INKOVEMA Podcast „Well through time“
#169 – Vertrauen. Teil 1 – Die Aufhebung der Ungewissheit
In conversation with Prof Dr Guido Möllering
Well through time. The podcast about mediation, conflict coaching and organisational consulting.
Prof Dr Guido Möllering, who completed his doctorate at the University of Cambridge in 2003 and his habilitation at the Free University of Berlin in 2011, has been Director and Chair of the Reinhard Mohn Institute for Corporate Management (RMI) at Witten/Herdecke University since 2016. Under his leadership, the RMI's areas of specialisation include: Cooperative relationships, network and alliance strategies, management of openness and transparency, trust in and between organisations, new forms of leadership and work in the digital age and corporate responsibility. Guido Möllering has published in leading professional journals and is the author of books including Trust: Reason, Routine, Reflexivity (2006) and Production in networks (with Jörg Sydow, 3rd ed., 2015). In 2009, he received the Peregrinus Foundation Prize from the Bavarian Academy of Sciences and Humanities for his work of significance to business and society. Since 2018, he has been a member of the jury for the corporate responsibility competition "My Good Example".
Contents:
Inhaltliche Schwerpunkte:
Vertrauen spielt im täglichen Leben und in der Geschäftswelt eine entscheidende Rolle. Es hilft uns, trotz der Unsicherheiten und Risiken, die immer vorhanden sind, positiv zu handeln. Wissenschaftliche Studien zum Thema Vertrauen haben gezeigt, dass Vertrauen darauf basiert, dass wir unsere Unsicherheiten beiseitelegen, konkret unsere UNGWISSHEIT AUFHEBEN, zumindest vorübergehend. Das bedeutet, dass wir bereit sind, an das Gute im anderen zu glauben, auch wenn es keine Garantie dafür gibt.
Im Wesentlichen gibt es drei Hauptquellen des Vertrauens, die in der Wissenschaft identifiziert werden:
- Vernunft: Vertrauen kann eine rationale Entscheidung sein, bei der Menschen aufgrund von logischen Überlegungen und verfügbaren Informationen entscheiden, ob sie jemandem vertrauen sollten.
- Routines: Oft vertrauen wir aus Gewohnheit, weil bestimmte Verhaltensweisen immer wieder auftreten und als normal angesehen werden.
- Experience: Persönliche Erfahrungen mit anderen Menschen können auch Vertrauen fördern. Wenn wir gute Erfahrungen mit jemandem gemacht haben, sind wir eher bereit, dieser Person erneut zu vertrauen.
Forschungen zeigen, dass Vertrauen komplex ist und von vielen Faktoren abhängt. Es ist nicht nur eine Frage der Vernunft oder der Emotion, sondern eine Mischung aus beidem. Vertrauen kann auch enttäuscht werden, was bedeutet, dass es immer ein Element der Unsicherheit und Verwundbarkeit gibt.
Und das scheint der Kern des Vertrauensprozesses zu sein – dass die Ungewissheit über die Zukunft buchstäblich, aber in aller Vieldeutigkeit aufgehoben werden kann und im Zeitraum des Vertrauens wird.
- Aufheben bedeutet erstens, dass die Ungewissheit nicht mehr aktuell bewusst ist, ausgeblendet wird und metaphorisch in eine Schublade gesteckt wird, wo sie nicht mehr sofort erkennbar ist.
- Aufheben bedeutet zweitens, dass diese Ungewissheit de facto aufbewahrt wird und jederzeit wieder hervorgeholt werden kann bzw. könnte. In der Tat „vergessen“ wir manchmal, wo wir diese Ungewissheit hingelegt haben und unser Vertrauen in Andere ist sehr robust.
- Aufheben bedeutet drittens, dass die Beziehung dadurch auf eine neue Ebene gehoben wird. Hier bedeutet Aufheben etwa Hochheben auf ein neues Level.
Aber gerade diese Fähigkeit, Unsicherheit zu „überbrücken“ und trotzdem zu vertrauen, ist das, was Vertrauen so wichtig und wertvoll macht, besonders in Geschäftsbeziehungen, sowohl in vertrauten als auch in neuen, ungewohnten Umgebungen wie etwa internationalen Märkten.
Das ist eine interessante These. „Der Glaubenssprung“. Das Zusammenwirken von Kognitionen (Misstrauen, Vertrauen,…) und Emotionen (Angst,…) ist ein interessantes Feld, das sicher von individuell biographischen Erfahrungen, kontextuell von Informationen und auch vom Beziehungsfeld (privat, ökonomisch, politisch,…) sehr bestimmt wird. Da werden sich große Differenzierungen ergeben. „Glaubenssprung“ bleibt eine interessante Metapher, weil es einen Unterschied macht, ob sich hinter dem Nebel, in den man springt, festes Gelände oder ein Abgrund auftut.
Vielen Dank, Günther. In der Tat, als Analogie ist die Metapher eines (Glaubens-)Sprungs ganz hilfreich, um zu verdeutlichen, welche Bedeutung und Schwierigkeit zu überwinden ist. Weiter trägt sie dann wohl aber auch nicht.
Mir persönlich hat die Idee des Aufhebens in seinen (metaphorischen) Auswüchsen sehr geholfen, die Prozesshaftigkeit von Vertrauen beschreiben zu können. Wie erklärst Du als Psychologe diese „Robustheit des Vertrauens“, also dass selbst negativ unerwartete Verhaltensweisen nicht selten „entschuldigt“ werden und als „nicht so gemeint“…durch Personen, die an ihrem Vertrauen festhalten…?