INKOVEMA Podcast „Well through time“
#234 GddZ
Verkehrungen ins Gegenteil
Eine subversive Machttechnik
Im Gespräch mit Prof.in Sylvia Sasse
Sasse lehrt Slavische Literaturwissenschaft an der Universität Zürich. geboren 1968 in Magdeburg; Sie ist unter anderem Mitbegründerin und Mitglied des Zentrums Künste und Kulturtheorie (ZKK) und Herausgeberin des online-Magazins „Geschichte der Gegenwart”. In ihren Forschungsarbeiten beschäftigt sie sich intensiv mit politischer Sprache und politischen Sprechakten, z.B. in der stalinistischen Sowjetunion. Seit 2022 leitet sie das vom Schweizerischen Nationalfonds geförderte Forschungsprojekt „Kunst und Desinformation“.
2023 erschien bei Matthes und Seitz ihr Essay „Verkehrungen ins Gegenteil. Über Subversion als Machttechnik“.
Small series:
Beiträge aus Gesellschaftspolitische Konfliktlagen – infolge der Wiederkehr des Krieges auf europäischen Boden und in die europäische Politik
Contents
Chapter
0:05 Einführung in Verkehrungen ins Gegenteil
24:54 Der Einfluss von Propaganda und Medien
35:07 Subversion in Politik und Machtstrukturen
44:35 Verkehrungen im Alltag und Konflikten
50:30 Zusammenfassung und Ausblick auf die Zukunft
Summary of content
In dieser Episode befasse ich mich mit einem faszinierenden und komplexen Phänomen, das nicht nur in der politischen Arena, sondern auch in alltäglichen Konflikten auftritt: den sogenannten Verkehrungen ins Gegenteil. Diese mächtigen rhetorischen Techniken sind weit mehr als einfache Projektionen. Sie hinterlassen einen subversiven Einfluss, eignen sich die (häufig positiv konnotierten) Begriffe an, so dass die Art und Weise, wie wir Diskurse führen, grundlegend verändert. Um dieses Thema zu ergründen, lade ich die Expertin Professorin Silvia Sasse ein, deren Forschung uns hilft, diese Techniken in verschiedenen Kontexten, von der Politik bis hin zu persönlichen Auseinandersetzungen, besser zu verstehen.
Professorin Sasse bringt ihre Erkenntnisse zu politischen Strategien, insbesondere im Zusammenhang mit den Konflikten in Osteuropa und der Rhetorik von Führungspersönlichkeiten wie Wladimir Putin. Sie betont, dass solche Verkehrungen oft als Verteidigungsmechanismus genutzt werden, wenn Aggressionen als Reaktion auf echte oder fiktive Bedrohungen gerechtfertigt werden. Ein zentrales Beispiel, das zur Veranschaulichung herangezogen wird, ist der russische Überfall auf die Ukraine, wo die Narrative der Verteidigung und Dekonstruktion von Realität die Wahrnehmung tiefgreifend beeinflussen.
Unsere Diskussion nimmt auch psychologische Dimensionen an, indem wir die Mechanismen betrachten, durch die Gefühle von Opfer und Täter umgekehrt werden. Professorin Sasse beschreibt, wie in der öffentlichen Wahrnehmung Fehler und Aggressionen oft auf andere projiziert werden, während die eigenen Handlungen stark optimiert und als positiv inszeniert werden. Diese Techniken finden sich nicht nur in geopolitischen Konflikten, sondern auch im Alltag, etwa in Unternehmen und sozialen Beziehungen. Hier wird erklärt, wie Kritik fälschlicherweise als Zustimmung gedeutet wird und wie die Dynamik von Macht und Kontrolle auf intrapersoneller Ebene funktioniert.
Abschließend reflektieren wir die Relevanz von Verkehrungen ins Gegenteil im Kontext der Mediationsarbeit. Der Versuch, Konflikte durch Neutralität und Gleichwertigkeit zu lösen, wird als herausfordernd erachtet, da oft nicht nur Deutungen, sondern auch die zugrundeliegenden Machtstrukturen und Beweggründe der Konfliktparteien beeinflusst werden.
Zusammengefasst bietet diese Episode eine Analyse der subversiven Machttechnik der Verkehrung ins Gegenteil und ermutigt dazu, bei Konflikten die zugrundeliegenden Narrative zu ergründen, um Missverständnisse und Ungerechtigkeiten zu erkennen und anzugehen.
Complete transcription
Leave A Comment