Blogreihe zur Evaluativen Mediation
- Evaluative Mediationsdienstleistungen. Bewertende und bewährte Tätigkeiten von Mediator*innen in Mediationen
- Rechtmäßigkeit evaluativer Mediationstätigkeiten.
- Mediationsmäßigkeit evaluativer Mediationstätigkeiten. Mediationsprinzipien als Rahmung evaluativer Mediationsdienstleistungen.
- Chancen und Risiken evaluativer Mediationsdienstleistungen. Do it!
Einführung
In den vorangegangenen Teilen habe ich erläutert, welche Aufgaben in Mediationen bewertend (evaluierend) sind und dass sie gemäß dem deutschen Mediationsgesetz legitim sind.
Jetzt soll gezeigt werden, dass diese Aufgaben im Grunde genommen auch mediativ sind. Das bedeutet nicht einfach, dass jedes Lösungsangebot vorschnell akzeptabel ist, sondern dass Mediatoren mehr tun, als nur Lösungsvorschläge zu präsentieren. Sie gehen weiter, indem sie die Kommunikation zwischen den Konfliktparteien moderieren und auf einem konstruktiven Niveau halten.
Was ist das Mediationsproblem bei evaluierenden Tätigkeiten?
Das Mediationsproblem bei bewertenden Tätigkeiten liegt im Verständnis der vermittelnden Konfliktlösung: Was ist Mediation, was sind ihre Ziele und wie wird vorgegangen?
Mediation ist eine Verhandlung mit Unterstützung eines Dritten, um einen Konflikt zu lösen, den die Parteien alleine nicht bewältigen können.
Der Mediator entscheidet nicht wie ein Richter, sondern fördert die Kommunikation zwischen den Parteien und hilft ihnen, eine gemeinsame Lösung zu finden.
Der Dritte entscheidet eben nicht wie ein Richter. Des Richters Lösung ist einerseits anhand eines generell-abstrakten Entscheidungsmaßstabs (- des Gesetzes! -) entwickelt worden, andererseits auch gegen den Willen der Parteien rechtsgültig und wirksam.
Der Dritte ist auch nicht beauftragt, einen Entscheidungsvorschlag zu unterbreiten, wie es originär ein Schlichter tun soll.
Das grundlegende Prinzip der Eigenverantwortlichkeit der Beteiligten ist entscheidend in der Mediation. Die Konfliktparteien sind allein für die Entscheidungen in ihrem Konflikt verantwortlich. Der Mediator beeinflusst zwar die Dynamik des Konflikts und der Kommunikation, aber er sollte den Parteien Raum lassen, ihre eigenen Ideen und Lösungsansätze zu entwickeln.
Das alles überspannende Grundprinzip der Eigenverantwortlichkeit der Beteiligten ist in der Mediation maßgebend.
Mediation kann nicht nur moderierend wirken, sondern auch aktiv an der Lösungsfindung mitwirken, ohne die Autonomie der Parteien einzuschränken.
Der Mediator muss darauf achten, wie die Parteien seine Vorschläge aufnehmen und in ihre Entscheidungsfindung einbeziehen. Es ist wichtig, dass die Parteien die Vorschläge des Mediators kritisch prüfen und nicht einfach akzeptieren, weil sie vom neutralen Mediator stammen.
Bestehen aber keine Zweifel, dass die Parteien sich nicht anpassen, sondern die Ideen und Lösungsansätze angeregt aufnehmen und eigenverantwortlich verarbeiten (würden), besteht auch kein vernünftiger Grund für den Mediator, jene Ideen und Lösungsansätze gleichsam zurückzuhalten. Eine Begrenzung durch den Mediator gegenüber eigenverantwortlich agierenden Konfliktparteien liegt nicht vor.
Deshalb kann gelten, dass der Spielraum der Wirksamkeit des Mediators solange zur Mediation gehört, wie die Konfliktparteien sich nicht eingeschränkt sehen oder anpassend agieren müssten.
Konsequenzen für die Mediation
Es gibt verschiedene bewertende Mediationstätigkeiten: Leitplanken setzen, falsche Vorstellungen korrigieren, Lösungsansätze präsentieren und Lösungsideen vorstellen.
Das wurde im 1. Teil dieser kleinen Blogreihe ausgefaltet.
Wenn der Mediator Leitplanken aufzeigt, innerhalb derer die Abschlussvereinbarung liegen muss, entstehen kaum Zweifel, ob dies zur Mediation gehört. Das gilt besonders für Leitplanken, die außerhalb des Einflussbereichs der Konfliktparteien liegen.
Beispiel: Weist der Mediator bei einer Organisationsmediation auf Budgetgrenzen hin, die die Organisation festgelegt hat, widerspricht das nicht den Grundideen der Mediation. Im Gegenteil, es ermöglicht eine umsetzbare Lösung.
Konfrontiert der Mediator irrige Vorstellungen der Parteien über solche Grenzen, bleibt dies unproblematisch, solange die Grenzen nicht einseitig auferlegt sind. Anders verhält es sich, wenn eine Partei Grenzen benennt und der Mediator darauf hinweist. Dies könnte seine Neutralität gefährden.
Präsentiert der Mediator Lösungsansätze, berührt er das Prinzip der Eigenverantwortlichkeit und muss wachsam sein. Wege aufzuzeigen, ist nicht einfach neutrale Kommunikation, sondern beinhaltet immer auch, einen (schwachen) Appell zu senden. Das wird besonders deutlich anhand des 4-Ohren-Modells von Schulz von Thun. Entscheidend ist der Empfang der Botschaft. Der Mediator muss sicherstellen, dass die Parteien nicht auf ihrem Appell-Ohr zuhören, bevor er Lösungsansätze präsentiert.
Das 4–Ohren–Modell von Schulz von Thun zeigt, dass eine tragfähige Hypothese und kunstvolle Intervention nötig sind, um Lösungswege dergestalt zur eigenen Prüfung anzubieten. Der Mediator sollte immer mehrere Wege präsentieren und diese als hypothetische Szenarien einführen, um die Eigenverantwortlichkeit zu wahren.
Präsentiert der Mediator Lösungsideen, muss er darauf achten, dass die Parteien diese nicht einfach übernehmen. Die Gefahr besteht, dass sie die Mediation schnell beenden wollen. Lösungsideen als Zielvorschläge können die vertraglich vereinbarten Ziele der Mediation gefährden und sollten vermieden werden. Der Mediator muss sicherstellen, dass seine Interventionen die Eigenverantwortlichkeit der Parteien respektieren und sie nicht beeinflussen, bevor sie eigene Entscheidungen treffen.
Mediation ist folglich nicht nur moderierende Begleitarbeit, die Eskalation verhindert und konstruktive Kommunikation ermöglicht. Sie kann auch inhaltlich mitarbeitend sein, ohne die Parteien in ein Verhalten zu drängen, das sie später bereuen.
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