INKOVEMA-Podcast „Gut durch die Zeit“

#215 GddZ

Mediation in Belgien

Eine vergleichende Standortbestimmung mit der Mediation in Deutschland

Im Gespräch mit Rechtsanwalt und Mediator Johannes Seel

Johannes Seel, Rechtsanwalt und Mediator, Vorstandsmitglied der Föderalen Mediationskommission sowie Mitbegründer der gemeinnützigen Initiative zur
Verbesserung des Zugangs zur Mediation Conflicool.

Er ist deutschsprachiger Belgier, arbeitet als Mediator regelmäßig in mehrsprachigen und grenzüberschreitenden Konflikten. Als Rechtsanwalt vertritt er Deutschsprachige mit Rechtsinteressen in Belgien auf Deutsch, Französisch, Englisch und Niederländisch.

Er hat sein Jurastudium an der juristischen Fakultät in Namur (2010) und Lüttich (2013) abgeschlossen. Ferner besitzt er einen postgradualen Abschluss im Immobilienmanagement der Katholischen Universität Löwen (2019). Er ist seit 2013 Mitglied der Eupener Anwaltskammer und hat 2019 eine Zweitkanzlei in Brüssel eröffnet.

Gut durch die Zeit.

Der Podcast rund um Mediation, Konflikt-Coaching und Organisationsberatung.

Inhalt

Kapitel:

0:06 – Herzlich willkommen zum Podcast
1:29 – Einblick in die Mediation in Belgien
2:51 – Unterschiede zwischen Deutschland und Belgien
4:26 – Die Rolle des Mediators in Belgien
9:19 – Herausforderungen und Chancen der Mediation
11:14 – Mediation als Verfahren und ihre Flexibilität
16:54 – Vertraulichkeit und Freiwilligkeit in der Mediation
18:53 – Die föderale Mediationskommission in Belgien
23:21 – Mediationslandschaft und Herausforderungen
26:19 – Blick auf den deutschen Mediationsmarkt
31:01 – Prozesskostenhilfe und Mediation in Belgien
34:23 – Abschließende Gedanken zur Mediation

Inhaltliche Zusammenfassung

In dieser Episode von „Gut durch die Zeit“ werfen wir einen umfassenden Blick auf die Mediation in Belgien. Mein Gesprächspartner Johannes Seel, ein erfahrener Mediator und Mitglied der Föderalen Mediationskommission, teilt seine Einsichten über die aktuelle Situation der Mediation im Land. Es gibt nur wenige Mediatoren in Belgien, die ausschließlich Vollzeit in diesem Bereich arbeiten, weshalb die Thematik von großer Relevanz ist. Wir diskutieren die Unterschiede zwischen den Mediationspraktiken in Belgien und Deutschland sowie die rechtlichen Rahmenbedingungen, die das Mediationsfeld in Belgien prägen.

Johannes beschreibt, wie die belgische Mediation durch eine zentralisierte Kommission geregelt wird, die sowohl unabhängig agiert als auch staatliche Unterstützung erhält. Die Rahmenbedingungen beinhalten die Prinzipien der Vertraulichkeit und Freiwilligkeit. Ein entscheidender Unterschied zur deutschen Praxis ist die Möglichkeit für Mediatoren, Mediationseinigungen zu verschriftlichen und dem Gericht vorzulegen, was diesen Vereinbarungen rechtliche Vollstreckungskraft verleiht.

Ein zentrales Thema unserer Diskussion ist auch die Wahrnehmung der Mediation durch die Betroffenen. Johannes erklärt, dass die Möglichkeit der Vollstreckbarkeit die Menschen anspricht und damit das Vertrauen in diesen Lösungsweg maßgeblich beeinflusst. Beide Seiten eines Konflikts empfinden unterschiedliche Beweggründe zur Teilnahme; während die einladende Partei die konkrete Umsetzung der Mediationseinigung schätzt, drückt die konfrontierte Partei oft den Wunsch nach Freiwilligkeit aus. Wir beleuchten die Bedeutung von Schulungsmaßnahmen und die Notwendigkeit, mediative Ansätze in der breiten Bevölkerung bekannter zu machen.

Im Verlauf des Gesprächs kommt auch die Rolle der Föderalen Mediationskommission zur Sprache, die eine wichtige Funktion in der Ausbildung und Zulassung von Mediatoren hat. Johannes gibt Einblicke in die Herausforderungen, denen sich Mediatoren gegenübersehen, sowohl beim Zugang zu Aufträgen als auch bei der Sensibilisierung der Öffentlichkeit für die Vorteile der Mediation. Es wird deutlich, dass trotz gesetzlicher Grundlagen noch viel Aufklärungsarbeit notwendig ist.

Des Weiteren wird die Problematik erörtert, dass viele Menschen nicht wissen, wann Mediation eine geeignete Lösung für ihre Konflikte sein könnte. Johannes spricht konkret von einem Missverständnis bezüglich der Mediation, da viele Bürger sie nur für kleinere Streitigkeiten in Betracht ziehen, während sie bei komplexeren Angelegenheiten den Gang zum Gericht bevorzugen. Diese Fehleinschätzung ob der möglichen Anwendbarkeit von Mediation macht deutlich, wie wichtig es ist, Mediationsangebote aktiv zu kommunizieren und zu erklären.

Am Ende der Episode diskutieren wir verschiedene Ansätze zur Verbesserung der Situation, einschließlich der Einführung eines System für Prozesskostenhilfe, welches auch einen Anreiz zur Nutzung von Mediation bieten könnte. Trotz der Herausforderungen zeigt Johannes auf, dass die Mediation in Belgien einen bedeutenden Platz hat und durch Initiativen wie die Arbeit der Föderalen Mediationskommission gefördert wird. Zudem wird auf die Chancen hingewiesen, dass die unterschiedlichen Professionen und Hintergründe der Mediatoren in der Kommission einen wertvollen Austausch ermöglichen.

Diese Episode bietet spannende und aufschlussreiche Perspektiven auf die Mediation in Belgien und regt dazu an, über die Entwicklung und die potenziellen Verbesserungen in diesem wichtigen Bereich nachzudenken.

Vollständige Transkription

 

[0:00]In Belgien gibt es tatsächlich kaum Mediatoren, die Vollzeit als Mediatoren
[0:06]
Herzlich Willkommen zum Podcast
[0:05]im Rahmen dieser formalisierten Mediation arbeiten. Herzlich willkommen zum Podcast Gut durch die Zeit, der Podcast rund um Mediation, Konfliktcoaching und Organisationsberatung, ein Podcast von INKOVEMA. Ich bin Sascha Weigel und begrüße dich zu einer neuen Folge. Und heute geht es um Mediation, eine Standortbestimmung von Mediation in Belgien, um die belgische Mediation, wie sie verortet ist, wie sie geregelt ist und wie sie praktiziert wird. Und dafür habe ich mir einen Experten eingeladen, Johannes Seel, Belgier seines Zeichens, Mediator und Mitglied der Föderalen Mediationskommission und damit ganz nah am Puls der Zeit. Herzlich willkommen, Johannes.
[0:50]Ja, vielen Dank, Sascha. Danke für die Einladung. Ich bin froh, hier zu sein. Ja, und ich bin froh, dass du dich bei mir gemeldet hast und gesagt hast, Sascha, wenn du mal was zu Mediation in Belgien machen willst und darüber auch mal sozusagen nicht nur berichten willst, sondern auch erfahren willst, wie das ist. Denn wir haben einiges zu erzählen darüber, dass du mir das geschrieben hast, weil ich habe mich dann mit dir kurz ausgetauscht, kurz nachgeguckt und gesagt, ja, das stimmt. Das ist ein ganz spannendes Arbeitsfeld, was ihr in Belgien habt. Und ich habe es noch nicht durchdrungen, das ist mir völlig klar. Das soll sich in den nächsten Minuten ändern.
[1:29]
Einblick in die Mediation in Belgien
[1:26]Bevor wir da hinkommen, vielleicht ein paar Worte zu dir. Liebte Frage natürlich, wie bist du zur Mediation gekommen? Aber auch, was macht dich überhaupt aus als Mediator und ja auch, wie soll man sagen, Mediationsförderer? Denn du bist in den relevanten Organisationen, Gremien und Positionen da ganz maßgebend mitzuarbeiten. Also ich bin deutschsprachiger Belgier. Deutsch ist hier die dritte offizielle Landessprache. Und das hat zur Folge, dass man natürlich immer in verschiedenen Kulturkreisen und Sprachen unterwegs ist. Das heißt, ich habe das Studium in der Wallonie gemacht, auf Französisch studiert, auch auf Niederländisch ein Zusatzjahr. Und im Laufe des Berufslebens als Anwalt, direkt eigentlich schon nach dem Studium, ist mir bewusst geworden, dass neben der Gerichtspiste auch andere Pisten vielversprechende Ergebnisse erzielen. Und ich schnell gemerkt habe, dass mich gewisse blockierte Situationen und die Unmöglichkeit, diese zufriedenstellend zu lösen, frustriert haben. Und da bin ich dann hin zur Mediation gependelt, habe mich engagiert, bin dabei geblieben. Parallel arbeite ich immer noch als Anwalt, aber bin davon überzeugt, dass die Mediation einen höheren Stellenwert haben sollte für die Konflikte, für die sie sich anbietet. Im Ausgangsberuf bist du ein praktischer Jurist, was dich prädestiniert, sozusagen auch an der Verrechtlichung und an der Regelung von Mediation mitzuwirken. Mir schien, dass.
[2:51]
Unterschiede zwischen Deutschland und Belgien
[2:52]Die belgische Regelung von Mediation ausführlicher ist als die deutsche. Und vielleicht ist das ein Ausgangspunkt, wo wir einsteigen können, so ein bisschen zur, sagen wir mal, juristischen Verortung von Mediation. Was würdest du sagen, sind so die markanten Unterschiede, soweit du mit der deutschen Verrechtlichung im Mediationsgesetz so vertraut bist? Ein zentraler Unterschied ist mit Sicherheit, dass die Mediation und die Belange der Mediatoren in Belgien zentralisiert durch eine Kommission, die föderale Mediationskommission, geregelt und verwaltet werden. Und diese Mediationskommission ist einerseits unabhängig, aber andererseits finanziert durch das Justizministerium. Das ist also wirklich der absolute Kernunterschied. Darüber hinaus ist die Mediation genau wie in Deutschland gesetzlich verankert, die Prinzipien der Vertraulichkeit, der Freiwilligkeit.
[3:48]Was es auch hier als Möglichkeit gibt, ist, dass man als zugelassener Vermittler, also Mediator, der die Zulassung erhalten hat von dieser föderalen Mediationskommission, wir werden wahrscheinlich später noch auf die Zulassungen eingehen, dass der auch die Möglichkeit hat, dann Mediationseinigungen zu verschriftlichen und danach auch dem Gericht vorzulegen zum Zwecke der Homologierung. Das bedeutet, dass die Mediationseinigungen mit zugelassenem Vermittler Urteilskraft bekommen können, ohne dass der Richter die Möglichkeit hat, sich gegen den Inhalt
[4:26]
Die Rolle des Mediators in Belgien
[4:22]zu stellen, mit der einzigen Ausnahme des Respektes der öffentlichen Ordnung. Das ist also ein ziemlich effizientes Vehikel, das also diese Zulassung dazu führt, sodass man den Expressweg vor Gericht nehmen kann und so einen sehr schönen Mehrwert für die Mediationsteilnehmer bieten kann, weil man dann das Komplexpaket hat von dem Lösungsfindungsweg, aber auch danach die Umsetzung. Ja, das heißt, urteilsähnliche Rechtskraft, es ist ein vollstreckbarer Titel dann in Belgien. Kann als Mediant, der einen Mediationsvertrag geschlossen hat, der häufig ja eine Konkretisierung, eine Erneuerung eines Vertrages war, der dann zu Streit führte.
[5:07]Den kann ich dann vollstrecken lassen. Ich muss nicht, in Anführungsstrichen, nochmal zurück zur Mediation, wenn man wieder über die Mediationsvereinbarung streitet. Wobei natürlich die Mediationsvereinbarung in der Regel auch wieder eine Mediationsklausel vorsieht, aber daneben selbstverständlich würde der Mediator oder aber die Rechtsanwälte, die die Medianen begleiten, den Vertrag so ausarbeiten, dass er im Zweifelsfalle vollstreckbar ist, dass der Inhalt des Vertrages es einem Gerichtsvollzieher auch ermöglicht, die entsprechenden Schritte zu ergreifen, dass diese Vereinbarung also detailliert genug ist, damit die Rechenkraft dann auch entfaltet werden kann. Wir haben das in Deutschland ja nicht. Wir können zwar Mediationsvereinbarungen vollstreckungsfähig machen, vollstreckbar machen über verschiedene Wege, aber eben nicht als Mediator als solcher. Das wäre ein bisschen mehr Aufwand und es ist durchaus immer eine Fragestellung, wenn nicht auch eine Debatte, ob das denn einen Unterschied machen würde in der Mediationsnutzung. Nutzung. Wie erlebst du das in Belgien? Ist diese Vollstreckbarmachung durch den Mediator, also der das einleiten kann, das macht dann letztlich ein Gericht, hat das eine Auswirkung auf die Frage, machen wir eine Mediation oder nicht?
[6:21]Definitiv ja. Es gibt eigentlich drei Szenarien klassisch. Entweder man wird durch beide Personen gleichzeitig kontaktiert, beispielsweise im Rahmen einer Trennungssituation oder aber es ist eine der beiden Personen, die proaktiv Kontakt mit dem Mediator aufbaut oder aber es ist beispielsweise ein Gericht, der den Kontakt dann herstellt. In der Praxis merken wir, dass vor allen Dingen die ersten Personen, also die, die die Mediation initiieren, dass die sehr dadurch angesprochen werden, dass diese Vollstreckbarkeitsmachungsmöglichkeit besteht, unabhängig davon, ob sie dann tatsächlich umgesetzt wird. Wir merken also, dass die Rechtssuchenden, dass die Medianten.
[6:58]Möchten, dass es nicht nur bei dem einzigen guten Versprechen bleibt. In der Praxis wird diese Mediationseinigung selten homologiert, aber auf die Frage antworten, ob das am Anfang ein Verkaufsargument für diesen Lösungsweg ist, ja. Also alle erst kontaktaufnehmenden Personen fühlen sich dadurch angesprochen, dass man die Möglichkeit hat, wenn man sich gemeinsam darauf verständigt, das entsprechend zu konkretisieren. Die Fragen explizit danach, ob danach daraus etwas Konkretes entsteht und sind immer positiv überrascht, dass das in der Tat so ist. Die zweite von den beiden Personen, also die Person, die sich eher konfrontiert sieht mit dem Mediationsvorschlag, die ist durch diese Vollstreckungsmöglichkeit weniger angesprochen. Die wird vielmehr durch den freiwilligen Aspekt angesprochen und durch den Umstand, dass der Mediator nicht anstelle der Person entscheiden kann. Also je nachdem, welche Person man ist im Konfliktfall, je nachdem, welche Rolle man hat, fühlt man sich entweder mehr oder weniger dadurch angesprochen. Aber ich habe noch nie eine Person gehabt in meiner Praxis, die gesagt hat, dass sie diesen Mediationsprozess dann auf keinen Fall will, weil die Leute in der Regel immer verstehen, dass die Freiwilligkeit dazu führt, dass man sich diese Mediationseinigung im Rahmen eines Urteils nicht aufzwingen lassen kann. Schon aber alleine diese Fragestellung zu verstehen und zu merken, das ist wichtig, zwischen Wirksamkeit des Vertrages und der Vollstreckungsfähigkeit aus dem Vertrag zu unterscheiden, finde ich enorm hilfreich und wahrscheinlich dann auch eher gegeben.
[8:26]Als ich das häufig hier so wahrnehme, auch bei Ausbildungskandidaten, dass einfach die Frage allein ist, ist denn der Vertrag rechtswirksam oder wirksam? Ja, der ist wirksam, klar.
[8:38]Aber was passiert, wenn darüber wieder Streit entsteht, zum Beispiel über Fristen oder konkrete Inhalte? Was geschieht dann? Und dann wird deutlich, es braucht doch nochmal was anderes als einfach nur einen Vertrag.
[8:50]Den ich dann allenfalls im Wege einer Klage erst durchsetzen kann oder eben, wenn er schon vollstreckbar ist. Ich halte das im Ganzen für noch, also in Deutschland zumindest, außer von den Juristen natürlich, ist es eher unterbeleuchtetes Thema, weil die Idee ja eher ist, wir schließen einen Vertrag, der dann auch erfüllt werden will durch die Parteien. Ich bin auch damit einverstanden, dass der Ansatz da ist, dass man in der Regel einen Vertrag hat, der dann freiwillig umgesetzt wird, Was auch in der Regel geschieht.
[9:19]
Herausforderungen und Chancen der Mediation
[9:20]Was wir sehen ist, dass Menschen, die einen Konflikt haben, also vielleicht eine kurze Klammer. Ich habe eine Mediationssprechstunde ins Leben gerufen, die Leute dabei berät, den richtigen Konfliktlösungsweg zu finden. Das heißt, ich habe in den letzten Jahren über 1000 Telefonate geführt mit Menschen, die Rechtsauskunft wünschen, die Prozessauskunft wünschen. Und was wir doch sehen mit unserer Non-Profit ist, dass die Menschen diesen Konflikt haben, dass die den als sehr kompliziert empfinden und dass sie über alles dankbar sind, was die Sachen vereinfacht. Mediation an sich ist nicht super einfach. Was Mediation aber einfach macht in der Wahrnehmung der Rechtssuchenden ist beispielsweise, wenn man einen Ansprechpartner hat für den gesamten Prozess. Der Mediator, der also den gesamten Prozess von A bis Z begleiten kann, unabhängig davon, ob er einen Sachverständigen hinzuzieht, ob er einen Anwalt hinzuzieht, um den Vertrag zu schreiben, führt in den Köpfen der Leute, die sich entscheiden müssen, ob sie eine Mediation versuchen möchten, dazu, dass es sich einfacher anfühlt. Genauso ist das auch mit dieser Urteilsmöglichkeit. Die Menschen verstehen, okay, das macht es mir einfach. Ich muss überhaupt nicht erklären, was Vollstreckbarkeit ist. Ich kann den Leuten im Gespräch einfach sagen, ja, die Mediationseinigung kann Urteilskraft erlangen. Das ist den Leuten an der Stelle genug. Die brauchen keine langen juristischen Ausführungen. Einfach diese Gewissheit zu haben, reicht den Menschen. Die Menschen haben ein Gefühl, was ein Urteil ist. Das führt also dazu, dass Mediation als einfacher wahrgenommen wird, verglichen mit einem System, wo diese Möglichkeit nicht besteht.
[10:49]Das finde ich einen guten Hinweis. Man geht halt zu Gericht und das ist ein Gebäude mit vielen Menschen und weiß nicht, was da geschieht. Oder man geht zu einem Mediator. Das ist eine Person, der ist Ansprechpartner und sagt, er bleibt von A bis Z dabei. Dass das ein wichtiges Argument ist, wo der Konflikt oder die Konfliktbearbeitung
[11:14]
Mediation als Verfahren und ihre Flexibilität
[11:11]vereinfacht wird aus Sicht der Parteien. Das finde ich einen guten Punkt. Das war mir bisher noch gar nicht so klar. Aber das heißt auch, ich brauche einen Mediator, der das auch sozusagen mitmachen kann, diese Prozedur von A bis Z, egal in welchem Verfahren.
[11:26]Ja, beziehungsweise einen Mediator, der zumindest die Vorgehensweise kennt und der damit einverstanden ist, sich dann, wenn nötig, Hilfe zu holen, gegebenenfalls den Vertrag durch eine Drittperson schreiben zu lassen. Es gibt ja immer auch das Risiko, dass man befangen dadurch wird, wie man den Vertrag schreibt als Mediator. Deswegen, wenn man sich damit nicht wohl fühlt oder wenn man sieht beim Schreiben des Vertrages, dass das ein Risiko birgt, dass ein Interessenskonflikt entsteht, dann hat man auf jeden Fall Interesse, jemanden hinzuzuziehen. Deswegen wird es auch sehr oft so gemacht, dass der Mediator zwar die Einigung ermöglicht, letztlich den Vertrag aber durch eine Drittperson schreiben lässt und dann können die Personen nochmal zurück zum Mediator und den Inhalt des Vertrages besprechen. Also es ist nicht so, dass der Mediator unbedingt alles alleine machen muss, aber diesen Ansprechpartner darstellen zu können, das hat einen enormen Mehrwert, die Mediationswissenschaft extrem zu schätzen. Kommen wir noch ein bisschen zur Mediation als Verfahren. Also ich habe sozusagen ja auch deinen Fachaufsatz in der ZKM so als Grundlage und hatte den Eindruck so bei der Definition und Vertraulichkeit, Freiwilligkeit von Mediation.
[12:34]Dass es ausführlicher normiert ist und mitunter auch möglicherweise anders aufgefasst wird. Also bei der Vertraulichkeit hatte ich den Eindruck, die muss gegeben sein. Nur dann ist es Mediation, während wir in Deutschland durchaus auch sagen können, wir können darauf verzichten. Also wir können es auch öffentlich machen. Aber wie ist es in Belgien? Also es gibt zwei Typen von Mediationen. Es gibt die Mediation, die nicht unter die Anforderungen des Gesetzes fällt, was dazu führt, dass man beispielsweise auch dieses Urteilskraft über den Mediator als Weg nicht ergreifen kann. Daneben gibt es also die Mediation über einen zugelassenen Vermittler, der dann ein Mediationsprotokoll, also einen Mediationsvertrag erstellen muss am Anfang der Mediation. Und ab dem Moment, wenn wir zum Beispiel diese Vertraulichkeit nehmen, wird es eine vertragliche Vertraulichkeit. Einerseits haben wir den Mediator, der unterliegt einer gesetzlichen Schweigepflicht, vergleichbar mit der des Anwaltes. Unabhängig davon, ob der Quellberuf nun Anwaltsberuf ist oder Psychologe oder sozial arbeitende Person, das macht keinen Unterschied. Die Personen verpflichten sich aber dann zur Vertraulichkeit in dem Vertrag und darüber hinaus gibt es einen Gesetzesartikel, der dann auch explizit vorsieht, dass falls eine Person die Vertraulichkeit nicht berücksichtigt.
[13:54]Einerseits diese Dokumente, diese Erklärungen von Rechts wegen aus dem Verfahren ausgeschlossen werden, falls die Angelegenheit dann nochmal vor Gericht abgeurteilt ist. Und andererseits steht explizit im Gesetz, dass ein Schadensersatz gefordert und auch zugesprochen werden kann, darüber hinaus, dass die Unterlagen dann vom Verfahren ausgeschlossen worden sind. Das ist also natürlich letztlich keine Garantie, dass die Menschen nicht dann doch versuchen, Elemente einfließen zu lassen, falls die Mediation nicht klappt. Aber es gibt doch eine doppelte Konsequenz, die, auch wenn das Brechen der Schweigepflicht durch die Mediator natürlich keinen strafrechtlichen Vorsatz darstellt, trotzdem Eindruck macht und auch funktioniert. Und diese beiden Arten von Mediation, das ist auch sozusagen gelebte Praxis. Es gibt die formalisierte Mediation, wo dann auch, da können wir gleich zum Thema zugelassener Vermittler kommen, der formeller agiert, da ein Stück auch mit einer höheren, ich würde sagen, Autorität auch agiert, wenn diese Verpflichtung zur Protokollschreibung sozusagen auch außerhalb des Einflussbereichs der Medianten ist. Da ist man schon an einer, ich würde sagen, offizielleren Stelle als jetzt der nicht zugelassene Vermittler oder die informelle Mediation, wo einfach jemand hilft, zwei Konfliktparteien eine Lösung zu finden. Ja, das stimmt. Also vielleicht noch, ich möchte nicht, dass der Eindruck entsteht, dass es da ein…
[15:22]Sehr starrer, trockener Prozess ist, diese institutionalisierte Mediation. Und das ist in der Regel nicht, die Mediationsprotokolle sind so geschrieben, dass Laien die auch verstehen können. Es wird da vor allen Dingen der Nachdruck bei der Kommunikation mit den Medianen darauf gelegt, dass diese Protokolle sie schützen. Und man kann dieses Protokoll dann nutzen, um den Medianen zu vermitteln, dass es in ihrem eigenen Interesse ist, dass wir eigentlich dadurch den Rahmen schaffen, vertraglich, der die Medianten schützt. Du hattest eben auch noch angesprochen, dass man in Deutschland ja auch einfach informell eine nicht vertrauliche Mediation machen kann. Das ist auch im Rahmen dieser formellen Mediation möglich. Wir können also zusammen entscheiden, dass dieses oder jenes Element der Mediation nicht vertraulich ist. Das Protokoll ist es sowieso nicht und die Einigung beispielsweise kann man als nicht vertraulich kennzeichnen Oder beispielsweise, wenn eine Immobilie eingeschätzt wird, dann kann man erstmal das Gutachten anfangen, kann dann aber gemeinsam entscheiden mit den Medianten, dass das trotzdem ein offizielles Dokument ist. Also dieser Rahmen fördert größere Kreativität. Das ist wichtig, weil man gibt die Sicherheit, aber gleichzeitig die Flexibilität aus dem Rahmen auszubrechen.
[16:42]Hey, du, der diesen Podcast hört, vergiss nicht, ihn zu bewerten und eine Rückmeldung zu geben. Vielen Dank und jetzt geht’s weiter.
[16:54]
Vertraulichkeit und Freiwilligkeit in der Mediation
[16:54]Das ist dann ähnlich wie in Deutschland. Die Parteien können alles, wie es ihnen beliebt, regeln. Der Mediator als solches ist erst einmal zur Vertraulichkeit verpflichtet. Er unterliegt der Schweigepflicht. Er kann später davon entbunden werden, aber das ist erst einmal das geregelte Etwas auch. Letzte Frage vielleicht zur Theorie und dann kommen wir zur Praxis, wie das da gelebt wird in Belgien, welche Erfahrungen ihr da macht. Aber noch zum Thema Freiwilligkeit. Ist das etwas, was sozusagen derart verstanden wird, dass die Parteien Lust und Laune haben müssen in der Mediation und keinen besseren Ort, als jetzt dort in der Mediation zu sein? Oder gibt es auch die Kontexte von Arbeitswelt oder aber auch, dass die eine Seite Druck ausübt, jetzt die Mediation zu machen, wie das vielleicht bei einer Trennungsmediation ist, nach dem Motto, wenn du jetzt nicht mitkommst, dann gehe ich halt zu Gericht. Also jetzt entweder machen wir es gemeinsam gütlich oder einseitig dann per Klage. Wie wird Freiwilligkeit verstanden?
[17:56]Eine Mediation ist… Wird ja sehr oft auch dann erst begonnen, wenn sich die Parteien, die Medianen derart festgefahren haben, dass sie nicht mehr weiter wissen. Das heißt, natürlich gibt es Szenarien, wo Druck auch eine Rolle spielt. Das Freiwilligkeitsprinzip ist aber absolut. Das heißt, ob die Leute nun subjektiv den Eindruck haben, dass die nun ein Risiko haben, wenn sie nicht an der Mediation teilnehmen, das sind Sicherelemente, die eine Rolle spielen. Das ist aber streng genommen auch Teil vom Lösungsprozess, dass man erstmal die Alternativen zu den Mediationslösungen versucht, sich im Kopf durchzuspielen und schauen, wo bin ich denn eigentlich am besten aufgehoben. Vom Prinzip her kann das Gericht in Belgien eine Mediation nur dann anordnen, wenn mindestens eine der beiden Parteien das möchte. Das heißt, in der Tat kann der Richter in Belgien über den Kopf hinweg einer zweiten Partei den Mediationsversuch anordnen.
[18:53]
Die föderale Mediationskommission in Belgien
[18:53]Gleichzeitig nimmt das nicht die Freiwilligkeit weg. Das heißt, der Richter bezeichnet dann den Mediator. Der Mediator empfängt die Person zu einem Mediationsgespräch. Wenn die Personen dann nicht an diesem Gespräch teilnehmen, dann kann der Mediator nichts anderes machen, als nach Ablauf der Dauer der Mission, meistens drei bis sechs Monate, die verlängerbar ist, dann dem Gericht zu schreiben, dass die Mediation abgeschlossen ist. Die Vertraulichkeit ist absolut und die Freiwilligkeit ist ebenfalls absolut mit der Nuance, dass der Richter die gesetzliche Möglichkeit hat, die Person zu ermutigen, in diese Richtung zu gehen, indem er einen Beschluss verkünden kann, wo er den Versuch anordnet. Was in der Praxis aber sehr selten ist, weil die Richter eben nicht das Gefühl geben möchten, den Medianden, die auf ihren Gerichtstermin gewartet haben, dass er nicht über die Angelegenheit im Urteilsrahmen befinden möchte. Obwohl die Praxis zeigt, dass es funktioniert, wenn Personen auch über den Willen hinweg hin zum Mediator genutscht werden, dass trotzdem gute Einigungen entstehen, aber Richter aus anderen Gründen von dieser Gelegenheit selten Gebrauch machen. Johannes, gucken wir uns das an, was in Belgien mediativ abgeht.
[20:09]Genau, ihr habt, und das finde ich einfach schon bemerkenswert, eine zentrale Stelle eingerichtet bzw. Eingerichtet bekommen, staatlicherseits, eine Kommission, die für alle Belange zuständig ist, was an zentralen Aufgaben für die Mediation ansteht. Vielleicht so, für die Weiterentwicklung, für die, was es braucht und aber auch wahrscheinlich überhaupt auch die Daten zu sammeln. Ihr seid wahrscheinlich auch eine Stelle, die einfach einen Überblick hat, was überhaupt geschieht alles in Belgien.
[20:44]Vielleicht ein paar Worte so zur Einordnung dieser föderalen Mediationskommission, bei der du auch im Vorstandsbereich bist, also wo du auch einen Überblick jetzt hast drüber. Ja, also die Kommission gibt es in der Tat seit 2005. Dieses Jahr ist das 20-jährige Jubiläum und es hat also ein Gesetz gegeben und in dem Gesetz ist ganz klar beantwortet, was für Aufgaben die Kommission hat.
[21:07]Ganz grob ist es das Sich-Kümmern um die Zulassung der Mediatoren, das Sich-Kümmern um die Standesregeln und die Sanktionen der Mediatoren, wenn sie sich nicht an die Standesregeln halten, und das Sich-Kümmern um die Weiterbildungsinstitute und das Freigeben der Weiterbildungsangebote, um diese zu berücksichtigen im Zulassungsprozess. Darüber hinaus ist auch der gesetzliche Auftrag, dass man die Mediation bekannter macht. Auf die Frage zu den Daten ist es so, leider, dass es nicht genug Daten über Mediation gibt, was unter anderem aber auch von einem praktischen Problem her rührt. Erstmal, dass dadurch, dass Mediationen vertraulich sind, die Mediatoren selbst ihre Daten nicht in ein System eingeben können. Sie müssen auch nicht der Föderalen Mediationskommission Bericht erstatten. Es gibt alle paar Jahre ein Mediationsbarometer, wo alle Mediatoren in Belgien befragt werden, anonym, was dann einen Richtwert gibt, wie viele Mediationen dann stattgefunden haben könnten. Das ist aber sehr indikativ. Und ein weiteres Problem in der Praxis ist, dass Mediation, wie ich es eben auch schon sagte, nicht immer zu einer homologierten Einigung führt. Und selbst wenn man eine Einigung hat, die dann Urteilskraft erlangen soll, ist es auch oft so.
[22:31]Dass es letztlich nicht der Mediator ist, sondern dass es die Anwälte der Medianden sind, die die Angelegenheit dann bei Gericht anberaumen und dann gemeinsam die Einigung beurkunden. Das heißt also, selbst wenn man eine erfolgreiche Mediation hat, die zu einem Vertrag führt, der vollstreckbar sein soll, selbst dann ist es nicht gesagt, dass das automatisch über den Mediator geht. Sprich, es gibt extrem viele Szenarien, wo die Daten nicht erfasst werden.
[22:59]Wie schätzt du die Situation in Belgien ein? Es ist auch etwas, wo ihr sagt, wir könnten eigentlich wesentlich mehr wegarbeiten, wenn wir gefragt werden würden, wir Mediatoren. Sind wir schon an der Belastungsgrenze? Und wenn jetzt nicht mehr staatliche Unterstützung kommt, sind die Mediatoren nächste Woche alle überlastet und überarbeitet.
[23:21]
Mediationslandschaft und Herausforderungen
[23:22]Wie ist die Erfahrung in Belgien? Absolut nicht. Also in Belgien gibt es tatsächlich kaum Mediatoren, die Vollzeit als Mediatoren im Rahmen dieser formalisierten Mediation arbeiten. Es gibt sehr viele Mediatoren, die im Rahmen von Ombudsdiensten, Schlichtungsdiensten, Nachbarschaftsmediationsdiensten, die näher am Bürger sind, die kostenlos sind. Es gibt eine Panoplie an Mediationsverwandtenverfahren, die alle angewandt werden, wo dann auch gegebenenfalls im Angestelltenverhältnis als Mediator interveniert wird. Aber über die reine formelle Mediation 100 Prozent zu erwirtschaften, ist momentan sehr schwierig. Das liegt an verschiedenen Faktoren. Ein Faktor ist sicherlich, dass die Mediation nicht sonderlich bekannt ist. Wir haben mit der Universität Antwerpen eine Studie durchgeführt, wo wir Menschen darüber befragt haben, einen Mediationsbegriff, den wir vorgegeben hatten, aus drei Definitionen zu identifizieren. Da waren immerhin 58 Prozent der Personen in der Lage, das zu tun.
[24:18]Gleichzeitig gibt es aber ein Mediationsmissverständnis. Das heißt, der Otto Normalbürger, der ist ja kein Fachmann in Konfliktbeilegung, muss er auch nicht sein. Der hat aber dann unter Umständen Schwierigkeiten zu erkennen, wenn er einen Konflikt hat. Wann handelt es sich um einen Mediationskonflikt? Wann ist da Mediationspotenzial? Das ist also ein Element, wo beispielsweise die Personen in dieser Studie angegeben haben, dass sie für Streitigkeiten mit kleinen Geldbeträgen, oder einfache Streitigkeiten die Mediation nehmen würden und bei komplexen Streitigkeiten oder bei Streitigkeiten, wo es um sehr viel Geld sich eher für das Gericht entscheiden würden. Also man sieht einerseits, sie identifizieren einen richtigen Mediationsbegriff, haben ein Gefühl, was es ist und andererseits wird nicht zwingend, wenn man es relativ generell fragt, identifiziert, wofür Mediation alles der angebrachte Weg sein könnte.
[25:09]Darüber hinaus gibt es natürlich die Schwierigkeit, die zweite Person oder die dritte, vierte Person im Konflikt auch zu überzeugen, eine Mediation zu machen. Das führt auch dazu, dass es schwierig ist, die Mediationsanfrage zu mobilisieren. Das wird in Deutschland nicht anders sein. Und was, glaube ich, als dritter Faktor vielleicht in Deutschland auch Obwohl auch nicht anders sein wird, ist, dass selbst Juristen oder Personen im weitesten Sinne, die im Konfliktumfeld zu Hause sind, die im Rechtsbereich arbeiten, dass auch diese Personen trotz aller gesetzlichen Mechanismen noch nicht zwingend selber Teil einer Mediation direkt oder indirekt gewesen sind und dadurch auch nicht automatisch das richtige Feeling haben, wann die Mediation der richtige Ansatz ist. Eigentlich sehen wir eine Justizlandschaft, wo eine grundsätzliche Offenheit für Mediation besteht. Es gibt Gesetzesregeln, die die Mediation fördern. Es gibt Initiativen, lokale wie national, die die Mediation fördern. Es gibt die Anwaltschaft, die sich die Mediation groß auf die Fahne geschrieben hat. Und gleichzeitig in der Praxis ist einfach noch Sensibilisierung erforderlich, um dann auch zu einer höheren Nachfrage zu führen. Ja, das kann ich so für den
[26:19]
Blick auf den deutschen Mediationsmarkt
[26:16]deutschen Mediationsraum auch wiedererkennen. Vielleicht eine Frage, also ich gehe jetzt mal davon aus, du hast in der deutschen Fachzeitschrift veröffentlicht zur Mediation in Belgien, du wirst als deutschsprachiger Belgier einen Blick auf den deutschen Mediationsmarkt oder Mediatoren kennen.
[26:35]Wie guckst du nach Deutschland? Was machen wir so mit der Mediation? Hast du einen guten Tipp oder zumindest einfach einen kritischen Blick drauf, wo du sagst, also da könnten wir echt noch ein paar Schritte gehen oder auch ein bisschen schneller oder umfänglicher agieren?
[26:53]Also erstmal sehe ich eine Parallele zwischen Belgien und Deutschland. Die Parallele ist, dass die Mediatorenlandschaft sich nicht zusammensetzt aus, es ist keine homogene Masse, es sind heterogene Akteure, die alle natürlich ihre eigenen Interessen durch ihre eigene Brille, die Mediationswelt, ihre eigene Praxis sehen. Denn das führt dazu, dass es schwierig ist, dass, weiß ich zumindest aus Deutschland, eine gemeinsame Stimme zu finden, die absolut erforderlich wäre, um auf nationaler Ebene dann auch zu einer vielleicht etwas grundsätzlicheren Verankerung der Mediation führen könnten. Das ist in Belgien nicht anders. Nur parallel sind in Belgien halt schon seit Jahrzehnten mittlerweile diese, auch auf der gesetzgeberischen Ebene, Initiativen aktiv wieder zu geführt haben, dass es dieses Regelwerk gibt. Ich finde es tatsächlich etwas bedauerlich, dass dieses Zentralisieren der Mediation, also ich glaube fest daran, dass die föderale Mediationskommission in Belgien ein wunderbares Instrument ist, was man dann nutzen kann, wenn man es richtig macht, um die Mediation effektiv zu fördern.
[27:54]Das geschieht nach meiner Kenntnis des deutschen Marktes da eher über privatwirtschaftliche Akteure, was absolut nicht verwerflich ist, was einfach nur dazu führt, dass man gegebenenfalls Energie dadurch verliert, dass man sich in beruflichen Grabenkämpfen verliert. Das ist doch keine eigene Profession, Mediation. Wir sind einfach in unseren Grundberufen zu Hause und da macht es einen Unterschied, ob ich als Rechtsanwalt in der Rechtsanwaltskammer bin und als Theologe weiter als Pastor tätig bin oder eben als Sozialpädagoge. Diese Profession, aber gelingt euch das in dieser Kommission zumindest zu sagen, wir haben ein Professionsverständnis.
[28:34]Wir üben unsere Profession unterschiedlich aus, aber wir verstehen uns als Mediatoren. Und das ist auch spürbar innerhalb der Kommission und so können wir auch kommunizieren. Oder habt ihr auch noch, das ist ein Sammelsurium von Ursprungsprofessionen?
[28:52]Beides. Ja, das ist ein Sammelsurium von Ursprungsprofessionen, was sich auch dadurch ergibt, dass das Gesetz ganz klar vorschreibt, wer sitzt eigentlich in dieser Kommission? Da steht klar drin, vier Anwälte, vier Notare, zwei Gerichtsvollzieher, sechs Personen aus Quellberufen, die nicht juristisch sind. Das heißt, es ist ganz klar geregelt, ich als Anwalt kann nur in dieser Hauptkommission sitzen, wenn ich über die Anwaltskammer vorgeschlagen worden bin. Also gibt es verschiedene Wege, in die Kommission zu kommen. Das heißt, diese Zusammensetzung der Kommission ist auch in der Regel ein Thema.
[29:26]Worüber dann die Mediationswelt sich austauscht. Beispielsweise sind die Nichtjuristen ausreichend in dieser Kommission vertreten, was jetzt kürzlich zu einer Gesetzesänderung geführt hat, sodass jetzt mehr Personen aus nichtjuristischen Berufen in dieser Kommission sitzen. Und ja, in dieser Kommission wird dann natürlich auf Grundlage der Erfahrungen, die jeder Mediator hat als Mediator, aber auch in seinem Quellberuf, darüber debattiert, welche Entscheidungen nun zu treffen sind. Es ist beispielsweise ein Thema, über das viel gesprochen wird, wie viele Zeitstunden Weiterbildung erforderlich sind, um dann die Zulassung zu erhalten. Und da spielt natürlich eine Rolle, aus welchem Quellberuf man kommt. Der Vorteil ist halt, dass man dazu verdammt ist, an einem Tisch zu sitzen, um gemeinsam Entscheidungen zu erarbeiten. Und das führt zu Ergebnissen. Die Ergebnisse finden bestimmt nicht immer alle gut, aber das wird man eh nie erreichen können. Aber zumindest gibt es Ergebnisse. Und das hat einen enormen Vorteil, weil man halt eine Position hat, dass man auch Entscheidungen treffen kann. Und dass das Justizministerium jemanden dazu befähigt, weil das Justizministerium beispielsweise sagt, es gibt Standesregeln, ihr als Mediatorinvereinigung, als föderale Mediationskommission seid dafür verantwortlich, aber die Regeln schreibt dann die Kommission in vollkommener Unabhängigkeit. Das heißt, es ist ein wirklicher Hebel, etwas zu verändern.
[30:38]Das kann ich mir gut vorstellen. Manchmal muss man sozusagen in Not gebracht werden, dass man eine Entscheidung dann auch bringt, die sonst, freiwillig nicht kommen würde. Das finde ich eine schöne Ironie der Geschichte im Hinblick auf Produzenten, Mediatoren und den Anwendern von Konfliktparteien.
[31:01]
Prozesskostenhilfe und Mediation in Belgien
[31:00]Vielleicht letzte Frage auch in dem Zusammenhang. Hast du Erfahrung dazu, wie viele Mediatoren in Belgien auch schon mal selbst mediant in einer eigenen Konfliktbearbeitung waren? Ist das ein Thema, ob man selber eben auch dieses Produkt, dieses Verfahren wählen würde oder gewählt hat?
[31:19]Ich habe keine Zahlen. Mein Eindruck ist, dass das die wenigsten betrifft. Mein Eindruck ist, dass Personen sich von Mediation angesprochen fühlen durch die dahinterliegenden Prinzipien der Freiwilligkeit des gemeinsamen Erarbeitens. Das heißt, die Werte, die die Mediation verkörpert, diese Personen fühlen sich von diesen Werten angesprochen. Und dann interessieren die sich im Rahmen einer Zusatzausbildung in der Regel dafür, in den Beruf einzusteigen. Ich kenne persönlich natürlich auch Mediatoren, die Mediationserfahrungen bereits gemacht haben. Aber das ist nicht die Regel, meiner Meinung nach. Johannes, gibt es noch etwas zum Abschluss im Gespräch, was wir aus Belgien im Hinblick auf Mediation wissen sollten, weil es einfach wichtig ist, das im Blick zu behalten? Ich denke, interessant ist die Tatsache, dass es in Belgien ein Prozesskostenhilfesystem gibt, dem Rechtssuchenden die Möglichkeit gegeben wird, kostenlos einen Mediator zu konsultieren, der dann durch den Staat bezahlt wird.
[32:18]Wenn die Medianden gewisse Einkommensgrenzen unterschreiten. Das ist natürlich ein sehr interessanter finanzieller Vorteil für Medianden und meines Wissens gibt es das in der Form noch nicht in Deutschland und ist bestimmt auch eine schöne Möglichkeit, das Gespräch mit dem Justizministerium oder Ähnlichem zu suchen.
[32:38]Um es als Ansatz zu sehen, die Mediation zu fördern und damit auch indirekt natürlich die Gerichte zu entlasten. In Belgien gibt es leider keine Statistiken, wie oft diese Prozesskostenhilfe Mediation in Anspruch genommen wird, aber wir sehen eine enorm positive Resonanz aus der Mediationswelt, mehr über dieses System zu erfahren, weil das natürlich über das Gericht gehen muss. Nicht alle Mediatoren selbstverständlich sind Anwälte. Das heißt, momentan wird sehr viel Sensibilisierung betrieben, um die Mediatoren dahingehend zu informieren, dass die auch die Medianen richtig informieren und auch die Anwälte und auch die Richter. Vielen Dank, Johannes. Wir haben tatsächlich keine Prozesskosten. Was wir aber schon hatten, ist eine deutsche Debatte dazu und ja, im Nachgang auch Bedauern, andere Erleichterungen, aber tatsächlich haben wir das nicht hingekriegt. Und mir scheint jetzt auch abschließend dazu erstmal die deutsche Justiz dazu geäußert, dass das erstmal nicht in Frage kommt. Aber vielleicht bin ich da auch schon wieder hinterher und es hat sich schon was Neues getan, aber das ist so mein letzter Stand. Gut zu wissen, dass man in Belgien zumindest praktische Erfahrungen damit machen kann. Und dann hat man nochmal wirklich einen guten Ansatzpunkt, auch die Dinge zu hinterfragen.
[33:51]Vielleicht noch ergänzend das deutsche System von außen betrachtend, kann ich auch nicht sagen, dass in Deutschland Sachen schlecht gemacht werden. Überhaupt nicht. Es ist einfach ein anderer Ansatz. Daraus entstehen sehr viele Impulse aus einer wirtschaftlichen Perspektive, die dann auch funktionieren können. Und ich würde sagen, alles, was funktioniert, ist gut, wenn es richtig gemacht wird. Und deswegen ist der belgische Weg mit Sicherheit auch nicht der einzige, der Ergebnisse erzielt. Das belgische Land ist ja auch um einiges kleiner.
[34:23]
Abschließende Gedanken zur Mediation
[34:21]Ich glaube, die Bevölkerung gleicht ja von Nordrhein-Westfalen. Also es stellt sich auch allgemein vielleicht die Frage, also natürlich man kann sich davon inspirieren lassen, aber wie eine Blaupause übertragen lässt sich sowas mit Sicherheit nicht. Vielen Dank, Johannes. Das war ein wichtiger Einblick und danke für deine Kontaktaufnahme dazu. Gute Zeit für dich und bis bald.
[34:40]Ja, vielen Dank, Sascha und alles Gute auch für den Podcast. Tolle Initiative. Vielen Dank, dass du hier wieder mit dabei warst, als wir hier zu diesem Thema gesprochen haben in diesem Podcast. Und wenn dir das gefallen hat und der Podcast dir zusagt und du möchtest auch, dass andere, die diesen Podcast noch nicht kennen, aber kennenlernen sollten, weil es für sie interessant ist und interessant wäre, dann hinterlass doch eine Sternebewertung und ein Feedback auf Apple Podcast oder Google Business und gib bekannt in Deinem Netzwerk, das hier zu Mediation, Konfliktcoaching, Organisationsberatung und das Ganze auch im Angesicht der neuen Technologien gepodcastet wird. Für den Moment alles Gute, ihr und euch. Ich verabschiede mich mit den besten Wünschen. Bis zum nächsten Mal. Kommt gut durch die Zeit. Ich bin Sascha Weigel, dein Host von INKOVEMA, dem Institut für Konflikt- und Verhandlungsmanagement in Leipzig und Partner für professionelle Mediations- und Coachingausbildungen.