INKOVEMA-Podcast „Gut durch die Zeit“

#225 GddZ

Profession Anwalt

Selbstverständnis eines Konfliktberaters.

Mit Urs Egli spreche ich über die Bedeutung von Soft Skills in der Rechtsberatung, empathische Kommunikation und die Rolle von Anwälten in Mediationen für eine kooperative Streitbeilegung.

Im Gespräch mit Dr. Urs Egli

Dr. iur., Wirtschaftsanwalt, Berater, Mediator, Organisationsentwickler; als Anwalt tätig bei Suter Howald Rechtsanwälte; als Berater tätig bei Ioda Consulting GmbH

Hit it, forget it – and walk.

Inhalt

Kapitel:

0:12 – Herzlich willkommen zum Podcast Gut durch die Zeit.
2:06 – Urs Egli: Ein moderner Anwalt
6:44 – Der Wandel im Anwaltsberuf
14:33 – Die Bedeutung der Klientenbeziehung
19:58 – Anwälte in der Mediation
22:26 – Partnerschaft zwischen Mediatoren und Anwälten
34:55 – Psychologie in der Rechtsberatung
38:11 – Fazit: Der neue Anwaltsansatz

Inhaltliche Zusammenfassung

In dieser Episode des Podcasts „Gut durch die Zeit“ beleuchte ich das Selbstverständnis von Anwältinnen und Anwälten und den Wandel, den dieser Beruf in den letzten Jahren erfahren hat. Als Gast habe ich Urs Egli, einen erfahrenen Anwalt aus Zürich, eingeladen. Gemeinsam diskutieren wir, wie Anwälte ihre Rolle neu verstehen und welche Bedeutung dies für die Klientschaft hat.

Urs erzählt von seinem Werdegang als Wirtschaftsanwalt mit einer technischen Ausrichtung und wie seine fünfjährige Weiterbildung in angewandter Psychologie ihn dazu geführt hat, den Fokus auf die Soft Skills in der Rechtsberatung zu legen. Ich frage ihn, was es Neues gibt, nachdem er so viele Jahre Erfahrung im Recht hat und er betont, dass das Lernen von Beratungsprinzipien eine entscheidende Rolle spielt, um das Mandatsverhältnis von Grund auf zu klären. Diese Grundlagen ermöglichen es Anwälten, nicht nur die rechtlichen Aspekte zu betrachten, sondern auch den Klienten als gesamtes Individuum zu sehen.

Des Weiteren reflektieren wir über das traditionelle Bild von Anwälten. Urs erklärt, dass rechtliches Wissen zwar notwendig ist, aber nicht das alleinige Kriterium für gute Beratung darstellt. Es geht viel mehr darum, empathisch auf die Klientinnen und Klienten einzugehen und der Person zu helfen, ihre tatsächlichen Bedürfnisse zu identifizieren – oft sind diese nicht sofort offensichtlich. In vielen Fällen merken Anwälte, dass sie als Teil des Problems agieren, wenn sie zu sehr ihre eigene Persönlichkeit in die Beratung einbringen.

Wir sprechen auch über die Herausforderungen, die das neu interpretierte Berufsverständnis für Anwälte mit sich bringt. Es wird nötig, der Klientel zu vermitteln, dass nicht jede Situation eine gerichtliche Auseinandersetzung erfordert. Oftmals gibt es auch weniger konfrontative Wege zur Problemlösung. Urs hebt hervor, wie wichtig es ist, den Klienten in seiner Entscheidung, was für ihn die beste Vorgehensweise ist, zu unterstützen, ohne ihn in eine Richtung zu drängen, die für ihn möglicherweise schädlich ist.

Ein zentraler Punkt des Gesprächs ist die Rolle der Anwälte in Mediationen. Während oft das Bild vorherrscht, dass Anwälte Probleme in solchen Verfahren verursachen, stellt Urs klar, dass sie tatsächlich Partner im Prozess sind und sich aktiv für eine Lösung einsetzen. Der Anwalt hat damit auch Einfluss auf die Wahl des Verfahrens und die Unterstützung des Klienten.

Darüber hinaus diskutieren wir die Notwendigkeit für Anwälte, sich regelmäßig weiterzubilden und gegebenenfalls Supervisionen in Anspruch zu nehmen, um ihre Rolle als Berater weiter zu professionalisieren. Die Einsicht, dass der Anwaltsberuf mehr als nur die Anwendung von Recht ist, sondern auch die Berücksichtigung der sozialen und psychologischen Dimension umfasst, ist bedeutend für die zukünftige Entwicklung des Berufsstandes.

In dieser Episode wird deutlich, dass das Verständnis von Recht und Beratung im Anwaltsberuf im Wandel begriffen ist. Die Erkenntnis, dass Anwälte und Mediatoren Partner sind, die ein gemeinsames Ziel der Konfliktlösung verfolgen, prägt nicht nur die Wahrnehmung des Berufs, sondern auch das gesamte System der Streitbeilegung, das sich immer stärker auf ein kooperatives Miteinander stützt.

Vollständige Transkription

 

[0:00]Wie bin ich da für die Klientschaft? Also das Dasein, das Präsentsein, das Thema anzuschauen, was die Klientschaft bringt, das für sich allein hat
[0:12]
Herzlich willkommen zum Podcast Gut durch die Zeit.
[0:10]schon eine ganz grosse Bedeutung. Herzlich willkommen zum Podcast Gut durch die Zeit. Der Podcast rund um Mediation, Konfliktcoaching und Organisationsberatung. Ein Podcast von INKOVEMA. Ich bin Sascha Weigel und begrüße dich zu einer neuen Folge. Und die heutige Folge soll eine Profession vorstellen und vor allen Dingen das Selbstverständnis, das in dieser Profession möglich ist, aber auch kultiviert werden will, die nicht weiter entfernt von Mediatoren sein könnte, als man das klischeehaft denkt. Es soll nämlich die Profession des Anwalts und der Anwältin vorgestellt werden und den Wandel, den dieses Berufsverständnis mit sich gebracht hat in den letzten Jahren oder auch Dekaden.
[0:59]Und um mich diesem Thema zu nähern, habe ich mir einen besonderen Anwalt eingeladen. Nicht nur, weil er Schweizer ist, sondern weil er das Thema, die Professionalität und das Selbstverständnis eines Anwaltberufes auf moderne Art und Weise interpretiert und auch lehrt, dass das für Anwälte, aber eben nicht nur für Anwälte, höchst interessant ist. Ich begrüße hier im Podcaststudio Rechtsanwalt Urs Egli. Hallo Urs.
[1:28]Hallo Sascha. Urs, ich hoffe, ich bin dir nicht zu nahe getreten oder habe das richtig erfasst, was dein Anliegen ist. Denn das Anliegen im Kern betrifft ja nicht die rechtliche Seite deines Berufes, wo wir Juristen ja jahrelang trainiert wurden und uns trainiert haben.
[1:49]Sondern es betrifft das Professionsverständnis, auch den Auftritt als Anwalt und was wir eigentlich für eine Rolle übernehmen.
[2:06]
Urs Egli: Ein moderner Anwalt
[1:58]Wenn wir Rechtsbeistände sein wollen und was wir eigentlich auch sein können noch darüber hinaus. Ich will dir aber vorher ein bisschen was zur Person auch fragen und von dir erfahren, um so ein bisschen, glaube ich, Kontext zu bieten, weil ich vermute, darüber Zugang zu finden, weshalb dir das ein wichtiges Anliegen ist. Wer bist denn du Urs? Ja, ich bin Urs Eklig. Ich komme aus Zürich. Ich bin 60 geworden kürzlich, Ich habe eine Karriere als Wirtschaftsanwalt hinter mir mit einer technischen Ausrichtung. Ich war IT-Anwalt, habe aber immer ein grosses Interesse gehabt für die psychologischen Faktoren in meinem Beruf. Ich habe mich dann vor fünf Jahren weitergebildet am Institut für angewandte Psychologie in Zürich und habe mit Erstaunen festgestellt, dass man beraten lernen kann. Das ist nicht gut gegeben, sondern man kann das tatsächlich, es wird ausgebildet und man kann es lernen.
[3:06]Und während jetzt mein letztes Viertel meiner beruflichen Aktivität, oder vielleicht ist es auch nur ein Fünftel, möchte ich mich verstärkt den Soft-Factors im Anwaltsberuf widmen. Und da sind wir schon mittendrin im Thema. Wenn du sagst beraten, lernen, nachdem du 30, 35 Jahre Rechtsberater warst, Was ist da neu? Was kann man dir denn beim Beraten oder was konnte man dir denn beim Beraten noch beibringen, was du noch nicht erlebt hast als Rechtsberater? Ich glaube, ich war nicht ein schlechter Berater. Ich habe das aber intuitiv gemacht. Und ja, es gibt tatsächlich Grundregeln, wie zum Beispiel am Anfang steht die Auftragsklärung. Das ist das Wichtigste im Mandatsverhältnis. Das war mir nicht so klar. Vielleicht habe ich es gemacht in den meisten Fällen, manchmal vielleicht auch nicht. Aber diese Prinzipien, das finde ich ganz wichtig. Da hat man ein Gerüst, an dem man sich orientieren kann. Und so gibt es ganz viele Dinge, Wissen, Know-how, das ich gerne vermitteln möchte, einer nächsten Generation von Anwältinnen und Anwälten. Also wenn wir Rechtsberater sind als Anwälte und lernen, die rechtliche Materie zu durchdringen und nach Ansprüchen zu gliedern und dann die Durchsetzungsmöglichkeiten auch zu beachten.
[4:28]Was gilt es denn da noch zu klären, wenn der Mandant reinkommt und sagt, ich brauche jemanden, der meine rechtlichen Interessen vertritt? Was ist ein klassisches Verständnis oder ein klassisches Image auch von Anwälten? Im Vergleich zu dem, was du jetzt schon so als Beratungsverständnis angedeutet hast.
[4:50]Ja, also das höre ich häufig mit dem rechtlichen Wissen. Das rechtliche Wissen, sage ich mal, das ist wie der Führerschein. Das ist die Bewilligung, das ist das Eintrittsticket in diesen Beruf. Das muss man einfach haben. Aber ob man eine gute Anwältin oder ein guter Anwalt ist, das hängt nicht davon ab. Das hängt davon ab, welche, sage ich jetzt mal, zu einem Teil auch Social Skills man hat, ob man ein professionelles Gespräch führen kann, ob man sich selbst als Teil des Beratungsverhältnisses sieht. Es passiert ja was im Gespräch mit dem Klienten. Das klingt jetzt alles vielleicht ein bisschen abgehoben, aber eine konkrete Situation, dass gesagt, es kommt ein Klient neu, ich sehe die Person zum ersten Mal. Das Wichtigste für mich ist herauszufinden, worum es der Person geht und was sie braucht.
[5:43]Und das ist nicht immer das, was sie sagt am Anfang. Sie weiss ja vielleicht gar nicht, wo das Thema verortet ist.
[5:52]Sie ist in einer Situation, diese Person, mit der sie nicht zugange kommt. Da hat sie nicht so viele Möglichkeiten. Da gibt es eben meinen Beruf, Anwälte oder unseren. Da gibt es noch Psychologen oder Sozialarbeiter. Es ist ein spezieller Zugang, unser Beruf zu solchen Themen. Du würdest auch sagen, schließe ich jetzt so ein bisschen heraus, das war früher nicht so relevant oder wurde einfach nicht so Wert draufgelegt von Anwälten. Denn du hast jetzt sozusagen mit einer Kollegin für den Schweizer, aber wahrscheinlich auch für den deutschsprachigen Bereich ja ein Angebot auch geschaffen, wo du Anwälte direkt daraufhin ansprichst und sagst, also hier kannst du bei mir nochmal weitergebildet werden, nicht so sehr im rechtlichen Bereich, sondern in dem Bereich von Selbstverständnis,
[6:44]
Der Wandel im Anwaltsberuf
[6:43]also wie du deinen Beruf bezeichnest. Um deine Profession zu verstehen hast oder verstehen könntest, wie dein Profil ist, wie du kommunizierst. Also so ein bisschen den Kontext der ganzen rechtlichen Beratung. Und das spricht ja aus meiner Sicht dafür, du siehst da einen Bedarf, zunächst mal bei Anwälten, dass das Beratungshandwerk nochmal anders aufgezogen werden muss oder anders deutlich gemacht werden muss. Genau.
[7:13]Genau, also positiv formuliert, wenn man die Mandate bearbeitet, für die man da ist, dann kommt man in einen guten Groove rein, dann klappt es, dann flutscht es. Und negativ formuliert, wenn man in der Praxis tätig ist, trifft man immer wieder auf Situationen, wo man merkt, der Anwalt, die Anwältin ist leider Teil des Problems und nicht der Lösung, weil sie einen zu starken Anteil von sich selbst in das Mandat reinbringt. Und den Klienten in eine Situation manövriert, in der er gar nicht sein möchte, habe ich x-fach erlebt. In allen Situationen, das kann eine Gerichtskonfliktsituation sein, ein Prozess, es kann aber auch eine Vertragsverhandlung sein, wo es die Anwaltschaft schafft, den Deal zum Scheitern zu bringen, weil sie zu aggressiv auftritt, nicht merkt.
[8:12]Was jetzt gut wäre für die Klienten. Und du würdest auch sagen, ich getraue mir die Frage mal so zu stellen, dass du meinst, der oder die Anwältin hat zu sehr ihre Persönlichkeit reingebracht und es ist nicht sozusagen nur so, sie hat zu sehr das Rechtliche betont. Denn in der Mediation und in der Prozessberatung von Supervisoren und Co. Wird ja genau darauf auch Wert gelegt in der Beratung, sich selber rauszunehmen, nicht die eigenen Tramen und die eigene Geschichte jetzt überschwappen zu lassen. Der Klient hat schon genug Probleme, der muss jetzt nicht noch die eigenen Desperators mitnehmen. Im Anwaltsberuf wird das traditionell nicht beachtet. Aber ich fand es sozusagen interessant, dass du sagst, ja, das ist zu viel der eigenen Persönlichkeit der Anwältin oder des Anwalts, anstatt zu sagen, die hat zu sehr auf die rechtliche Ebene gepocht oder zu sehr…
[9:11]Die Rechte ohne Rücksicht auf das Drumherum durchsetzen wollen? Ja, ich glaube, das kann man am besten darlegen anhand der Konfliktarbeit. Ein Teil unserer Anwaltstätigkeit beschäftigt sich mit der Arbeit am Konflikt. Jetzt kann ich das mal so sagen.
[9:32]Ja, protestantische Herkunft, also klar, Arbeit am Konflikt klingt immer richtig. Gut, ich habe ja dissertiert zu einem Thema aus diesem Bereich. Ich habe über den Prozessvergleich dissertiert aus einer rechtssoziologischen Perspektive. Und da habe ich festgestellt, ja, es gibt ja nicht die eine Art der Konfliktbearbeitung. Es gibt verschiedene, viele Arten. Mal angefangen beim Urteil, dann zur Schlichtung, dann zur Vermittlung, Mediation, dann gibt es das Verhandeln, Beizug von Streithelfern und am Schluss gibt es noch die Avoidance, das Ausweichen. Ein Aufsatz von William Felsdiner Anfang der 70er Jahre, das war für mich ein Aha-Lebnis, das zu sehen. Es gibt verschiedene Wege. Wenn ein Klient kommt, ich muss ja nicht immer gerade die extremste Variante. Ich muss mal merken, welcher Weg wäre der richtige für den Klienten, nicht für den Anwalt. Das ist schon ein wichtiger Punkt im Selbstverständnis. Mache ich das für den Klienten und kann dann auch sehen, es ist besser jetzt nicht auf seine Rechte zu pochen, sondern andere Wege auch zu wählen.
[10:50]Oder sage ich als Anwalt, also ich bin für die rechtlichen Interessen zuständig, den Rest muss er selber irgendwie hinkriegen. Soll er sich einen Therapeuten holen oder einen Coach, ist mir egal, Hauptsache bei mir wird er rechtlich auf die sichere Seite geschoben. Das ist schon etwas, wo du sagst, genau da geht das Professionsverständnis los. Genau, weil der Klient ja von sich aus möglicherweise gar nicht beurteilen kann oder ist zuerst zu klären mit ihm, ob er die richtige Türe gewählt hat. Ob er beim Anwalt richtig aufgehoben ist oder ob er vielleicht eher zu einem Psychologen sollte. Könnte ja sein, oder sonst zu einem Berater gehen. Jemand anderes ist vielleicht geeignet für das Thema, das er hat. Wir sind ja unter uns, Urs, du bist ja auch Jurist.
[11:41]Kannst du dich an deine Situation erinnern, wo du gesehen, bestätigt oder auch erkannt hast, das, was rechtens ist, hier ist vielleicht nicht das Richtige und Passende. Also das ist ja für unsere Eins, die trainiert wurden, dass das Recht das Richtige ist. Genau, das gibt tatsächlich so alle und ich möchte das aufhängen am Thema des Mobbing. Ich habe mir mal, das ist aber schon lange her, vor der Ausbildung am IAP, habe ich mir mal gesagt, ich vertrete keine Mobbing-Opfer. Warum nicht? Weil wenn Sie in ein Gerichtsverfahren gehen, Mobbingopfer, dann wird dieser Mobbingzustand noch zwei, drei Jahre perpetuiert. In Form von Rechtschriften. Es wird noch schlimmer. Die Person muss sich anhören, der Arbeitgeber muss sich verteidigen, was es für eine schlimme Person war. Also gerade bei Mobbingopfern habe ich für mich entschieden, ich möchte das eigentlich nicht machen. Weil ich denke, eine andere Form des Umgangs mit diesem Thema wäre vielleicht geeignet. Das ist jetzt ein bisschen absolut.
[12:53]Aber das ist ein Beispiel, wo auf jeden Fall deutlich wird und man mit der Materie vertraut sofort zustimmen kann, bis ein Urteil gesprochen ist, ist so eine lange Zeit in einem Zustand, zu halten, wo das Mobbing-Opfer auch als Lügner und als unverständige.
[13:16]Querulatorische Person dargestellt wird. Erlaubtermaßen, ja man mag ja sagen, aus rechtlichem Gesichtspunkt notwendigerweise, und man kann nicht immer sicher gehen, dass am Ende das Urteil das Ganze dann aufwiegt. Genau, das ist, finde ich, ein einprägsames Beispiel, um dieses Dilemma zu zeigen. Es gibt das Recht, aber das Recht ist nicht immer der richtige Weg. Der Recht ist auch schon so ein Wertbegriff. Es ist nicht das Thema, das der Klient braucht, die Art von Betreuung. Was ist dann alles, sage ich mal, im Nachgang, wenn man von so einem Ausgangsfall nimmt und dann sagt, ah Mensch, stimmt, in dem Fall wird mir jetzt deutlich, dass Recht nicht immer das Passende ist für diese Person. Und damit rede ich noch nicht über die gesellschaftlichen Zustände und Gerechtigkeitserwägungen auf gesellschaftlicher Ebene. Aber für diesen Klienten wäre das nicht passend.
[14:11]Was hat sich da für dich dann alles noch mit verändert im Zuge dessen von deinem Anwaltsverständnis? Was du bist, da bist du ja auch intuitiv, wo du sagst, ich war da schon immer vielleicht anders als die Kollegen. Ich weiß nicht, wie du das erlebt hast.
[14:33]
Die Bedeutung der Klientenbeziehung
[14:27]Was mir sehr bewusst wurde, ist, wie wichtig die persönliche Beziehung ist. In der Begegnung mit der Klientschaft. Einfach den Moment des Gesprächs, die Situation im Beratungszimmer, wie reagiere ich auf das, was gesagt wird, wie bin ich da für die Klientschaft. Also das Dasein, das Präsentsein, das Thema anzuschauen, das die Klientschaft bringt, das für sich allein hat schon eine ganz grosse Bedeutung. Und ich habe festgestellt, je aktiver und je präsenter ich das mache.
[15:07]Desto besser sind die Ergebnisse aus dieser Beratung heraus. Und häufig ist es auch schon fertig dann. Es ist auch schon genug, dass jemand das Problem mir schildern konnte, dass ich empathisch, aber mit dem Hintergrund des Rechts natürlich. Ich bin ja Psychologe. Ich konfrontiere die subjektive Sicht des Klienten mit der Objektivität des Rechts. Und das hilft, wenn man das sympathisch macht. Woran merke ich das als Klient, dass ich das bei dir anders erleben würde als bei einem, ich sage jetzt mal, klischeehaften Kollegen? Wo siehst du sozusagen die Veränderungsbedarfe auch bei Kollegen oder auch die Vorzüge, das sind? Ein bisschen stärker in dieser Präsenz durchzuführen? Ja, eben gerade in der Sicht über das Rechtliche hinaus zu sehen, dass hinter den Themen, die uns präsentiert werden, sind Menschen.
[16:08]Manchmal ist die Gesprächssituation mit den Klienten, und es sind soziale Systeme dahinter. Also in einer Familienrechtssache, Scheidung, das sind Partner, das sind Kinder, das sind Großeltern, das sind ganze Systeme, dass man das mitberücksichtigt, mitdenkt, ernst nimmt, nicht sofort versucht, das runterzubrechen auf eine rechtliche Norm, immer versuchen zu subsummieren etc., sondern sich im ersten Gespräch mal auf das einlässt, was der Klient erzählt, wirklich auch zuhört, eben in einem Beratungssinn, mit einem systemischen Beratungsverständnis im Rucksack. Ist dir bei diesem Thema, dass mal passiert, dass Klienten dann gesagt haben.
[16:56]Herr Eckli, ich weiß jetzt nicht, was ich noch erzählen soll, ich habe doch die Sache dargelegt, das würde doch jetzt viel zu weit führen, das ist doch gar nicht mehr rechtlich relevant. Nein, das passiert nicht, weil ich frage natürlich nicht. Ich gebe einfach Raum.
[17:12]Ich gebe Raum und schaue mal, was die Klienten dann den Tisch legen. Und ich frage die Klienten nicht aus, da bin ich nicht zuständig.
[17:22]Man ist sozusagen nicht genötigt, dann Dinge zu erzählen, auf die ich mich nicht vorbereitet hätte als Klientin. Da kommt ja auch eine Erwartungshaltung rüber oder eben auch eine vermutete Erwartungshaltung. Da denke ich ja, dass die Fachberatung, Rechtsanwalt besonders im Blick hat, wenn die mich befragen, muss ich antworten können. Und ich muss mich rechtlich vorbereiten, ich muss aussagekräftig sein, wenn der sein Problem schildert, dass ich da rechtlich Auskunft geben kann. Dann würdest du sagen, ja, junger Kollege, darauf kommt es im Gespräch überhaupt nicht an, rechtlich. Nein, niemand kann doch erwarten, dass wir im ersten Gespräch gerade schon Antworten haben. Das ist sowieso nicht gut, oder? Also das sollte man nicht tun. Man sollte zuerst mal hören, verstehen, und dann haben Klienten Verständnis, wenn man sagt, ja, das würde ich mir jetzt gerne einen Tag, zwei überlegen oder eine Woche oder wie lange das immer geht oder da muss ich noch was nachlesen. Beim Arzt ist das ja auch nicht so. Dann sagen die, gehen Sie bitte noch Blutabnehmen, Herr Regli, und dann kommen Sie wieder in einer Woche und dann sagen wir, wie es weitergeht. Genauso mache ich das aus, wie der Arzt. Was sagen deine Kunden sozusagen in der Weiterbildung, die Anwaltskollegen, die das hören von dir. Das kann doch niemand erwarten, dass man jetzt sofort rechtlich Auskunft gibt. Da stelle ich mir vor, dass du nur große Augen im Raum hast.
[18:50]Die kommen eben gar nicht zu mir in die Beratung. Das ist schon eine gewisse Selektion. Leute, die zu mir kommen, die haben schon den Verdacht, dass es eben mehr braucht als nur rechtliches Wissen. Die anderen kommen nicht. Ja, aber ich meine jetzt auch in deiner Fortbildung, die du anbietest für die Kollegen. Die verstehen das. Also vor allem die Jüngeren, die kommen mit einem anderen, sag ich, psychosozialen Rucksack. Die haben mehr davon gehört als die älteren Kollegen. Und bei den Älteren hingegen, da ist natürlich auch Erfahrungswissen da. Viele haben solche Situationen selbst schon erlebt. Da gibt es interessante Gespräche. Also ich treffe nicht auf Unverständnis. Hey, du, der hier diesen Podcast hört, wenn er dir gefällt, dann drück doch fünf Sterne und hinterlass ein Feedback, damit auch andere, die den Podcast bisher noch nicht anhören oder gefunden haben, das tun können. Und jetzt geht es weiter mit der Episode im Podcast, gut durch die Zeit.
[19:58]
Anwälte in der Mediation
[19:52]Ich greife mal, weil wir ja hier im Kern auch Mediationsperspektive haben im Podcast. Und die meisten wahrscheinlich oder viele der Zuhörenden und Zuhörer sind eher mediatorisch aktiv und ausgebildet, denn als Anwälte. Und auch wir Mediatorin, spreche ich mal so, haben natürlich Bilder von Anwälten im Kopf. Das Klischee, ach der Anwalt in der Mediation macht mir nur Schwierigkeiten und der sprengt die Mediation, ist meiner Erfahrung nach häufig überhaupt nicht das, was in Mediationen möglich ist, wenn Anwälte dabei sind. Das ist eher mit großem Interesse an diesem Verfahren und auch mit einem sehr realistischen Blick auf das Machbare, auch mit Blick auf die eigenen Klienten geprägt. Daher bin ich sozusagen den Mediationen und den Anwesenden oder zumindest im Hintergrund aktiven Rechtsanwälten zumeist dankbar. Aber?
[20:51]Das ist natürlich ein Erfahrungswert, den ich mitbringe, auch weil ich Anwalt bin, was die Anwälte wissen und daher auch so ein Gleichklang. Was müssen wir Mediatoren, die vielleicht ein Image von Anwälten haben, wo das Problem vermutet wird, wo du ja auch sagst, die bringen zu viel eigene Persönlichkeit rein oder betonen das Recht zu viel. Was müssten wir mit Blick auf den Anwaltsberuf verstehen oder auch akzeptieren, was sich da geändert hat? Denn ich sage mal so, alleine, dass du und deine Kollegin oder auch andere solche Softskills vermitteln, zeugt ja schon davon, dass sich dieser Beruf, das Verständnis vom Beruf Anwalt enorm gewandelt hat.
[21:43]Und in Deutschland ist das deutlich geworden an der Studie zu den Rückgang der Klageeingänge. Da hast du vielleicht auch in der Schweiz davon gehört, dass das enorm zurückgegangen ist die letzten Jahrzehnte. Und der Grund ist ganz maßgebend auch in dem veränderten Agieren von Anwälten zu sehen. Also die Anwaltschaft hat ja einen ganz großen Anteil daran, viel größer als Mediatoren übrigens. Was ist sinnvoll oder was ist ein konstruktives Bild vom Anwaltsberuf her, wenn es um Mediation und konsensuale Streikbeilegung gilt?
[22:20]Also ich teile deine Auffassung zur Rolle der Anwaltschaft in Mediationsverfahren. Ich denke auch, das sind Partner und die stützen das.
[22:32]Sonst wäre es ja gar nicht dazu gekommen. Wenn eine Partei anwaltlich vertreten ist und es gibt eine Mediation, dann wird das von der Anwältin getragen. Sonst wäre es nicht dazu gekommen. Sonst wäre der Fall ans Gericht gegangen. Dann wollen die, dass die Mediation erfolgreich ist, oder? Ah, das ist ein wichtiger Punkt. Das heisst, allein, dass die Mediation stattfindet und ein Anwalt sogar da ist, ist ein unschlagbares Argument dafür, dass das gewollt ist. Man kann nicht, und das hat die Gerichte, in der Schweiz gibt es ja eine Vergleichsjustiz, das ist am Ende das Thema.
[23:10]Wir werden ja selten Urteile gefällt, es werden immer, und die Richter, die sehen in den Anwälten, was du jetzt von den Mediatoren geschildert hast, die sehen die Vergleichsverhinderer. Und was ich gemerkt habe dann ist, es ist nicht möglich, einen Keil zwischen Anwalt und Klient zu schieben. Das Gericht hat die Vorstellung, jetzt muss ich nur sagen, wie es ist und dann wird der Klient schon merken, dass sein Anwalt ihn schlecht vertritt. So ist es nicht. Der Anwalt ist immer sehr nah beim Klienten und er muss das zulassen. Deshalb an die Mediatoren, seht die Anwältinnen als Partner. Die helfen euch. Auch sozusagen, weil das Erleben ist ja, man sieht jetzt eine Mediation, man sieht, es geht gerade nicht so voran oder es könnte vorangehen, aber die Anwälte haben nochmal Bedenken geäußert oder wollen nochmal ein Einzelgespräch und sofort hat man dieses Bild, oh jetzt sind die Anwälte das Problem, die verhindern jetzt die Einigung. Aber das ist nur der kleine Ausschnitt. Alleine dadurch, dass der da ist, hat er sich auch an den Verhandlungstisch gesetzt und ist praktisch genauso an einem Ergebnis interessiert wie alle anderen, die der Mediation zugestimmt haben. Genau, das ist meine Auffassung. Jetzt hast du auch noch gefragt, ja, es hat sich geändert in den letzten 10, 20 Jahren. So eine kleine Frage noch, genau.
[24:40]Ja, vielleicht ist es tatsächlich so, dass sich dieses sozialpsychologische Grundverständnis, dass sich das raufarbeitet, auch in unseren Beruf rein. Es ist eigentlich erstaunlich, dass es nicht schon lange da ist. Ich vergleiche es immer ein bisschen mit den Psychologen, die Supervisionen machen müssen. Permanent müssen sie sich supervigieren lassen. Wir müssen das nicht. Dabei arbeiten wir mit dem genau gleichen Gegenstand. Wir arbeiten mit Menschen. Warum machen wir das nicht? Wir haben das immer ausgeblendet. Es geht ja nur um Paragraphen. Aber das ist es eben nicht. Es kann sein, dass sich das ändert. Das wäre ja sehr schön. Das ist meine Hoffnung.
[25:25]Das ist ein wahres Wort. Ich kann das auch von meiner Seite aus sagen, Supervisionen sind einfach total hilfreich. Ich bin nie in die Situation gekommen, über einen rechtlichen Fall, über einen Anwaltsfall meinerseits, Supervisionen zu nehmen, weil ich nie als Anwalt, als Rechtsbeistand praktisch tätig war. Aber ich würde auch vermuten, dass es eher ungewöhnlich ist. Ich habe das mal gemacht. Ich war mal während etwa fünf Jahren in einer Supervisionsgruppe. Das war sehr spannend, weil das war kanzleiübergreifend. Wir kannten uns einfach privat und haben wir einen Supervisor engagiert, fünf, sechs Personen und dann haben wir unsere Fälle da ausgetauscht, aber nicht auf einer rechtlichen Ebene, sondern eher so Zugang zum Falsch. Und die meisten waren im Bereich des Familienrechts tätig. Ich bin als Wirtschaftsanwalt ein bisschen exot. Ich habe es dann abgebrochen, Aber ich glaube, die Gruppe gibt es immer noch. Das war eine tolle Erfahrung.
[26:26]Und ich kann mir das auch in Konstellationen vorstellen, die du angedeutet hast. Unser gemeinsamer Kollege Jörg Schneider-Brotmann, der ja auch IT-Anwalt ist, ist mir das auch deutlich geworden, was das für Konstellationen sind, wo Personen über lange Zeit, längere Zeit eng verbunden sind. Es geht um viel und man ist buchstäblich im Prozess gefangen. Und auch als Begleitperson ist dann Supervision nicht die schlechteste Idee.
[27:00]Also ich kann mir das gut vorstellen bei so zwei, drei Jahren oder länger, die diese Softwareprojekte benötigen, dass man auch als neutrale Person da so eingebunden wird, dass Verwicklung wahrscheinlich ist. Das macht was mit einem. Ja, man trifft auch Entscheidungen, oder? Man gibt Einschätzungen ab und in dem Moment ist man mittendrin. Dann ist man auch Teil des Themas plötzlich. Und irgendwann am Schluss des Falls hat man sogar einen grossen Anteil am Thema. Und dann ist man in der Situation, hätte ich doch am Anfang nicht, hätte ich doch das anders gemacht, dass eben dieser Hindsight-Bias, den ich in einem kurzen Post und heute angesprochen habe. Das darf nicht sein, dass es dann darum geht, was wir am Anfang nicht richtig gemacht haben. Das ist eine schlechte Entwicklung, meine ich. Aber da hast du ja so einen schönen Spruch aus deinem Golferleben. Genau. Darf ich den loswerden? Ja, gerne. Wie sagen die Golfer dazu? Also beim Golfen sagt man, hit it, also schlag den Ball, forget it, also vergiss, wo er hin ist, and walk.
[28:13]Und lauf weiter. Genau, egal wohin du halt geschossen hast. Du musst hinüberlaufen. Das ist ein weiser Spruch für die Beratungspraxis, dass wir nicht ins Falsche oder ins Verschlimmernde Bedauern kommen. Wir sollten Teil der Lösung sein und nicht Teil des Problems. Ist nicht immer so, oder? Es gibt natürlich schon auch die anderen Kollegen, die Teil des Problems sind. Das gibt es schon, aber in meiner Berufspraxis ist das also die eine Mieterheit. Ich gebe den Klienten immer den Benefit, nicht auf Dout, das Gegenteil. Ich gebe Vertrauensvorschuss. Und häufig kommt es gut, dass wir es schaffen als Anwälte, das Verständnis zu haben, wir arbeiten am gleichen Thema. Und Vertrauensvorschuss hinsichtlich des eigenen Klienten oder der Gegenseite? Dass er es echt meint, dass er auch das Thema hat, wir arbeiten jetzt am Konflikt miteinander auf zwei Seiten, aber das Thema ist das gleiche. Es ist die gleiche Lebenssituation und wir sind beide daran interessiert, eine möglichst gute Bearbeitung dieses Konflikts zu gewährleisten. Und meistens funktioniert das.
[29:32]Wenn man so dann in die Zukunft guckt, dann zum Abschluss auch des Gesprächs, wohin würde das führen? Wie würden Anwälte dann wahrgenommen werden, wenn das gelingt, wenn das Schule macht, wenn das stetiger, nicht nur in dem, ich sage es schon fast schon Klischeebereich des Familienrechts, das ist ja da wirklich wie eine.
[30:00]Experimentierküche, wo das erlaubt wird. Und bei anderen Bereichen wird man dann eher sagen, nee, da geht das gar nicht. Dort sind die Fronten verhärtet, da sind die Interessen klar, etc., etc. Aber im Familienrecht ist das wie so eine Vorreiterstellung. Wie würdest du die Anwaltschaft dann erleben oder beschreiben, wenn das Mainstream wird, wenn das wirklich einsickert in das anwaltliche Berufsverständnis? Die würden Supervision machen? Ja, die hätten ein gesamtheitliches Verständnis von ihrem Beruf, über das Recht hinaus, das Verständnis, dass sie Berater sind. Mal in einem ganz wesentlichen Teil des Mandats sind sie Berater. Und irgendwann werden sie dann schon zum, auf Englisch sagt man Advocate, also das ist dann der Fürsprecher, das ist die Person, die Interessen präsentiert. Aber das kommt erst am Schluss und auch nur, wenn es wirklich nötig ist. Der Weg dahin sollte ein sehr bewusster sein und die Klianschaft sollte das Verständnis haben, dass es mehrere Ausgänge gibt aus dieser Situation. Dass wir als Anwältinnen und Anwälte das unterstützen, diese gesamtheitliche Beratung. Immer auch, nicht dass wir uns falsch verstehen, wir sind Juristen. Es geht um das Recht, es geht nicht um Lebensberatung. Aber diesen Hintergrund, diesen Horizont zu haben, das finde ich wichtig.
[31:28]Das ist nochmal ein bichtiger Hinweis und ich muss zugestehen, dass ich das nicht vollständig einordnen kann. Aber dieses, ich sage es nochmal so, wir sind keine Lebensberater, sind Rechts- und Juristen in dem Falle und gleichwohl ist das dadurch nochmal eine Akzentverschiebung zu anderen, die auch eine Grundprofession haben, Psychologen, Pädagogen und dann im Bereich der Beratung.
[31:55]An einem sozialen Problem, an einem sozialen Konflikt arbeiten, was man ja durchaus sagen könnte, naja, das ist eine Art von Lebensberatung in einer kritischen Situation. Aber ich habe den Eindruck, du meinst das doch nochmal stärker fokussiert. Ja, ich bin ja nicht Psychologe. Ich sage dem Klienten, ich halte entgegen, was das Recht ist. Das Recht ist der Objektiv. Das ist ja in Gesetze gegossenes allgemein Verständnis. Und der Klient kommt mit einer sehr subjektiven Sicht. Dieser Prozess, seine subjektive Sicht zu spiegeln mit der Objektivität des Rechts, das hilft ihm weiter. Aber dieses Weiterhilfe, Weiterkommen ist Sache des Klienten. Das ist nicht mein Auftrag. Ich muss nur spiegeln. Ich muss nur sagen, wenn das so ist, ist das recht. Und dann passiert das beim Klienten selbst. Der Klient lernt in Kontakt mit mir, aber das ist nicht ausgesprochen. Das ist anders als beim Psychologen. Das passiert automatisch. Ja, und ich vermute auch die Art der Präsentation, des präsenten Spiegelns und Einordnens erlaubt des Klienten, sich realistisch einzuschätzen, also die eigene Position realistisch einzuschätzen. Genau.
[33:14]Das zu sehen, so könnte das auch sein. Das hilft dem Klienten viel mehr, als wenn man die ersten Satzszenne sagt, ja, geht überhaupt nicht und da gehen wir vor Gericht. Dann hat er diesen Prozess gar nicht gehabt, der Klient. Hat er die Chance gar nicht gehabt, sich selbst als Teil des Themas zu sehen.
[33:33]Ja, spannend. Ich weiß, es ist ja schwierig. Ja, nee, also ich glaube, die Schlussfolgerung, und das ist das, was sich deckt mit den Beschreibungen der Anwälte aus dem Bericht über die Klageeingänge, wo eben auch die Anwälte befragt wurden. Und die sagen eben auch, so jetzt mal über den Daumen gepeilt, die Arbeit hat sich geändert. Es ist nicht mehr im Gericht zu sein und zu prozessieren, sondern mehr Beratungsarbeit, mehr Zeit mit den Klienten, die komplexer geworden ist. Die Beratung ist dort komplexer geworden, weil das könnte sein und das Auffalten der Komplexität auch im rechtlichen Kontext eine andere Form der Kommunikation mit Klienten ist, denn ich brauche jetzt nur das Mandat prozessieren zu dürfen in deinem Namen und dann bin ich dein Rechtsbeistand vor Gericht. Und es ist ja auch eine sehr schöne Arbeit. Also für mich war das immer sehr befriedigend. Mein Maßstab war jeweils, wenn ich die Leute dann zur Tür begleitet habe, wenn sie gegangen sind, wenn sie erleichterter, zufriedener, etwas erlöster waren, als sie kamen. Und nach dieser Zeit, die sie mit mir dann, dann habe ich einen guten Job gemacht. Also es war in der Regel so, dass das gute Abschiede waren. Obwohl wir nicht über Psychologie gesprochen haben, sondern über den Fall. Also das möchte ich festgehalten haben.
[34:55]
Psychologie in der Rechtsberatung
[34:55]Also eigentlich sind wir ja Psychologen, aber nicht ausgesprochen. Also wir haben eine ähnliche Funktion, aber es ist, ja, die Materie ist eine andere.
[35:10]Ja, und ich finde schon auch nochmal der Zugang, nämlich über ein Problem, über ein konkretes Sachproblem, erlaubt es mir, psychologische Funktionen nutzen zu dürfen. Dafür muss man auch nicht approbierter Arzt sein und das machen sowohl die Anwälte im klassischen Sinn.
[35:33]Die zum Beispiel über Empörung agieren und da auf einen Prozess hin steuern, als aber auch Anwälte, die das nicht tun und eher nüchterner rangehen und eher überlegen, was ist sinnvoll jetzt für den nächsten Schritt. Und manchmal ja auch wirklich das Konträre, also dass jemand empört kommt und gerne klagen will und dann anders rausgeht, als aber vielleicht auch umgedreht. Also ich kenne auch Fälle, wo Leute sehr entgegenkommen, zurückhaltend sind und da sagen die, nee, also das ist ihr gutes Recht, ich würde mir das nochmal überlegen. Also das braucht es nicht, um des lieben Friedenswillen da zurückzustecken. Und das ist auch gute Beratung. Also auch der Weg zu Gericht kann gute Beratung sein und nicht das Ergebnis schlechter Beratung. Absolut, absolut, ja genau. Und der Prozess selbst hat ja auch eine heilende Wirkung, also dass man sich da austauscht in einem strukturierten Verfahren. Es gibt Fälle, wo das nötig ist, dass das passiert, dass es zu einer, sage ich jetzt mal, Befriedung in Anführungszeichen kommt, das eben passiert.
[36:41]Was passiert? Also das finde ich auch enorm wichtig, dass man nicht zu einfach denkt und sagt, okay, Gericht ist böse und ist schlecht und ist eine Eskalation und drüber reden und eine Einigung finden ist toll und ist sozial kompetent und ist sozial befriedet. Sondern das ist nicht so einfach, sondern das kann auch konträr laufen und es kann eine sehr gute Beratung sein, dass jemand friedlich, friedhöflich eine schwierige Situation gelöst haben will und dann sich bewusst wird, ja, da gehe ich vor Gericht, das lasse ich mir nicht bieten, ich hole mir das, was rechtens ist. Und das ist Emanzipation, Befreiung und Geklärtheit genau da drinnen wiederzufinden. Können wir uns mal über Legitimation durch Verfahren von Niklas Luhmann.
[37:35]Das ist ein cooler Ansatz, der mir beschreibt, die Wirkung des Verfahrens an sich. Ja, und häufig, also das würde ich jetzt klischeehaft dazu sagen, Sind da die Ausgangspunkte, die Therapeuten, die meinetwegen die Ehefrau in der Therapie haben und dann sagen, naja, sie müssen sich nicht alles gefallen lassen. Dann nehmen sie sich einen Anwalt oder eine Anwältin und dann machen sie das. Und dann ist das ein Selbstermächtigungsprozess, der nicht eine böse Eskalation
[38:11]
Fazit: Der neue Anwaltsansatz
[38:08]ist, sondern eine absolut soziale Notwendigkeit. Genau. Urs, vielen Dank für den Einblick in Beratungspraxis eines Rechtsanwalts der Konfliktberatung im besten Sinne.
[38:24]Also eine Konfliktsituation hat einen rechtlichen Einschlag, hat andere Auswirkungen und dort nüchtern, unaufgeregt, klar zu beraten, das ist deutlich geworden. Vielen Dank dafür. Herzlichen Dank dir, Sascha. Das finde ich auch ein sehr spannendes Gespräch. Danke dir. Gute Zeit für dich und bis zum nächsten Mal.
[38:49]Tschüss. Ciao. Das war Rechtsanwalt Urs Egli aus Zürich. Ich habe mit ihm über das Professionsverständnis von Rechtsanwälten gesprochen, was sich geändert hat und was es bedarf, um gute Beratung durchzuführen. Und wir haben deutlich herausgearbeitet, dass es um Konfliktberatung geht mit einem rechtlichen Ausgangspunkt. Dass es aber nicht eine Beratung sein sollte, bei der das Überengagement des Rechtsberaters hin zu einer Gerichtsprozession, zu einer Verurteilung führen sollte, sondern dass die Beratung das soziale Problem im Blick behält und prüft, welches Verfahren, welcher nächster Schritt das passende ist. Wir haben natürlich noch über mehrere Details gesprochen, aber deutlich ist mir im Gespräch geworden und gerne auch Feedback von deiner und eurer Seite, wie es euch ging, dass sich das Berufsverständnis gewandelt hat und kompatibel auch mit den Ideen und Herangehensweisen von Mediatoren oder anderen Konfliktberatern auch sich zusammenfügt, kompatibel ist.
[40:15]Sodass auch für uns Mediatoren innerhalb der Mediation, und das war der spezielle Fokus dann in unserem Gespräch auch, dass für Mediatoren, die mit Anwälten auf den Konfliktparteiseiten zu tun haben.
[40:31]Wichtig ist zu verstehen, dass dieses Verfahren zustande kommt, weil der Rechtsanwalt dieses Verfahren mitträgt und auch an einer Lösung interessiert ist. Auch wenn es möglicherweise zeitweise im Mediationsverfahren den Anschein haben möge, als seien die Anwälte die Verhinderer. Das ist aber ein nötiges und kluges Gegengewicht, situativ und fragebezogen und nicht eine grundsätzliche Einstellungsfrage. Das so scheint mir, wenn ich die Mediationsliteratur zum Thema Anwaltschaft richtig interpretiere, eine notwendige Erkenntnis zu sein, die es gilt festzuhalten. Und in dem Sinne sind Anwälte und Mediatoren Partner in einer Mediation. Und dieses Ergebnis, das war ja auch schon mit dem österreichischen Anwalt Alfred Nemetschke. Das Gespräch fand hier schon vor einiger Zeit im Podcast statt, aber das ist auch da schon deutlich geworden und dafür hat Alfred damals ja auch plädiert, rechtzeitig Anwälte einzuschalten. Manchmal auch, weil Anwälte die Erfahrung gemacht haben, ihre Klienten auch vor den eigenen unklugen Ideen zu schützen.
[41:53]Soweit zu dieser Sache von meiner Seite. Ich wünsche euch nur das Beste. Ich freue mich, dass ihr wieder hier mit dabei wart, dass du dir die Zeit genommen hast, diesen Podcast anzuhören. Und wenn er dir gefallen hat, freue ich mich natürlich auch über eine Fünf-Sterne-Bewertung und ein Feedback, damit auch andere diesen Podcast finden, die ihn bisher noch nicht hören können oder gefunden haben. Kommt gut durch die Zeit. Ich bin Sascha Weigel, der Host von INKOVEMA, dem Institut für Konflikt- und Verhandlungsmanagement in Leipzig und Partner für professionelle Mediations- und Coaching-Ausbildung.