INKOVEMA-Podcast „Gut durch die Zeit“
#116 – Organisationsmediationen als angeordnete Mediationen
Wie wirkt sich eine Anordnung auf die Prinzipien der Mediation und damit auf das Mediationsverfahren aus?
Im Gespräch mit Dr. Stefan Kracht
Gut durch die Zeit. Der Podcast rund um Mediation, Konflikt-Coaching und Organisationsberatung.
Dr. Stefan Kracht, Rechtsanwalt, Mediator und Mediationswissenschaftler, bis 2016 geschäftsführender Direktor des weiterbildenden Studiengangs Master of Mediation an der FernUniversität in Hagen; Langjähriger Geschäftsführer des Contarini-Instituts für Mediation; Vorsitzender der „Deutschen Gesellschaft für Mediation“.
Inhalte:
Im innerbehördlichen oder innerbetrieblichen Bereich werden Mediationen häufig vom Arbeitgeber oder Dienstherrn „angeordnet“. Diese Anordnung ist kein generelles Ausschlusskriterium für die Durchführung eines Mediationsverfahrens, solange es sich nicht um eine obligatorische Mediation handelt, der die Beteiligten nicht ausweichen können. Dennoch hat die Anordnung Auswirkungen auf die Praxis der Mediation und damit für die Frage, wie die Prinzipien der Mediation angewendet und zur größtmöglichen Entfaltung gebracht werden können.
In Organisationsmediationen, also sog. innerbetrieblichen bzw. innerbehördlichen Mediationen kommt es auf die juristische Einordnung der Tatsache an, dass Konfliktparteien mitunter von ihren disziplinarrechtlichen Vorgesetzt*innen in die Mediation geschickt werden. Die Mediation ist in solchen Fällen „angeordnet.
In solchen Fällen haben die Betroffenen mitunter wenig Möglichkeiten, einer solchen Mediation auszuweichen. Ihnen könnten arbeitsrechtliche Sanktionen oder beamtenrechtliche Nachteile drohen.
Für Mediator*innen kommt es neben der juristischen Konsequenz vor allem darauf an, welchen Einfluss diese Tatsache auf seine Arbeit hat und wie er seine Arbeitsweise anpassen könnte.
Besonders virulent ist die Frage im Falle einer behördlich initiierten Mediation, bei der das Beamtenrecht einschlägig ist. An ein solches obligatorisches Mediationsverfahren könnte man bei Beamten denken, wenn der Dienstherr eine Mediation anordnet. Hier ist aber zu bedenken, dass die Rechtsbindung der Verwaltung an das Mediationsgesetz auch im Beamtenverhältnis eine solche Anordnung untersagt. Der Beamte hat also – wie der Arbeitnehmer in der freien Wirtschaft – grundsätzlich die Möglichkeit, eine Mediation abzulehnen und den Konflikt mit dienstrechtlichen Mitteln auszufechten. Dennoch darf der faktische Druck auf die Betroffenen nicht unterschätzt werden, der durch eine „Anordnung“ ausgeübt wird. Hier ist der Mediator gefragt und muss den jederzeitigen sanktionsfreien Ausstieg der Parteien aus einer Mediation garantieren. Bei angeordneten Mediationen sind auch die Prinzipien der Vertraulichkeit, der Neutralität des Mediators, der Informiertheit und der Eigenverantwortlichkeit betroffen. Durch diverse vertragliche Vereinbarungen, aber auch die richtige Haltung des Mediators, können auch angeordnete Mediationen lege artis durchgeführt werden.
Links:
- Kracht / Niedostadek / Sensburg: Praxishandbuch Professionelle Mediation, Methoden, Tools, Marketing und Arbeitsfelder, Fachbuch, Buch. Hardcover, 2023, 835 S. 10 s/w-Abbildungen, 50 Farbabbildungen, Bibliographien. Springer. ISBN 978-3-662-49639-8 (LINK zum Verlag)
- Link zur Umfrage für Mediator*innen
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