Wozu Mediationskompetenzen?

12 Praktiker verraten, was ihnen ihre Ausbildung in Mediation gebracht hat.

Im Blog von INKOVEMA findet Ihr zahlreiche Informationen und Hintergründe zur Mediationspraxis und -theorie. Schließlich definieren wir uns als Knotenpunkt von Praxis, Lehre und Wissenschaft. Hin und wieder lassen wir aber auch Kollegen, Klienten und Vertreter anderer Beratungsberufe zu Wort kommen.

Diesmal haben wir ausgebildete Mediaotor_innen gefragt, was sich für sie geändert hat durch ihre Ausbildungen in Mediation.

Wir haben Ihnen zwei Fragen gestellt:

  1. Was hat sich für Dich – in Deinem beruflichen oder privaten Agieren – verändert, seitdem Du die Ausbildung zum Mediator absolviert hast?
  2. Weshalb hast Du die Ausbildung begonnen und wozu nutzt Du die Erfahrungen heute in Deinem beruflichen oder auch privaten Leben?

Sie sollten diese beiden Fragen kurz und knapp beantworten, auch wenn sie heute nicht aktiv als Mediator_in arbeiten.

Einige sind Angestellte in Wirtschaftsorganisationen oder im öffentlichen Bereich, arbeiten als Rechtsanwälte, Personalleiter oder Betriebsratsvorsitzende. Aber jeder einzelne bestätigt den Nutzen und die Hilfe, die sie durch ihre Mediationsausbildungen gewonnen haben.

Aber lies doch selbst, das sind ihre Antworten:

 

 

1. Sebastian Steeck

Rechts- und Syndikusanwalt, Personalleiter Diakonisches Werk Innere Mission Leipzig e.V., Leipzig

Mediationsausbildung (BM) 2009.

Sebastian-Steeck-Rechtsanwalt

Sebastian Steeck, Rechts- u. Personalleiter

In meiner Tätigkeit als Anwalt mit zum Teil familienrechtlichen Fragestellungen habe ich erlebt, wie schnell Konflikte eskalierten können und wie schwer es anschließend für alle Beteiligten ist, diesen Konflikt einer selbstbestimmten Lösung zuzuführen. In dieser Zeit entstand der Wunsch, meinen Mandanten eine alternative Möglichkeit zur Streitbeilegung anbieten zu können, die weniger gegenseitige Kränkungen zur Folge hat und regelmäßig zu besseren Lösungen führt.

Auch in meiner heutigen Tätigkeit als Personalleiter profitiere ich in meiner täglichen Arbeit von meinem Wissen um Konflikte, sei es bei der Schlichtung im Unternehmen als unbeteiligter Dritter oder als Konflikt- oder Verhandlungspartei. Dabei habe ich gemerkt, dass ich erfolgreicher bin, wenn ich mich im Konflikt mehr auf mich selbst und weniger auf den Anderen konzentriere, mich meiner eigenen Motivation bewusst werde, die eigenen Gefühle zulasse anstatt sie zu verdrängen und damit den Raum für eine sachliche Auseinandersetzung schaffe.

2. Emilia Tintelnot

Rechtsanwältin, Mediatorin, Berlin

Mediationsausbildung Fernuniversität Hagen 2010.

Emilia Tintelnot Rechtsanwältin

Emilia Tintelnot, Rechtsanwältin

Ich denke in beiden Bereichen in größeren Einheiten und bin kreativer in der Lösungssuche, weil es keine vorgegeben Grenzen gibt. Auch begegne ich Menschen unvoreigennommener und toleranter in ihrer Andersartigkeit.

Ich habe die Ausbildung 2009 begonnen, weil ich schon in meiner juristischen Ausbildung gemerkt habe, dass sich die meisten Sachverhalte in der Regel nicht auf rein juristischem Wege dauerhaft und für beide Seiten zufriedenstellend lösen lassen. Ich nutze die im Rahmen der Mediationsausbildung gewonnen theroetischen und praktischen Erfahrungen beruflich und privat dafür, näher an den Interessen der Mandanten und Menschen zu sein, sie in ihrer Individualität besser zu sehen und den Blickwinkel der Beteiligten von der Vergangenheit in die Zukunft zu lenken und ihnen die Möglichkeit des Findens einer eigenverantwortlichen langfristigen Lösung des Problemkomplexes zu vermitteln.

3. Tilman Metzger

lizensierter Mediator und Ausbilder (BM®),  Inhaber der Unternehmensberatung Tilman Metzger GmbH, Gründungsmitglied des Bundesverbandes Mediation, Lüneburg.

Mediationsausbildung 1985.

Tilman Metzger, Mediator

Tilman Metzger, Mediator

Meine Mediationsausbildung habe ich 1985 aus drei Gründen begonnen: 1. Weil ich alles andere als ein Kommunikationsheld war und dazulernen wollte. 2. Weil ich dazu beitragen wollte, eine offene Streitkultur in allen Lebensbereichen zu unterstützen: Familie, Arbeitswelt, Politik. 3. Weil ich wusste: „Das gibt es in Deutschland noch nicht! Das will ich mitgestalten!“

DIE revolutionäre Erfahrung nach meiner Ausbildung war: Wenn ich treffend zusammenfasse, was mein Konfliktpartner sagt, habe ich schon halb gewonnen – und er auch.

4. Ida Schönherr

Betriebsratsvorsitzende und  Konfliktmanagementbeauftragte BASF Services Berlin, Wirtschaftsmediatorin, Berlin.

Mediationsausbildung Steinbeis HS 2011.

BR-Vorsitzende

Ida Schönherr, BR-Vorsitzende

Was hat sich geändert? – Ich bin gelassener geworden seit meiner Ausbildung, kann Dinge besser loslassen, die ich nicht ändern kann. Ich würde sagen, dadurch habe ich eine anmutigere Form des Selbstbewusstseins (vor allem im männlich geprägten Konzern) erlangt. Und bei alldem bin ich doch so neugierig geblieben wie zuvor – und ich stelle irrsinnig viele Fragen. Das ist eine ganz deutliche Veränderung ;-)

Generell nehme ich mir nicht mehr die Dinge an, die mich nichts angehen, kann die Probleme dort belassen, wo sie hingehören und mich im Ganzen besser darauf konzentrieren, meine Probleme und Herausforderungen zu lösen. Ich fühle mich – auch privat – nicht mehr „gehetzt“ und ich handle mehr auf der Basis von Vertrauen. Wie schon gesagt…anmutige Form des Selbstbewusstseins…tatsächlich ist für mich Mediation eine starke, leise Form des Mutes.

 

5. Dr. Frank Schreiber

Richter am Landessozialgericht, gerichtlicher Mediator (2013) und Güterichter, Darmstadt.

Mediationsausbildung 2012.

Richter

Dr. Frank Schreiber, Richter LSozG

Die Welt schien erst einmal komplizierter, als ich angefangen habe, die Wirklichkeitskonstruktionen der Menschen umfassender wahrzunehmen als zuvor. Dann war ich erleichtert zu sehen, dass sich die Möglichkeiten, die Wege und potentielle Problemlösungen in gleicher Weise „vervielfältigen“.

Die Ausbildung hatte ich auch begonnen, um Fähigkeiten für meine richterliche Tätigkeit zu erwerben. Mehr denn je bin heute allerdings der Auffassung, dass Richterolle und Mediatorenrolle nicht vermischt werden dürfen.

 

6. Nadine Hansen

Selbständig, Wirtschafts-Sinologie, Mediatorin und Moderatorin, Berlin.

Mediationsausbildung 2012.

Mediatorin und Wirtschafts-Sinologin

Nadine Hansen, Mediatorin und Wirtschafts-Sinologin

Meine Mediationsausbildung hat mich Demut gelehrt, Demut und Präsenz. Wie ist es, jemanden zu begleiten, ohne ihn verändern zu wollen? Widerstände und starke Emotionen anzunehmen und mit ihnen statt gegen sie zu arbeiten?

In meiner Arbeit als interkulturelle Trainerin wird es immer dann sehr spannend, wenn Konflikte zutage treten. Diese kann ich dank der Mediations-Ausbildung souverän begleiten – und damit meinen Seminaren Tiefe geben.  Es wird jenseits von verhärteten Standpunkten darüber gesprochen, worum es den Einzelnen wirklich geht. Und die Teilnehmenden erleben: meine Werte und Bedürfnisse haben dürfen und den Anderen die ihren lassen – das geht tatsächlich!

Die Ausbildung hat auch meinen Führungsstil verändert. Ich nehme Widerstände wahr und Ernst und suche mit Teammitgliedern gemeinsam eine Lösung, die sowohl meinen als auch ihren Zielen dient. Entscheidungen – auch die unliebsamen – kommuniziere ich klarer, nicht zuletzt, weil ich mir meiner eigenen Anliegen und Bedürfnisse viel bewusster geworden bin.

 

7. Dominik Wahlig

Geschäftsführer (Bundesverband Mediation), Wirtschaftsmediator, Leipzig.

Mediationsausbildung (BM) 2009.

Geschäftsführer

Dominik Wahlig, Geschäftsführer

 Meine Mediationsausbildung habe ich begonnen, nachdem ich mehrere Jahre als Krisen-Manager in Projekten die Erfahrung gemacht habe, dass es meist nicht sachliche Probleme sind, die Projekte scheitern lassen, sondern die mangelhafte Kommunikation der Mitarbeiter und Verantwortlichen.

Ich weiß noch, wie erstaunt ich war, als in der Ausbildung von mir verlangt wurde, über meine Gefühle zu sprechen. Und wie erleichtert ich war, als meine Ausbilder eine Liste mit dem Grundwortschatz der Gefühle verteilten. Einiges davon ist tatsächlich in meine alltägliche Kommunikation eingeflossen. ;-)

Das Ende der Mediationsausbildung war der Anfang meiner neuen Berufskarriere. Job gekündigt, selbständig als Wirtschaftsmediator. Und es war der Anfang eines langen Lernweges, der hinter jeder Kurve mit neuen Überraschungen aufwartet.

Der Weg hat mich bislang zu einem Selbstverständnis als Prozessberater für schwierige Situationen in Unternehmen geführt. Persönlich finden meine Emotionen im Vergleich zu früher mehr Raum, gleichzeitig erlauben Sie mir mehr als früher Herr meines Handelns zu bleiben.

8. Emanuela Boretzki

Unternehmerin (Green Heritage Leipzig GmbH), Mediatorin, Leipzig.

Mediationsausbildung 2010.

Unternehmerin und Mediatorin

Emanuela Boretzki, Unternehmerin und Mediatorin

Ich habe mich für die Ausbildung entscheiden, da ich als Landschaftsarchitektin immer wieder zwischen die Fronten geraten bin und oft nicht wusste wie ich damit umgehen soll. Seit meiner Ausbildung fällt es mir leichter, den Blickwinkel zu ändern und dadurch eine andere Sichtweise auf die Situation zu bekommen. Dies ist im privaten sowie auch im beruflichen Kontext sehr vorteilhaft. Ich genieße diese neuen herausfordernden Aufgaben sehr, da es durch die erlernten Methoden der Mediation schneller möglich ist, zufriedenstellende Ergebnisse zu erlangen.

9. Christoph Häntzschel

Rechtsanwalt, Fachanwalt für Arbeitsrecht, Mediator.

Mediationsausbildung 2006.

Rechtsanwalt, Geschäftsführer

Christoph Häntzschel, Rechtsanwalt, Geschäftsführer

Gewonnen habe ich durch die Mediationsausbildung vor allem die Einsicht, dass die Mediation tatsächlich eine taugliche Alternative zum klassischen anwaltlichen Streiten ist (wenn sie denn stattfindet). Anfänglich war ich in diesem Punkt skeptisch.

Bewirkt hat die Ausbildung bei mir einen erheblichen Gewinn an Verständnis der Konfliktentstehung und an Techniken im Umgang mit der eigenen Partei und dem Gegner. Ich versuche nun in meiner Arbeit, auch die Interessen der Gegenseite stärker zu ergründen. Das hilft oft, um einen Kompromiss schmackhafter zu machen, weil sich beide Konfliktparteien besser verstanden und einbezogen fühlen. Das klappt natürlich nicht immer. Viele Streitbeteiligten leiten ihr Handeln weiterhin an der Stärke ihrer Rechtsposition ab (nach dem Motto: Ich komme nur dort entgegen, wo ich auch gerichtlich unterliegen würde.)

Eine gesteigerte Nachfrage nach Mediationen habe ich nicht festgestellt. Auch die Bereitschaft auf Nachfrage bei der anderen Konfliktpartei ist selten vorhanden. Dennoch bin ich froh, die Ausbildung gemacht zu haben. Schließlich münden viele Auseinandersetzungen in Verhandlungen und den Austausch bzw. Ausgleich von Interessen. Dabei helfen mir die in der Mediationsausbildung erlernten Techniken. Privat hilft mir dies übrigens auch, wobei es mir dort noch schwerer fällt, nicht hin und wieder „die Steinschleuder“ raus zu holen. Aber in eigener Sache ist man eben befangen.

10. Ute Liepold

Selbständige Wirtschaftsmediatorin, Wirtschaftsinformatikerin, Bruchsal.

Mediationsausbildung 2009.

Mediatorin

Ute Liepold, Mediatorin

Meine Mediationsausbildungen – die erste zur Wirtschaftsmediatorin, die zweite zur Klärungshelferin – haben mein Leben tatsächlich stark beeinflusst: Ich habe damit meinen „Traumberuf“ gefunden und arbeite heute freiberuflich zu 90 % als Konfliktberaterin und Mediatorin in Organisationen. Traumberuf in Anführungszeichen, denn diese Arbeit fühlt sich oft alles andere als traumhaft an: Ich begegne langen Leidensgeschichten, heftigen Emotionen, Abwehr, Misstrauen und vielem mehr … Gleichzeitig kann ich dazu beitragen, dass diese Leidensgeschichten ein Ende nehmen, und das ist für mich ausgesprochen sinnstiftend.

Ganz sicher habe ich mich durch Ausbildung auch persönlich verändert und weiterentwickelt: Ich kann es noch weniger als früher ertragen, wenn Menschen (mich selbst eingeschlossen) nicht oder auf eskalierende Weise miteinander sprechen. Und wenn ich darauf Einfluss nehmen kann, dann tue ich es.

11. Bernhard Böhm

Rechtsanwalt, Mediator, Ausbilder, Leiter des Steinbeis-Beratungszentrum Wirtschaftsmediation, Leipzig

Mediationsausbildung 1998.

Mediator und Ausbilder

Bernhard Böhm, Mediator und Ausbilder

Für mich war die Mediation tatsächlich „Liebe auf den ersten Blick“, die mich auch nach über 16 Jahren nach wie vor fasziniert wie am ersten Tag. Und mit der Ausbildung hat sich viel verändert, denn ich habe die Mediation als Mediator zu meinem Hauptberuf gemacht. Für mich war die Mediationsausbildung immer mehr als „nur“ eine Schlüsselqualifikation. Ich wollte damit meinen Lebensunterhalt bestreiten.

Da der Beruf als Mediator auch mein erster und einziger Beruf ist, den ich ausübe, hat er mich auch sehr geprägt.

Im Privaten habe ich natürlich auch als Mediator Konflikte wie jeder andere Mensch. Bei eigener Betroffenheit sieht die Welt eben anders aus als in der professionellen Rolle. In „ruhigeren Momenten“ reflektiere ich dann vielleicht den einen oder anderen Aspekt meines Verhaltens – um mich dann über mich selbst zu ärgern. Insofern unterstützt die Mediation langfristig die persönliche Entwicklung. Aber ohne den moralischen „Zeigefinger, denn Mediatoren sind nicht die „besseren Menschen“.

12. Barbara Hagedorn

Selbständige Juristin, Transaktionsanalytikerin, Mediatorin (Paar- und Familienangelegenheiten), Lüneburg.

Mediationsausbildung 2002.

Mediatorin und Transaktionsanalytikerin

Barbara Hagedorn, Mediatorin und Transaktionsanalytikerin

Meine Weiterbildungen (in Mediation, aber auch Coaching und Eheberatung) haben dazu geführt, dass mir der Blick von verscheiden Seiten auf ein Thema oder ein Problem zur Natur geworden ist. Das parteilich Denken/Fühlen/Handeln ist schwieriger geworden, weswegen das Anwalts-Denken und -Tun dann auch nicht mehr paßte. Mein Bedürfnis nach Zufriedenheit aller Beteiligten ist gleichzeitig differenzierter geworden.

Ich habe seit 1981 als Anwältin gearbeitet: viel Familienrecht, daneben Strafverteidigung für Jugendliche sowie in Sucht-Delikten, Sozial- und Jugendhilfefrage. Dabei wurde mir bald klar, dass zufriedenstellende Lösungen nur dann zu finden waren, wenn die Mandanten auch persönlich Entwicklungs-Schritte machten, zusätzlich zu der rechtlichen Unterstützung.

Heute arbeite ich – wegen meiner skizzierten Veränderung – noch als Supervisorin, im Coaching oder in der Mediation (mit Paaren/Familien, zu Nachfolgefragen und innerbetrieblichen Konflikte).

Privat freue ich mich, dass Freunde und Patenkinder gelegentlich meinen Rat suchen. Auf die Fragen durch älter werdenden Eltern und der Aufgabenteilung mit Geschwistern gehe ich entspannter ein. Die große Erfahrung macht mir auch den Kontakt mit Nachbarn einfacher.

 

Vielen Dank an alle Beteiligten, die diesen interessanten und eindrucksvollen Post ermöglicht haben! Es ist bei allen deutlich geworden, das die Ausbildung nicht „spurlos“ vorbeigegangen ist, sondern nachhaltig das Arbeits- und Privatleben beeinflusst haben.  

Welche Erfahrungen hast Du mit Deiner Mediationsausbildung oder einer ähnlichen Fortbildung gemacht? Oder überlegst Du, ob Du eine solche Ausbildung beginnen möchtest? Aber Vorsicht: Danach geht’s anders lang! ;-)