INKOVEMA-Podcast „Episoden der Mediation“

#18 EdM – Die Unkenntnis über die Existenz eines Verhandlungsspielraumes

Der Verhandlungsspielraum als Verhandlungszone sich überschneidender Minimalergebnisse

Episoden der Mediation. Der Podcast zu den praktischen Fragen zur Mediation und des Konfliktmanagements.

Das ist Folge 18 der Episoden der Mediation – Die Unkenntnis der Verhandlungspartner über die Existenz eines Verhandlungsspielraumes.

Problemdarstellung:

UNKENNTNIS ÜBER DIE EXISTENZ EINES VERHANDLUNGSSPIELRAUMS

Der Verhandlungsspielraum ist die Konsequenz verschiedener Referenzpunkte, die die beteiligten Verhandlungspartner je für sich festlegen. Der Verhandlungsspielraum meint nicht die Bandbreite einer Person, innerhalb derer er bereit ist, sich auf eine Einigung einzulassen und damit den Bereich, der zwischen dem Verhandlungsziel und dem minimalen Verhandlungsergebnis (Schmerzgrenze) liegt. Der Verhandlungsspielraum ist die Konsequenz eines sozialen Geschehens zwischen den Verhandlungspartnern.

Neben dem schon genannten Verhandlungsziel und dem minimalen Verhandlungsergebnis gilt es noch den dritten Referenzpunkt zu benennen, das Eröffnungsangebot, das in aller Regel besser als das Verhandlungsziel sein wird, also im Falle des Zahlenden geringer als das Verhandlungsziel. Daraus ergibt sich ein klassisches Auftaktproblem in Verhandlungen.

Das Auftaktproblem der Verhandlungspartner ist Folgendes, das in den Shownotes grafisch dargestellt ist: Die Verhandlungsparteien wissen nichts vom dem minimalen Verhandlungsergebnis der jeweils anderen Partei. Daher wissen die Verhandlungsparteien auch nicht, ob das eigene minimale Verhandlungsergebnis sich mit dem minimalen Verhandlungsergebnis der anderen Seite überschneidet und auf diese Weise ein Aushandlungszone, eine Zone of possible agreement (ZOPA) gegeben ist. Darauf werde ich in einer anderen Episode näher drauf eingehen.

Ich möchte einen Beispielsfall einbringen, den ich kürzlich in meiner Praxis, bearbeitet habe: Für ein trennungswilliges Elternpaar standen Ausgleichszahlungen an, bei denen lediglich die absoluten Beträge als faktische Begrenzungen bekannt waren. Sie lagen zwischen € 0,- und € 800,-, was die absolut niedrigste (und für sie unannehmbare) Zahlung war und die absolut höchste (und für ihn unannehmbare) Zahlung war.

Da beide Partner nicht das minimale Verhandlungsergebnis des jeweils anderen kannten, wussten sie von Beginn an nicht, ob es überhaupt einen gemeinsamen Verhandlungsspielraum gibt, also eine Zone der Einigungsmöglichkeit. Denn liegen die minimalen Verhandlungsergebnisse dergestalt auseinander, dass sie keine Überschneidungen aufweisen, gibt es keine ZOPA, keine Zone of possible Agreement.

Beispiel: Ist seine Schmerzgrenze (minimales Verhandlungsergebnis), dass er nicht mehr als 250,-€ zu zahlen bereit ist und das von Ihr eine Mindestzahlung (minimales Verhandlungsergebnis) durch ihn in Höhe von 500,-€, dann gibt es keinen Verhandlungsspielraum. Auch wenn diese vielleicht dadurch zustande kommen kann, dass die Parteien von diesen persönlichen Begrenzungen gehört haben (und jeweils zu Anpassungen bereit sein, davon wird noch die Rede sein).

Welche Aufgabe kann nun einem vermittelnden Verhandlungshelfer hier zukommen? Dieses Wissensgefälle abzubauen und die Verhandlungsrisiken einzudämmen.

Lösungsansatz: 

MITTEILUNG DER MINIMALZIELE – OHNE DASS DER VERHANDLUNGSGEGNER DIE KONKRETE HÖHE ERFÄHRT.

Für den vermittelnden Verhandlungshelfer, z.B. in einer Mediation, gilt 1) diese Verhandlungssituation bzw. genauer dieses Verhandlungsdilemma der Parteien zu verstehen, 2) das Angebot der konkreten Verhandlungshilfe transparent zu unterbreiten, 3) bei Bejahung die Verhandlungshilfe korrekt durchzuführen – und dann Kurs halten.

Was heißt das konkret? 1) Verstehen des Verhandlungsdilemmas Im Falle einer konkreten Zahlung stellt sich das Verhandlungsdilemma für alle spürbar ein. Den Parteien fällt es schwer, ein erstes Verhandlungsangebot zu machen, nicht nur, weil dieses erste Angebot Auswirkungen auf das letztgültige Ergebnis haben wird und 2) die Parteien hin- und hergerissen sind, zwischen nicht zu viel geben zu wollen, aber auch auf keinen Fall das Scheitern der Verhandlungen zu provozieren. Es braucht, da beißt die Maus keinen Faden ab, eine vernünftige Lösung der Beteiligten. Und dafür kann der Verhandlungshelfer seine konkrete Hilfe anbieten:

2) Der Wert seiner Hilfe ist, festzustellen, ob es einen Verhandlungsspielraum gibt, ohne dass die Beteiligten ihre minimalen Verhandlungsziele einander verraten müssen. Dafür habe ich den beiden Parteien angeboten, dass sie ihr Minimalziel auf einen Zettel schreiben. Diese Zettel werden mir gegeben mit der Maßgabe, dass ich die Zahlen niemals verraten und die Zettel nach Sichtung sofort zerstören werde. Im Anschluss teile ich mit, ob es einen Verhandlungsspielraum gibt und sich die notierten Minimalziele überschneiden oder nicht. Überschneiden Sie sich, wissen die Beteiligten, dass es sich lohnt zu verhandeln. Es gibt eine ZOPA, eine Zone of possible Agreement. Überschneiden sie sich nicht, ist nicht aller Tage Abend, sondern die Beteiligten sind jetzt gefordert, ob sie doch noch ihre Schmerzgrenze verschieben oder nicht. Haben sie vorher sauber gearbeitet, dürfte das nicht eintreten, aber in der Praxis habe ich schon die dollsten Dinger erlebt.

Wichtig ist, dass die Beteiligten genau erklärt bekommen, was mit ihrem Zettel geschehen wird und was der Verhandlungs- und Konfliktvermittler mit der Kenntnis von den Minimalzielen tun wird. Und wenn Sie zu Beginn versprechen, diese Zahlen nicht zu verraten, dann sollten sie das auch im Nachgang, wenn alles gut verlaufen ist, nicht tun. Niemals.

Beim nächsten Mal

Vielen Dank fürs Anhören dieser Episode. Beim nächsten Mal widmen wir uns der dritten Phase innerhalb einer Mediation, der sog. Kreationsphase und werden alsbald wieder mit Verhandlungslehre und Verhandlungspsychologie beschäftigen.

Für den Moment bedanke ich mich, dass Sie wieder mit dabei waren.

Bleiben Sie uns gewogen und kommen Sie gut durch die Zeit.

Ihr Sascha Weigel.