Weitere 10 Bücher zur Digitalen Transformation, die es wert sind, gelesen zu werden. (2017-2019)

Wenn Papier hilft, die Digitale Transformation zu verstehen.

Zwei Jahre sind fast vergangen, seit ich den Blogbeitrag 10 Bücher zur Digitalen Transformation, die es wert sind, gelesen zu werden geschrieben habe, auf den ich rege angesprochen wurde – und werde.

Und weil wir in einer vernetzten Welt stetig bessere Bücher, aktuellere und umfassendere Informationen erhalten und verwerten können, ist es schon an der Zeit, weitere zehn Bücher vorzustellen, die helfen, die Digitale Transformation zu verstehen.

Bitte: Wer ein Buch vermisst, dass hier hätte aufgeführt werden müssen – ich bitte um Mitteilung, weil auch diese zehn Bücher, die hier genannt werden, mir zeigten, dass ich noch weit mehr davon verstehen und wissen will. 

1. Eine kurze Geschichte der Digitalisierung

Martin Burckhardt, München 2018

Dieses schmale Büchlein des Kulturhistorikers Martin Burckhardt ist eine kleine Sensation. Auf knapp 250 Seiten wird eine kultur- und wissenschaftsgeschichtliche Entwicklung digitalisierender Gedanken nachgezeichnet, die sich so ganz anders ausnimmt als andere Bücher zum Thema: Ein neuer Blick auf die sich entwickelnde digitale Welt wird anhand unterschiedlichster Episoden entwickelt, bei der der Abbe Jean-Antoine Nollet ebenso eine Rolle spielt, wie Mary Shelleys schauerliche Story ihre ganz bodenständige Erklärung findet: Ich werde mich nicht mehr über deutsche Weihnachtsmärkte aufregen, wenn ich weiß, dass man einst in abgeschnittene Köpfe von Tieren und Menschen öffentlich Drähte für „elektrische Zaubereien“ gesteckt hat!

Martin Burckhardt wählt einen Ansatz zur Erklärung der Digitalisierung, der sie bis weit zurück nachzeichnen lässt, so dass wir ihre Anfänge gar nicht genau bestimmen können. Es ist jedenfalls nicht so, dass ein paar Kluge oder Gelangweilte eines Morgens im 20. Jahrhundert aufgestanden sind und bei sich dachten, wir heizen denen jetzt mal ordentlich ein, damit die aus der Puste kommen.

Digitalisierung ist für Burckhardt eine Konsequenz der Neugierde, die tief eingebettet ist in unser Menschsein. Sie hat überhaupt nicht den Anschein des Widernatürlichen. Statt in Technologien und Computermaschinen zu denken, geht es Burckhardt darum, die Digitalisierung als Gesellschaftsspiel zu begreifen, die uns alle verbindet, näher bringt und uns mit uns als Menschen auseinandersetzen lässt. Sie ist kein nationales Projekt. Sie ist kein Projekt der Europäer oder Amerikaner oder Chinesen oder der Schildbürger. Die Digitalisierung bringt uns als Menschen zusammen, so dass wir gar nicht umhinkommen, uns mit unseren fremden Seiten und Fremden auseinanderzusetzen. Deshalb muss sie auch Grenzen einreissen.

Sie ist – ganz im Gegensatz zu einigen aufgeregten Stimmen des Feuilletons und Deutungsbranchen – ein zutiefst humanistisches Projekt und eine Konsequenz aus den Bemühungen im Umgang mit Kommunikation, d.h. Kooperations- und Konfliktpotenzialen unter uns selbst. Wenn der maßgebende Begriff des 20. Jahrhunderts Kommunikation war, wird es im 21. Jahrhundert der Begriff der Information sein. Wir werden am Ende darauf zurückkommen.

Und das ist das Wesentlich am „Kleinen Burckhardt“ – wie ich das Büchlein mittlerweile nenne.

Der Große Burckhardt („Philosophie der Maschine“) liegt bereits auf dem Lesetischchen bereit. (Fortsetzung folgt.)

2. Wie die Welt in den Computer kam.

Zur Entstehung digitaler Wirklichkeit

David Gugerli Frankfurt am Main 2018

Wir öffnen heute unsere Laptops, fotografieren mit unseren Smartphones, regen uns über unsere Internetanschlüsse (in Deutschland) auf, fordern Leichtgängigkeit, Leichthändigkeit und Leichtigkeit – und dass alles bei Speicherfähigkeit, Schnelligkeit und Supereinfachheit. Die Digitalisierung und sonstigen Fortschritte der letzten 30 Jahre sind so unglaubliche Veränderungen, dass wir bei Problemen im Leben an irgendeinen Fehler in der Matrix denken. Selbst diejenigen, die es leicht haben, fühlen nur Hindernisse und Bremsen.

Aber was war das für eine Mammutaufgabe, die Welt in den Computer zu bekommen?! Wir machen uns ja kaum Vorstellungen davon, was für Anpassungen, Einpassungen und Abschnitte nötig waren, um weltweit und jederzeit in kommunikativen Kontakt treten zu können. Gugerli unternimmt in seinem – ebenfalls kleinen – Büchlein den Versuch, Spätgeborenen diese Schwierigkeiten nahe zu bringen. Es ist ein hochinteressanter Versuch.

Ich habe nur die Hälfte der Problematik verstanden, glaube ich.

Die andere Hälfte hat sich dennoch gelohnt!

Unbedingt lesen – bevor die Robots und Cobots, Siris und Alexas, Amelias und Atlanten wieder zurück in die Welt kommen!

3. Das Zeitalter des Überwachungskapitalismus

Shoshana Zuboff, Frankfurt am Main 2018

Shoshana Zuboff ist eine amerikanische Ökonomin, langjährige Professorin der Havard-Business-School und gilt als eine der originellsten Wirtschaftsdenker*innen der Welt. Sie prägte maßgeblich die Debatte um die aufziehende Digitalisierung mit ihrem Standardwerk „In The Age OF The Smart Machine – The Future Of Work And Power“, das bereits 1988 die Veränderungen der Arbeits- und Wirtschaftswelt aufziehen sah.

In ihrem neuen Buch, 700 eng beschriebene Seiten, rechnet sie mit den Entwicklungen der digitalgetriebenen Wirtschaft ab: Sie beschreibt die veränderten Funktionsweisen der Wirtschafts- und Arbeitswelt, in dem umfassend und alltäglich Daten erfasst und analysiert werden. Sie sieht in den Veränderungen durchaus eine neue Form des Kapitalismus und bezeichnet diesen als Überwachungskapitalismus.

Die Besonderheiten sieht sie vor allem in dem privat-kapitalistische Ausgangspunkt der allumfassenden Definition von Menschen, ihr Handeln und Wirtschaften, ihr Denken und Glauben – ganz im Dienste der digitalisierten Gesellschaft, in der Individuen als Beiwerk der digitalen Maschinerie vorkommen und einer neuen Art von Belohungs- und Bestrafungssystem unterworfen sind.

Zuboff treiben wichtige Fragen um:  

  • Wie wird die globale, jedenfalls aber soziale Gemeinschaft von Menschen sichergestellt, wenn die Menschen als Arbeitskräfte nutzlos sind, aber als Datenträger und -quelle unentbehrlich?
  • Kann die individuelle Datenhoheit den Statusverlust als Arbeitskraft wettmachen?
  • Welche neuen Mächte tauchen in diesem Spiel auf?
  • Welche Art von Gesellschaft wird durch diese Entwicklungen geschaffen? Wie wird sich die liberale Demokratie behaupten? Wird sie es können?

Das Werk ist eine Fundgrube des Wissens. Freilich kann man seine Dramatik kritisieren und auf die Anfänge des Kapitalismus verweisen, bei dem private Aktiengesellschaften quasi-staatliche Macht anhäuften, den Welthandel und die Kolonisation eroberter Gebiete brutal und menschenverachtend betrieben. Angesichts der „Firmengeschichten“ z.B. der niederländischen Aktiengesellschaft „Vereenigde Ostindische Kompanie (VOC)“ oder der „British East India Company“, die – und nicht das Britsche Empire – den indischen Subkontinent eroberte, kommt die Aufregung um AGFA & Co. reichlich übertrieben daher. Andererseits lässt sich auch nicht behaupten, dass sei damals ja alles noch gut gegangen.

Der Wert des Buches liegt für mich vor allem in den detaillierten Beschreibungen, wie der digitale Kapitalismus funktioniert, welche disruptiven Wirkungen im Vergleich zum industriellen Kapitalismus aufkommen, weshalb die Plattformökonomie so genial wie gefährlich ist – und dass vor allem der (global ausgerichtete) Gesetzgeber gefragt ist, zum Wohle aller zu handeln. Und diese Gesetzgebung betrifft uns alle, wie uns die DGSVO als Speerspitze im vergangenen Jahr vermittelt hat. Wirksame Gesetzgebung wird auch das unmittelbare Nutzerverhalten betreffen oder zumindest tangieren.

4. Angriff der Algorithmen.

Wie sie Wahlen manipulieren, Berufschancen zerstören und unsere Gesundheit gefährden

Cathy O’Neil, Frankfurt am Main 2018

Cathy O’Neil ist eine in Harvard promovierte Mathematikerin, die früher als Hedgefonds-Managerin tätig war und sich heute in der Occupy Wall Street Bewegung engagiert. Sie prägte den Begriff der „Weapons of Math Destruction“ (WMDs), der nicht ohne Grund an die Weapons of Mass Destruction erinnern soll. Es gibt sicherlich nicht viele auf der Welt, die derartig fundiert und verständlich über die fatalen Auswirkungen von Algorithmen schreiben und aufklären können. In vielerlei Hinsicht erinnerte mich das Buch und dessen Hintergründe an Yvonne Hofstetter, deren Bücher („Sie wissen alles!“)im ersten Post „10 Bücher zur Digitalisierung, die es wert sind…“ erwähnt wurden.

O’Neil notiert in ihrem Buch unzählige Beispiele, in denen Kredite zu Unrecht versagt, Jobbewerbungen diskriminierend abgelehnt, polizeiliche Maßnahmen rechtswidrig durchgeführt wurden, kurz; in denen Algorithmen „Entscheidungen“ getroffen haben und die involvierten Menschen diese für objektiv, unbestechlich und richtig ansahen und verteidigten. Aber, und das ist O’Neils Kernbotschaft, Algorithmen sind nicht objektiv. 

Dabei plädiert Cathy O‘ Neil nicht für eine totale Ablehnung, die sich zumeist aus Ahnungslosigkeit speist, sondern für eine gesunde Skepsis, die die Vorteile der technologischen Entwicklungen stets im Blick behält.

5. Was sollen wir von Künstlicher Intelligenz halten?

Die führenden Wissenschaftler unserer Zeit über intelligente Maschinen.

John Brockman (Hg.), Frankfurt am Main 2018

John Brockman ist nicht irgendwer, sondern ein gefeierter Aktionskünstler und Zeitgeist, der sich in den letzten Jahren als Literaturagent einen Namen gemacht hat. Zudem gibt er die Internet-Zeitschrift „Edge“ heraus. Und von Zeit zu Zeit wartet er mit einer provozierenden „Edge-„Frage auf, die er den führenden Köpfen der Welt stellt. So entstand auch „Was sollen wir von Künstlicher Intelligenz halten?“, auf die das Büchlein über 100 Antworten aufgelistet hat.

Wer sich diesem Thema widmen will, hat in kürzester Zeit den bunten Strauss der Meinungen und Wissensstände hier gesichtet. Ein guter Einstieg und steter Ratgeber. Absolute Leseempfehlung.

Mit Beiträgen von: 

  • Martin Rees (Kosmologe, Royal Society, „Die organische Intelligenz hat keine langfristige Zukunft“)
  • Gerd Gigerenzer (Psychologe, MPI Berlin, „Roboärzte“)
  • Richard E. Nisbett (Megatrend-Entdecker, „Denkmaschinen und Langeweile“)
  • Steven Pinker (Psychologe, Harvard, „Denken bedeutet nicht Unterjochen“)
  • Max Tegmark (Kosmologe, MIT, „Machen wir uns bereit“)
  • Peter Norvig (Informatiker, Google, „Maschinen entwerfen, um die Komplexität der Welt zu bewältigen“)
  • César Hidalgo (MIT,“Maschinen denken nicht, aber Menschen auch nicht“)
  • Stanislas Dehaene (Psychologe, Paris, „Zwei kognitive Funktionen, die Maschinen immer noch fehlen“)

6. Human + Machine.

Künstliche Intelligenz und die Zukunft der Arbeit

Paul R. Daugherty & H. James Wilson, München 2018

Mit Paul R. Daugherty und H. James Wilson haben zwei der führenden Technologie-Experten des Beratungsriesen Accenture über die neuesten Entwicklungen in der Arbeitswelt geschrieben. Und ihr Fokusthema sind die einschneidenden Veränderungen durch Künstliche Intelligenzen. Und ihr Buch „Human + Machine“ zeigt deutlich, dass diese Künstlichen Intelligenzen schon längst existieren, mit uns kommunizieren, uns das Leben erleichtern, manchmal erheitern und nicht selten auch erschweren. Aber das ist nicht der Fokus der Autoren.

(Wer zu den Schwierigkeiten mehr wissen, will, die Künstliche Intelligenzen, Algorithmen und massenhafte Datenverarbeitungen verursachen, dem sei hier nochmal Cathy O’Neil empfohlen, die diesen Bereich ausleuchtet.)

Daugherty und Wilson möchten aufzeigen, dass auf Organisationen und ihre Mitarbeiter, auf die Arbeitswelt als Sozial- und Beziehungssystem, enorme Veränderungen zukommen. Denn diese Künstlichen Maschinen arbeiten nicht von allein, sie müssen vielmehr programmiert, trainiert, feinjustiert und erhalten werden, ihnen müssen Menschen erklären, erläutern, aufzeigen und vormachen, was zu tun ist. Kurz; in Zukunft müssen Menschen in der Lage sein, Maschinen zu helfen. Menschen werden Lehrer*innen für Maschinen werden, die auf neuartige Weise gesteuert werden wollen. Zudem kommt, dass Menschen sich fortbilden müssen, um den Support, den Maschinen liefern können, nutzen zu können. Es ist nicht leicht, sich von einer Künstlichen Intelligenz unterstützen zu lassen, ließe sich sagen. Für diese Entwicklung haben Daugherty und Wilson das Konzept der fehlenden Mitte entwickelt. Sie liefern in ihrem Buch zu jedem Bereich eine Fülle an Beispielen aus der Unternehmens- und Arbeitswelt.

Damit dieser epochale Wandel gelingt, gehen die Autoren auf fünf Aspekte ein, an denen die Veränderung ansetzen muss:

  • Zunächst muss sich die Geisteshaltung (Mindset) auf die Veränderung einstellen und diese annehmen.
  • Die Bereitschaft zu experimentieren, auszuprobieren und auch ein Risiko einzugehen, gehört ebenfalls zu den Bereichen, denen sich veränderungswillige Organisationen stellen müssen, erst recht, wenn sie aktuell am Markt etabliert und erfolgreich sind.
  • Das gesamte Führungssystem wird sich ändern und den neuen Gegebenheiten anpassen.
  • Die Datenfundierung des Agierens und Entscheidens wird noch weiter verstärkt werden.
  • Und die Fertigkeiten der Mitarbeiter*innen werden sich an den technologischen Entwicklungen anpassen und orientieren müssen.

Das Buch befasst sich mit einem speziellen Bereich der Digitalisierung und wendet sich an Organisationsarbeiter*innen, Entscheidet*innen und Berater*innen. Für sie ist es nützlich und sehr ergiebig.

7. Leben 3.0.

Mensch sein im Zeitalter Künstlicher Intelligenz

Max Tegmark, Berlin 2017.

Wenn es stimmt, dass die Digitalisierung Science Fiction beinah getötet hat, dann ist Max Tegmark der Lebensretter! Mit ihm lebt Science Fiction wieder auf! Das Buch liest sich wie die ausgeflippten Ideen eines LSD-Junkies, der die Hippie-Zeiten aufleben lässt.

Aber nein, Max Tegmark ist der Sohn des Mathematik-Professors der Königlich Technischen Hochschule in Stockholm Harold Shapiro und selbst einer der angesehensten Kosmologen und Astrowissenschaftler unserer Zeit. Er studierte selbst an der KTH Stockholm mit Abschlüssen in Wirtschaft 1989 und Physik 1990 sowie an der Berkeley Universität in Kalifornien, wo er 1992 seinen seinen Master in Physik erhielt und anschließend promovierte. Als Post-Doktorand verschlug es ihn sodann nach München an das renommierte Max-Planck-Institut für Physik. Ab 1996 war er Hubble Fellow am Institute for Advanced Study in Princeton. Mittlerweile ist Max Tegmark ordentlicher Professor am Massachusetts Institute of Technology (MIT). Zudem ist er Gründungsdirektor des dort ansässigen Fundamental Questions in Physics Institute (FQXi) und einer der führenden Denker zum Thema Künstliche Intelligenz.

Und mit seinem Buch will er die wichtigste Debatte unserer Zeit anregen und ausdrücklich alle dazu einladen, sich rechtzeitig zu beteiligen. Ganz wie Stephen Hawking und Yuval Noah Harari (siehe dazu Buch Nr. 9 hier im Blogbeitrag) ist er der Meinung, dass Künstliche Intelligenz die Zukunft unseres Planeten wie kaum etwas vorher beeinflussen wird und die Frage nur ist, ob das unser Verderben sein wird oder unser nächster Entwicklungsschritt.

Um sich dieser Frage zu nähern geht Max Tegmark schrittweise vor und entwirft unterschiedliche Szenarien, wie z.B.,

  • dass KI die Erobererrolle einnimmt und sich der Menschen entledigt,
  • dass KI die Rolle einer versklavten Göttin zukommt, die von den Menschen dazu genutzt wird, Hochtechnologie zu entwickeln,
  • dass KI in Vollendung nie zustande kommt, weil sich die Menschheit vorher selbst vernichtet oder
  • dass es zu einem egalitären Utopia kommt, in der alle glücklich nebeneinander leben.

Wem das als Buchbeschreibung zu abgefahren ist, dem sei folgender TED-Talk als Einstiegempfohlen.

Max Tegmark: Wie wir durch Künstliche Intelligenz gestärkt und nicht überwältigt werden.

Max Tegmark, Lecture on Life 3.0 – Being Human in the Age of Artificial Intellegence

Sie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von YouTube. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf die Schaltfläche unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden.

Mehr Informationen

8. 21 Lessons for the 21st Century

21 Lektionen für das 21. Jahrhundert

Yuval Noah Harari, Frankfurt am Main 2018

Yuval Noah Harari war bereits in 10 Bücher zur Digitalen Transformation, die es wert sind, gelesen zu werden vertreten. Zunächst mit seinem Buch zum Gestern der Menschheit, Sapiens, Eine kurze Geschichte der Menschheit, sowie mit seinem Buch zum Morgen der Menschheit, Homo Deus, Eine Geschichte von Morgen.

Mit 21 Lektion für das 21. Jahrhundert greift Harari viele schon in den beiden vorherigen Büchern angerissene Thesen und Debatten auf und strukturiert sie in 21. Kapitel. Auf diese Weise kann er die einzelnen Thesen, Streitpunkte und Argumentationsmuster konzentrierter aufbereiten und dem Leser verdaulich präsentieren. Diese 21 Lektionen untergliedert er in fünf Teile: Die technologische Herausforderung, die politische Herausforderung, Hoffnung und Verzweiflung, Wahrheit und Widerstandsfähigkeit.

Auch wenn nicht die bahnbrechend neuen Erkenntnisse in dem Buch versammelt wurden und insoweit die Qualität der ersten beiden Bücher nicht erreicht wird, so ist doch dieses Buch viel geeigneter als die anderen, sich den Themen schritt- und häppchenweise zu nähern. Und das ist umso dringender nötig, als dass die Dichte und Intensität der eigenen Erkenntnis bei Hararis Büchern besonders hoch sind: Mit der Perspektive des Historikers bringt Harari nicht nur neue Erkenntnisse nahe, sondern räumt auch mit alten Vorurteilen und Annahmen auf. So sind seine Ausführungen z. B. zu Gefühlen schlichtweg erfrischend, weil sie jede (beraterische) Mystik aufheben und mit den neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen feststellen, dass sie schlichtweg biochemische Algorithmen sind, die alsbald von Sensoren, Maschinen und Software besser erkannt und eingeschätzt werden können als von anderen, z.B. beratenden Menschen. Die Anfänge dieser Entwicklungen haben längst die Labore (des MIT) verlassen und sind der (wissenschaftlichen Zweit- und wirtschaftlichen Erst-) Verwertung zugeführt: https://www.affectiva.com.

9. Information growths – Wachstum geht anders. 

Von den kleinsten Teilchen über den Menschen zu Netzwerken.

César Hidalgo, Hamburg 2018.

César Hidalgo ist ein junger chilenischstämmiger Professor, der als Physiker angefangen hat, zum Wissenschafts-Star avancierte, nachdem die New York Times 2011  berichtete, dass Hidalgo eine Lösung auf ein altes, aber wichtiges Problem entwickelt habe: Wie macht man aus einem armen Land ein reiches? …und die mittlerweile die Welt der Ökonomie aufmischt. Und dabei präsentiert sich Hidalgo stets in Jeans und T-Shirt. Aber wer sich eine der Reden von Hidalgo im Internet anschaut, der versteht, dass hier einer mit Leidenschaft und Ausdauer am Werk ist, um zu verstehen, wie sich die Welt dreht.

Mit Kleinigkeiten gibt sich Hidalgo nicht zufrieden. Für ihn macht das Universum drei Dinge aus: Energie, Materie und Information. Und Information ist für Hidalgo der zentrale Begriff, weil er das Universum interessant macht. Sein Buch heißt im Englischen auch Why Information Grows. The Evolution of Order, from Atoms to Economies, so dass der deutsche Titel doch ein wenig in die Irre führt oder zumindest nicht den zentralen Aspekt ansteuert, auch wenn Wachstum eine wesentliche Rolle spielt.

Denn auf der Erde sei es anders als im Universum: Während dort die Unordnung stetig zunimmt (Entropie!), nimmt sie auf der Erde ab. Hier wächst die Ordnung – unaufhörlich. Dieses Anwachsen der Ordnung geht einher mit einem Anstieg der Komplexität. Das Wachstumsprinzip ist für Hidalgo das grundlegende Prinzip auf Erden, so dass seine Theorie die Biosphäre und die sozialen Systeme erfasst, z.B. die Wirtschaft ebenso wie das internationale Rechtssystem, die digitale Vernetzung der Menschen und Maschinen untereinander.

Wir mögen zwar als Menschen Unordnung und Gefahr sehen, aber das ist lediglich die Konsequenz daraus, dass wir die Komplexität nicht überblicken und die Instrumente, mit der wir sie handhabbar machen können, (noch) nicht beherrschen.

Tipp: Um die Kernthesen Hidalgos zu verstehen – oder sich besser von einer anderen Seite an sie heranzutasten, sei hier auf das Buch des kürzlich verstorbenen Hans Rosling „Factfullness“ verwiesen, der die Ordnung und Schönheit dieser Welt, ihr Wachstum und ihre Entwicklung in den vergangenen 50 Jahren in einer Art und Weise nachzeichnet, die jeder sofort versteht. Um sich gut zu fühlen und verbunden mit dieser Welt, braucht es nicht viel mehr als die zugrundeliegenden Zahlen, Daten und Fakten.

10. Die 50 wichtigsten Themen der Digitalisierung. 

Künstliche Intelligenz, Blockchain, Bitcoin, Virtual Reality und vieles mehr verständlich erklärt

Philip Specht, Frankfurt am Main 2017.

Zum Abschluss die Einstiegshilfe in das Thema „Digitalisierung“. 

Philip Specht erläutert kurz und bündig die 50 wichtigsten Begriffe und Zusammenhänge der Digitalisierung. Er wandert von den Grundlagen wie Bits und Bytes, World Wide Web und Venture Capital, über Online-Trends und Online-Sales, zu VR, AR, KI und 3D-Druck bis er bei Smart Home und Smart Health auch zu Fragen von Identität und Homo Sapiens kommt.

Das Buch ist lesenswert, weil es die Spannbreite des Themas erfasst und so deutlich macht, dass es nicht nur um Technik und Technologie geht, nicht nur um Geld und Kapital, sondern um grundlegende Fragen globaler und welthistorischer Art.

Das waren meine 10 lesenswerten Bücher zur Digitalen Transformation der vergangenen 2-3 Jahre.

Welches Buch fehlt Ihnen in der Liste? Was hat ihnen die Digitale Transformation näher gebracht?

Lassen Sie uns in den Kommentaren teilhaben und verbreiten Sie gern diesen Beitrag in Ihrem Netzwerk – wie gesagt, es geht um die wichtigste Debatte unserer Zeit!

Beste Grüße!

S