INKOVEMA-Podcast „Episoden der Mediation“
#06 EdM – Gewalt und Mediation II
Der Vorwurf von Gewalt in der Mediation
Wie können Mediatoren auf einen Gewaltvorwurf in der Mediation reagieren?
Der Podcast zu den praktischen Fragen zur Mediation und des Konfliktmanagements.
Herzlich Willkommen zu den EdM,
dem Lehrstream von INKOVEMA zu den praktischen Fragen der Mediation und und des Konfliktmanagements.
Hier werden Praxissituationen der Mediation, aber auch von Coachings und Konfliktberatungen erläutert, reflektiert und eingeordnet.
Das ist Folge 6 – Mediation und Gewalt II – Der Vorwurf von Gewalt in der Mediation.
Einordnung: In der vorherigen Episode habe ich zwei Erscheinungsformen von Gewalt mit verschiedenen Anwendungsfeldern differenziert:
Gewalt tritt direkt als Kommunikationsform im Mediationsgespräch oder parallel, also zwischen den Gesprächsterminen auf. Diese Form von Beziehungsgewalt werde ich heute nicht vertiefen. Gewalt tritt aber auch in der Form aus, dass sie von den Konfliktparteien geschildert wird. Entweder als gemeinsame Erinnerung und damit allseits bejaht, was mitunter zu Entschuldigungen in der Mediation führen kann (dazu ein andermal mehr) oder die Gewaltschilderung wird von der Gegenseite bestritten. Um diese Konstellation soll es heute gehen, denn sie fordert die Mediatorin bzw. den Mediator besonders heraus.
Problemdarstellung: Wo liegt für den Dritten das Problem, wenn die Partei A der Partei B den Vorwurf macht, B hätte A Gewalt angetan; B hätte A aus Wut geschupst oder aus Ärger geschlagen.
Das Problem liegt im Auftrag, neutral und allparteilich zu agieren – und nicht jede Behauptung objektive Wahrheit zuzusprechen, dies aber auch nicht abzustreiten!
Denn weder können Sie der Schilderungen von A in einer Weise zustimmen, die der Wahrnehmung von B, der das abstreitet oder abstreiten wird, widerspricht, noch können Sie A ihre Wahrnehmung abstreiten, um dem potenziellen Bestreiten von B zu entsprechen. Sie sitzen zwar im Dreieck zueinander, aber beim Thema Gewalt schnell mal, wenn auch nur gefühlt, zwischen den Stühlen.
Sie können aber auch sich aus der Affäre ziehen und als Ausweg behaupten, darauf käme es nicht an, denn für die Beteiligten kommt es ganz offensichtlich darauf an! Ihnen ist das wichtig! Das wird häufig gemacht und mit dem Verfahren und der Dogmatik der Mediation begründet, dass es bei der Mediation nicht um die objektive Wahrheit gehe und deshalb keine Wahrheitssuche und -entscheidung in der Mediation erfolgt. Gesetz der Mediation. Pech für die Medianten. Damit müssen sie leben. Sie können ja die Mediation beenden. Aber das ist Quatsch mit Soße! Es interessiert doch die Medianten nicht, was in den Lehrbüchern zur Mediation steht und was deren Dogmatik ist…oh ja, wir können hier schon von der Dogmatik der Mediation sprechen. Nur keine falschen Berührungsängste, da geben sich Mediatorinnen und Juristinnen gar nichts.
Wie dem auch sei, so geht das in der Praxis leider – aber selten gut.
Versuchen Sie es lieber damit. Für die Parteien ist ihre Wahrheit wichtig. Und Partei A erinnert sich daran, von B geschlagen worden zu sein. B behauptet und hält das für wahr, dass das kein Schlag war, sondern ein Rempler beim Vorbeigehen. Ein Richter müsste das entscheiden, aber nicht Sie! Sie sind Konfliktvermittler, was eine schlechte Bezeichnung ist, weil sie nicht Konflikte vermitteln (und auch nicht ihre Lösung), sondern die Kommunikation darüber. Und hier haben Sie eine Partei A, die X glaubt und B, die Y glaubt. Und beide bearbeiten ihre Differenz in einer Mediation, wollen also eine Einigung finden, wie sie damit umgehen. Und wenn A und B an ihren Erinnerungen und Wahrheiten festhalten, dann ist das auch kein Beinbruch, Sie können dennoch und in diesem Falle unbedingt notwendig eine Einigung finden, wie sie damit umgehen möchten. Es ist für Beziehungen nichts Besonderes, dass sie unterschiedliche Erinnerungen haben, was geschehen ist und diese Dinge auch unterschiedlich bewerten. Das müssen jedoch A und B für sich entscheiden und kommunizieren. Dafür ist der Dritte unterstützend da. Und dabei sind folgende Fragen im Kern wichtig:
gegenüber A: 1. „Was bedeutet es für Sie, dass B die Dinge nicht so erinnert wie Sie und sie anders bewertet?“ 2. „Was bedeutet es für Sie, dass B sich nicht für das entschuldigt, was Sie als reales Geschehen erinnern?“ 3. „Wie wollen Sie damit umgehen im Hinblick auf Ihre Beziehungsgestaltung zu B, dass Sie keinen Konsens über das finden, was geschehen ist, möglicherweise aber über das, was sie noch miteinander schaffen wollen?“ gegenüber B: 1. „Was bedeutet es für Sie, dass A die Dinge anders erinnert und ihnen hier vorwirft, Gewalt angewendet zu haben, obschon sie das abstreiten?“ 2. „Was bedeutet diese Tatsache für Ihr gemeinsame Arbeits- bzw. Lebensbeziehung und deren Vertrauensgrundlage?
Der mediatorische Fallstrick in derartigen Situation ist der, dass Sie glauben, weil es ja nur eine Realität gibt, nur eine Vergangenheit und damit ein „entweder geschlagen oder nicht geschlagen“, in die (straf-)rechtliche Frage von Gewalt oder Nichtgewalt kommen, Lüge oder Wahrheit – und Sie in die Richterrolle geraten. Aber wie gesagt, als Mediatorin oder Mediator ist das nicht Ihr Auftrag durch die Parteien(!) und im Übrigen auch nicht ihr Job durch die Regularien der Mediation.
Sie sollen vielmehr die Kommunikation zwischen den Parteien vermitteln, die unterschiedliche Wahrnehmungen hatten, Erinnerungen darüber haben und Schlussfolgerungen beibehalten wollen. Vermitteln Sie die Kommunikation darüber und wie die Beteiligten mit der Unterschiedlichkeit ihrer Beziehungspartner umgehen möchten.
Dass dieses Vorgehen mitunter ein Zumutung für die Partei, die einen Gewaltakt gegen sich erinnert und wohl auch erlebt hat, ist dabei kaum zu vermeiden, ebenso aber, wäre es eine Zumutung für eine Partei, die keinen Gewaltakt wie behauptet ausgeführt hat und in der Mediation erleben muss, wie die neutrale und allparteiliche Person sogleich die Gewaltschilderung als objektive Tatsache behandelt und in diesem Sinne „für die andere Seite entscheidet“.
Beim nächsten Mal Wird die behauptete Gewalt der einen Seite kommuniziert und nicht von der anderen Seite abgestritten, dann geht es in der Mediation im Folgenden um mögliche Entschuldigungsbedarfe, so dass die Mediatorin bzw. der Mediator eine Entschuldigungskommunikation anregen und initiieren muss. Auch dazu in einer späteren Episode mehr
Für den Moment bedanke ich mich, dass Sie wieder mit dabei waren.
Bleiben Sie uns gewogen und kommen Sie gut durch die Zeit.
Ihr Sascha Weigel.
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