INKOVEMA-Podcast „Gut durch die Zeit“

#173 – Betriebsrat und innerbetriebliches Konfliktmanagement

Welche Rolle spielt hier Mediation?

Im Gespräch mit Dr. Marcus Bauckmann

Gut durch die Zeit. Der Podcast rund um Mediation, Konflikt-Coaching und Organisationsberatung.

Dr. Marcus Bauckmann, LL.M., Rechtsanwalt, zertifizierter Mediator, und Mediationssupervisor in eigener Kanzlei in Paderborn und Hamburg. Er hat Lehraufträge u.a. für (Wirtschafts-)Mediation an mehreren Universitäten inne. Seit 2017 leitet er das Fachreferat Berufsstand der Deutschen Stiftung für Mediation.

Inhalte:

1. Die Rolle des Betriebsrats in innerbetrieblichen Konflikten

In deutschen Unternehmen spielen Betriebsräte (bzw. in öffentlichen Organisationen sog. Personalräte sowie in kirchlichen Tendenzbetrieben sog. Mitarbeitervertretungen) eine entscheidende Rolle, wenn es um die Vertretung der Arbeitnehmerinteressen und die Wahrung von Mitbestimmungsrechten geht. Sie regelt sich nach dem Betriebsverfassungsrecht (Personalvertretungsrecht bzw. MAV-Recht).

Die – von der Belegschaft der Betriebe gewählten – Betriebsratsgremien sind gesetzlich dazu verpflichtet, die Interessen der Belegschaft gegenüber dem Arbeitgeber zu vertreten. Dies umfasst unter anderem die Mitbestimmung bei personellen, sozialen und wirtschaftlichen Angelegenheiten.

Ein zentraler Aspekt der Betriebsratsarbeit ist der Umgang mit Konflikten.

  • Konflikte und Interessenarbeit zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmerschaft: Diese können sowohl zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern als auch innerhalb des Betriebsratsgremiums selbst auftreten. In ihrer Funktion als Vertreter der Arbeitnehmer müssen Betriebsräte oft in Konflikte mit dem Arbeitgeber treten, um Rechte und Interessen der Belegschaft zu schützen und durchzusetzen.
  • Konflikte innerhalb des Betriebsratsgremium: Doch auch innerhalb des Betriebsratsgremiums kann es zu Spannungen und Konflikten kommen. Unterschiedliche Meinungen und Interessen der Gremienmitglieder können die Zusammenarbeit erschweren und erfordern ein hohes Maß an Kommunikations- und Konfliktlösungskompetenz.

Hier kommen Mediatoren und Konfliktberater ins Spiel. Als externe Helfer können sie Betriebsräte dabei unterstützen, Konflikte sowohl mit dem Arbeitgeber als auch innerhalb des Gremiums konstruktiv zu lösen. Ihre Aufgabe besteht darin, eine neutrale und strukturierte Gesprächsführung zu ermöglichen, bei der alle Beteiligten ihre Standpunkte darlegen und gemeinsam Lösungen erarbeiten können.

Die Bedeutung von Mediatoren und Konfliktberatern für Betriebsräte ist nicht zu unterschätzen. Sie bringen nicht nur Fachwissen und Erfahrung in der Konfliktlösung mit, sondern bieten auch eine objektive Außenperspektive, die in festgefahrenen Situationen oft den entscheidenden Unterschied machen kann. Durch ihre Unterstützung können Betriebsräte ihre Arbeit effektiver gestalten und langfristig zu einem harmonischeren Arbeitsklima beitragen.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Betriebsräte eine zentrale Rolle in der Konfliktbewältigung innerhalb von Unternehmen spielen. Ihre Zusammenarbeit mit Mediatoren und Konfliktberatern ist ein wichtiger Baustein für das Gelingen im Umgang mit Differenzen und Konflikten und die Stärkung der Mitbestimmung in Unternehmen.

2. Bedeutung für die Arbeit von Mediator*innen – Perspektiven externer Konfliktberatung in der Zusammenarbeit mit Betriebsräten

Für Mediatoren und Konfliktberater bedeutet die Zusammenarbeit mit Betriebsräten eine besondere Herausforderung und gleichzeitig eine große Chance. Oftmals treten Mediatoren auf Initiative der Betriebsräte in Aktion, wenn diese erkennen, dass ein externer Blick und professionelle Unterstützung notwendig sind, um festgefahrene Konflikte zu lösen. Dabei können Konfliktberater und Mediatoren entweder proaktiv vom Betriebsrat eingebunden werden oder auf eigene Initiative hin ihre Unterstützung anbieten.

Ein zentraler Aspekt der Arbeit von Mediator*innen und Konfliktberater*innen ist das Schaffen einer vertrauensvollen Atmosphäre, in der alle Parteien offen über ihre Anliegen sprechen können. Dieses Schaffen von Dialog- und Lösungsräumen gelingt umso eher, je mehr das juristische und organisationale Zusammenspiel von Arbeitgeber und Betriebsrat bekannt ist.

Für Mediatoren und Konfliktberater ist es essenziell, die Strukturen und spezifischen Herausforderungen der Betriebsratsarbeit zu verstehen. Dies ermöglicht es ihnen, gezielte und effektive Lösungen zu erarbeiten, die sowohl den rechtlichen Rahmenbedingungen als auch den zwischenmenschlichen Dynamiken gerecht werden. Die Zusammenarbeit mit Betriebsräten erfordert daher nicht nur fachliches Know-how in der Mediation, sondern auch ein tiefes Verständnis für die betriebsinterne Kommunikation und die gesetzlichen Mitbestimmungsrechte.

3. Rechte der Arbeitnehmervertretungen am Beispiel von Betriebsräten nach dem Betriebsverfassungsgesetz

Grundlagen der Betriebsratsrechte

Die Rechte des Betriebsrats sind im Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) verankert und decken verschiedene Bereiche der Mitbestimmung und Mitwirkung ab. Mitbestimmung heißt, dass hier der Arbeitgeber zwingend auf die Zustimmung des Betriebsrats angewiesen ist, um entscheiden und umsetzen zu können. Die Mitwirkungsrechte sind nicht derart intensiv ausgestaltet. Hier muss der Betriebsrat zwar eingebunden werden in den Entscheidungsablauf, doch der Betriebsrat kann diesen gewissermaßen nicht „aufhalten“. Im Folgenden werden die wichtigsten Betriebsratsrechte aufgezählt, deren Ausgestaltung und Umsetzung sowie die relevanten Paragrafen im BetrVG:

  • Mitbestimmungsrecht (§ 87 BetrVG)
    • Der Betriebsrat hat das Recht, bei sozialen, personellen und wirtschaftlichen Angelegenheiten mitzubestimmen. Dies betrifft z.B. Arbeitszeiten, Urlaubspläne, Entlohnungsgrundsätze, Einführung von neuen Technologien oder sozialen Einrichtungen im Betrieb.
    • Umsetzung: Der Betriebsrat verhandelt mit dem Arbeitgeber und schließt ggf. Betriebsvereinbarungen ab, um Regelungen verbindlich festzulegen. Es handelt sich um eine Kontraktzusammenarbeit.
  • Informationsrecht (§ 80 Abs. 2, § 90, § 92 BetrVG)
    • Der Betriebsrat muss vom Arbeitgeber rechtzeitig und umfassend über alle Angelegenheiten informiert werden, die die Interessen der Arbeitnehmer berühren. Dazu gehören wirtschaftliche Angelegenheiten, personelle Maßnahmen und organisatorische Veränderungen.
    • Umsetzung: Der Arbeitgeber stellt dem Betriebsrat alle relevanten Unterlagen zur Verfügung und informiert ihn mündlich oder schriftlich über geplante Maßnahmen.
  • Beratungsrecht (§ 81 BetrVG)
    • Der Betriebsrat hat das Recht, mit dem Arbeitgeber über Maßnahmen zu beraten, die die Arbeitnehmer betreffen, z.B. über die Einführung neuer Arbeitsmethoden oder die Planung von Betriebsänderungen.
    • Umsetzung: Regelmäßige Beratungsgespräche zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber finden statt, in denen der Betriebsrat seine Bedenken und Vorschläge einbringen kann.
  • Mitwirkungsrecht (§ 99 BetrVG)
    • Bei personellen Angelegenheiten wie Einstellungen, Versetzungen, Eingruppierungen und Kündigungen hat der Betriebsrat ein Mitwirkungsrecht. Er muss zustimmen oder seine Bedenken äußern.
    • Umsetzung: Der Betriebsrat wird in Entscheidungen einbezogen und hat die Möglichkeit, Bedenken zu äußern oder Maßnahmen zu blockieren, wenn sie gegen Gesetze oder Vereinbarungen verstoßen.
  • Anhörungsrecht (§ 102 BetrVG)
    • Vor jeder Kündigung muss der Betriebsrat angehört werden. Er kann Bedenken äußern und Vorschläge zur Abwendung der Kündigung machen.
    • Umsetzung: Der Arbeitgeber muss den Betriebsrat über die geplante Kündigung informieren und seine Stellungnahme abwarten, bevor die Kündigung ausgesprochen wird.
  • Initiativrecht (§ 80 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG)
    • Der Betriebsrat kann eigene Vorschläge zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen und des Gesundheitsschutzes machen. Er kann Initiativen ergreifen, um z.B. die Arbeitssicherheit zu erhöhen oder Arbeitsprozesse zu optimieren.
    • Umsetzung: Der Betriebsrat erarbeitet Vorschläge und legt sie dem Arbeitgeber vor. In regelmäßigen Sitzungen werden diese Initiativen diskutiert und ggf. umgesetzt.
  • Widerspruchsrecht (§ 99 Abs. 2, § 102 Abs. 3 BetrVG)
    • Der Betriebsrat hat das Recht, bestimmten Maßnahmen des Arbeitgebers zu widersprechen, insbesondere bei personellen Maßnahmen wie Einstellungen, Versetzungen oder Kündigungen, wenn diese gegen Gesetze oder Tarifverträge verstoßen.
    • Umsetzung: Der Betriebsrat legt schriftlich Widerspruch ein und begründet diesen. Im Fall von Kündigungen kann der Widerspruch zur Unwirksamkeit der Kündigung führen.
  • Schulungs- und Bildungsrecht (§ 37 Abs. 6 und 7 BetrVG)
    • Betriebsratsmitglieder haben das Recht auf Teilnahme an Schulungs- und Bildungsveranstaltungen, die für ihre Arbeit notwendig sind. Dies umfasst z.B. Seminare zu Arbeitsrecht, Betriebsverfassung oder Kommunikationstechniken.
    • Umsetzung: Der Arbeitgeber trägt die Kosten für die Schulungen und stellt die Betriebsratsmitglieder für die Dauer der Veranstaltungen frei.
  • Betriebsversammlung (§ 43-46 BetrVG)
    • Der Betriebsrat hat das Recht, mindestens einmal im Kalenderhalbjahr eine Betriebsversammlung abzuhalten, auf der er die Arbeitnehmer über seine Arbeit und aktuelle Entwicklungen informiert.
    • Umsetzung: Der Betriebsrat organisiert die Versammlung, lädt die Arbeitnehmer ein und informiert sie über relevante Themen. Der Arbeitgeber hat ein Teilnahmerecht.

4. Zur Historie von Betriebsräten

Die Geschichte der Betriebsräte in Deutschland ist geprägt von einem langen und oft konfliktreichen Prozess zur Stärkung der Arbeitnehmerrechte. Im Folgenden kann nur schlaglichtartig aufgelistet werden. Dennoch sollen diese Ausführungen Einblick gewähren, welche Bedeutung den Arbeitnehmervertretungen zukommt und in welcher Tradition sie anzusiedeln sind. Sie sind Teil deutschen Unternehmertums und deutscher Unternehmerkultur, die sich gerade in den vergangenen Jahrzehnten in Krisen bewährt hat.

  • Historische Vorläufer
    • Bergordnungen des Mittelalters: Frühformen einer gewissen „Arbeitnehmervertretung“ lassen sich weit zurückverfolgen. In den sog. Bergordnungen, die im Spätmittelalter bzw. zu Beginn der Neuzeit formuliert wurden, gab es gewissermaßen auch Mitbestimmungsrechte für Bergleute. Doch die historischen Linien zu den modernen Betriebsräten verlaufen weder geradlinig noch sind sie dick nachzuzeichnen.
    • Gewerkschaften und Arbeitervereine des 19. Jahrhunderts: Mit der Industrialisierung entstanden erste Gewerkschaften und Arbeitervereine, die sich für die Rechte der Arbeitnehmer einsetzten.
  • Erste Gründungen
    • Weimarer Republik (1918-1933): Die ersten Betriebsräte wurden nach dem Ende des Ersten Weltkriegs gegründet. Mit dem Betriebsrätegesetz von 1920 wurde das Recht zur Bildung von Betriebsräten gesetzlich verankert. Dieses Gesetz sah die Mitbestimmung der Arbeitnehmer in sozialen und personellen Angelegenheiten vor.
  • Meilensteine in der Bundesrepublik Deutschland
    • Betriebsverfassungsgesetz 1952: Ein entscheidender Meilenstein war die Verabschiedung des Betriebsverfassungsgesetzes (BetrVG) im Jahr 1952. Dieses Gesetz schuf einen rechtlichen Rahmen für die Arbeit der Betriebsräte und stärkte ihre Rechte in Fragen der Mitbestimmung und Mitwirkung.
    • Reform des Betriebsverfassungsgesetzes 1972: Die Reform von 1972 brachte erhebliche Erweiterungen der Mitbestimmungsrechte, insbesondere in sozialen und personellen Angelegenheiten. Sie ermöglichte eine stärkere Einflussnahme der Betriebsräte auf betriebliche Entscheidungen.
    • Betriebsverfassungsgesetz-Novelle 2001: Diese Novelle passte das Gesetz an die veränderten Bedingungen der Arbeitswelt an, insbesondere durch die Stärkung der Rechte von Teilzeitbeschäftigten und befristet Beschäftigten sowie durch die Einführung des Wirtschaftsausschusses in großen Unternehmen.
    • Digitalisierung und neue Herausforderungen (ab 2010er Jahre): Mit der zunehmenden Digitalisierung und den neuen Formen der Arbeit (z.B. Homeoffice, Plattformarbeit) stehen Betriebsräte vor neuen Herausforderungen. Aktuelle Diskussionen drehen sich um die Anpassung der gesetzlichen Regelungen an diese neuen Bedingungen.