INKOVEMA-Podcast „Episoden der Mediation“

#17 EdM – Phasen der Mediation II – Die Klärungsphase

Eine Apfelsine ist nicht die Welt – mag diese auch in den Köpfen von Mediatoren ihr Unwesen treiben

Episoden der Mediation. Der Podcast zu den praktischen Fragen zur Mediation und des Konfliktmanagements.

Herzlich Willkommen zu den EdM, 

dem Lehrstream von INKOVEMA zu den praktischen Fragen der Mediation und und des Konfliktmanagements. 

Hier werden Praxissituationen der Mediation, aber auch von Coachings und Konfliktberatungen erläutert, reflektiert und eingeordnet.

Das ist Folge 17 – Phasen der Mediation II – Die Klärungsphase.

   

INHALT

Im Folgenden geht es um die zweite Phase, die Klärungsphase, nachdem ich in Episode 14 die Kontraktphase genauer dargelegt habe und in einer der nächsten Episoden die Kreativitätsphase thematisiert werden wird.

Worum geht es in der Klärungsphase und welche Fragen müssen in dieser Phase beantwortet werden – und wie kann der Mediator dabei helfen. Darum wird es nun hier in der Episode 17 gehen.

Einführung: Klärungsphase

Die Klärungsphase lässt sich – ebenso wie die anderen Phasen – in zwei Schritten absolvieren:

1. SCHRITT

Im ersten Schritt setzen sich die Konfliktparteien gegenseitig in Bild: Welche Probleme stellen sich der Partei A mit der Partei B? Wie kam es aus der Perspektive A dazu? Was muss Konfliktpartei A hier in der Mediation ansprechen, besprechen und klären? Und welche Rolle kommt dabei der Konfliktpartei B zu? Die Leitfrage ist: Was ist aus Sicht von A geschehen und muss geklärt, ausgeglichen, abgeändert werden, was nicht ohne B möglich erscheint? Und dieselben Fragestellungen gelten im Nachgang auch für B – wobei beide jeweils vor allem Zeit und Raum haben, ihre Sicht und Geschichte darzulegen und Nachfragen eher sparsam erfolgen, v.a. aber keinesfalls bedrängend-verfolgerisch gestellt werden sollten. Kurz: Beide Seiten stellen ihre eigene Sicht- und Erlebensweise umfänglich dar; setzen den anderen in ihr eigenes Bild – und dieser andere hat in diesen Momenten nur die Aufgabe, dem genau zuzuhören und verstehen zu wollen, wie A seine Situation erlebt hat, erinnert und beschreibt. Denn das ist dessen Grundlage für das Konflikterleben. Und dies wird dann spiegelbildlich für B ermöglicht, wobei A zuhören, verstehen und

2. SCHRITT

Im zweiten Schritt geht es darum, die Konfliktbeziehung zu erhellen. Diese Konfliktbeziehung besteht v.a. aus diesen beiden unterschiedlichen, personenbezogenen Perspektiven. Jede Konfliktpartei definiert die Situation (=Konflikt) auf seine Weise problematisch und hat auch gleich Lösungsansätze parat, die zumeist eskalierend kommuniziert werden. Zur Eskalation führen diese Lösungsansätze, weil sie einseitig, unabgestimmt, aber den anderen beanspruchend daherkommen.

Diese ungefragten, nicht abgestimmten Lösungsansätze

sind die Kristallisationspunkte der Eskalation.

Diese Lösungsansätze müssen abgewehrt werden, was als Eskalation beobachtbar wird. Deshalb erleben Konfliktparteien sich im Konflikt als Reagierende, kaum je als Agierende: Konfliktparteien wehren sich gegen die Deutungen und Beanspruchungen der anderen Konfliktparteien. Deshalb erscheinen Konfliktgegner immer auch als Verweigerer (im Hinblick auf die eigenen Lösungsansätze!) und als Eskalateure (im Hinblick auf deren eigene Lösungsvorstellungen). Deshalb stellt der zweite Schritt in der Klärungsphase infolge der Entschleunigung und Selbstreflexion vor allem eine Erhellungsphase dar. Nicht nur hinsichtlich der Motive und unbekannten Aktionen der anderen, sondern bestenfalls auch, wenn die eigenen Wirkungen erkannt werden. Dennoch muss hier betont werden, dass Konflikte keineswegs immer bloße Missverständnisse sind und Mediationen erfolgreich wären, wenn die Missverständnisse aufgeklärt und sich dann alle einig und vereinigt wären. Das ist mitnichten der Fall.

Klärend wirken generell zwei Aspekte

Die kommunizierten und kaum abgesprochenen Lösungsansätze der Konfliktparteien – also z.B. das „Sei ruhig! Und hör’ auf damit!“ oder das „Mach’ das endlich, Du bist dazu verpflichtet!“, das eine Lösungsidee der Partei ist, die eben nicht auf Zustimmung stößt, sondern entschiedenen Widerspruch erntet. Im Konflikt wird der Widerstand nicht nur innerlich erlebt, sondern sozial und damit kommunikativ belebt. Das Nein wird laut und aktiv benannt, was zwar nun als Problem oder Konflikt bewertet wird. Tatsächlich aber ist das kommunizierte Nein ein Lösungsansatz auf den Lösungsansatz der Gegenseite. Das kommunizierende Nein ist zugleich ein kommunizierter, nicht abgesprochener, einseitiger Lösungsansatz, der akzeptiert, also bejaht werden soll. Systemtheoretiker erkennen hier das Kommunikationssystem Konflikt, während Mediatoren hier den Austausch von POSITIONEN erkennen. Die zugrundeliegende Idee, die Motivation, das verfolgte Interesse, das begehrte Ziel bleibt kommunikativ zunächst und in aller Regel außen vor. Doch in der Klärungsphase werden diese Positionen von Mediatorenseite hinterfragt: Welche INTERESSEN UND BEDÜRFNISSE gehen damit einher. Diese sollen nun in der Mediation sicht- und hörbar werden. Die zugrundeliegende Idee und Theorie von Mediator*innen ist dabei, dass dadurch einseitig Verhandlungsmassen erwachsen, die zusammen zu Verhandlungsspielräume für die Konfliktparteien wachsen, die ihrerseits ganz neue Lösungsansätze ermöglichen. Manchmal klingt das nicht nur in der Theorie, sondern wird zuweilen auch von Mediatoren in die Praxis als zwingende Logik überführt, dass diese Vorgehensweise automatisch zu Lösungen führt. Tatsächlich ist das aber nicht der Fall. Zwischen der Theorie und klugen Idee und einer praktizier- und erlebbaren Logik bestehen Welten. Oder metaphorisch für Eingeweihte: Eine Apfelsine ist nicht die Welt – mag sie auch in den Köpfen von Mediatoren ihr Unwesen treiben.

Arbeitsziele in der Klärungsphase

Was sind die wichtigen inhaltlichen Arbeitsziele in der Klärungsphase?

ERSTENS Entschleunigung, ZWEITENS Enttäuschung, DRITTENS Entkrampfung.**

  • Entschleunigen heißt, die Bombardierung mit unabgesprochenen Lösungsideen wird wohlwollend unterbrochen.
  • Enttäuschen heißt, dass die Lösung doch nicht einseitig, nun aber mit Hilfe des Mediators Überzeugungskraft durchgesetzt werden kann. Der andere wird tatsächlich nicht nur ein Wörtchen, sondern sein Wörtchen mitreden bei der Konfliktlösung.
  • Entkrampfen heißt, das gemeinsame Spielfeld wird als potenzielles Lösungsfeld in seiner ganzen Pracht und Größe wieder wahrgenommen und der feste Umklammerungsgriff an der erstbesten Lösungsidee kann gelockert werden.

Wer Brücken bauen will, muss die zu überwindenden Distanzen klar vor Augen haben.

Wichtige Arbeitsmethoden:

Spiegeln, Paraphrasieren, Loopen, also Verständnis sichern; Visualisieren, um die Problemfelder als gemeinsame Spiel-, Konflikt- und Lösungsfelder zu erkennen und nutzbar machen zu können.

Noch ein Wort zum Suchprozess, den die dritte Person initiieren und moderieren soll. Worauf ist zu achten?Die DIFFERENZLINIEN der Konfliktparteien sind vor allem in den Blick nehmen, nicht die Einigkeitsflecken und Harmonieinseln! Was das heißt, lässt sich nicht ohne die grundlegenden Strategieansätze von Mediatoren verstehen.

  • Es lässt sich derart arbeiten, dass man die Harmonieinseln der eskalierten Konfliktparteien in den Blick nehmen, um von dort aus Brücken zu bauen und die gemeinsame Zukunft und die damit zusammenhängenden nächsten Schritte aushandelnd zu vereinbaren. Mediatoren würden in diesem Falle nach den Gemeinsamkeiten Ausschau halten und auf dieser Basis gemeinsamer Interessen und Bedürfnisse gemeinsame Schritte zu vereinbaren, die freilich auch auseinanderlaufen dürfen (Trennung in Einigkeit, wenn auch mit großem Bedauern, dass das Gemeinsame nicht zur Gemeinsamkeit führt).
  • Eine andere Strategie ist, die Differenzlinien anzusteuern in der Mediation. Was trennt? Wo sind sich die Parteien uneinig? Wo und wie prallen ihre unterschiedlichen Einschätzungen aufeinander? Sei es in der Problemdefinition, sei es in der Zuschreibung der Problembedeutung oder deren Lösungsmöglichkeiten bzw. Lösungsnotwendigkeiten? Die Konfliktparteien sollten folglich zunächst besonders ihre Differenzen benennen bzw. erkennen und die Mediatoren nicht zu früh das Gemeinsame betonen und unterstreichen, festhalten wollen und als Anker der Gemeinsamkeit deklarieren. Harmonie braucht’s nicht in Übermaßen bei der Klärungsphase. Denn diese Differenzlinien sind wichtig dar- und offenzulegen. Die Parteien verbalisieren ihre Positionen und Perspektiven, werden genau dazu angeleitet und befragt, sich zu positionieren und diese Differenz als gemeinsame Ausgangssituation vollends wahr- und anzunehmen. Es braucht weder zwischen Teammitgliedern, Geschäftsführern, Ehepaaren oder sonstigen Konfliktgemeinschaften die oftmals irrige Annahme, im Grunde sei man sich einig, wolle man das Gleiche und sei gar nicht weit auseinander. Moment! Doch, benennen Sie furchtlos Ihre Differenzen Abstände zueinander. Denn das ist der Ausgangspunkt der ganzen Konfliktbearbeitung. Erst wenn dieser Abstand gut ausgemessen wurde, kann der anvisierte Brückenbau auch gut gelingen. Beide Seiten müssen für sich und miteinander klären, wo sie aktuell stehen und ob sie neue Brücken bauen möchten, wie diese gebaut werden könnten und inwiefern die Konsequenzen der Verbundenheit auch tatsächlich gewünscht sind. Die Fokussierung auf diese Differenz- und Konfliktlinien stellt eine enorme Arbeit für den Mediator dar, der es in aller Regel mit harmonie- und einigkeitswilligen Konfliktparteien zu tun hat, die möglichst schnell aus dem Mediationssetting, der leibgewordenen Deklarierung der Uneinigkeit, entschwinden wollen. Methodisch bedarf es allerdings einer Titulierung der gemeinsamen Differenzlinie, mit der sich alle Parteien identifizieren können.

Wichtige Arbeitsergebnisse:

Agenda, die die Differenzlinien allseits akzeptabel tituliert sowie Kompromiss- bzw. Bewegungsbereitschaft, die kommunizierten Positionen aufzugeben und den Interessen zu folgen, die eben auch anders erfüllt werden können. Wie man Mediation auch dreht und wendet, sie bedarf Konfliktparteien, die bereit sind, ihre Positionen zu verlassen, insoweit prinzipiell kompromissbereit sind und sich dazu an einen Tisch setzen. Insoweit ist die Theorie, hinter jeder Position verberge sich ein Interesse, notfalls auch ein schwer erkennbares, unsichtbares Interesse, das aber herausgefunden werden könne, eindeutig dem Zeitalter der Psychologie entnommen, ein Kind dieser großen Phase der Psychologisierung und ganz praktikabler Trick von Mediatoren, Verhandlungsbereitschaft zu erzeugen bzw. im Verhältnis zur Mediationsperson einzufordern und gegenüber den Konfliktparteien kommunikativ abzuringen.

Weitere, wichtige Arbeitsmethoden:

dBefragen, Hypothesen anbieten, Visualisieren sowie schlicht die eigene Anwesenheit als neutraler, allparteilicher, wohlwollender Dritter, der an sich bereits Anlass und Ausdruck sozialen Drucks ist.

Wer es also als Mediationsperson schafft, von den Konfliktparteien nicht vom Verhandlungstisch und des Raumes verwiesen zu werden, kann mit hoher Wahrscheinlichkeit Zeuge einer Abschlussvereinbarung werden. Das ganze Arbeitsprogramm von Mediatoren könnte man auch auch den Punkt bringen: Wenn Du engagiert wurdest und Dich als Mediator verpflichtet hast, ist es Deine einzige Aufgabe, nicht rausgeschmissen zu werden, während Du den Parteien Unangenehmes zum Besprechen verabreichst.

Das war’s für dieses Mal, vielen Dank fürs Zuhören, und vielleicht konntest Du die ein oder andere Idee für einen Deiner Fälle entwickeln, weiterspinnen und Entscheidungen treffen. Dafür wünsche ich gutes Gelingen!

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