INKOVEMA-Podcast „Gut durch die Zeit“

#55 – Einzelgespräche in der Mediation

Weshalb es zuweilen zwei Zimmer braucht, wenn Konfliktparteien an einem Tisch zusammenkommen wollen.

Im Gespräch mit Dr. Isabell Lütkehaus

Gut durch die Zeit. Der Podcast rund um Mediation, Konflikt-Coaching und Organisationsberatung.

Dr. jur. Isabell Lütkehaus; Mediatorin und Autorin des Standardwerks „Basiswissen Mediation“, lebt und arbeitet in Berlin.

Inhalte:

  • Einzelgespräche in der Mediation, …also wenn Mediatoren während der Mediation mit lediglich einer Partei sprechen. Dieses Vorgehen ist zunächst erst einmal rechtlich erlaubt, das ergibt sich aus § 2 Abs. 3 S. 3 MediationsG ausdrücklich vor, der „getrennte Gespräche“ benennt. Was dabei aber zu beachten ist, wann Einzelgespräche sinnvoll erscheinen und wann sie besser zu unterlassen sind.
  • Wann sind Einzelgespräche sinnvoll?
      1. Informationsbeschaffung, Vertrauensaufbau in der Auftragsklärung/Vorphase
      2. Klärung von Bedürfnissen und Emotionen in der Problemdarstellungsphase
      3. Konflikterhellungsphase in einer festgefahrene Situation oder bei Endlosschleifen von Schuldzuweisungen
      4. Bei Hidden Agendas (Mediation ist nur ein strategischer Zug, eine Bühne für andere oder keine geeignete Bühne, Stichwort: höchstpersönliche Informationen)
  • BEACHTUNG DER MEDIATIONSPRINZIPIEN IM EINZELGESPRÄCH
    1. Allparteilichkeit, da Gefahr der falschen Interpretation besteht (Einzelgespräch erscheint als Strafmaßnahme oder Bevorzugung)
    2. Eigenverantwortlichkeit: Freiwilligkeit und Informiertheit
    3. Vertraulichkeit (Weitergabe, Überführung der Informationen in die Runde)
  • Vorteile: 
    1. Einzelgespräche fördern die Selbstbehauptung der Konfliktparteien,
    2. zuweilen fördern sie den Perspektivwechsel, da kein Gesichtsverlust droht (m.E. selten),
    3. Erkennen eigener Konfliktanteile und Förderung von Entgegenkommen, Chance auf lösungsorientieres Verhandeln,
    4. umfassendere Informationen für den Mediator, vertiefte Einblicke in Konflikt- und Psychodynamik,
    5. eskalationsverhindernde bzw. beruhigende Wirkung, v.a. bei emotionaler Überforderung,
    6. Stärkung der Vertrauensbasis zwischen Medianden und Mediator, 
    7. Mögliche Verfahrensbeschleunigung
  • Nachteile:
    1. Verlust der Kraft des Mediationsdreiecks/-tisches
    2. Spezifische Konfliktdynamik geht verloren
    3. Einigungsdruck wird gelockert
    4. Vereinzelung kann verhärtend und eskalierend wirken, was erst im Zusammenführen sichtbar wird
    5. Aufbau unangemessener Erwartungen gegenüber Mediatorin
    6. mangelnde Fokussierung auf Konflikttehmen (Verzetteln)
    7. Gefahr der (gefühlten, eingebildeten) Verantwortungsverschiebung auf den Mediator
    8. Gefahr der Psychologisierung der Probleme,
    9. Gefahr des Verlustes der professionellen Distanz des Mediators wegen intensiven Kontakts zum Medianden, 
    10. erhöhte Verfahrenskosten

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