Vertragliche Grundlagen der Mediation

25 Grundlagen von Mediation (22)

Konfliktbeteiligte sind bestrebt, ihre sozialen Beziehungen zu klären. In der Mediation nutzen sie Absprachen, treffen Vereinbarungen und Übereinkünfte, um sich (wieder) zu vertragen. Kurz und juristisch ausgedrückt: Sie schließen Verträge. Und das meist nicht zu knapp. Regelmäßig entstehen auf diese Weise regelrechte Vertragsgeflechte. Genau das werden im heutigen Beitrag entflechten, die einzelnen Verträge benennen, ihre wesentlichen Inhalte klären sowie die vertragsrechtlichen Grundsätze beleuchten. Es wird also juristisch werden, aber dafür überhaupt nicht langweilig. Ganz im Gegenteil.

Der vertragsrechtliche Rahmen einer Mediation hängt von drei Einflussfaktoren ab:

  1. den konkreten Beteiligten (Vertragspartner, Medianten, Beteiligte), 
  2. den konkreten Absprachen der Beteiligten (Vertragsgeflecht) und
  3. den gesetzlichen Rahmenbedingungen an vertragliche Absprachen. (Vertragliche Grundsätze)

1. Beteiligte einer Mediation

Beteiligte können die Konflikt- bzw. Vertragspartner sein, der Mediator als Dritter sowie weitere Beteiligte, die aus unterschiedlichen Gründen hinzugezogen werden, um zu unterstützen und zu beraten. Das Grundmodell einer Mediation entspricht einem Dreiecksverhältnis.

Das Grundmodell einer Mediation besteht aus mindestens drei Beteiligten:

Erweiterungen

  • In umfangreicheren Mediationsverfahren muss das Grundmodell erweitert werden. Sind etwa Soziale Systeme, also Teams und Organisationen die Konfliktparteien, müssen sie konkrete Personen in die Mediation entsenden. Zuweilen ist es erforderlich, für eine einzelne Konfliktpartei mehrere Personen eines sozialen Systems in die Mediation zu schicken (z.B. ganze Familien in Nachbarschaftskonflikten).
  • Möglicherweise erweitert sich das Grundmodell aber auch, weil es sich um einen Mehrparteien-Konflikt handelt. Zum Beispiel verschiedenste Bürgergruppen, Verbraucherschutzvereine, Interessensgruppen oder Nachbarschaftsfamilien.
  • Bei vielen Konfliktbeteiligten am Mediationstisch kann es etwas unübersichtlich werden. Da lohnt es sich – und ist häufig erforderlich, dass auch „der vermittelnde Dritte“ aus mehreren Personen besteht – und ein ganzes Mediations-Team den Konflikt bearbeitet.
  • Allerdings kann sich auch das Dreieck als solches erweitern. Nicht selten sind die Anwesenden schlicht überfragt und bedürfen fachlicher Beratung, so dass Parteiberater, etwa Rechtsanwälte der Konfliktparteien, Steuerberater oder andere Fachberater hinzugezogen werden sollten oder müssen. Es gibt aber auch die Notwendigkeiten, unabhängige Fach-Experten, gewissermaßen Vierte hinzuzuziehen.

Die Details zu all dem können hier leider keinen Platz beanspruchen. Aber bringen Sie gerne Fragen oder Anmerkungen in den Kommentaren an.

Zum Abschluss hier noch eine Gesamtübersicht zu den (möglichen) Beteiligten in einer Mediation.

2. Im Geflecht der Mediationsverträge

Allein im Grundmodell einer Mediation kommt es regelmäßig zu vier unterschiedlichen Vertragsverhältnissen. Sprachlich handelt es sich bei allen um Mediationsverträge oder Mediationsvereinbarungen.

  • Die Mediationsabrede
  • Der Mediatorvertrag
  • Die Abschlussvereinbarung
  • Verfahrensabreden

Photo by Anastasia Zhenina on Unsplash
  1. Die Mediationsabrede

In der Mediationsabrede kommen die Konfliktbeteiligten (nicht der Mediator!) überein, dass sie zur Beilegung ihres aktuellen Konflikts ein Mediationsverfahren durchführen wollen. Diese grundlegende Übereinkunft wird teilweise auch als Mediationsvereinbarung i.e.S. (im engeren Sinne) bezeichnet.

Nur, wenn der notwendige Rechtsbindungswille (dazu sogleich mehr unter 3.) vorliegt und es sich daher nicht um eine bloße Absichtserklärung handelt, begründet die Mediationsabrede konkrete Verfahrensförderungs- und Verhandlungspflichten:

  • Pflicht, den Beginn der Mediation terminlich zu ermöglichen
  • Pflicht zur Mitwirkung an der Auswahl des Mediators
  • Pflicht zur anteiligen Vorschusszahlung
  • Verhandlungspflicht in der ersten Mediationssitzung
  • Pflicht zur Wahrheit hinsichtlich vorgetragener Tatsachen

Die Verhandlungspflichten bleiben allerdings begrenzt. Zur Erfüllung der Verhandlungspflicht in der ersten Sitzung ist es bereits ausreichend, dass der Konfliktbeteiligte mit dem Mediator spricht. Es besteht keine weitergehende Verhandlungspflicht und schon gar keine Pflicht zur Einigung.

Die Mediationsabrede beinhaltet außerdem häufig die Verpflichtung, den Konflikt nicht sofort bzw. parallel vor Gericht auszutragen. Dies gilt aber nicht immer! Gerade bei kurzen gerichtlichen Ausschlussfristen ist ein solcher sog. dilatorischer Klageverzicht eher die Ausnahme. Das ist z.B. gerade im Arbeitsrecht der Fall, da dort Kündigungen innerhalb kurzer Zeit vor Gericht eingebracht werden müssen, um gegen sie klagen zu können.

Mediationsabreden können entweder getroffen werden, nachdem der Konfliktfall bereits eingetreten ist. Das wären sog. ad-hoc-Vereinbarungen. Oder sie werden als Mediationsklauseln für den Fall der Fälle bereits vorab in die Verträge aufgenommen.

Eine einfache Mediationsklausel könnte zum Beispiel lauten:

„Für den Fall von Meinungsverschiedenheiten über Rechte und Pflichten aus diesem Vertrag oder von Störungen bei seiner Durchführung [Juristen formulieren meisten sehr genau ;-)] vereinbaren die Vertragsschließenden, vor Einleitung eines gerichtlichen Verfahrens eine einvernehmliche Lösung im Wege einer Mediation zu suchen.“

(Zu Mediationsklauseln in privatrechtlichen Verträgen vgl. auch unseren ausführlichen Beitrag hier)

  1. Der Mediatorvertrag

Der Mediatorvertrag ist für den Mediator die zentrale Arbeitsgrundlage.

Der Mediatorvertrag regelt das Verhältnis der Konfliktbeteiligten zum Mediator (und ggf. zum Co-Mediator). Rechtlich handelt es sich um einen Dienstvertrag i.S.d. § 611 BGB. Im Unterschied zum Werkvertrag schuldet der Mediator damit keine erfolgreiche Mediation.

Für den Mediator ist der Mediatorvertrag die zentrale Arbeitsgrundlage, das Herzstück seiner Beauftragung. Entsprechend sorgfältig und klar sollte der Vertrag zwischen den Parteien daher formuliert sein. Einerseits sind alle wesentlichen Punkte darin festzuhalten. Das betrifft etwa die Nennung konkreter Leistungsrechte und Leistungspflichten. Anderseits sollte vermieden werden, dass der Mediator durch eine Überregulierung zu stark in seiner Arbeit eingeengt wird.

Nicht selten werden in der Praxis die (ad-hoc-)Mediationsabrede und der Mediatorvertrag zusammen in einem schriftlichen Vertragsdokument formuliert. Das ändert jedoch nichts daran, dass es sich dabei um zwei verschiedene Verträge mit jeweils unterschiedlichen Vertragsparteien handelt. Die Farben in der oben abgebildeten Übersicht deuten diese unterschiedlichen Vertragsverhältnisse und -inhalte an.

  1. Die Abschlussvereinbarung

Beim eigentlichen „Krönungsakt“ der Mediation, der Abschlussvereinbarung, ist der Mediator in der Regel gar nicht Vertragspartei. Mit ihr geben die Beteiligten bekannt, dass der Konflikt (zumindest teilweise) beigelegt ist. Die Abschlussvereinbarung wirkt sich im Normalfall sowohl in materieller als auch in prozessualer Weise auf den Konflikt aus.

Materiell schließen die Beteiligten – vorausgesetzt der entsprechende Rechtsbindungswille ist vorhanden – einen Vertrag i.S.d. § 311 BGB, der häufig als Vergleich gem. § 779 BGB einzuordnen sein dürfte.

In prozessualer Hinsicht werden mit der Abschlussvereinbarung regelmäßig sowohl das Mediationsverfahren als auch etwaige (Schieds-)Gerichtsverfahren für beendet erklärt.

Der Mediator ist zwar grundsätzlich keine Vertragspartei der Abschlussvereinbarung. Das bedeutet aber nicht, dass er sich an dieser Stelle zurücklehnen kann. Ganz im Gegenteil: Die Rolle und Aufgabe des Mediators ist beim Abschluss von großer Bedeutung, entsprechende Pflichten sind nunmehr gesetzlich normiert.

Welche Schwierigkeiten in diesem Zusammenhang mitunter auftreten können

– insbesondere mit Blick auf die Grenzen des Rechtsdienstleistungsgesetz

wird von uns in einem weiteren Beitrag behandelt.

  1. Verfahrensabreden

Im laufenden Mediationsverfahren kommt es immer wieder zu Vereinbarungen und (mündlichen) Absprachen, die die Art der Zusammenarbeit während des Verfahrens konkretisieren. Eine kontinuierliche Vertragsarbeit ist ein ständiges und juristisch wirksames Instrument des Mediators, wenn auch im Nachgang nicht immer einfach zu beweisen.

3. Vertragsrechtliche Grundsätze

Mediationsvereinbarungen sind als Verträge im juristischen Sinne einzustufen. Als solche unterliegen sie auch der juristischen Logik. Ob eine Vereinbarung wirksam ist, ist daher immer eine Rechtsfrage.

Vertragsfreiheit

Die für Mediation grundsätzlich geltende Vertragsfreiheit gibt den Beteiligten einen großen Gestaltungsspielraum. Sie haben es in der Hand, ob eine Mediation stattfindet und wie sie konkret durchgeführt werden soll. Weder das Vertragsrecht noch das Mediationsgesetz schreibt ihnen eine konkrete Art oder Form von Mediation vor. Die gesetzlichen Anforderungen bzw. Begrenzungen sind eher schmal gehalten.

Zwingendes Recht

Die Gestaltungsfreiheit stößt lediglich dort an ihre Grenzen, wo Mediationsvereinbarungen andere Rechtsgüter berühren, die durch das Recht höher bewertet werden als die Vertragsfreiheit. Derartig zwingendes Recht findet sich vor allem im Mediationsgesetz (MediationsG) und im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB). Für Verfahrensabsprachen gelten außerdem bestimmte Regeln aus dem Prozessrecht (ZPO).

Beispiele für zwingendes Recht:

    • §§ 104 ff. BGB: z.B. kommt kein wirksamer Mediatorvertrag zustande, wenn der Mediator geschäftsunfähig ist.
    • § 138 BGB: Mediationsvereinbarungen dürfen keine Wuchergeschäfte darstellen oder gegen die guten Sitten verstoßen.
    • § 1 MediationsG: Der Mediatorvertrag kann nicht festlegen, dass die Mediation unstrukturiert erfolgen soll.

Dispositives Recht

Im Gegensatz zum zwingenden, also unabdingbaren Recht, ist das sog. dispositive Recht abänderliches Recht. Dispositive Rechtsnormen kommen nur dann zur Anwendung, wenn die Parteien keine anderslautenden Absprachen getroffen oder gewollt haben.

Beispiel für dispositives Recht:

    • Die Vertraulichkeit der Mediation ist zwar in § 1 MediationsG genannt, kann aber von den Parteien abbedungen werden. Sie dürfen eine öffentliche Mediation durchführen. Das erlaubt ihnen ihre Vertragsfreiheit. Treffen sie allerdings keine ausdrückliche Absprache, kommt das MediationsG mit seiner Vertraulichkeitsanforderung zum Zuge. (Verhält sich aber eine Partei dann nicht vertraulich, sondern gibt Informationen z.B. auf der Webseite preis – und die andere Partei nimmt das ruhig zur Kenntnis, kann darin eine konkludente Absprache für eine nichtvertrauliche Mediation liegen… Verträge brauchen in der Regel keine Schriftlichkeit, sondern nur zwei zueinander passende Willensäußerungen…)

Rechtsbindungswille – oder die Sache mit dem Wein.

Nicht alles, was nach einer Absprache ausschaut, beinhaltet auch einen juristischen Vertrag. Es kann durchaus auch unverbindliche Vereinbarungen („Gentlemen’s Agreement“) geben oder bloße Absichtserklärungen und Gefälligkeitskundgaben. Um solche juristisch unverbindlichen, sozial aber durchaus bindenden Äußerungen von „echten“ rechtsverbindlichen Vereinbarungen zu unterscheiden, muss man auf den sogenannten „Rechtsbindungswillen“ achten. Unter Juristen genießt der RBW, wie er zuweilen betitelt wird, geradewegs mythische Bedeutung – und jeder Jurist denkt dabei an WEIN, um sich irgendwie im Dickicht juristischer Überlegungen über Wasser zu halten. Um es kurz zu machen: Mit dem RBW wird zwar von dem Willen einer Person gesprochen, gemeint ist aber, wie ein Dritter die Handlung verstehen durfte. (Wer will, kann googeln: Rechtsbindungswille + Wein).

Vertragspflichten, Vertragsrechte

Mediationsvereinbarungen begründen Rechte und Pflichten. Sie führen zu konkreten Leistungsrechten- und Leistungspflichten. Des einen Schuld ist des anderen Anspruch.

  • Schuld ist das Leistenmüssen, das schuldrechtliche Verpflichtetsein.
  • ein Anspruch ist das Recht, von dem anderen, dem Schuldner, ein Tun oder Unterlassen fordern zu können, § 194 BGB. (P.S.: Der Anspruch ist eine deutsche Erfindung von B. Windscheit – und wurde in der ganzen Welt damit bekannt und nachgeahmt.)

Bei den Pflichten unterscheidet man zwischen Hauptleistungs-, Nebenleistungs- und Nebenpflichten.  Ansprüche unterteilt man in Primär- und Sekundäransprüche:

  • Die Pflicht, als Mediator im Konflikt zu vermitteln, ist beispielsweise eine Hauptleistungspflicht. Schließlich ist die Vermittlung im Konflikt der eigentliche Grund für die Beauftragung des Mediators. Dagegen haben Nebenleistungspflichten keinen eigenen Zweck, sie unterstützen und fördern das Leistungsversprechen. Etwa mit gutem Kaffee und leckeren Keksen.
    Nebenpflichten sind, wie der Name bereits verrät, nicht leistungsbezogen. Bei ihnen handelt es sich um Rücksichts-, Schutz- und Verhaltenspflichten, die bereits mit Aufnahme der Vertragsverhandlungen zu berücksichtigen sind. Der Hund des Mediators sollte also niemanden beißen, sonst haftet der Mediator mglw. auch aus vertraglichen Pflichten.
  • Primäransprüche ergeben sich aus den den Mediationsvereinbarungen selbst, während Sekundäransprüche aus der Verletzung der Primärpflichten erwachsen.

Diese juristischen Vertragsgrundsätze müssen jedoch nicht im Detail von Mediatoren durchdrungen werden. Mediation bedarf keines Jurastudiums. Grundzüge sind völlig ausreichend, zuweilen aber auch erforderlich. Wir hoffen, dass dieser Beitrag dazu ein wenig Klarheit gebracht hat. Wenn er weitergehende, praktische Fragen mit sich brachte, können Sie diese gern in den Kommentaren stellen! Wir bemühen uns, zeitnah zu antworten.

Photo by Helloquence on Unsplash.