Die Ästhetische Ökonomie
Umschlag von der fordistisch-organisierten Moderne zur postindustriellen ästhetischen Kulturökonomie
Kultursoziologische Einsichten und Konzepte nach Andreas Reckwitz
I. Einleitung
Im Verlaufe des 20. Jahrhunderts, genau genommen zum Ende der 1970er und zu Beginn der 1980er Jahre begann in den westlichen Industrienationen die industriell geprägte, dienstleistungsbestrebte Ökonomie der sog. organisierten Moderne sich grundlegend zu wandeln. Seitdem wurde versucht, diesen Wandel zu beschreiben und zu betiteln. Begriffe, die das Wissen und die zunehmend dominierenden Informationstechnologien betonten, sprachen von einer Wissens- und Informationsökonomie, was da postfordistisch erwachsen sei. Seit den 1990er wurde auch von einer Digitalökonomie gesprochen. Reckwitz betont in Tradition von Charles Taylor u.a. den kulturellen Aspekt des ökonomischen Handelns. Er spricht von einer Ästhetisierung und Kulturalisierung der Wirtschaft – und damit keineswegs nur von einem Ausgreifen des ökonomischen Denk- und Handlungsansatzes auf das Gesellschaftliche, sondern zunächst von einem Ausgreifen der Kulturalisierungsaspekte. Wirtschaften wurde kulturalisiert, ästhetisiert und strebte späterhin zur Singularisierungstendenz, die wir in unseren Institutsentwürfen bisher aufgezeigt hatten.
II. Vier Eigenschaften der ästhetischen Ökonomie, die sie vom Fordismus unterscheidet
- In der ästhetischen Ökonomie werden Innovationen keineswegs nur von den Forschungs- und Entwicklungsabteilungen in den Organisationen verlangt und damit dem Produkt zugewiesen, sondern von allen Abteilungen in den Organisationen: Innovation wird zum Kernmerkmal des Produzenten und der gesamten Organisationspraxis, statt nur des Produkts! Organisationen müssen sich erst in der ästhetischen Kulturökonomie ständig neu erfinden, da bekanntlich der „Erfolg der erste Schritt des Scheiterns“ ist (Steve Jobs)– und die „Kompetenzen, die die Organisation Gestern hierher gebracht haben, nicht die sein werden, die die Organisation Morgen weiter bringen werden“ (Elon Musk).
- Auch die Arbeitspraxis wird zunehmend affektiv aufgeladen, muss Spass und Freude machen, Sinn bringen oder zumindest machen. Das Produkt und die Produktion wird ästhetisiert und soll sinnlich-emotional daherkommen. (ästhetische Innovationen)
- Entsprechend verändert sich die Motivationspraxis und reaktiviert romantische Arbeitsbilder und Berufsmodelle: Arbeit muss befriedigend sein und das ist sie nur, wenn sie kreative Arbeit ist. In der kulturalisierten Ökonomie dürfen Arbeitnehmer beanspruchen, kreative Arbeit zugewiesen zu bekommen und alles repetitive, technisch-wiederholende wird als unmenschlich abgelehnt. Das ist nicht nur postromantisch, sondern auch auch durch die technologische Faszination beflügelt. Kreative Arbeit ist dabei nicht nur Selbstzweck, sondern soll zugleich die Selbsttransformation bewirken.
- Konsumenten werden als ästhetisch orientierte Subjekte modelliert, die mehr als bloßen Nutzen- oder Statuskonsum wünschen. Sie wollen sinnliche und affektive Erfahrungen mit dem Produkt machen, in eine verbindende, romantische Beziehung zum Produzenten stehen, die weit über das Vernutzungsverhältnis hinausgeht. Er wird der Abonnent und damit der Freund der Firmilie (Firma/Familie). ; Konsumenten werden selbst als kreative Subjekte adressiert; Konsumenten wollen Lebensstil, statt nur Lebensstandard, der noch der maßgebliche Antrieb der fordistisch zum Wohlstand gelangten Mittelstandsgesellschaft war.
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