerationale« Konflikte und Potenziale in Kontexten wie Arbeit und Familie anzubieten. Dazu wird auf Unterschiede zwischen Individuen aufgrund ihres Lebensalters und ihres Ge-burtsjahrgangs (Kohorte) eingegangen.
Unsere Ausbildung in Mediation und Konfliktmanagement in der Wirtschafts- und Arbeitswelt,
geleitet von Prof. Dr. Sascha Weigel.
Neustart jeweils jährlich im März und Oktober.
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Organisationsmediation ist die Bearbeitung von Konflikten, die in der Wirtschafts -und Arbeitswelt aufkommen. Sie findet in, mit und für die Organisation statt – indem den relevanten Organisationsmitgliedern eine angemessene Bearbeitung der Konflikte ermöglicht wird.
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Zacher, Hannes: Gibt es Generationen und Generationenunterschiede? Eine kritische Analyse und Alternativen, in: Konfliktdynamik 1/2024, S. 13-18.
Kapitel
Einleitung in die Generationenforschung
Kritische Sicht auf Generationenkonzepte
Fazit und Ausblick auf Alternativen
Transkription des Gesprächs
[0:00]Aber so eine individualisierte Sichtweise ist produktiver, nimmt Menschen ernster als das Generationenkonzept. Herzlich willkommen zum Podcast Gut durch die Zeit, der Podcast rund um Mediation, Konfliktcoaching und Organisationsberatung. Ein Podcast von IncoFema. Ich bin Sascha Weigel und begrüße dich und euch zu einer neuen Folge. Unsere heutige Folge wird einen kleinen Auftakt machen, nämlich Beiträge aus der Konfliktdynamik, bei dem ich ja seit kurzem auch im Beirat bin. Und wir haben uns überlegt, wir werden einzelne Beiträge da auch nochmal die Autoren veröffentlichen. Und heute ist sozusagen der Auftakt mit Professor Hannes Zacher, Arbeits- und Organisationspsychologe an der Universität Leipzig. Herzlich willkommen, Herr Zacher. Danke, danke. Hallo, Herr Weigel. Heute soll es ja um ein Thema gehen, mit dem Sie sich beschäftigen.
[0:46]Generationen oder auch das Konzept von Generationen. Was davon dann übrig bleibt? Am Ende dieses Gesprächs werden wir mal schauen. Aber es trifft, soweit ich das empfinde, so Ihren Forschungsschwerpunkt. Vielleicht sagen Sie ein bisschen was zu Ihrer Person und wie es dazu kommt, dass Sie sich mit Generationen beschäftigen. Ja, also ich bin Psychologe. Das heißt, ich beschäftige mich in meiner Forschung mit dem menschlichen Erleben und Verhalten. Und mein Fachgebiet ist die Arbeits- und Organisationspsychologie. Deswegen schaue ich mir Verhalten und Erleben insbesondere im Kontext von menschlicher Arbeit und in Teams und Organisationen an. Und eines meiner Interessen ist das Thema Altern im Arbeitskontext und auch die Lebensspannentwicklung von Berufstätigen. Weitere Forschungsschwerpunkte sind berufliche Gesundheit und auch Nachhaltigkeit bei der Arbeit. Aber das Thema Generationen interessiert mich, weil ich eben diesen Forschungsschwerpunkt Arbeit und Alter habe und wie sich Menschen unterschiedlichen Alters bei der Arbeit unterscheiden, welche Konsequenzen das hat. Und da bin ich immer wieder auf das Thema Generationen und Generationenunterschiede gestoßen und mich deswegen da auch reingearbeitet und kritisch mit dem Thema auseinandergesetzt. Ja, man kommt heute nicht mehr um Generationen oder um Gespräche über und von Generationen drumherum. Gerade in Konfliktbearbeitungen und Organisationen wird das Thema häufig unter dieser Überschrift verhandelt. Und ich nehme das so, seit, würde ich sagen, so zehn Jahren ungefähr war, dass es um Generationen so einen Hype gibt, auch wie sie das benennen.
[2:14]Musste mich aber erinnern, als ich ihren Aufsatz gelesen habe.
[2:17]Das war zu Studienzeiten die Generation Golf. Das war, glaube ich, von Florian Illis ein Buch. Das habe ich lange Zeit irgendwie nicht mehr über Generationen nachgedacht oder so eine Zuschreibung gehört. Aber seit über zehn Jahren, ich weiß nicht, ist diese Beobachtung also auch aus Ihrer Perspektive haltbar, dass das so einen richtigen Hype gibt oder gab? Ja, das Buch von Florian Illis habe ich tatsächlich auch gelesen vor langer Zeit, schon sehr lange her. Und auch diese Einteilung in Generation X und Y gibt es schon länger. Aber tatsächlich ist es so, dass gerade in den letzten 10, 15 Jahren so seit den Nullerjahren das Thema Generationen verstärkt Beachtung findet.
[2:53]Und es schwappt auch aus den USA zu uns rüber. Und gerade diese Vergleiche zwischen Boomern, Millennials und jetzt Gen Z, die nehmen zu. Und es ist nicht nur ein Thema für die Wissenschaft, sondern es ist auch ein großer Markt. Das heißt, Zeitschriften, Fernsehsendungen, Unternehmensberatungen verdienen Geld mit dem Thema Generationen und Generationenunterschiede. Und das ist auch für mich völlig in Ordnung. Es zeigt auch, dass es da ein großes Interesse gibt, Veränderungen zu verstehen oder auch vermeintliche Unterschiede zwischen Menschen zu verstehen. Und meiner Beobachtung nach scheint es, und vielleicht passt das auch dazu, einen intensiven, dankbaren Handschlag zu geben zwischen wissenschaftlichen Veröffentlichungen, auch Sachbücher und dem Markt von Beratern oder auch in der Personalentwicklung, also dann so die Anwendungsbereiche. Es scheint eine Konzeption zu sein, die ist eingängig und auch plausibel. Also es streitet sich ja alt und jung. Ja und nein. Ich sehe es eher kritisch. Also es gibt tatsächlich viele Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die populärwissenschaftliche Bücher zum Thema Generationen schreiben und sich natürlich auch auf wissenschaftliche Forschung beziehen. Also ein Buch heißt zum Beispiel iGen, wo es um die Generation iPhone geht.
[4:01]Das ist im Grunde die Gen Z, die mit den iPhones aufgewachsen ist. Aber die Wissenschaftlichkeit geht mir etwas verloren bei diesen populärwissenschaftlichen Büchern, denn da geht es auch immer darum, eine steile These zu verkaufen. Bei diesem Buch beispielsweise darum, dass die junge Generation ständig vom Handy abhängt und auch bestimmte Dinge verkümmert, also dass sie zum Beispiel nicht mehr so interaktionsfähig oder auch konfliktscheu ist beispielsweise.
[4:25]Telefonnummern bemerken, man weiß keine Telefonnummer mehr. Es ist sehr häufig mit negativen Zuschreibungen dann auch verbunden. Und diese Bücher verkaufen sich unglaublich gut und haben auch den wissenschaftlichen Anschein, weil sie von Wissenschaftlern und Wissenschaftlern geschrieben werden. Wenn man sich die Generationenforschung aber etwas genauer anschaut, gibt es da einiges dran zu kritisieren. Und das hat mir beim Sichten der Literatur und auch beim Lesen von diesen populärwissenschaftlichen Büchern so ein bisschen gefehlt, diese kritische Sichtweise auf Generationen und Generationenunterschiede und ob da wirklich was dran ist. Steigen wir doch dort genau ein. Wenn so ein Konzept plausibel ist und scheinbar vielen einfach eine Erklärung für die Phänomene, die sie wahrnehmen auf Arbeit, mit den Kollegen oder auch in der Nachbarschaft bietet, wo steckt das Problem? Warum lohnt es sich vielleicht nicht.
[5:12]Ausschließlich oder durchgehend in Generationen zu denken? Und was geschieht eigentlich, wenn wir in Generationen denken? Weil Sie haben vorhin das Thema Alter angesprochen. Mir scheint das irgendwie einen Unterschied zu machen. Ja, Menschen unterscheiden sich in ihrem Alter. Es gibt junge, mittelalte, ältere und sehr alte Menschen. Und wir altern natürlich auch ganz individuell. Jeder und jeder von uns wird älter jeden Tag. Und da ist ein Prozess, der in uns abläuft. Das heißt, Alter ist eine sogenannte kontinuierliche Variable. Sie ist fließend, sie passiert in uns und wir können auch andere Menschen hinsichtlich ihres Alters kategorisieren. Das heißt, es ist sehr intuitiv zu sagen, das sind die Jungen, das sind die im mittleren Lebensalter und das sind die Älteren oder sogar sehr Alten, zum Beispiel die über 80 oder 85-Jährigen. Und das Thema Generationen dockt da an und es ist eine vereinfachte Kategorisierung, weil Menschen basierend auf ihrem Lebensalter beziehungsweise auch auf ihrem Geburtsjahrgang in Kategorien eingeteilt werden. Und das heißt, die Generationenforschung, beziehungsweise auch die sogenannte Generationenindustrie.
[6:17]Wie ich sie nenne, geht ran und sagt, naja, diejenigen, die zwischen 1980 und 2000 geboren sind, versehen wir jetzt mit einem Label, zum Beispiel Generation X oder Millennials oder jetzt neu Gen Z. Und das ist sehr intuitiv. Es macht irgendwie Sinn, dass Personen, die innerhalb eines bestimmten Zeitraums geboren sind, eine Generation sind, in der bestimmte Dinge auftreten. Passiert sind, wie zum Beispiel 9-11 oder die Einführung des iPhones, Corona. Und da haben sich bestimmte Generationenkategorien etabliert, die zumindest in der westlichen Welt genutzt werden, sowas wie Generation X, Y und Z. Interessanterweise werden die in anderen Kulturen gar nicht so verwendet. Ein Kulturelphänomen auch. Es ist ein kulturelles Phänomen und es ist im Gegensatz zum Lebensalter.
[7:02]Sind Generationen etwas, was kulturell erfunden wird. Das wird von Journalisten, Wissenschaftlern, Unternehmensberatern kreiert. Mein Argument ist im Grunde, dass Generationen was Künstliches sind und eine menschliche Erfindung, weil wir bestimmten Altersgruppen oder Geburtsjahrgängen dieses Label aufdrücken. Das heißt, eine Generation X ist nicht etwas, was objektiv existiert, sondern wir machen eine Generation erst dazu. Das heißt, wir bringen sie zum Entstehen. Das ist sozusagen der Kernpunkt meiner Kritik, dass diese Altersgrenzen, die festgelegt werden, 1980 bis 2000, dass die arbiträr sind, also künstlich. Warum nimmt man nicht 1990 und 2010? Und das Problem haben wir immer, wenn kontinuierliche Variablen zerstückelt werden. Dann könnte man doch aber auch sagen, naja, vielleicht ist das Modell, das 1980 bis 2000 abgrenzt, unzureichend. Dann lassen sie uns eine bessere Abgrenzung finden. Meinetwegen, vielleicht ist 75 doch irgendwie entscheidender gewesen wegen Wirtschaftskrise oder so. Und dann nehmen wir noch 89 als markante Grenze. Und dann könnten wir ja das Modell verbessern, dieses Konzept, aber an sich ist das Konzept noch tragfähig. Aber mir scheint, es ist nicht tragfähig, das in so 10er oder 15er Jahre Bereiche zu kategorisieren, was sie kritisieren.
[8:19]Ja, im Grunde sind diese Übergänge auch fließend. Es passieren ständig historische Ereignisse. Manche sind natürlich bedeutsamer als andere. Also 1989 beispielsweise, das prägt natürlich Menschen sehr unterschiedlichen Alters. Aber historische Ereignisse sind genauso wie das Lebensalter fließend. Und die Realität ist einfach viel komplexer als Generationen-Einteilung oder Generationen-Kategorien. Ein weiteres Problem ist, dass wenn wir bestimmten Geburtsjahrgängen diese Labels aufdrücken und auch mit vermeintlichen Eigenschaften versehen, dass wir Stereotype und unmöglich sogar Diskriminierung fördern. Das heißt, die Generationenindustrie setzt nicht nur diese Altersgrenzen fest, sondern sie sagt dann auch, die Gen Z aufgrund bestimmter historischer Ereignisse ist weniger leistungsmotiviert beispielsweise oder ist weniger loyal gegenüber Unternehmen. Und das ist ein großes Problem, denn häufig sind diese Zuschreibungen, diese Eigenschaften, mit denen Generationen versehen werden, willkürlich, widersprüchlich, teilweise gar nicht so unterschiedlich von Eigenschaften, die anderen Generationen zugeschrieben werden. Und aus psychologischer Sicht ist es einfach auch ein Fehlschluss zu sagen.
[9:25]Eigenschaften, die so einer Gruppe zugeschrieben werden, treffen auf alle Mitglieder dieser Gruppe zu, sondern die Individuen, die sich in diesen Gruppen befinden, unterscheiden sich sehr stark voneinander und unterscheiden sich sogar stärker untereinander, als diese Generationengruppen sich voneinander unterscheiden. Das erscheint mir tatsächlich ein ganz plausibler Grund, dass das Konzept hinkt, dass diese Unterschiede in einer Gesellschaft, die ohnehin sehr auf individuelle Markierungen guckt und auch jeder bedacht ist, dass er als Individuum wahrgenommen wird, dass die größer sind als zwischen den Gruppen. Und damit ist es eine Zuschreibung von außen, die dann…
[10:01]Zu einem Label führt oder auch zu einer Vereinfachung. Jetzt ist das ja auch der Sinn von solchen Modellen, sich ein Bild zu machen, wo die Komplexität der einzelnen Individuen und der Gesamtgesellschaft erleichtert wird, damit eben auch, ich sage jetzt mal, nicht studierte Professoren irgendwie ein Bild machen können. Was gibt es denn für eine Alternative, wenn wir nicht in Generationen denken, diese Erfahrungen, die ja doch häufig beschrieben werden. Ich kann mit den Jungen nicht so gut arbeiten. Oder die machen das einfach und setzen sich dahin Und die haben den Computer noch nie vorher gesehen. Ich brauche da einfach länger oder irgendwelche Klischee-Differenzen, die ja auch benannt sind und die ja auch real sind. Die sind ja nicht nur konstruiert.
[10:42]Absolut. Und so sehr ich dieses Generationen-Konzept auch ablehne oder problematisch finde, es hat natürlich eine Funktion. Sie vereinfacht eine sehr komplexe Realität und hilft uns auch. Sie bietet Heuristiken, also Anhaltspunkt, wie man mit anderen Menschen anderen Alters vielleicht umgehen könnte oder sie besser verstehen kann. Und deswegen wird das auch so dankbar angenommen, dieses Konzept. Häufig ist es ja so, dass ältere Menschen in Organisationen, Führungskräfte nicht mehr so richtig verstehen oder besser verstehen wollen, wie die jüngere Generation so tickt. Ich glaube, es gibt eine Alternative, die konstruktiver ist. Im besten Falle ist das Generationendenken wirklich Zeit- und Geldverschwendung. Wenn ein Unternehmen beispielsweise sagt, wir kaufen jetzt Workshops ein, um Gen Z zu führen oder besser zu verstehen. Das ist Zeit- und Geldverschwendung. Im schlimmsten Fall fördert es Stereotype und lenkt vom Eigentlichen ab. Bevor wir zu den Alternativen kommen, weil da finde ich, können wir doch nochmal einen Kritikpunkt, der mir im Beitrag aufgefallen ist, nochmal vertiefen und dann können wir zu den Alternativen gehen. Sie hatten das beobachtet.
[11:44]Einerseits, es wird häufig von den Älteren zu den Jüngeren die Generation deklariert. Und gerade das so mit, okay, Boomer scheint wirklich wie ein Bumerang zu wirken. Dass man eben zunächst abgestempelt wurde und da aus der Reaktion heraus dann sagt, jetzt guckt euch doch mal selber an. Ihr habt uns da reingeritten oder was auch immer. Die Kritik ist also einerseits, es wird immer von den Älteren zu den Jüngeren, was vielleicht auch einfach damit zusammenhängt, dass Ältere in den Positionen sind, dass sie Bücher schreiben und gehört werden etc. Und das andere war dieser Erleichterungseffekt, ich muss mich gerade nicht mehr mit dem Karl oder der Yasin auseinandersetzen, die neben mir arbeitet neu im Team. Ich weiß einfach schon, wer das ist. Eine von der Gen Z und die sind so gut.
[12:28]Diskussion Ende. Das fand ich einen wichtigen Punkt, der mir so vorher nicht klar war. Deswegen ist dieses Konzept aus psychologischer, wissenschaftlicher Sicht so interessant. Was passiert eigentlich? Und traditionell sind es eher ältere Menschen, die Stereotypen ausgesetzt sind. Altersstereotypen. Also zum Beispiel, dass ältere Beschäftigte weniger leistungsfähig sind und weniger lernfähig etc. Aber was das Generationenkonzept macht, es dreht die Altersdiskriminierung oder Stereotypisierung im Grunde um. Weil in der Regel wird es auf die jüngere Generation bezogen, die Gen Z, die Millennials, die irgendwie anders sind. Und in der Regel sind diese Eigenschaften auch negativ. Also, null Bock auf Arbeit wäre sowas. Oder weniger loyal. Oder die können nicht mehr richtig Rechtschreibung und so weiter. Okay, Boomer ist andersrum.
[13:14]Eigentlich ist die Boomer-Generation eher positiv besetzt. Die sind sehr leistungsmotiviert, loyal, haben viel aufgebaut, etc.
[13:22]Und interessanterweise zeigt die Forschung auch, dass Ältere, wenn sie sich mit ihrer Generation identifizieren, dass das ihren Selbstwert erhöht. Also Ältere sagen lieber, ich bin Boomer, als dass sie sagen, ich bin alt. Weil alt ist negativ besetzt, während Boomer positiv besetzt ist. Ja, die Älteren nutzen das traditionell. Das ist nicht nur in den letzten zehn Jahren so, sondern man kann zurückgehen zu den alten Griechen. Sokrates hat schon gesagt, die jüngere Generation ist faul und unzuverlässig. Das ist ein ganz altes Phänomen, dass sozusagen die meinungsstarke Generation, Die älteren, die Bücher schreiben, die festsetzen, wie wir über die Gesellschaft sprechen und nachdenken, dass die sagen, die jüngere Generation ist irgendwie defizitär. Und genau das passiert, wenn wir über die Gen Z sprechen, dass es häufig so einen negativen Anklang hat und dann eben auch alle Jüngeren in eine gewisse Schublade schiebt. Und vielleicht den Punkt, weil das muss ich nochmal konzeptionell klar bekommen. Wenn wir in der Historie sozusagen feststellen können, die Jüngeren waren schon immer so im Fokus der Älteren negativ besetzt und das Urteil war, die Jüngeren sind so und so. Das ist konzeptionell was anderes, als wenn man sagt, die Generation XY ist so und so. Weil das Alter, so habe ich jetzt das verstanden, ist eine andere Kategorie, weil es fluider ist, zieht nicht so harte Grenzen, sondern man kann einfach wirklich auch in Jahren oder Monaten sozusagen einordnen, als wenn ich das in eine Generation mache.
[14:46]Genau, es gehen einfach sehr viele Informationen verloren.
[14:49]Nehmen Sie diese Einteilung der Millennials in 1980 bis 2000 Geborene. Generation Y war das, glaube ich, habe ich knapp verpasst. Ich bin 1979 geboren, gehöre also noch zur Generation X. Es ist nicht jetzt eine kleine Bewertung abzugeben auf Apple Podcast oder auf dem Podcast Catcher deiner Wahl. Vielen Dank. Und das zeigt auch so ein bisschen die Absurdität des Ganzen. Wenn ich zwei Monate später geboren wäre, wäre ich ein Millennial gewesen. Ich habe es aber knapp verpasst.
[15:20]Es gibt ein YouTube-Video, das hat eine Zwischengeneration. Ich bin 77er Jahrgang.
[15:25]Eine so von 76 bis 83, die man zwischen die beiden Klassischen gesetzt hat und hat dazu ein eigenes Konzept gemacht. Also da könnten wir uns dann wahrscheinlich auch nochmal drinnen aufheben. Letztlich würde man wahrscheinlich wieder bei den Altersangaben und Altersspannen wiederfinden. Also Generation ist sozusagen ein zu grobes Muster, als dass man die Ergebnisse damit gut verwerten kann. Sowohl in der Wissenschaft als auch im Arbeitsalltag. Viel zu grob. Einteilung in 20 bis 30 Jahre. Die würden ja sagen, jemand, der 1980 geboren ist, hat mehr mit jemandem gemein, der 2000 geboren ist, als jemand, der 1979 geboren ist, mit dem, der 1980 geboren ist. Deswegen ist das Alter, was dynamisch ist, was kontinuierlich ist, eine viel bessere Herangehensweise an Veränderungen und Unterschiede auch zwischen Menschen und auch so Konzepte wie Generation Golf. Das treibt das Ganze auf die Spitze im Grunde, weil Medien, Unternehmensberatungen solche Labels erfinden. Da gibt es viele schöne Beispiele. Generation Golf, Generation Stress, Generation Merkel, Generation Corona. Und was machen die eigentlich? Die stecken alle jungen Leute in die Generation Corona und sagen, das ist die ängstliche Generation. Und das finde ich eine sehr, sehr ungünstige Zuschreibung, weil natürlich gibt es in dieser Gruppe ängstliche Menschen oder auch Personen, die sehr unter Corona gelitten haben und die das nachhaltig beeinflussen. Aber es gibt eben auch andere. Alle jungen Leute in dieses Label, in diese Schublade zu stecken, ist aus psychologischer Sicht höchst problematisch, fördert Stereotype und womöglich auch Diskriminierung.
[16:55]Also wenn wir feststellen, dass dieses Generationenkonzept sehr grob ist. Es ist etwas feiner als die, es gibt die Jungen, es gibt die Alten und deren Konflikte sind auch schon immer benannt worden. Was wäre eine Alternative, die die Falle umgeht, ein Stereotyp zu entwickeln? Also das Generationenkonzept kommt ja aus der Disziplin Soziologie und Karl Mannheimer hat gesagt, wir brauchen das Konzept, um zu verstehen, wie gesellschaftlicher Wandel passiert.
[17:20]Und das Konzept wurde im Grunde pervertiert und so haben das die Erfinder aus der Soziologie gar nicht beabsichtigt. Irgendwann wurden eben diese Kategorien, diese starren Altersgrenzen eingezogen und das Ganze wurde vermarktet und so weiter. Aus meiner Sicht ist eine psychologische Herangehensweise an Unterschiede zwischen Menschen sinnvoller. Das heißt, wir fokussieren auf das Individuum und schauen uns an, wie unterscheidet sich ein Individuum von anderen Individuen und wie entwickelt sich ein Individuum über die Zeit. Ganz praktisch als Führungskraft in einem Unternehmen sollte ich lieber mich mit einzelnen Mitarbeitenden auseinandersetzen, als sie in eine Gruppe einzuteilen und ihnen so ein Label überzustülpen. Sondern ich sollte mich fragen, warum ist der Peter heute wieder zu spät gekommen? Welche familiären Umstände hat er oder welche Sorgen und Nöte schäftigen den gerade? Und welche Entwicklungsmöglichkeiten hat er auch? Also wie kann er besser mit Stress umgehen? Wie kann er sich hier im Unternehmen entwickeln über die Zeit? Und so eine individualisierte Sichtweise, die ist aufwendig, die ist viel anstrengender als zu sagen, Peter ist ein Millennial, der ist nicht so zuverlässig wie seine älteren Kollegen. Aber so eine individualisierte Sichtweise ist produktiver, nimmt Menschen ernster als das Generationenkonzept.
[18:32]Unbestritten. Und gleichzeitig verunmöglicht es, in einer Massengesellschaft effizient…
[19:10]Ja, ja. Notwendigkeit. Absolut. Und wir brauchen auch solche Theorien. Ich sage nur, die Generationen und Generationenunterschiede basiert nicht auf einer soliden Theorie. Aber wir haben gute, lebensspannende Theorien, die sagen, es gibt normative Veränderungen mit dem Alter. Schule, Ausbildung, Familiengründung vielleicht, Ruhestand, solche Dinge, die passieren bei vielen Menschen. Und wir wissen auch, dass sich mit dem Alter psychologische Merkmale verändern. Zum Beispiel wächst unsere Erfahrung mit der Zeit. Wir lernen, wie wir besser mit Stress umgehen können. Viele Menschen werden gelassener mit dem Alter.
[19:43]Gleichzeitig nimmt die Fähigkeit, schnell Informationen zu verarbeiten, nimmt mit dem Alter leicht ab. Also wir wissen sehr viel aus der lebensspannenden Psychologie, wie sich Menschen mit dem Alter verändern. Und das brauchen wir auch in der Tat. Es bietet aber auch Heuristiken und wir sollten da auch nicht vergessen, dass sich Menschen voneinander unterscheiden in ihrer Entwicklung. Das Generationenkonzept greift da aber viel zu kurz. Gleichzeitig ist es aber natürlich so, dass viele erfahrene Führungskräfte in Unternehmen sagen, die jungen Leute heute, die pochen viel mehr auf Work-Life-Balance, wenn sie sich bei uns bewerben. Daraus aber den Schluss zu ziehen, die Gen Z ist irgendwie anders, greift zu kurz, ist eigentlich falsch, weil der Arbeitsmarkt hat sich verändert. Das heißt, nicht nur Menschen entwickeln sich über die Zeit, auch unsere Umwelt, Arbeitsmarkt, Technologie, Wirtschaft, Gesellschaft verändern sich und Menschen reagieren auf diese Veränderung. Das heißt, in Zeiten, wo es einen Fachkräftemangel und einen demografischen Wandel gibt, haben junge Menschen viel mehr Möglichkeiten, sich auf dem Arbeitsmarkt eine gute Situation zu erarbeiten. Das heißt, sie müssen nicht mehr Arbeitsbedingungen annehmen, die aus ihrer Sicht ungünstig sind. Aber das Interessante ist, dass sich die jungen Menschen gar nicht so stark von ihren Eltern und Großeltern unterscheiden. Die wollten nämlich auch eine gute Balance zwischen Arbeit und Familie, aber sie konnten sie nicht einfordern. Weil heute ist es so, dass junge Menschen… War das schon eine Verbesserung? Absolut.
[21:05]Arbeitsgrenzen gab und Arbeitszeitgesetze und dergleichen. Absolut. Die ältere Generation hatte viel weniger Möglichkeiten. Die haben einen Job angenommen und blieben dann häufig in einem Unternehmen bis zur Rente. Die jüngere Generation sagt, ich schaue mir genau an, was bieten mir Unternehmen und wenn ich mehrere Angebote habe, nehme ich natürlich das, was meinen Bedürfnissen eher entgegenkommt. Hätten ihre Großeltern und Eltern genauso gemacht, hatten aber nicht die Möglichkeiten. Und daraus dann zu machen, die Gen Z ist nicht mehr so motiviert oder achtet zu stark auf Work-Life-Balance, das ist auch irgendwie unfair.
[21:36]Als Arbeitspsychologe würde ich sogar sagen, man sollte die jungen Leute beglückwünschen, wenn sie auf ihre Work-Life-Balance und ihre Gesundheit achten, weil sie müssen ja noch bis 67, vielleicht sogar 70 arbeiten. Das ist eigentlich nur eine rationale Sache, die dort passiert. Ja, das kann ich absolut bestätigen. Und eigenartiger oder paradoxerweise geschieht ja das, was in so Konflikt- oder Unzufriedenheitssituationen häufig ist. Es wird personalisiert und es wird psychologisiert. Der Einzelne ist schuld oder du bist jetzt nicht arbeitsfleißig und auch nicht gesellschaftsfähig, weil du einfach nur an dich denkst. Nicht mehr einfügen, nicht mehr unterordnen, schon gar nicht auch einordnen. Also das wird dann individuell zugeschrieben und negativ natürlich konnotiert. Da passiert ja aber genau das, was eher kritisch ist, nämlich dass in Konflikten zu schnell auf den Einzelnen geguckt wird und nicht auf das große Muster oder den großen Kontext. Ja, wir nennen es in der Psychologie den fundamentalen Attributionsfehler. Wenn es ein Problem gibt, schauen wir erst, welchen Beitrag leistet das Individuum und das macht das Generationenkonzept im Grunde. Es schaut darauf, wie sind die Werte unterschiedlich, warum haben die andere Einstellungen. Aber im Grunde vernachlässigt es die kontextuellen Einflüsse. Also zum Beispiel einen sehr dynamischen Arbeitsmarkt oder eine Corona-Pandemie, die natürlich Menschen beeinflussen. und gleichzeitig ist es eben auch so starr. Das heißt, wenn man einmal zur Gen Z gehört und bestimmte Eigenschaften hat, kommt man da gar nicht mehr raus.
[22:58]Also zu sagen, diese Generation ist weniger arbeitsmotiviert, Menschen entwickeln sich über die Zeit, Menschen lernen, sie gewinnen an Erfahrung und das lässt dieses Generationenkonzept überhaupt nicht zu. Das heißt, steckt Leute in Kategorien und lässt sie da auch nicht mehr raus.
[23:14]Ja, das geht mir auch sofort eingängig. Kann ich auch an mir selber jetzt mittlerweile. Also der Kipppunkt 45 ist überschritten. Ich ordne Dinge an, das zuführen, die ich selber überrascht bin. Also jetzt Arbeit, Beruf, Familie. Und das würde ich mit dem Generationsrezept nicht erwarten dürfen, dass andere mir das zugestehen, weil ich halt einmal gefangen bin in der Generation 77er Jahrgang. Was weiß ich, Y glaube ich, ist das noch gewesen. Naja, und die Gefahr ist, dass es auch sich selbst erfüllende Prophezeiungen dann gibt, weil wenn wir jungen Menschen einreden, sie gehören zu einer bestimmten Generation, ob das jetzt Gen Z oder Generation Corona oder Generation Praktikum ist, irgendwann, wenn das immer wieder von den Medien kolportiert wird und sogar Wissenschaftler sagen, es gibt diese Generation.
[23:57]Irgendwann glaubt man es auch selbst und verhält sich vielleicht auch entsprechend. Oder traut sich vielleicht auch gar nicht mehr zu sagen, ja, ich bin leistungsmotiviert oder was auch immer. Das heißt, diese Generationen-Zuschreibungen müssen eigentlich aufhören und deswegen vermeide ich diese Begriffe, versuche das auch zu vermeiden. Also in meinen Schriften nenne ich die Generationen auch nicht mit Namen, weil wir die ständig sozusagen wieder ins Leben rufen und verfestigen diese Zuschreibungen. Ja, ein anderer Gedanke, den wollte ich noch ansprechen, den habe ich jetzt nicht in Ihrem Aufsatz so rausgelesen, aber Sie haben den Kollege Matthias Schröder, der soziologisch mit diesen Befragungen über die Zeit hinweg nachgewiesen hat, dass die Unterschiede in den Wertvorstellungen überhaupt nicht groß oder intensiv oder auch gar nicht vorhanden sind. Wenn man also schaut, dass jemand, wenn man ihn befragt mit in den 20er Jahren, also wenn er 20 plus ist und dann 30 plus und 40, 50 plus, also Befragungen, die über Generationszeiten hinweg stattfinden, können wir herauslesen, dass es keine Unterschiede gibt zwischen den Generationen. Können Sie das aus Ihrer Perspektive der Organisationspsychologie betrachten? Also ist es das, was Sie mit Lebensspannen meinen? Ja, der Martin Schröder ist einer der wenigen Soziologen, der das auch empirisch untersucht und der auch sehr kritisch ist. Er nennt es sogar den Generationenmythos. Also das Generationenkonzept, einmal ist es problematisch, weil es keine Theorie zu Unterschieden zwischen Generationen wirklich gibt und das Konzept aus theoretischer Sicht sehr fragwürdig ist.
[25:18]Methode lassen sich Generationenunterschiede nur sehr schwer zeigen. Es reicht nicht, Menschen zu einem Zeitpunkt zu befragen und dann Menschen unterschiedlichen Alters in Kategorien einzuteilen. Dann wissen wir nämlich nicht, ob die Unterschiede, die wir finden, durch Alterungsprozesse entstanden sind oder sie tatsächlich auf den Geburtsjahrgang zurückzuführen sind. Und was Kollege Schröder macht, ist, er schaut sich Langzeitstudien an und findet, dass Unterschiede in Werten eher durch die Alterungsprozesse entstehen als durch den Geburtsjahrgang. Das heißt, man unterliegt einfach einem eigenen blinden Fleck, wenn man jung und alt jetzt differenzieren will in Generationen, weil man selber seine eigene Wertvorstellung, als man jung war.
[25:56]Letztlich nicht mit in die Rechnung bringt. Genau. Also ich würde mich davor hüten, zum Beispiel als älterer Professor zu sagen, die jungen Studierenden von heute sind nicht mehr so leistungsmotiviert. Oder manche Kollegen gehen ja sogar so weit zu sagen, die heutige Studierendengeneration kann nicht mal lesen und schreiben oder beherrscht die Rechtschreibung nicht mehr. Das ist natürlich vollkommener Quatsch. Es ist sehr plakativ. Es dient dazu, die eigene Generation aufzuwerten, indem man die andere Generation abwertet. Es vernachlässigt die Erkenntnis, dass die jüngere Studierendengeneration viel diverser ist. Viel mehr Frauen sind dabei, viel mehr Menschen mit Migrationshintergrund. Und das Ganze wirkt für mich wie so eine Abwehrreaktion im Grunde. Es verkennt auch, dass man selbst als Professor natürlich auch nur einer von wenigen aus der Generation ist, die einen sehr hohen Bildungsabschluss beispielsweise hat. Und man verkennt damit reale Unterschiede und sagt eigentlich mehr über sich selbst aus als über die jüngere Generation.
[26:48]Jetzt haben wir uns so mit diesem Konzept auseinandergesetzt und bevor ich zu einer Zusammenfassung komme, war jetzt noch ein Punkt, Sie sagten, es gibt gar keine Theorie, die dieses Generationenkonzept unterlegt. Also das heißt, diese Unterschiede als solches, die benannt werden und die dann deklariert werden, schön in einer Tabelle aufgelistet werden, sind einfach plausibel erscheinende Zuschreibungen und man hat aber noch nicht einen theoretischen Unterbau, weshalb das so zustande kommt. Und es würde mich ausreichen zu sagen, naja, weil halt das iPhone 2005 noch nicht existierte. Nein, das ist eine sehr schwache Theorie. Ich vergleiche das auch gerne mit Horoskopen. Also im Grunde sind Generationenunterschiede so valide, so wissenschaftlich gültig wie Horoskope. Horoskope ist auch eine Industrie. Wenn man sich so Zeitschriften anschaut, die beim Friseur liegen, da gibt es natürlich Horoskope. Und die teilen Menschen auch nach ihrem Geburtstag ein in grobe Gruppen und sagen dann, Sternzeichen Steinbock, dir passiert diese Woche das und das oder du bist so und so. Ja, manchem passiert das dann tatsächlich aus dieser Gruppe, aber natürlich nicht allen. Und alle wissen das auch irgendwie. Und die Mehrheit der Menschen sagt, Horoskope sind Quatsch. Interessanterweise sind Generationen gar nicht so anders als Horoskope. Sie unterteilen auch Menschen in arbiträre Gruppen und schreiben ihnen Eigenschaft zu. Interessanterweise lässt sich damit sehr viel Geld verdienen und Menschen glauben daran.
[28:05]Astrologie ist keine seriöse Wissenschaft. Die meisten Menschen würden auch intuitiv sagen, das ist Quatsch. Und genauso ist es im Grunde bei Generationen, dass natürlich beeinflussende historische Ereignisse Menschen, aber die Generationen-Forschung in Anführungszeichen und die Generationen-Industrie nimmt an, dass junge Menschen besonders durch bestimmte historische Ereignisse geprägt werden. Und in eine Richtung. Und zwar in die negative Richtung. Und es sind mehr Annahmen als wirklich etablierte Erkenntnisse. Beispiel Corona.
[28:34]Natürlich haben viele junge Menschen unter Corona sehr gelitten, aber auch viele Mittelalte und Alte hatten ihre Struggles, ihre Kämpfe zu kämpfen. Aber nicht alle und es differenziert einfach nicht genug. Und natürlich hat 9-11 manche Menschen geprägt, insbesondere die, die in New York gelebt haben. Aber Menschen, die in Leipzig gelebt haben, wurden viel weniger dadurch geprägt. Deswegen gibt es nicht die eine Generation, die alle ausmacht. Es wird auch gar nicht erklärt, wie diese Prozesse ablaufen. Oder es berücksichtigt nicht, dass Menschen historische Ereignisse auch reflektieren. Dass Menschen sagen, Mensch, dieses iPhone, da gucke ich viel zu oft drauf, da versuche ich jetzt einen anderen Umgang mitzufinden. Das berücksichtigen Generationen nicht. Die sagen einfach, junge Menschen sind handyabhängig, sozial defizitär. Ich sehe einfach, wenn ich jüngere Menschen anschaue, das ist nicht so. Die sind sehr, sehr unterschiedlich, sehr reflektiert, sehr handlungsfähig und auch in ihrer Entwicklung veränderbar. Also man ist nicht einmal in so einer Generationenkategorie drin. Deswegen würde ich sagen, wir sollten Generationenforschung einfrieren, erstmal nicht weiterverfolgen. Wir brauchen gute Forschung zu lebensspannenden Entwicklungen, zu Alterungsprozessen, aber weiterverfolgen.
[29:39]Generationen sollten wir mit sehr viel Vorsicht genießen oder auch mit ein bisschen Humor, ähnlich wie bei Horoskopen. Okay. Finde ich einen schönen Vergleich, wenn ich mir das so anschaue mit Horoskopen und die Plausibilität, die das bringt. Wird Ihr Wunsch, dass es nicht weitergeführt wird, wahrscheinlich nicht gehört werden? Mein Kollege, solange die Generationenindustrie existiert und auch zu Generationen publiziert wird, solange sind wir auch im Geschäft als Kritiker dieser Generation. Und das ist ja auch in Ordnung. Ich denke auch, dass Generation etwas ist, was sozial und psychologisch konstruiert wird, um die komplexe Welt zu vereinfachen. Und wenn Menschen damit Geld verdienen, finde ich das im Grunde in Ordnung. Aber sie verkaufen Menschen eben etwas, was nicht wirklich existiert, sondern es ist ein Glaube an etwas, was dort ist. Also es ist ein soziales Konstrukt, was ja nur wenig wissenschaftlich belastbar ist. Und dieser Prozess, der scheint mir auch nicht einzigartig zu sein. Also dass es auch der Wissenschaft etwas entnommen wird, manchmal schon fast vergessen und ad acta gelegt in den Wissenschaften, wird sehr marktreif publiziert und gibt viele Plausibilitäten.
[30:48]Unternehmensberatung und Beraterbranche sind da ganz maßgebende Brücke dafür. Und es kommt dann die Kritik auf und die Gegengewägung. Und das scheint doch eine fruchtbare Entwicklung zu sein. Da wäre nochmal so der Punkt für mich so am Ende. Wie können Sie sozusagen in die Zukunft ein positives Bild entwickeln, wie das aufgenommen wird und weiterentwickelt wird, als dass es jetzt schlichtweg so einfach nicht abbruchartig da sein.
[31:13]Ja, und natürlich, Generationen sind nicht einzigartig. Wir neigen natürlich auch dazu, Menschen in Männer und Frauen einzuteilen und die sehr, sehr kleinen Unterschiede, die zwischen Geschlechtern existieren, die werden von populärwissenschaftlichen Büchern und Medien aufgeblasen und viel größer gemacht, als sie eigentlich sind. Ich glaube, eine positive Perspektive wäre zu sagen, ja, Generationeneinteilung nehmen Menschen vor, aber wir sollten Alternativen nicht ganz vernachlässigen. Und diese Alternativen sind zu fragen, was haben wir alle als Menschen gemeinsam? Was ist universell? Also zum Beispiel Bedürfnis nach sozialem Kontakt, nach Autonomie, Bedürfnis, dass wir uns alle irgendwie als kompetent erleben wollen. Das ist alle Generationen, alle Menschen gemeinsam. Und das geht mir häufig zu stark unter bei der ganzen Diskussion, dass Jung und Alt viel mehr gemeinsam haben, als dass sie trennt. Und gleichzeitig neben diesem Universalismus auch eine individuelle Perspektive häufiger einzunehmen und mich zu fragen, was treibt den oder die Kollegin gerade um? Was passiert in deren Leben? Wo kommen die her? Wo wollen die hin? Und da auch mal die Generationenbrille abzulegen und zu fragen, was macht diese Person so einzigartig und wo hat die auch Potenziale, wie kann die sich entwickeln und wie möchte sie sich auch entwickeln. Also so eine individuelle Sichtweise, eine universelle Sichtweise ergänzen diese sozialen Kategorisierungen, glaube ich, ganz gut.
[32:32]Vielen Dank, Herr Zacher. Das war hochinteressant und eine sehr passende Ergänzung zu dem Beitrag. Ich will den nochmal auch dafür werben, weil das dort wirklich auf den Punkt gebracht, gut formuliert, die Problematiken herausstellt, ohne aber auch das Konzept wirklich sozusagen abzuwerten, sondern es sind auch die Funktionen dargestellt. Es hat mir gut gefallen und vielen Dank für das Gespräch. Herzlichen Dank für die Einladung, Herr Weigel. Es hat Spaß gemacht. Ja, hier im Auftaktgespräch aus der Konfliktdynamik, der Beitrag von Professor Hannes Zacher aus der Konfliktdynamik Nummer 1 des Jahrgangs 2024, gibt es Generationen und Generationenunterschiede?
[33:14]Fragezeichen. Wir haben die Problematiken dieses Konzepts, die Hannes Zacher in dem Beitrag aufgeführt hat, hier nochmal besprochen, vertieft und mit Beispielen und weiteren Details angereichert. Das soll dich und sie nicht abhalten, einen Blick in diesen Beitrag zu werfen, der sich lohnt und auch mit weiteren Literaturhinweisen versehen ist, selbstverständlich, sodass das Thema auch von anderen Perspektiven nochmal beleuchtet werden kann. Vielen Dank, dass du und ihr hier wieder mit dabei wart. Wenn es euch gefallen hat und ihr meint, der Podcast der sollte auch von anderen gehört werden, die den noch nicht kennen sollten, dann hinterlasse doch ein Feedback und eine Sternebewertung auf deinem Podcastcatcher. Empfehle den Podcast weiter und abonniere ihn, wenn du ihn noch nicht bisher abonniert hast. Dann kriegst du regelmäßig die neuesten Episoden zugespielt. Ich verabschiede mich mit besten Wünschen. Bis zum nächsten Mal. Kommt gut durch die Zeit. Ich bin Sascha Weige, der Host von IncoFEMA, dem Institut für Konflikt- und Verhandlungsmanagement in Leipzig und Partner für professionelle Mediations- und Coaching-Ausbildungen.
What a thoughtful and insightful exploration of generational differences! The way you’ve explained the influences shaping each generation is truly enlightening. It’s fascinating to see how these distinctions impact our interactions and perceptions. Thank you for shedding light on such an important topic!