INKOVEMA-Podcast „Gut durch die Zeit“

#210 GddZ

Das Wertequadrat als Polarisierungsquadrat für die Mediation

Im Gespräch mit Prof. Dr. Friedemann Schulz von Thun

Friedemann Schulz von Thun, geboren am 6. August 1944 in Soltau, Kommunikationspsychologe.

Nach dem Studium der Psychologie, Philosophie und Pädagogik in Hamburg (1967–1971) promovierte Schulz von Thun 1973 und habilitierte sich 1975; seit dieser Zeit Professor für Pädagogische Psychologie an der Universität Hamburg, wo er bis 2009 tätig war.

Bekannt wurde er durch seine praxisnahen Kommunikationsmodelle, insbesondere das Kommunikationsquadrat (Vier-Seiten-Modell), das die Vielschichtigkeit menschlicher Kommunikation analysiert. Dieses und weitere Modelle wie das „Innere Team“ präsentierte er in seiner Buchreihe Miteinander reden, die als Standardwerke gelten.

Neben seiner akademischen Arbeit entwickelte Schulz von Thun zahlreiche Kommunikationstrainings für verschiedene Berufsgruppen und gründete das Schulz von Thun-Institut für Kommunikation in Hamburg. Seine Arbeit prägt bis heute die Kommunikationspsychologie und wird international geschätzt

Gut durch die Zeit.

Der Podcast rund um Mediation, Konflikt-Coaching und Organisationsberatung.

Inhalt

0:04 – Willkommen im Konflikt-Podcast
0:15 – Gespräch mit Friedemann Schulz von Thun
1:22 – Anfänge der Kommunikationspsychologie
2:45 – Entwicklung des Weiterbildungsmarktes
5:43 – Humanistische Psychologie und Authentizität
9:55 – Herausforderungen der Einzelberatung
13:12 – Diskussion über das Wertequadrat
16:41 – Wertequadrat als Kommunikationswerkzeug
19:36 – Authentizität im Kommunikationsprozess
27:38 – Dilemmata in der Politik
33:29 – Kommunikation und ihre Grenzen
40:33 – Eigenverantwortung und Gelassenheit
51:03 – Polarisierung im Konfliktmanagement
57:18 – Der innere Teamansatz in der Kommunikation
1:00:04 – Abschluss des Gesprächs

Zusammenfassung

In dieser Episode des Podcasts „Gut durch die Zeit“ führe ich ein spannendes Gespräch mit Friedemann Schulz von Thun, einem renommierten Experten für Kommunikationspsychologie und Gründer des Schulz-von-Thun-Instituts. Wir treffen uns in Hamburg, wo wir die Gelegenheit haben, über die Entwicklung und die Herausforderungen in der Kommunikations- und Konfliktberatung zu sprechen. Schulz von Thun teilt seine Einsichten über die Führungskräfte-Trainings, die er Anfang der 70er Jahre begonnen hat, und reflektiert, wie sich die Prinzipien der Kommunikation seither verändert haben.

Ein zentrales Thema unseres Gesprächs ist das Wertequadrat, ein Modell, das Schulz von Thun entwickelt hat, um das Spannungsfeld zwischen Werten sichtbar zu machen. Wir diskutieren die Bedeutung der Polarisierung dieser Werte und wie man dadurch zu besseren Lösung erkennt. Schulz von Thun erläutert, wie das Wertequadrat als Werkzeug zur Konfliktklärung dient und dazu beitragen kann, die Balance zwischen Werten wie Ehrlichkeit und Höflichkeit zu finden. Diese Konzeption bietet nicht nur eine Möglichkeit zur Klarstellung in Konflikten, sondern auch zur Entwicklung persönlicher Verantwortung im Kommunikationsprozess.

Ein weiterer spannender Aspekt unserer Unterhaltungen betrifft die Authentizität in der Kommunikation. Schulz von Thun stellt fest, dass Authentizität zwar erstrebenswert, jedoch auch in die Irre führen kann, wenn sie nicht mit der Wahrnehmung der Situation und den Anforderungen der jeweiligen Rolle in Einklang gebracht wird. Wir erörtern, wie wichtig es ist, situationsgerecht zu kommunizieren und die verschiedenen inneren Stimmen in uns zu erkennen, die in unterschiedlichen Kontexten Gehör finden wollen.

Trotz der Herausforderungen, die in der aktuellen globalen politischen Landschaft bestehen, hebt Schulz von Thun hervor, dass Kommunikation ein unerlässliches Werkzeug ist, um Dilemmata zu bewältigen und das Verständnis zwischen verschiedenen Positionen zu fördern. Wir reflektieren darüber, wie wichtig es ist, in Konflikten die eigene Rolle und die Dynamik zwischen den Beteiligten genau zu betrachten, ohne übertriebene Erwartungen an die eigenen Einflussmöglichkeiten zu haben.

Abschließend betonen wir die Bedeutung der kontinuierlichen Selbstreflexion und Weiterbildung in der Mediationspraxis. Dies gilt sowohl für die Mediatoren selbst als auch für die Konfliktparteien, die durch die Auseinandersetzung mit den Werten und den Dynamiken ihrer Konflikte langfristig profitieren können. In diesem Sinne inspiriert diese Folge zu einem tieferen Verständnis von Kommunikation, Konfliktlösung und persönlichem Wachstum.

Vollständiges Transkript

 

[0:04]
Willkommen im Konflikt-Podcast
[0:00]Und das hat ja auch Chancen. Überall, wo Konflikte sind, kann es in den Abgrund gehen. Das ist sehr gefährlich und kann Beziehungen zerstören. Aber in jedem Konflikt steckt auch eine Entwicklungschance, dass man zu besseren Lösungen kommt,
[0:15]
Gespräch mit Friedemann Schulz von Thun
[0:13]wenn die Wahrheit zu zweit beginnt. Herzlich willkommen zum Podcast Gut durch die Zeit. Der Podcast rund um Mediation, Konfliktcoaching und Organisationsberatung. Ein Podcast von Inko Fema. Ich bin Sascha Weige und begrüße dich zu einer neuen Folge.
[0:28]Und diese Folge ist eine besondere, denn ich bin heute nicht in meinem virtuellen Podcaststudio und ich bin heute auch nicht in meinem Podcastraum in Leipzig in der Spinnereistraße, denn heute bin ich in Hamburg. In Hamburg sitze Friedemann Schulz von Thun gegenüber, einst Professor für pädagogische Psychologie an der Universität Hamburg und allseits bekannt natürlich auch durch sein gegründetes Schulz-von-Thun-Institut. Herzlich willkommen, Friedemann Schulz von Thun.
[0:56]Hallo Herr Weigel, herzlich willkommen bei uns hier im Institut. Ich habe mich heute nach Hamburg aufgemacht, weil die Gelegenheit war, direkt mit Ihnen hier einen Podcast zu führen. Ich habe hier dann die Dinge aufgebaut und möchte heute mit Ihnen vorrangig um das Wertequatrat das Gespräch führen. Und damit ein Modell, das für Mediatoren hochinteressant ist,
[1:22]
Anfänge der Kommunikationspsychologie
[1:18]gerade in seiner Polarisierungsdarstellung von Werten. Aber zunächst, also auch die Gelegenheit nutzen, mit Ihnen auch nochmal über Beratung, Weiterbildung in dem ganzen Kontext von Kommunikationsentwicklung sprechen, weil Sie sind da ein Mann der ersten Stunde. Bevor wir da die Entwicklung langziehen, die Frage, wie geht es Ihnen heute, was machen Sie, nachdem Sie Ihren Lehrstuhl abgegeben haben, Ihre wunderbare Abschiedsvorlesung gehalten haben, die als Podcast hörbar ist und die ich jedem empfehle. Wie sehen heute Ihre Tage aus? Ja, ich dachte nach der Pensionierung, ich mache noch fünf Jahre weiter. Das Interesse ist da, aus dem deutschsprachigen Raum jedenfalls. Und inzwischen sind es nun schon 15 Jahre. Seit 15 Jahren sind sie nicht mehr.
[2:08]Haben Sie damals auch gleich das Schulz-von-Tun-Institut abgegeben und nicht betrieben? Oder ist das noch so Ihre Tätigkeit, mit der Sie Kontakt gehalten haben zu all den Kollegen, Weiterbildungskandidaten? Ich hatte schon während meiner Uni-Zeit einen Arbeitskreis, der für meine Kommunikationspsychologie in die Welt gereist ist. Und ich dachte, jetzt bin ich an der Uni pensioniert und jetzt mache ich noch mein Privatinstitut weiter ein bisschen.
[2:45]
Entwicklung des Weiterbildungsmarktes
[2:40]Wer weiß, ob das nicht zukunftsfähig ist. Und siehe da, bisher scheint das so zu sein. Ja, ich würde gerne zu den Anfängen mit Ihnen sprechen. Denn als Sie begonnen haben, war die Welt bei dem Begriff Kommunikation sicherlich noch eine andere. Ich kann den Einstieg gar nicht genau fassen, wo ich anfangen mag, aber ich habe den Eindruck, dass so wie wir heute Kommunikation verstehen, verbunden auch mit einem Bewusstsein des eigenen Gewordenseins, der eigenen Selbstklärung, dass das damals noch nicht so bekannt war oder noch nicht so ein Thema war, sondern Kommunikation war. War das ein Begriff der bewussten Weiterbildung?
[3:21]Ja, damals kam Anfang der 70er Jahre die BP auf uns zu und hat gesagt, sie machen doch dafür Lehrer solche Verhaltenstrainings. Könnten sie das auch für unsere Führungskräfte machen? Die benehmen sich zum Teil auch unmöglich. Und das Partnerschaftliche auf Augenhöhe ist noch nicht bis zu ihnen durchgedrungen. Die sind noch sehr von oben herab und hierarchisch geprägt. Und da wollen wir etwas tun, um in die Zukunft zu investieren.
[3:50]Was war der Anlass für die, wenn die sagen, die haben sich unmöglich benommen? Also das muss ja dann doch was Außergewöhnliches gewesen sein, dass es so markiert wurde. Ja, das war die Zeit nach 1968, wo das Autoritäre in Verruf geraten war. Da wir aber noch sozusagen mit Fleisch und Seele obrigkeitsstaatlich geprägt waren, damals die Führungskräfte und die Lehrer aus der Kaiserzeit und aus der Hitlerzeit, war die Demokratie und das Partnerschaftliche zwar in Bonn dann politisch angesiedelt, aber im menschlichen Miteinander und in den Kinderstuben und in den Klassenzimmern und in den Abteilungen der Unternehmen noch nicht angekommen. Und da war wirklich Bedarf, sich umzustellen. Und dann wurde an die Universität gegangen und dort ein Professor oder der Lehrstuhl für Psychologie angefragt, ob die so ein Training machen könnten. Ganz genau. Mein Lehrer war Reinhard Tausch. Der hatte geforscht über Demokratie im Klassenzimmer. Ah, da war der. Und da haben die gesagt, könnt ihr sowas nicht auch für unsere Führungskräfte machen? Und Reinhard Tausch hat dann seine Assistenten geschickt und das waren wir. Also Demokratie im Labor und Demokratie an der Werkbank. Genau, ja.
[5:11]Und das Kommunikationsquadrat, was heute zur Allgemeinbildung in Deutschland gehört, was ich dann bei der BP entwickelt habe, nicht an der Uni, sondern in dieser Weiterbildungsszene. Ein Modell der Praxis, also nicht aus dem Labor fruchtbar gemacht, sondern… Genau, ich habe überlegt, was kann das, was die Wissenschaft herausgefunden hat bisher und was ich mir angelesen habe, wie kann ich das den Praktikern verklickern und da bin ich dann aufs Quadrat gekommen und das ist genau 50 Jahre her. Mhm.
[5:43]
Humanistische Psychologie und Authentizität
[5:43]Seitdem hat sich eine ganze Menge getan, was Weiterbildungsmarkt angeht, was auch Weiterbildung als individueller Auftrag, also sich zu entwickeln angeht, Selbstoptimierung. Wie haben Sie das beobachtet, wie haben Sie das auch mitgestaltet, dass sich das heute als normal darstellt, als auch zum guten Ton gehörend, an sich, an der eigenen Beziehung, an der eigenen Beziehung zum Arbeitgeber zu arbeiten? Als wir damals bei der BP angefangen haben, da waren wir noch recht naiv und haben gedacht, wir wissen, wie richtiges Verhalten geht, wie gute Kommunikation geht.
[6:23]Da hatten wir zwei Dimensionen, die Wertschätzungsdimension und den Nungerigismus und wussten, wie der richtige Verhaltensquadrant aussieht und den üben wir jetzt im Rollenspiel. Aber dann hat sich herausgestellt, das war ein Holzweg, das führte zu einem gekünstelten, uniformen Idealverhalten, wo die Leute versuchten alle gleich zu reden und das wurde weder dem Kontext gerecht, der sehr verschieden war, noch den Persönlichkeiten gerecht, die auch sehr verschieden waren und dann kam die humanistische Psychologie für mich Ende der 70er Jahre durch Ruth Kohn. Ruth Kuhn hatte ja als Jüdin Deutschland verlassen 1933, gerade noch rechtzeitig und hat in Amerika sozusagen die ganzen humanistischen Bewegungen aufgesogen, hat ihr eigenes System entwickelt, die TZI und war dann nach Europa zurückgekehrt in die Schweiz. Sie war eine der ersten, die sozusagen die Bewegung aus Nordamerika nach Europa, Deutschland organisiert hat. Dann war das ja gute Übung, das wird ja bis heute auch in der Mediationsbewegung so gehandhabt. Ich war dann schon ein gestandener Professor und Trainer und bin bei ihr aber nochmal neu in die Lehre gegangen.
[7:40]Und von ihr kam dann doch die Botschaft, dass die Übereinstimmung mit sich selbst und die Authentizität etwas Wichtiges ist und nicht das antrainierte Idealverhalten. Willst du ein guter Lehrer sein, dann schau auch in dich selbst hinein und lerne dich kennen und wisse, dass das wichtigste Instrument, was du in deinem Beruf hast, du selbst bist und deine Art mit deinen Gefühlen umzugehen und mit dem, was dir entgegenkommt. Das war eine kleine kupernikarische Wende dann für uns als Weiterbildner. Ah ja, und dann ist sozusagen ein Schwenk von der Trainingsgruppe, die man sozusagen gleich behandeln und gleich trainieren wollte. Zum Idealverhalten hin, zum vermeintlichen, ja. Also normiertes, standardisiertes Verhalten hin zu Eigenentwicklung, Persönlichkeitsentwicklung, Eigenverantwortung im Sinne von ich gebe mir eine Antwort, wie ich leben will und agieren will. Ganz genau. Und die Art, wie ich kommuniziere, muss mir entsprechen, sodass der Mensch und seine Sprache zur Einheit werden und nicht, dass die Sprechblasen dann geschult sind und der Mensch dahinter bleibt unentwickelt. Das haben wir das Elend der Geschulten dann genannt. Das Elend der Geschulten. Ja, wo die Sprechblasen hochtrainiert waren und die persönliche Entwicklung dessen, der die Sprechblasen von sich gibt, nicht mithalten konnte.
[9:08]Ich habe mich zuweilen gefragt, wie das zustande kam, auch im Gespräch mit Wolfgang Lohs, dem Coaching-Mann der ersten Stunde, mit dem ich auch im Podcast gesprochen habe und der damals die Entwicklung auch so nachgezeichnet hat. Ihr war in der Uni-Tutor und die Studentenschwemme, hat man damals gesagt, als dann die Massenuniversität sich entwickelt hat, war dann erforderlich geworden, Tutoren zu entwickeln und multiplikativ Personen zu schulen, damit die mit dem Ansturm auch zurechtkommen. Und auch dort hatte ich mich gewundert, Universität als Hort der Entwicklung für Coaching, was ja dann heutzutage ich eher so im Bereich Business-Coaching und Einzelcoaching kennengelernt habe. Und auch bei Ihrem Wertegang, wie Sie das beschreiben.
[9:55]
Herausforderungen der Einzelberatung
[9:55]Scheint es mir besonders zu sein, dass das aus der Universität herauskam, aber dann ein privater Weiterbildungsmarkt nötig, erforderlich oder auf jeden Fall offensichtlich sich entwickeln konnte, dass das eben nicht mehr in der Universität stattfindet. Und die Frage wäre jetzt sozusagen meinerseits, diese Einzelberatung, diese Einzelverantwortung zu entwickeln, wäre das überhaupt möglich gewesen an der Universität damals? Oder war es zwingend erforderlich, ein privates Institut, wie ja viele das auch gegründet haben, dass das die richtige Form war? Ja, war das an der Universität möglich, ist Ihre Frage. Ich würde sagen ja und nein. Es war eine Massenuniversität und das akademische und wissenschaftliche und wissenschaftstheoretische steht an der Uni, die etwas auf sich hält, ganz oben an und die persönliche Entwicklung der Studierenden ist weder möglich noch bei den meisten Professoren besonders in der eigenen Priorität.
[11:01]Aber wir haben in Hamburg, ich zusammen mit meinem Kollegen Alexander Redlich, wir haben ein… Naja, auch schon im Podcast gewesen. Also wir haben die Arbeitsabteilung Beratung und Training aufgebaut und die war dann doch sehr praxisorientiert. Und auch darauf aus, die Entwicklung des Studierenden zu fördern. Also, dass man nicht nur als Hochgelehrter die Universität verlässt, sondern auch als guter Psychologe und als entwickelter Mensch.
[11:32]Und das war ansatzweise ein bisschen möglich und war sehr attraktiv und beliebt. Ja. Und eine zweite Frage, Sie hatten das mit Roth Kuhn, die aus Amerika kam. Und so kamen ja sehr viele, auch sehr viele Modelle, sehr viele Schulen damals auch noch aus Amerika nach Deutschland mit Vertretern. Die Mediation hat so begonnen, aber auch NLP oder Transaktionsanalyse waren solche Schulen. Ja, Gestalttherapie kam von Fritz Perls. Praktisch genannte humanistische Psychologie. Aber Ihre Schule sozusagen, die Hamburger Schule, die war für mich immer in der Beobachtung so originär hier verortet. Ich sage mal ohne große Anleihen aus amerikanischen. Und der Kollege Ulrich Pröckling hat das hier auch mal verdeutlicht, dass es sozusagen eine Bewegung gab, die hier verortet war mit Jürgen Habermas und seinem Kommunikationsverständnis. Und dann in der praktischen Verwertung, hat er damals auch sozusagen auf die Hamburger Schule verwiesen. Würden Sie dem sowas abgewinnen können? Ja, das, was wir hier entwickelt haben, speziell auch Ihre Kommunikationsmodelle, das war…
[12:39]Originär Deutsch. Würde ich sagen zu 95 Prozent, ganz genau. Trotz dieses großen Einflusses von Ruth Kohn auf mich persönlich, würde ich sagen zu 95 Prozent stimmt das. Das Kommunikationsquadrat, was dann bekannt und berühmt geworden ist, hat auch starke Anleihen an die Sprachpsychologie von Karl Bühler und Paul Watzlawick mit seiner Unterscheidung von Inhalts- und Beziehungsaspekt. Der war auch nicht weit weg, obwohl wir ihn dann in Eserland besucht haben, aber der kommt ja auch aus Europa.
[13:12]
Diskussion über das Wertequadrat
[13:13]Und das Werte- und Entwicklungsvertrag, über das wir noch sprechen wollen, hat ja auch europäische Wurzeln, ureuropäische Wurzeln, jawohl. Da schien mir auch so in der Recherche, dass es darum richtig mal eine Diskussion gab, woher das kommt. Auch Sie hatten dazu einen ganz ausführlichen Aufsatz nochmal geschrieben im Nachgang um die Entwicklung dieses Quadrates und keineswegs nur bei Ihnen, sondern auch wie sich das anderswo schon entwickelt hat. Über Aristoteles und Nikolai Hartmann und Paul Hellwig ist es dann zu mir gekommen. War das eine problematische Diskussion vorher?
[13:54]Wieso problematisch? Dass sozusagen das nochmal deutlich gemacht wurde und mir schien das so nachlaufend, dass Nikolai Hartmann den Grundgedanken schon gehegt hatte. Ja, das habe ich entdeckt dann. Oder es wurde mir zugetragen, weil ich hatte das Wertequadrat über Paul Hellwig kennengelernt, rein zufällig. Ich habe in der Bibliothek ziellos mal in Büchern geblättert und habe das da dann gefunden.
[14:20]Und Paul Hellwig hat bei Nikolai Hartmann promoviert, aber er hat die Quelle nie genannt, dass das Ganze von Hartmann stammt. Das wurde mir dann später erst klar. Ich habe also noch 1988 geschrieben, das Ganze stammt von Paul Hellwig. Und dann war das sozusagen eine… Das Aufklärerische, dem wissenschaftlichen Herangehen geschuldet, das muss nochmal dargelegt werden.
[14:43]Im Grunde können wir die Brücke auch schon zum Wertequadrat nehmen, wenn nicht Punkte auch in der Entwicklung von Beratung, also auch aus Ihrer Perspektive wichtig sind. Denn ich finde es erstaunlich, wie sich der Beratermarkt entwickelt hat im Zuge der Unternehmens- und Politikberatung, diese Einzelberatung mit so vielen Strömungen von aus der Therapie kommend, aus den universitären Nöten von Lehren und Unterrichten, dass heute es zum guten Ton gehört, an sich zu arbeiten und das nicht nur im stillen Kämmerlein, sondern in Form von Weiterbildungen. Ja, und das hat damit zu tun, dass man erkannt hat, dass Leute, die mit Menschen umzugehen haben, folgenreich, zum Beispiel Führungskräfte, dass die kontakt- und beziehungsfähig sein müssen und nicht nur fachgelehrt in ihrem angestammten Bereich. Und dass da ein großer Bedarf war, nicht nur bei mir selber. Ich habe das bei mir selber auch gespürt. Ich war ein Spätentwickler auf der Beziehungsebene und hatte größte Mühe auf dieser zwischenmenschlichen Ebene. Da war ich ungelenkt und gehemmt. Aber dann habe ich gesehen, ich bin nicht der Einzige, der hier Entwicklungsbedarf hat.
[16:02]Das haben dann auch die Unternehmen erkannt. Das wurde weithin erkannt. Und von daher kam dann dieser Boom. Wie gucken Sie heute drauf, sind die Aufgaben, die man sich damals gestellt hat oder von denen man sich auch gestellt sah, sind die weitestgehend erfüllt? Sind die überhaupt erfüllbar? Ich würde sagen, wir sind da auf einem gewissen guten Weg, ja.
[16:26]Und ich glaube, dass da noch viel zu tun ist. Aber es lohnt sich. Und ich kann von mir selber sprechen und sagen, für mich und mein Leben und
[16:41]
Wertequadrat als Kommunikationswerkzeug
[16:36]mein Beziehungsleben ein Segen, dass ich da mit mir weitergekommen bin. Ja, das ist ein guter Einstieg jetzt, das Wertequadrat sich genauer anzuschauen. Das Wertequadrat, ich als Mediator finde es als Polarisierungsmatrix, als Polarisierungsnavigation sehr sinnvoll, aber ich mag Ihnen sozusagen als Gründer und Begründer gerne einfach das freie Wort geben und gar nicht mit einer Frage irgendwie einschränken, was macht man damit, mit diesem Wertequadrat? Oh, das ist ein universales Denkwerkzeug, was meine Sicht der Dinge auf die Welt und auf das Leben und auf mich selbst sehr bereichert hat. Ich bin ganz froh, dass ich das sozusagen verinnerlicht habe. Das macht mich urteilsfähig in manchen Bereichen, wo ich sonst vielleicht gestottert hätte. Wir hatten bei den Führungskräften damals, Anfang der 70er Jahre, eine heiße Diskussion. Die einen sagten, wir sollten doch ehrlich miteinander sein und die anderen sagten, bloß nicht, wir sollten höflich miteinander sein. Anständig, genau. Wir müssen noch miteinander können, auch nach diesem Seminar. Also die einen sagten, wenn sie gehört haben, Ehrlichkeit, oh bitte jetzt nicht sagen, was du mir noch auf dem Flur gesagt hast, du findest den unmöglich oder doof oder so.
[17:56]Das bitte nicht jetzt sagen, lieber anständig bleiben, den Ton wahren, diplomatisch sein. Ganz genau. Und da wurden Schlachten geschlagen und die eine Fraktion war für die Ehrlichkeit und hat die anderen dann fassadenhaft genannt und opportunistisch genannt und die anderen waren für Höflichkeit und haben die Ehrlichen dann also grob schlechtig genannt. Und dass Ehrlichkeit und Höflichkeit zusammengehören, dass wir da nach der Regenbogenqualität zu suchen haben. Wie gelingt es mir ehrlich und höflich zugleich zu sein? Der Regenbogen geht auch nur auf, wenn zwei Qualitäten gleichzeitig vorhanden sind und sich gegenseitig durchdringen, Sonnenschein und Regen, dann geht der Regenbogen auf. Und so ist es auch bei den anzustrebenden Qualitäten im zwischenmenschlichen Miteinander. Bei Regenbogen haben Sie dieses physikalische Phänomen als Metapher, Sie sagen, dann geht der Regenbogen auf in zwei gegensätzliche Dinge. Ganz genau, ja.
[18:57]Auch Authentizität, was dann auf dem Olymp der Kommunikationslehrer den höchsten Rang hatte teilweise, hat sich gezeigt, im Wertequadrat ist Authentizität etwas sehr Wichtiges, aber muss gepaart sein mit Takt und Diplomatie und manchmal mit Taktik. Und das eine ohne das andere und das andere ohne das eine ist immer morx. Ehrlichkeit ohne Takt ist morx und Takt ohne Ehrlichkeit ist auch morx. Und erst wenn beides zusammenkommt, geht der Regenbogen auf. Das ist doch eine fundamentale Erkenntnis.
[19:36]
Authentizität im Kommunikationsprozess
[19:31]Ja, da gebe ich Ihnen recht. Und da sind so viele Aspekte drin. Zu Authentizität komme ich gerne nochmal, weil das für mich ein ganz interessanter Begriff ist. Auch wenn Sie sagen, der war mal der höchste Punkt der Kommunikationstrainierung. Ja.
[19:47]Ich würde noch mal zu den Ursprüngen, weil sie sagt, das ist ein universaler Gedanke, der auch in der Antike schon seine Anklänge hatte mit Aristoteles, der das ja auch schon deutlich gemacht hat, das hat was Ambivalentes.
[20:00]Er hat das ja häufig so mit Mut als eine fixe, unhinterfragbare Qualität beschrieben. Also Mut ist per se in Ordnung und erstrebenswert und hat dann nach Links- und Rechtsabzweigungen vorgenommen. Also Feigheit, das ist natürlich keine Tugend, der Mangel an Mut also oder aber auch jugendlicher Leichtsinn, wie man manchmal so Jugendlichen anheimstellt, Übermut. Übermut tut selten gut. Übermut tut selten gut, genau. Und das ist genauso schlecht, ungut, keine Tugend. Das sind die Grundlagen sozusagen dieses Wertequadrats, wenn man sagt, Werte als solches haben keinen festen Fixpunkt, die sind in einem Spannungsverhältnis. Jawohl. Und in einer dynamischen Balance, wenn es gelingt. Das heißt, im Wertequadrat selbst sind Werte nicht mehr fix, sondern sind in ihrem Spannungsverhältnis nur zu betrachten. Ich kann nicht allein Sparsamkeit angucken und sagen, ist Sparsamkeit gut oder schlecht, sondern ich muss das im Bezug zu den anderen in der dynamischen Balance stehenden Wertebegriffen verorten. Ganz genau. Das ist die große Erkenntnis. Jedes wichtige Prinzip, jede positive Qualität, jede positive Eigenschaft, jeder Wert ist in Gefahr.
[21:18]Wenn er apodiktisch einseitig betont und gelebt wird, auf die schiefe Bahn zu geraten und sich in etwas Ungutes zu verwandeln. Ja, der Sparsamkeit in den Geiz, der Mut in den Übermut und dass jeder Wert seine, das habe ich dann so genannt, seine Schwestertugend braucht, um nicht in…
[21:42]Teufels Küche zu geraten. Also wenn man den Klassiker nimmt bei der Sparsamkeit, ist die Schwestern-Tugend dann also, wo man zwar, also wo man Geld oder andere Kostbarkeiten weggibt, aber in einer Form, die tugendhaft erscheint, also großzügig, gastfreundlich, also man teilt gerne, man behält es nicht für sich. Selbst und anderen etwas zu gönnen und großzügig zu sein, ja. Aber auch diese Schwestertugend ist in derselben Gefahr, nämlich wenn sie apodiktisch einseitig gelebt und übertrieben wird und ausufert, dann wird daraus eine nicht kostenbewusste Verschwendungssucht, die dann eben so zu beklagen ist. Genau, Verschwendung dann als die Übertreibung der Schwestern tun. Das scheint mir ja immer noch auch noch in der Grafik auch deutlich, dass die oberen beiden Werte als solches unhinterfragt gut erscheinen. Man muss sie halt ja auch hinschreiben und damit festmachen. Wenn ich es ideal anschaue, würden Sie da drinnen den Gedanken verortet sehen, keiner dieser Punkte ist für sich feststellbar gut oder schlecht, sondern erst in diesem Quadrat lässt sich überhaupt diskutieren, ist das noch Sparsamkeit in dem Moment oder ist das schon Geiz? Darüber können die Ansichten dann sehr verschieden sein. Ja, also das heißt, man muss schon noch aushandeln, auch wo man sich befindet.
[23:11]Denn in Konflikten habe ich schon auch den Eindruck, dass man nicht, vielleicht auch weil man das Quadrat nicht kennt, dann sofort die Übertreibungen vermittelt. Auch betitelnd in die Kommunikation führt. Beim anderen. Ja, wenn man dann so sagt, du wirfst mir Geiz vor, aber ich bin doch eigentlich sparsam. Sondern es wird erstmal nur gesagt, nein, das, was ich mache, ist kein Geiz. In dem Moment. Und dann wird das erklärt. Das heißt, dass man sich noch drüber unterhält, ob das, was jetzt den Sachverhalt hier ausmacht, dass man da den richtigen Titel jetzt drum streitet.
[23:47]Also das würde ich ja den Wert sehen, dass man jetzt in einem Quadrat ausdifferenzierte Begrifflichkeiten findet. Das ist das Typische im Konflikt. Der eine sagt, ich achte auf Sparsamkeit und du bist fahrlässig verschwenderisch. Und dann sagt der andere, das stellt die Tatsachen auf den Kopf. Ich bin großzügig und du bist ein Geizhals. Ja, genau. Da wird es deutlich, das Quadrat, wenn zwei sich streiten, jetzt ohne Begleitung oder auch selbst am Anfang der Begleitung, in Mediation.
[24:18]Dann höre ich selten von den Parteien diese vier Begriffe in diesem Spannungsfeld, sondern die haben gar nicht die Differenzierung in dem Moment. Ob das jetzt der Tunnelblick ist oder einfach nicht ausreichend geschult. Und das eingeübte Denken, das eingefleischte Denken, ich bin das Ideal und du bist der Skandal. Und da sehe ich mich in der oberen Etage des Wertequadrates und prangere dich auf der Gegenseite an, in der Übertreibung. Ja, und da kommt sozusagen der Punkt, den mir auch bei den Gefühlen in der ganzen Beratungsentwicklung zum Tragen kam. Es hat schon einen hohen pädagogischen Anteil und man muss, oder auch in der Beratung oder auch in der Begleitung wird immer auch etwas noch mitgelehrt. Also auch eine begriffliche Differenzierung. Ja, der psycho-edukative Aspekt, der sozusagen am Rande mitläuft. Das ist ja gar nicht verkehrt. Der ist nicht verkehrt. Und ich habe bei Mediatoren zumindest den Eindruck, dass das gut gelingen kann in der Konfliktbearbeitung, wenn die Beteiligten ohnehin noch eine Bereitschaft haben, sich zu einigen.
[25:26]Dass dann die differenziertere Beschreibung hilft, gesichtswahrend in Bewegung zu kommen und auf den anderen zuzugehen. Ja, jawohl. Dann merke ich, dass das Wertequadrat, wenn man es aufgezeichnet hat oder auch gar nicht als solches benennt, sondern einfach die Begrifflichkeiten reinwirft, dass das durchaus etwas ist, wo man sagt, ah ja, jetzt kann ich mich verorten und du bist auch verortet und jetzt können wir uns bewegen. Ja, und wir entdecken, dir ist etwas heilig und du stehst für etwas und machst dich stark für etwas, was gut ist. Und mir ist etwas anderes heilig, wofür ich mich stark mache. Und wir könnten vielleicht eine Ergänzungspartnerschaft gründen. Weil dann geht der Regenbogen auf. Gut, dass ein Kind Vater und Mutter hat. Der Vater sagt, wir haben abgemacht. Dreiviertelstunde ist Fernsehen, dann ist Schluss. 45 Minuten sind um. Und die Kinder sagen, 5 Minuten, wir wollen doch noch wissen, wie es ausgeht. Und die Mutter sagt, ja, lass sie doch.
[26:31]Die Mutter ist situationsflexibel, sag ich mal, und hat ein großes Herz und das ist wichtig und hat Verständnis für die Bedürfnisse der Kinder und der Vater steht dafür, die Prinzipien einzuhalten und die Verabredungen, die sollen doch nun auch gelten und nicht nur auf dem Papier stehen. Und beides ist ja so wichtig. Die Prinzipienfestigkeit und die situative Flexibilität und Großherzigkeit. Und der Regenbogen kann nur aufgehen, wenn beides da ist. Und wenn die streitenden Eltern, die sich gegenseitig dann diffamiert haben, du bist ein Korinthenkacker und schaust auf die Stoppuhr bei der Kindererziehung und so weiter. Paragrafenreiter höre ich, aber nicht zu Hause. Genau, ja. Also wenn die beiden dann in der Mediation entdecken, wir stehen ja beide für etwas Gutes und es kommt darauf an, diese beiden Güter zu vereinigen und zu verbinden und dann situationsabhängig so oder so zu gewichten, dann können sie eine Partnerschaft gründen.
[27:34]Und da geht ja das Licht auf und wir kommen aus Teufelskeller heraus. Ja, ich will diese Klarheit nutzen, um in einen Bereich vorzutasten, der vielleicht nicht ganz so Licht ist. Auch mit anderen Modellen geht mir das manchmal so, dass jetzt ein mentaler Kurzschluss passieren kann.
[27:57]Bei den Beratern, Mediatoren oder Coaches, dass jetzt das Modell dazu verführt oder zumindest als Anlass genommen wird, alle Konflikte haben diesen Aha-Moment als Möglichkeit da und es ist nur eine Frage des zu Lehrenden, des edukativen Anteils. Und dann sind die Konfliktparteien versöhnt. Und das würde ich jetzt mal nicht als meine Erfahrung in Konflikten oder auch nicht als These gesagt für nicht richtig halten. Nö, keineswegs. Ja.
[28:37]Leider nicht. Aber ist Ihnen der Gedanke oder die Beobachtung fremd? Mir selber ist es fremd, aber ich höre, dass das so missverstanden werden kann. Dass wir da einen Schlüssel der Versöhnung haben und da müssen wir nur noch aufschließen, so ungefähr. Ganz so einfach ist es dann in der Welt dann doch nicht. Also ich will das dem Modell gar nicht unterstellen, weil das Modell als solches erstmal sehr situativ und als Werkzeug liegt es da. Ja, wo es gebraucht wird. Genau, kann nicht genutzt werden. Aber dass wir eben alle auch Menschen sind und gerade bei Konflikten eine gewisse soziale Neigung haben, die sollten doch befriedet werden.
[29:17]Dass wir dann die Hoffnung hegen, mit solchen kommunikativen Werkzeugen, und da meine ich jetzt auch alle anderen kommunikativen Werkzeugen, ist doch offensichtlich geworden, dass die Konflikte eigentlich nur ein Mangel an Wissen von Kommunikationstheorie ist. Nein, das können wir leider nicht sagen. Ja, den Gedanken würde ich gerne mit Ihnen ausfalten. Ihr verneinendes Nicken, das ich mit Freude wahrgenommen habe. Warum nicht? Ich gehe nochmal in die Position. Ja, Menschen, die miteinander zu schaffen haben, machen einander zu schaffen. Und das hat dann oft sehr gewichtige Gründe und Hintergründe. Wohl ihnen, wenn sie dann fähig sind, vernünftig darüber zu reden. Und dann kommen die Modelle ins Spiel. Aber erst dann. Sie sagen nicht, dass die Modelle vorher nicht schon da waren, hat dazu geführt, dass sie sich zu schaffen machen. Also Menschen machen sich zu schaffen, auch wenn sie die Modelle kennen.
[30:11]Ja, das ist ein soziales Grundgesetz. Und das hat ja auch Chancen. Überall, wo Konflikte sind, kann es in den Abgrund gehen. Es ist sehr gefährlich und kann Beziehungen zerstören. Aber in jedem Konflikt steckt auch eine Entwicklungschance, dass man zu besseren Lösungen kommt, wenn die Wahrheit zu zweit beginnt. Das ist der Doppelcharakter jedes Konfliktes und er entsteht erst einmal ja meistens unabhängig von kommunikativen Gegebenheiten. Das gibt es auch, Konflikte, die aus der Art, wie du mit mir sprichst und so weiter, die aus der Kommunikation hervorgegangen sind, kommunikationsbedingte Konflikte, das gibt es auch, aber das ist nicht die Regel.
[30:58]Hey, du, der diesen Podcast hört, vergiss nicht, ihn zu bewerten und eine Rückmeldung zu geben. Vielen Dank und jetzt geht’s weiter.
[31:11]Man kann also Missverständnisse aufdecken, man kann weitere Differenzierungen einbauen, also ob jetzt emotionale Begrifflichkeiten oder auch in der Kommunikation, dann haben Parteien die Chance, Konfliktparteien die Chance oder die Gelegenheit zu sagen oder zu erkennen.
[31:28]Jetzt verstehe ich dich besser, jetzt verstehe ich mich besser, jetzt können wir uns aufeinander zubewegen, ohne das Gesicht zu verlieren. Aber keineswegs eben, alle Konflikte sind nur ein Mangel an Kommunikationswissen. Keineswegs, ja. Da prallen ja unterschiedliche Interessen aufeinander. Bei Ressourcenknappheit unterschiedliche dringende Bedürfnisse. Es prallen unterschiedliche Weltbilder aufeinander. Das ist alles vorkommunikativ. Ich frage das deshalb und komme dann auch gerne nochmal, weil zu dem Vertrat noch eine Menge zu sagen ist, auch methodisch und wie wir es nutzen können. Aber ich komme natürlich drauf in heutigen Zeiten und der Kollege Redlich, Alexander Redlich, genau, hat das mal hier im Podcast ganz persönlich und auch klar gesagt, dass die Entwicklungen im gesellschaftlichen europäischen Bereich, also schlichtweg der Krieg, ihn auch kränken in seiner professionellen Ausrichtung. Auch Ulrich Brückling hat das auch gesagt, dass der tragende Gedanke von Kommunikation kann gelernt werden und damit Konflikte überwunden werden oder auch im Keim schon erstickt werden, auch wenn das Bild sehr brutal klingt, aber für Konflikte, dass der doch enorme Irritation, wenn nicht gar eine Absage erteilt bekommen hat. Und wer das geglaubt und gehofft hat, der ist schwer erschüttert.
[32:54]Ja. Wie schauen Sie drauf? Sie sind ja da mit ganz viel Lebensweisheit und Zeit. Sie haben das von Anfang an beobachtet, Sie haben das mitentwickelt. Alexander Redlich, auch Hamburger Schule. Sie haben, glaube ich, unmittelbar auch zusammengearbeitet. Ja, ja, in einer Abteilung, Beratung und Training. Wie schauen Sie auf diese Entwicklungen, dass der Gedanke, hier hilft nur Kommunikation, mehr Kommunikation offenbar überhaupt nicht fruchtet?
[33:29]
Kommunikation und ihre Grenzen
[33:24]Ja, weil der Anlass des Zusammenprallens vorkommunikativ ist. Also wenn Putin in der Ukraine einmarschiert, dann sind da vielleicht auch kommunikative Fehler in den Jahren und Jahrzehnten davor begangen worden mit der NATO und der auslaufenden Sowjetunion und dem neuen Russland.
[33:50]Das will ich gar nicht ausschließen, aber ich würde nicht auf die Idee kommen zu sagen, da haben die ungut miteinander geredet und da sind Missverständnisse entstanden und dadurch ist es zum Krieg gekommen. Oh nein. Was nicht heißt, dass nicht durch gute Kommunikation ein schwieriger Konflikt, auch wieder gelindert, behoben werden kann oder geregelt werden kann.
[34:15]Also wir brauchen dann schon noch die kommunikative Expertise. Wir wollen sie nicht ad acta legen, aber sie ist kein Allheilmittel und sie ist kein allursächliches Mittel. Und auch nicht in ihrer Wirksamkeit zu überschätzen. Es ist ein bisschen wie mit Wahlwerbung. Man kann ein paar Tendenzen noch verstärken, aber nicht Grundlegendes damit ändern. Und mir scheint manchmal auch in der Diskussion, dass der Ruf nach mehr Kommunikation oder mehr Diplomatie, abgesehen davon, dass es meist auch von Unwissenheit getragen ist, was alles überhaupt an Diplomatie durchgeführt wird, Die Hoffnung eben mitschwingt, mit diesem Instrument nur richtig angewendet und mit der richtigen Haltung angewendet, dann muss das Problem ja lösbar sein und das Problem sozusagen, wo andere mitwirken und auch zurechenbare Handlungen gesetzt haben. Also dass man letztlich hofft, man kann alleine es in der Hand haben. Wenn ich richtig agiere, dann wird der andere keinen Krieg führen. Und wenn wir richtig agieren und richtig diplomatisch und richtig entgegenkommen, dann wird der andere nicht zuschlagen. Richtig. Wir wollen Kommunikation und Mediation nicht überschätzen, aber auch nicht unterschätzen. Also schauen wir auch auf das, was möglich ist und vielleicht könnte die Debattenkultur in der Demokratie doch nachhaltig verbessert werden, wenn wir ein Dilemma-Bewusstsein entwickeln würden. Unter Politikern, aber auch unter demokratischen Wählern.
[35:43]Denn die Politik hat zu 90 Prozent nicht die Aufgabe, Probleme zu lösen, sondern Dilemmata zu gestalten. Und das Wertequadrat kann sehr helfen, hier hellsichtig zu werden. Und dann wird der Meinungsgegner, dann muss ich ihn nicht verteufeln und dämonisieren, sondern ich kann sehen, dass der auch etwas Wichtiges im Blick hat.
[36:04]Und dass es darum geht, nach dem Regenbogen zu suchen, wo die Wahrheit zu zweit beginnt. Und das könnte der Demokratie sehr nützen. Ja und also meine Erfahrung mit Politikern ist dort eher davon geprägt, dass die sich sehr wohl dieser Dilemma da bewusst sind, aber dass wir auch häufig unterschätzen als Beobachter, dass wir unter Politik, wie wir Politik erleben medial, dass es eine Bühnenkommunikation ist. Sie wird nicht durchgeführt, um einen Regenbogen mit dem politischen Gegner zu bauen, sondern um Dritte Beobachter uns zu überzeugen. Ja, leider ist das so. Und man muss auch sagen, dass eine dilemmabewusste Kommunikation nicht unbedingt erfolgtverheißend ist. So wie Trump redet, das ist an keiner Stelle dilemmabewusst, aber sehr erfolgreich. Sehr entschieden, ja. Ich würde den Bogen zurücknehmen zu den Arbeitssettings, die Ihre Arbeit und auch meine Arbeit ausmachen, also so mit kleineren Gruppen, einzelnen Personen. Und auch da haben wir ja die Situation, dass wir mit unserem Werkzeug, mit unserem Latein am Ende sind und merken manchmal, es gelingt nicht.
[37:15]Die Parteien gehen nicht den Schritt, den ich jetzt gerade dachte, dass der vielleicht der passende ist. Wie steuern Sie sich oder auch mit welchem Modell können Sie abschätzen, jetzt sind meine Werkzeuge wirklich an ihre Grenze angelangt, jetzt kann ich keinen wirksamen Einfluss mehr ausüben? Ja, das habe ich schon erlebt.
[37:37]Wie gehen Sie damit um? Was hilft Ihnen, diese Grenze zu erkennen? Denn manchmal denken wir ja, wenn ich es nochmal probiere oder nochmal richtiger und noch einen Schritt weiter, dann wird der Klient schon und dann werden die ihren Frieden schließen. Oder zumindest zu einer Regelung kommen, wo sie sich in Frieden trennen und wo nicht Blut fließen muss und böses Blut fließen muss. Und manchmal gelingt es nicht. Aber das stürzt mich nun nicht in ganz tiefes Unglück. Manches gelingt im Leben und manches gelingt im Leben nicht.
[38:10]Und damit müssen wir ja auch leben. Ich kann die Gelassenheit gut nachvollziehen und weiß sowohl aus Ausbildungen als auch aus Kollegengesprächen, dass das nicht jedem so gelingt, diese Gelassenheit nachgetaner Arbeit, aber nicht dem Erfolg beim Klienten, bei den Konfliktparteien zu erkennen, dann beizubehalten, sondern doch auch in schwierige Fragestellungen zu geraten, in schwere Nöte auch. Und die Frage ist dann trotzdem wichtig, habe ich vielleicht als Mediator auch an einer entscheidenden Stelle mich verstricken lassen und ungut gehandelt? War ich vielleicht an der einen Stelle völlig empathieunfähig, aus gewissen Gründen, die ich in der Supervision entdecken kann? Das wäre auch noch wichtig. Ich finde Mediation eine wunderbare Erfindung des letzten Jahrhunderts, aber sie verlangt dem Mediator sehr viel ab. Das ist eine sehr anspruchsvolle Fähigkeit.
[39:09]Beim Coaching kann ich mich auf einen Menschen einlassen und konzentrieren und versuchen, empathisch zu werden. Wenn ich zwei Parteien habe, ist die Situation völlig anders und das ist sehr herausfordernd. Ich finde das eine sehr schwierige Arbeit. Ja, das können wir gar nicht hier oft genug betonen. Ja, und es lohnt sich auch. Weil wir ja schwere Arbeit als Qualität sehen. Jawohl. Und es lohnt sich als Mediator auch in der Supervision der Sache nochmal nachzugehen. Da gehen einem manchmal noch die Augen auf. Ja, und die Schwierigkeit, ich sage das auch häufig, gerade Mediationskandidaten, die aus dem Coaching-Bereich kommen, aus der Einzelberatung, dass jede Kommunikation auch Bühnenkommunikation ist. Die gegnerische Konfliktpartei beobachtet, wie wir mit der anderen Partei sprechen. Und das geht hin und her. Und das ist nicht ein Parallelcoaching zur gleichen Zeit im gleichen Raum mit zwei Coaching-Claims. Ganz genau. Die sind gegensätzlich. Ganz genau. Und da entsteht eine Energie, wo die Luft bleihaltig wird und das soll man erstmal aushalten können. Ist das eine gute Abzweigung wieder zurück zum Wertequadrat? Können wir was damit anfangen als Mediatoren oder in der Supervision auch? Können wir da mit dem Wertequadrat als Mediatoren Entlastung finden, wenn wir uns in Klärungsprozessen.
[40:33]
Eigenverantwortung und Gelassenheit
[40:33]Konfliktbearbeitungsprozessen zu viel Mühe oder zu viel Verantwortlichkeit für das Ergebnis der Konfliktentwicklung zugemutet haben?
[40:46]Fragezeichen, genau. Ja, da käme mir ein Wertequadrat in den Sinn, was die Eigenverantwortlichkeit auf der einen Seite betont. Es hängt schon ein Stück von dir ab, sei dir dessen bewusst. Und auf der anderen Seite die schicksalsergebende Gelassenheit, dass ich nicht gegen alle Windmühlenflügel gewinnen kann in diesem Leben, die stärker sind als ich.
[41:08]Da wären wir wieder bei dem gleichen Punkt, den wir auch schon vor uns jetzt gerade hatten, bei dem gesellschaftlichen Thema. Ich sage zuweilen diese These, ihr könnt richtig gute Mediationsarbeit gemacht haben und die Parteien einigen sich nicht und gehen vor Gericht. Absolut. Und das heißt auch, und das ist die Pointe dabei, die Parteien können sich geeinigt haben und einen Frieden gefunden haben und ihr habt schlechte Mediationsarbeit gemacht. Wäre auch möglich. Ja. Und dann würde man es ein bisschen entkoppeln. Es fällt halt nur auf in unserer vielleicht einseitigen Betonung, wenn die Parteien sich nicht einigen. Also hüte dich vor jeder Omnipotenz-Fantasie, dass alles von dir abhängt. Wie könnten wir das Wertquadrat da fruchtbar machen? Auf der einen Seite ist es ja ein Wert… Um Eigenverantwortlichkeit zu betonen in diesem Verfahren. Ja, und die Eigenwirksamkeit und eine Bewusstheit für die Eigenwirksamkeit zu haben. Das wäre für uns als Mediatoren gerade der Witzung. Wäre ja wichtig. Wenn ich die Eigenverantwortlichkeit der Parteien betone, müsste es mir ja eigentlich leicht fallen zu sagen, ich bin nicht verantwortlich für die Entscheidungen der Parteien.
[42:18]Aber in diesem Falle haben wir ja den Moment, dass sie sich nicht einigen und die Mediatoren durchaus in Selbstzweifel geraten. Besonders, wenn sie die Omnipotenz-Illusion hatten. Und das wäre das Abgleiten nach unten links. Das wäre der übertriebene Gegenwert. Das wäre die Übertreibung von der Selbstwirksamkeit und Selbstverantwortlichkeit. Das erscheint wirklich paradox. Wenn man gerade betont, ein Verfahren durchzuführen, bei dem die Parteien selber die Lösung entwickeln sollen Und wir ja auch in unseren Breitengraden Mediation ganz stark begleitend und moderativ verstehen und weniger evaluativ, dass wir also keine Vorschläge machen, keine Ideen der Parteien bewerten, ob sie gut oder schlecht sind oder sinnvoll, rechtmäßig, bezahlbar oder ethisch verantwortlich, sondern wir da sehr darauf achten, Abstand zu halten.
[43:15]Und die Verantwortung liegt bei euch und bleibt für die Entscheidung bei euch. Aber sobald die dann sagen, wir werden uns nicht einigen und auch nicht mit ihrer Hilfe, in Anführungsstrichen, dann… Kommt plötzlich so ein Innerer und sagt, das war schlecht und du warst nicht gut genug. Aber das ist menschlich. Wenn das erfolgreich wäre und die liegen sich in den Armen und dann hat man natürlich im Herzen ein Wärmegefühl und kann den segensreichen eigenen Einfluss dann nochmal schön genießen. Und wenn die also verzockt auseinander gehen, dann war es wohl nichts hier.
[43:54]Aber die Zukunft ist dafür offener. Also wieder eine Menge Beziehungsangebote möglich. Aber was wäre die Schwestern-Tugend, die wir vielleicht da in den Blick nehmen müssten oder können, um da uns selber noch ein bisschen aufzuklären, wie wir da… Um nicht in die Omnipotenz-Illusion hinabzugleiten. Wenn die Eigenverantwortlichkeit der Grundwert ist, den ich betone, sowohl bei den Klienten als auch bei mir als Mediator, die Schwestern-Tugend wäre, Kooperation, also dass wir doch gemeinsam was gestalten und damit auch abgestimmt vorgehen?
[44:30]Ja, das wäre vielleicht der Regenbogen dann. Da bin ich schon bei der Kooperation ja noch mit drin. Auf der einen Seite bin ich mit meiner Selbstwirksamkeit und Selbstverantwortlichkeit erst einmal bei mir. Jetzt müsste die Schwestertugend den anderen Teil betonen. Also noch nicht das Gemeinsame, sondern die andere Seite. Sondern den anderen Teil. Hallo ihr Lieben, ob das was wird mit euch, das hängt von euch ab. Und da seid ihr zuständig, da etwas mit meiner Hilfe zwar, aber etwas zu entwickeln, was dann trägt. Und seid euch dessen bewusst, ich kann nicht zaubern, sondern ihr müsst es selber. Die Schwestertum liegt in dieser Haltung. Das scheint mir ein Punkt zu sein, dass wir denen gar nicht so bewusst enthalten. Am Anfang oder zu Beginn einer Mediation im Blick haben, verführt wahrscheinlich, weil die Parteien sagen, wir verrennen es nur, wir kommen alleine gar nicht zurecht. Sie sind unsere letzte Rettung. Ja, da müsste man eigentlich sagen, nein.
[45:32]Ja, das ist zu 50 Prozent nur richtig. Also ich müsste das etwas wohlwollender sagen. Das scheint ein interessanter Weg zu sein, der zu einigen Erkenntnissen noch führt. Denn wenn das Gemeinsame, die Kooperation in der Mediation praktisch der benannte Regenbogen ist, dann wäre die Schwestertugend von der Eigenverantwortlichkeit etwas zu betonen, was die Parteien mitbringt. Nämlich sie kooperieren ja schon in ihrer negativen, eskalierenden Art und einer allein kann den Konflikt gar nicht so gestalten, wie sie es gemeinsam können. Es klingt ja für den einen manchmal zynisch oder ironisch, aber tatsächlich ist da ja ein Funken dran. Bin mir noch nicht sicher, ob das die Schwestertugend ist, wenn wir mit dem Modell da arbeiten. Kann auch sein, dass zu einem und demselben Fragestellung mehrere Wertequadrate gibt. Dass es vielleicht die eine Schwestertugend ist, die Gelassenheit. Ich kann nicht gegen alle Windmühlenflügel in diesem Leben gewinnen und es gibt Kräfte, die sind stärker als ich. Und diese Schicksalsergebenheit wäre sozusagen für mich eine Schwestertugend, dass ich auch mit Niederlagen und wo ich nicht ganz groß herauskomme, erfolgreich gut umgehen kann und würdevoll umgehen kann. Das wäre ein Aspekt.
[46:57]Und ein ganz anderes Wertequadrat wäre dann, wenn wir die Eigenverantwortlichkeit des Klientels betonen und auch selber fühlen und diese Haltung dann klar machen. Und ohne darin schon Schuldzuschreibung zu verstecken, selber Schuld, selber verantwortlich. Vielleicht geht der Konflikt über eure Kräfte. Das kann auch sein. Ja, ihr seid guten Willens, aber es geht über eure Kräfte. Das sind so starke Hindernisse, dass wir heute nicht erfolgreich auseinander gehen. Ja, den Eindruck habe ich manchmal auch, dass Konflikte noch eine Art in der Überforderung sind, überhaupt in Kommunikation zu bleiben. Und das hat was paradox Beruhigendes. Oh, ich hätte jetzt erwartet, dass Sie sagen, das hat etwas Beruhigendes. Nein, gar nicht. Also ich suche eher nach einem Beispiel, was nicht mit mir selber zu tun hat. Ja, oder auch gerne.
[47:52]Familiär, Kinder großziehen in heutigen Zeiten mit zwei Jobs, das ist häufig Anlass für Konflikte. Und ich habe nicht nur die Idee, naja, das kann man dann irgendwie besser managen, man muss das besser aussprechen und etc. Sondern manchmal auch, dass die Konfliktkommunikation noch ein verbindendes Mitglied ist. In der Gestaltung ist, die besser ist, als erschöpft, jeder macht seins. Und das ist ja eher noch trennender, muss man so sagen. Und es gilt leider, wie ich das genannt habe, das Konfliktgesetz der vertikalen Gegenläufigkeit. Je mehr ich selbst betroffen bin an dem Konflikt, umso mehr geht meine Fähigkeit partnerschaftlich miteinander. miteinander, metakommunikativ bewusst und wertschätzend miteinander umzugehen in den Keller. Ah ja, dafür gibt es den Begriff, den Sie gesucht haben. Wie beim Paternoster, wenn die Betroffenheit nach oben geht, geht die kommunikative Kompetenz nach unten. In dem Maße. Ich habe auch in meiner Universitätszeit Kollegen gehabt, die waren kommunikativ wunderbar, also genial. Auf den Punkt und wertschätzend nach allen Seiten. Aber wenn die selber betroffen waren, dann wurden sie fast, ich suche nach dem richtigen Wort, im Alter sucht man immer nach den richtigen Worten.
[49:19]Wie ausgewechselt. Wie ausgewechselt. Wusste des Leuchtturms ist am dunklesten. Ja. Das ist doch auch paradox. Und sie wurden primitiv, das Wort habe ich gesucht. Primitiv. Ja.
[49:29]Diplomatisch. Primitiv und kotzgallig und überempfindlich und alles Mögliche, was menschlich ist. Ich versuche die Klammern wieder zurück zu gehen. Wir waren ja bei dem Nutzen für die eigene Klärung und die Schwestertugend und sie sagten genau die Gelassenheit, wenn Parteien anfragen, sich zu bewahren, sowohl in der Einzelberatung als auch in der Mediation gelassen zu bleiben, sich nicht abzuwerten in der Wirksamkeit. Also man braucht dich als Mediator rangehen und sagen, ich kann gar nichts tun, es ist ihr Konflikt, aber auch nicht übertrieben, es kommt jetzt auf mich an. Also die haben gesagt, ich bin die letzte Rettung, sondern eher cool zu bleiben, realistisch zu bleiben, ja, ich werde einen Unterschied machen, es wird anders sein mit mir als ohne, aber es ist noch ganz offen, wohin es führt und da sind wir alle dran beteiligt.
[50:23]Ja, und ich bin nicht zuständig für die Lösung, sondern für den Prozess. Und die Zuständigkeit für die Lösung liegt bei euch, wenn wir diesen Vertrag machen können.
[50:33]Ich finde das mit der Zuständigkeit einen passenden Begriff, weil er nicht sofort die Mediationsperson rausnimmt. Der ist ja auch für etwas zuständig, in der Tat. Der will a. bezahlt werden und b. darf er dabei bleiben. Und das ist ja schon eine Besonderheit, dass der Dritte in der Konfliktklärung dabei bleiben darf. Also wir haben das Wertequadrat ja als Polarisierung-Landkarte jetzt genutzt. Ja, ich nenne es auch das Polarisierungsquadrat oder das Dilemma-Quadrat oder
[51:03]
Polarisierung im Konfliktmanagement
[51:00]das Herausforderungsquadrat, wenn wir an die persönliche Entwicklung denken. Der eine muss eher lernen, empathisch verständnisvoll zu sein im Konflikt. Der andere muss eher lernen, Farbe zu bekennen und Klartext zu sprechen. Da überkreuzen sich die Entwicklungsrichtungen. Also je nach Kontext ist es das Polarisierungsquadrat, das Dilemmaquadrat, das Entwicklungsquadrat oder das Wertequadrat. Da geht es auch darum, Konflikte auszutragen. Und das könnte man also mit diesem Quadrat auch gut nicht nur als Deeskalation und als beruhigender Aha-Effekt nehmen, sondern auch sich deutlich machen, das ist schon richtig, dass die streiten. Und das jetzt konstruktiv durchzuführen, auch dafür fühle ich mich zuständig. Und ich muss jetzt nicht sofort zu einer Entscheidung die Parteien führen oder das beabsichtigen, sondern es ist gut, wenn die auch streiten. Wenn das mal aufeinander prallt und der Gegensatz deutlich wird.
[51:56]Und auch die Emotionen, die da ja beteiligt sind, einmal Raum bekommen. Und das sind nicht immer nur konstruktive, konziliante Emotionen.
[52:07]Das gehört ja auch zum Streit dazu, dass da mal was hochkochen darf. Und wenn das hochkochen durfte und ausgehalten wird, dann kommt vielleicht irgendwann eine Phase, wo man nochmal darüber reden kann. Ich kann das heute genau nachvollziehen. Ich bin heute sehr zeitig aufgestanden, mich auf dem Weg nach Hamburg zu machen. Ich habe das Nötigste so mit halb offenen Augen getan, was machbar war. Aber das war natürlich für den familiären Aufbruch dann zwei Stunden später nichts. Es war zu wenig. Und dann war es gut, dass man auf Entfernung hin, aber kommunikativ verbunden auch den Ärger Luft machen konnte. Das durfte ich heute erleben.
[52:49]Klammer auf, zu Recht. Dann haben Sie gleich ein schönes Beispiel dafür. Das war sehr passend. Ich komme noch zum Abschluss, weil wir jetzt auch dem Ende des Gesprächs so langsam nähern, noch mal zu dem Punkt zurück, den ich angekündigt hatte zum Thema authentisches Kommunizieren. Sie sagten so, das war eine Zeit lang, vielleicht immer noch der Gipfel des Anzutrainierenden, sich authentisch zu geben. Und das Wort trainieren passt dann gar nicht mehr so ganz? Und weil ich sozusagen mit dem Begriff häufig verstehe darunter, wie das der Soziologe Andreas Reckwitz genannt hat, der die Paradoxie darin deutlich gemacht hat und sagt, das Authentische ist wahr. Historisch, soziokulturell herkommend eine Zuschreibung gewesen, wo Menschen dem Sozialen, dem Bürgerlichen Absage erteilt haben und gesagt haben, ich mache meins.
[53:42]Koste es, was es wolle, sozial, der Künstler, der brotlose Künstler, der dem Bürgerlichen sich sozusagen abgesagt hat und dafür in Kauf nimmt, dass er nichts mehr wird in dieser Gesellschaft, aber seins macht. Seine Selbstverwirklichung ist das Gegenteil von der Anpassung an die herrschenden Normen. Und den man dann auch mit pikiertem Blick aus bürgerlichen Kreisen hinterherblicken konnte, wenn man überhaupt noch so viel Wert dem beischätzen wollte. Ja, mit pikiertem Blick oder ambivalentem Blick. Goethe hat auch gesagt, man muss sich auch für etwas geben und man erträgt den Unbequemen lieber als den, der sich nur anpasst und der nur unauffällig ist. Also da ist eine gewisse Ambivalenz zumindest.
[54:27]Und wenn wir jetzt in unsere Zeit springen mit dem Weiterbildungsmarkt, dass sich Menschen also Mühe geben in Beratungen, sich anlesen und hinterfragen und eben auch schon ein wenig verändern wollen und wohin kommen wollen, wo sie glauben, dort bin ich passender. Also auch eine Form von Anpassung auf sich nehmen, um dann authentisch zu sein. Und mit dieser Idee, ich bin authentisch oder ich kommuniziere authentisch, beanspruchen sie Anerkennung der anderen. Sieh her, wie schön authentisch ich bin. Richtig. Und du kannst mich überhaupt nicht kritisieren, Chef, weil so bin ich. Und so hast du mich zu wollen. Und das finde ich bemerkenswert paradox und auch erhellend für die Konflikte, die zum Beispiel im Arbeitsleben einhergehen und ein Kampf um Authentizität vom Zaun gebrochen wird.
[55:28]Immer auch mit der, ich sage mal im Konflikt, kommunikativen Immunität. Wenn ich authentisch bin, darfst du mich gar nicht kritisieren. Weil so bin ich. Ja, und du wolltest es. Und jeder muss zu dem stehen, der er ist, so ungefähr.
[55:45]Ja, also das ist vielleicht ein Grund, weshalb die Authentizität in unserem Werte-Olymp nicht mehr die herausragende Rolle spielt. Sie hat eine enorme Karriere gemacht. Also Authentizität wird heute auch von Politikern erwartet, von Wirtschaftsbossen erwartet, von CEOs erwartet.
[56:05]Also das ist schon enorm, was sich da getan hat. Und gibt Erlaubnis, sich auch anders zu verhalten und anders zu geben und zu kleiden. Und nun muss man aber sagen, dass nicht jede Herausforderung und jede Situation dazu geeignet ist, dass wir uns unverfälscht zum Ausdruck bringen. Es gibt auch noch im Wertequadrat neben der Authentizität die Passung an das, was die Situation mir abverlangt in der Rolle. Also situationsgerecht zu handeln, die Wahrheit der Situation verlangt mir etwas ab. Auf meine Weise der Situation gerecht zu werden, ist auf meine Weise zu tun, das ist richtig, da hat die Authentizität durchaus ihren Platz. Aber dass ich meiner Rolle gerecht werde und dem, was die Situation mir abverlangt, gerecht werde, das ist natürlich ein erheblicher Nebenwert. Deswegen sprechen wir von Stimmigkeit. Als oberster Leitwert der Kommunikation sei in Übereinstimmung mit dir selbst und in Übereinstimmung mit der Wahrheit der Situation und deiner Rolle darin. Du stehst auf einem Schachbrett und dem gerecht zu werden ist das eine und dem gerecht zu werden, was das eigene Herz dir aufgibt, das ist das andere und suche den Regenbogen zwischen diesen beiden.
[57:18]
Der innere Teamansatz in der Kommunikation
[57:19]Wenn man das zusammennimmt und das Psychologische und das auch Soziologische zusammendenkt, hält man immer noch, das finde ich ja durchaus legitim oder sozusagen diskutabel, die Idee aufrecht, es gibt ein echtes in uns, ein Kern, der unverfälscht ist und es gibt das Soziale, das uns Anpassung abnötigt. Und jetzt ist es eine Frage der Bewertung, wie ich jetzt mein Mischungsverhältnis im Leben gestalte.
[57:46]Wie ich das zusammenbringe. Also diese Idee des Humanismus, dass es diesen Kern des unverfälschten Individuums gibt, des Unteilbaren, das manche auch dann auf die Seele abheben und sagen, das ist jetzt unser seelischer Kern, der muss im Leben sicherlich ein paar Kompromisse machen. Ist das tatsächlich so? Oder ist das ein Gedanke, den wir noch praktikabel nutzen, aber eigentlich nicht mehr in der Wissenschaft wirklich tragfähig ist? Ja. Herr Weigel, mit der Frage machen Sie ein neues Fass auf. Da brauchen wir noch ein neues Podcast. Ich mache das immer so. Der Wesenskern des Menschen stellt sich heraus, da herrscht eine innere Pluralität. Das ist mein Modell vom inneren Team. Und es gibt nicht die eine innere Stimme, die mich authentisch vertritt, sondern es gibt da sehr viele. Und es gibt inneren Stimmen, die wollen sich gerne anpassen und haben ein Zugehörigkeitsbedürfnis und so weiter. Also das ist schon auch in mir drin, in meiner Seele drin und muss mir nicht sozusagen soziologisch aufgepfropft werden. Das wäre jetzt ein ganz neues und nicht minder spannendes Kapitel. Und das finde ich auch einen guten Weg hin, auf das Modell des inneren Teams zu gehen.
[59:02]Da nur die eine Frage, das heißt, an diesem Tisch, wo das innere Team Platz nimmt, gibt es dann keinen Bestimmer, der die Gespräche moderiert, verhandelt und dann entscheidet, okay, heute darfst du was laut sagen. Im inneren Team, meinen Sie? Weil das wäre ja dann doch nochmal der Kern gerettet worden. Aber wenn das Modell so zu verstehen ist, die gibt es in uns, die Stimmen und es gibt eben nicht das eine Ich, das wir zwar fühlen und das wir bewahren wollen, aber wenn wir es messen wollen, merken, es ist nicht da. Nein, und es gibt da eine enorme personelle Bandbreite. Und wenn der Chef, das Oberhaupt, wie ich es nenne, gut entwickelt ist, das ist allerdings nicht immer gegeben, aber wenn das Oberhaupt gut entwickelt ist, kann es sagen zu den einzelnen Teammitgliedern, in dieser Situation bist du bitte zurückhaltend, so wichtig du auch sonst bist. Und in dieser Situation musst du nach vorne, damit wir situationsgerecht handeln können.
[1:00:04]
Abschluss des Gesprächs
[1:00:04]Herr Friedemann Schulz von Thun, vielen Dank für das Gespräch. Das war sehr erhellend. Hat mich sehr gefreut, Herr Weigel. Ihr Besuch in Hamburg. Ebenso. Gute Zeit für Sie. Vielen Dank, dass du wieder mit dabei warst hier beim Podcast zum Thema Konfliktberatung, Mediation, Coaching. Wenn dir das gefallen hat, dann hinterlass doch gerne ein Feedback auf Apple Podcast oder Google Business  empfehl den Podcast weiter und abonniere ihn natürlich, wenn du das noch nicht getan hast. Das hilft uns und diesem Podcast weiter, mit diesem Dienst bekannt zu werden. Für den Moment verabschiede ich mich mit den besten Wünschen. Bis zum nächsten Mal. Komm gut durch die Zeit. Ich bin Sascha Weigel, dein Brust von INKOVEMA, dem Institut für Konflikte und Verhandlungsmanagement.
[1:00:52]Musik