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2019-04 – Reimund Schmidt-De Caluwe – Gestohlene Blicke

Interview mit Reimund Schmidt-De Caluwe, …

…Professor für Öffentliches Recht an der Uni Halle und der Fotograf der Ausstellung in der Baumwollspinnerei Leipzig.

Ich habe zur Fotografie gefunden, bevor ich Jurist wurde – über meinen Vater. Er war Optiker. Er hat mich in die Fotografie eingeführt und in die Dunkelkammertechnik. Und seitdem ist sie ein Begleiter in meinem ganzen Leben gewesen. Später habe ich Jura studiert, das Fotografieren aber nie beendet.

Sie haben nur eine Pause gemacht?

Wenn man in den Beruf einsteigt, eine Familie gründet, hat man keine Zeit. Irgendwann kommt aber ein Alter, in dem man wieder Zeit und Muse hat, dieses Hobby wieder ernsthaft zu betreiben. Und das ist jetzt bei mir so seit 2007. Dann beschäftigt man sich ernsthafter damit – mit Fragen des Bildaufbaus, der Kameratechnik, verfeinert das, liest Fotobücher, sucht sich seine Vorbilder und entwickelt sich weiter. Dann hat man irgendwann mal Kontakte mit anderen Fotografen und ist Teil einer Community.

Sie fotografieren Menschen beim Eisessen, beim Warten. Oft schauen sie in die Kamera und sind überrascht oder verwundert. Wann haben Sie gemerkt, dass Sie einen Blick haben für besondere Momente?

Als es andere mir gesagt haben. Wann das war, weiß ich nicht mehr. Vielleicht zwischen 20 und 30.

Meine Fotos sind schwarz-weiß, aber sie werden farbig aufgenommen. Als ich früher analog fotografiert habe, habe ich bewusst entschieden zwischen einem Farbdiafilm oder einem Negativfilm in schwarz-weiss. In der Digitalfotografie hat man nun einen Sensor, der immer in Farbe aufnimmt. Ich wandele die Aufnahmen dann in Schwarz-Weiß um.

Gibt es Fotos, die in Farbe besser wirken?

Ja. Ich habe parallel in Marburg eine Ausstellung, dort sind nur farbige Bilder – auch Straßenbilder. In bestimmten Fälle kommt es für die Komposition auf die Farbe an. Das wirkt dann in schwarz-weiß nicht.

Und was ist dann anders?

Schwarz-weiß konzentriert den Blick auf Personen. Der Fotojournalisten Ted Grant hat einmal gesagt: “Wenn du Menschen in Farbe fotografierst, dann fotografierst du Ihre Kleidung. Wenn du sie in schwarz-weiß fotografierst, dann fotografierst du Ihre Seelen.” Da ist einiges dran. Andererseits gibt es Situationen, wo Farbe einen eigenen Ausdruck hat. Und dann ist es wichtig, Farbe zu zeigen.

Sie zeigen Fotos auf Reisen. Aus New York, London, St. Petersburg, Havanna und anderen Orten. Beim Reisen verlässt man die Routine und entdeckt etwas Neues. Ist das eine Voraussetzung für den besonderen Blick?

Ich könnte diese Fotos auch hier machen. Das sieht man auf dem Foto aus Halle. Es gibt auch Bilder aus anderen deutschen Städten. Es ist eher umgekehrt.

Es braucht keinen Ortswechsel.

Wenn ich mir Zeit nehme zum Fotografieren, egal wo, dann bin ich raus aus der normalen Welt, aus dem Stress. Dann bin ich in einem Modus, der auf der einen Seite entspannt ist, der auf der anderen Seite aber auch sehr aufmerksam macht. Wenn ich mit einem fotografischen Blick durch die Stadt gehe – da bin ich sensibel für Situationen. Das ist unabhängig davon, wo ich bin.

Das ist streng getrennt, das sind unterschiedliche Herangehensweisen. Es gibt aber auch Gemeinsamkeiten. Zum Beispiel, dass man in beiden Bereichen genau beobachten muss. Man muss auch bei juristischer Arbeit einen Sachverhalt genau beobachten und darf nicht oberflächlich arbeiten. Das ist beim Fotografieren auch so.

Natürlich ist der „Kreativitätsanteil“ hier höher, aber ich muss sagen, es ist ein Vorurteil, dass Juristen nicht kreativ arbeiten. Das stimmt nicht.

Was ist Ihr Lieblingsbild?

Das Bild „Gute Stimmung Schulbus“. Die Geschichte spielt in Kuba – in Matanzas -2010.

Wir sind durch die Straßen gegangen – meine Frau, unser Sohn und ich – und wir haben diesen Bus gesehen. Auf dem Bus stand, dass er eine Spende der US-amerikanischen Pastoren für den Frieden war. Da bin ich aufmerksam geworden und bin auf den Bus zugegangen. Als dann diese Jungs und Mädchen die Kamera gesehen haben, haben sie aus vollem Herzen gelacht und gewinkt. Und diese Stimmung einzufangen – das ist mir gelungen. Das gelingt ja nicht immer. Da zehre ich heute noch davon. Immer wenn ich das Bild sehe, habe ich gute Laune.

Reagieren Menschen offen, wenn Sie von Ihnen fotografiert werden?

Ja, die Erfahrung habe ich gemacht. Es gibt natürlich auch – berechtigterweise – Situationen, in denen jemand sagt, nein, er will nicht fotografiert werden. Dass wirklich aggressiv reagiert wird, habe ich nur äußerst selten erlebt. Es gibt eher positive Reaktionen, weil ich offen fotografiere und nicht versteckt. Dann kann ich auch angesprochen werden und eine Kommunikationssituation entstehen lassen.

Ihre Fotos sind zufällige Begegnungen – kurze Momente. Blieben die Begegnungen immer kurz?

Es gab Kontakte, es gab Unterhaltungen. Und in einigen Fällen habe ich auch einen Abzug des Fotos geschickt. Auch nach Kuba. Gerade letzte Woche habe ich in Halle einem Mädchen, das ich fotografiert hatte, das Foto vorbei gebracht. Aber oft bleibt es beim einmaligen Kontakt. Nur die Straßensituation. Dann ist man wieder weg, hat sie aber festgehalten.

Hätten Sie gern mehr Zeit?

Ich würde gern dokumentarische Projekte machen, in denen ich auch mit den Leuten, die ich fotografiere,  länger und intensiver zusammen bin. Das habe ich mir für die Zukunft vorgenommen.

Fotografieren Sie lieber Menschen als Sehenswürdigkeiten?

Ja, das ist so. Ich mache auch Landschaftsfotografie, fotografiere auch Sehenswürdigkeiten. Aber wenn ich Architektur fotografiere, dann suche ich den besonderen Blick und nicht das, was auf Postkarten ist. Da gibt es auch interessante Momente, die man festhalten kann.

Die Fragen stellte Mandy Weigel.

Die Ausstellung ist im Institut INKOVEMA, Alte Baumwollspinnerei Leipzig, Spinnereistraße 7, Verwaltungsgebäude – zu den üblichen Öffnungszeiten – zu sehen.

Impressionen von der Vernissage in den INKOVEMA-Räumen

2017-09 – Gregor Nobis – Form/Function

INKOVEMA

seit September 2017

auf der Spinnerei in Leipzig/Plagwitz.

Das Gelände der einstmals größten Baumwollspinnerei in Europa

  • war in der Vergangenheit Zeuge der Industriellen Revolution (im 19. und 20. Jahrhundert),
  • ist in der Gegenwart ein weltweit anerkannter Quellort für Kunst und Kultur (Neue Leipziger Schule, etwa Arno Rink, Neo Rauch)
  • und entwickelt sich zu einem wichtigen Ausgangspunkt für die digitale Transformation im mitteldeutschen Raum.

Es ist gute Tradition in der Spinnerei halbjährlich die Tore zu öffnen, damit Besucher*innen aus Leipzig und der Welt, die Ateliers, Galerien, Studios, aber auch Büros und andere Arbeitsräume besichtigen können. Wir folgen dieser Tradition.

INKOVEMA öffnet seine Räume für thematisch einschlägige Fotoausstellungen.

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