INKOVEMA Podcast „Well through time“

#147 – Mediation als Produkt

Teil 1 – Marktpsychologische Perspektiven.

Im Gespräch mit Damaris Deinert

Well through time. The podcast about mediation, conflict coaching and organisational consulting.

Damaris Deinert, Wirtschaftspsychologin und Mediatorin; arbeitet heue als Fachbereichsleiterin bei Arbeit und Leben e.V. (Chemnitz).

Contents:

Heute geht es um die Praxis von Mediation.

Im Gespräch mit Damaris Deinert wird es dabei nicht um die Art und Weise gehen, wie Mediatoren eine Mediation durchführen, sondern es geht um das OB einer Mediation: Wieso gelangen von der Unmenge an (hocheskalierten, langandauernden) Konflikten so wenige in einen mediativen, moderierenden Bearbeitungsprozess?

Es geht um den ganzen Berg von Konflikten, bei denen die jeweiligen Konfliktparteien, die potenziellen Mediatorinnen, aber auch die sonstigen Stakeholder (Anspruchsgruppen und Interessengruppen) einer Konfliktsituation, es nicht schaffen, diesen Konflikt einer Mediation zuzuführen. Was läuft da schief im Anbieter- und Anpreisungsprozess, wenn doch, so die Grundannahme, das Produkt so wichtig, toll und notwendig ist?

Mediation ist Vieles.

Für manche ist es eine Hoffnung für die Konfliktbearbeitung, für andere der Broterwerb, für dritte eine Alternative zum Gericht, für vierte eine Haltung, für fünfte ein Verfahren, für sechste eine Methode und für siebte ist es eine blanke Enttäuschung.

Die Perspektive des heutigen Gesprächs ist die, dass Mediation ganz einfach ein marktvertriebenes Produkt ist. Schnöde wie das klingt, aber Mediation will auch verkauft werden!

The Masterarbeit von Damaris Deinert mit dem Titel: „Das ungenutzte Mediationsangebot der IHK – kein Bedarf bei KMU*?“ ist eine wissenschaftliche Untersuchung zur Dienstleistung Mediation. Es werden verschiedene Ansätze und Kriterien zur Systematisierung von Dienstleistungen vorgestellt und Mediation im Hinblick auf diese Kriterien eingeordnet. Auch der Zusammenhang zwischen Kundenorientierung und Verkaufserfolg wird näher betrachtet. Es wird zudem auf mögliche Schwierigkeiten bei der Bewerbung von Mediation durch Unternehmen hingewiesen, wie fehlende Beauftragung und Kontrolle der Mitarbeiter.

The wesentlichen psychologischen Einflussfaktoren hinsichtlich der Nutzung des Produktes Mediation in kleinen und mittelständischen Unternehmen (KMU) umfassen verschiedene Aspekte. Zum einen spielen Wissen, Emotionen, Motive und Einstellungen eine entscheidende Rolle bei der Entscheidung für oder gegen Mediation. Die Entscheidung für Mediation ist eine risikobehaftete Kaufentscheidung. In solchen Situationen, in denen das Entscheidungsverhalten für oder gegen ein Produkt durch mangelnde Informationen und Unsicherheit gekennzeichnet ist, spielen Heuristiken eine wichtige Rolle. Heuristiken sind einfache Regeln zur Bildung von Urteilen oder zum Fällen von Entscheidungen, die besonders bei komplexen Problemen genutzt werden. Sie können zu korrekten oder annähernd richtigen Urteilen und Entscheidungen führen, aber unter bestimmten Bedingungen auch systematisch zu Fehlurteilen führen. Es können verschiedene Heuristiken benannt werden, die zur Bildung von Urteilen und Entscheidungen bezüglich der Nutzung oder Nicht-Nutzung von Mediation eingesetzt werden. Dazu gehören

  • die Take-the-Best-Heuristic,
  • die Rekognitionsheuristik,
  • die Verfügbarkeitsheuristik,
  • die Konsensheuristik und
  • die Habitual Heuristic. Zudem beeinflussen die Produkteigenschaften und die Vertrauensqualität in Bezug auf den Anbieter die Kaufentscheidung. Doch auch persönliche Empfehlungen stellt einen relevanten Faktor für die Nutzung von Mediation in KMU dar.

Im Podcast besprechen Sascha Weigel und Damaris Deinert die verschiedenen psychologischen Einflussfaktoren auf die Entscheidung für oder gegen Mediation als Konfliktlösungsverfahren. Außerdem geht sie auch die Vermarktung von Mediation ein, welche eine gezielte Herangehensweise erfordert, um potenzielle Kunden anzusprechen. Einige bewährte Praktiken umfassen

  • die Betonung des wirtschaftlichen Nutzens für Unternehmen, wie Zeit- und Kosteneinsparungen sowie die Risikominimierung.
  • Darüber hinaus ist es wichtig, die sozialen und psychologischen Aspekte von Mediation zu betonen, wie die Erhaltung von Beziehungen und die Berücksichtigung der Interessen aller Beteiligten.
  • Die Werbung sollte sich auf die Bedürfnisse und Anliegen der Unternehmen konzentrieren und das „Produkt“ möglichst konkret und greifbar beschrieben.
  • Die Vorteile der Mediation sollten zwar klar hervorgehoben werden, für ein glaubwürdiges Marketing ebenso wie für eine informierte Entscheidungsfindung seitens der Kunden, jedoch
  • kann es auch ratsam sein, einige Nachteile der Mediation als Konfliktlösungsverfahren darzustellen.
  • Auch würde es die Glaubwürdigkeit des Produktes erhöhen, wenn Mediatoren in eigenen Konflikten persönlich Erfahrungen mit Mediationen gemacht haben.
  • Die Vermarktung sollte auch auf persönlichen Empfehlungen und die Einbindung von Multiplikatoren wie Kammern und anderen relevanten Organisationen setzen.

Dabei kann es hilfreich sein, sich als Mediatorin auf bestimmte Zielgruppen zu spezialisieren, um das Vertrauen zu erhöhen.

Literature:

  • Damaris Deinert: Das ungenutzte Mediationsangebot der IHK – kein Bedarf bei KMU? Ein marktpsychologischer Erklärungsversuch (Band 23)