10 Fakten zum Mediationsgesetz – und ein paar Tipps

25 Grundlagen der Mediation (1)

Im ersten Beitrag der 25 Grundlagen geht es um das deutsche Mediationsgesetz, das seit Juli 2012 geltendes Recht ist.

(Willst Du auch die weiteren Beiträge nicht verpassen,

dann melde Dich doch hier beim Newsletter von INKOVEMA an.) 

1. Entstehungsgeschichte

Das deutsche Mediationsgesetz trat als Gesetz zur Förderung der Mediation und anderer Formen der außergerichtlichen Konfliktbeilegung am 26.07.2012 in Kraft.

Doch bereits 1999 forderte der Europäische Rat seine Mitgliedsstaaten – u.a. Deutschland – dazu auf, alternative Streitbeilegungsverfahren juristisch zu normieren. Österreich führte daraufhin 2003 ein Mediationsgesetz für zivilrechtliche Angelegenheiten ein. Weitere Länder zogen jedoch nicht nach. Daher wurde am 21.05.2008 eine entsprechende EU-Richtlinie (2008/52/EG) erlassen, die die Mitgliedsstaaten dazu verpflichtete, nationale Bestimmungen zu formulieren. Diese Richtlinie bezog sich allerdings ausschließlich auf grenzüberschreitende Angelegenheiten. Deutschland sah die Umsetzung dieser Richtlinie als Gelegenheit, nicht nur grenzüberschreitende Fälle zu regeln, sondern auch außergerichtliche Streitbeilegungsmethoden für nationale Angelegenheiten zu etablieren. Dies führte jedoch zu Verzögerungen, sodass das deutsche Mediationsgesetz erst am 21. Juli 2012 vom Bundespräsidenten unterzeichnet wurde und eine Woche später offiziell in Kraft trat.

2. Veränderte Rahmenbedingungen für Rechtsanwälte

Das Mediationsgesetz zählt neun Artikel und ist wohltuend schmal gehalten. Artikel 1 formuliert in neun Paragrafen die wesentlichen mediationsspezifischen Fragestellungen. Die Artikel 2 bis 8 ändern die dadurch tangierten Normen in den diversen Gerichtsverfahrensgesetzen. Die gesetzliche Förderung der Mediation hat Auswirkungen auf die unterschiedlichen Prozessordnungen der übrigen Gerichtswege. Es mussten deshalb z.B. das Arbeitsgerichtsgesetz und die Zivilprozessordnung entsprechend angepasst werden.

Das wirkt sich auf die Praxis von Rechtsanwälten (und Richtern) aus. Reicht eine Anwältin z.B. eine Zivilklage ein, muss sie nach der geänderten Zivilprozessordnung darlegen, ob vor der Klageerhebung versucht worden ist, im Wege einer Mediation (oder eines anderen, außergerichtlichen Konfliktlösungsverfahrens) den Konflikt beizulegen.

Aber allein das reicht dem Gesetzgeber noch nicht. Anwälte müssen ferner auch darlegen (und Richter darauf achten), welche Gründe einem solchen Verfahren aktuell entgegenstehen, so dass eine Zivilklage erforderlich erscheint.  Entsprechende Regelungen finden sich auch im Verfahren in Familiensachen und der Freiwilligen Gerichtsbarkeit.

Praktisch scheinen allerdings Rechtsanwälte das zu tun, was sie am besten können – den sozialen Konflikt im juristischen Streitverfahren zu bearbeiten, jedenfalls wenn es stimmt, dass die gesetzlichen Vorgaben des Mediationsgesetzes lediglich zu neuen Textbausteinen in den anwaltlichen Klageschriften geführt haben. Das ist allerdings weder verwunderlich noch tragisch. Für den Anfang ist das schon eine ganze Menge.

3. Mediationsspezifische Normen des Gesetzes

Artikel 1 enthält die mediationsspezifischen, materiellen Vorgaben an die Mediation. Neben den Paragrafen zur Evaluierung, Verordnungsermächtigung, zu wissenschaftlichen Forschungsvorhaben und Übergangsbestimmungen (§§ 6-9 MediationsG), sind in den Paragraphen 1-5 die Kernvorschriften zur Mediation und zur Mediatorenausbildung zu finden.

§ 1 definiert die Begriffe Mediation und Mediator. § 2 benennt die wesentlichen Aufgaben und Rechte des Mediators. In den §§ 3 und 4 finden sich die Pflichten und Tätigkeitsverbote.

4. Offenes Regelungsregime, aber freiwillig und vertraulich muss es schon sein!

Nicht geregelt durch das Mediationsgesetz wurde der Ablauf des Mediationsverfahrens. Diese Offenheit trägt der Vielfalt der Möglichkeiten, Konfliktbeteiligte zu vermitteln, Rechnung. Damit hat sich der deutsche Gesetzgeber vorbildlich zurückgehalten. Nach § 1 MediationsG muss das Verfahren lediglich vertraulichfreiwillig und strukturiert vonstatten gehen.

Die Vertraulichkeit ist eine wichtige Säule des Mediationsverfahrens. (Mehr zur Vertraulichkeit findest Du in diesem Beitrag.) Inhalte und Vorkommnisse der Mediationsverfahren werden in aller Regel nicht veröffentlicht. Die Vertraulichkeit ist ein zentrales, aber kein konstitutives Element der Mediation und wurde seit jeher so gehandhabt. Das Mediationsgesetz deklariert diesen Grundsatz lediglich. Die Vertraulichkeit ist ein wichtiger Grund, weshalb überhaupt Mediation von Konfliktparteien als alternatives Verfahren angefragt und genutzt wird. In Wirtschaftsstreitigkeiten können auf diese Weise Betriebsgeheimnisse auch geheim bleiben. Streitigkeiten, bei denen ein hohes Risiko des Gesichtsverlustes besteht, können in einer Mediation angemessen aufgearbeitet und einer passenden Lösung zugeführt werden.

Die zweite wichtige Säule des Mediationsverfahrens ist seine Freiwilligkeit. Das bedeutet, dass es jedem Konfliktbeteiligten (als auch dem Mediator!) jederzeit frei steht, das Verfahren zu beenden. Dazu bedurfte es allerdings nicht des Mediationsgesetzes. Die Freiwilligkeit galt für Mediationen seit jeher und ist praktisch ein Identitätskriterium. Für viele Mediatoren ist die Freiwilligkeit das „Eingangstor“ schlechthin, um den Konflikt mittels Mediation zu bearbeiten. Das Risiko, etwas zu verlieren, ist grundsätzlich gering, wenn das Verfahren jederzeit beendet werden kann.

Gleichwohl bedeutet Freiwilligkeit nicht zwangsläufig Druckfreiheit. Konfliktbeteiligte befinden sich oft in einer enormen Drucksituation, weshalb sie die Mediation nicht immer als freiwillig empfinden. In vielen Fällen sehen sie sich gezwungen, die Mediation durchführen oder zumindest beginnen. Die „Kosten“ der Nichtteilnahme an der Mediation können gescheut werden, da sie zuweilen höher bzw. bedeutungsvoller als die einer Teilnahme sind. So können Konsequenzen der Nichtteilnahme z.B. Sanktionen durch die Arbeitgeberin, ein negativer Pressebericht des Kunden oder die Auflösung der Ehe sein.

In meiner Praxis als organisationsexterner Mediator kommt es zuweilen vor, dass Arbeitnehmende die Freiwilligkeit des Verfahrens mit Druckfreiheit verwechseln: Das Mediationsverfahren jederzeit beenden zu dürfen, bedeutet keineswegs, dass dieser Schritt ohne Konsequenzen bleibt. Natürlich hat der Abbruch einer Mediation Auswirkungen auf den weiteren Konfliktverlauf (häufig Eskalation!). Das gilt umso mehr, wenn zusätzliche Interessen z.B. der Gesamtorganisation in einer Team-Mediation zu beachten sind.

5. Erfolgreiche Gratwanderung des Gesetzgebers?

Der Gesetzgeber hat mit dem Mediationsgesetz ein Dilemma meistern müssen: Einerseits durfte der Mediation nicht mit einem Regelungsdickicht die Luft zum Atmen genommen werden, denn sie bedarf vielfältiger Ausprägungen und ist in vielen Bereichen noch stark entwicklungsbedürftig. Andererseits brauchte die Mediation aber dringend Mindeststandards, die die Akzeptanz der Bevölkerung steigern könnten.

Aus diesem Grunde hat der Gesetzgeber gut daran getan, die Mediation nicht in die alleinigen Hände der Rechtsanwälten zu legen. Mediation ist keine Rechtsberatung mit Lösungsfindung.

Letztlich sind keine Berufsgruppen davon ausgeschlossen worden, Mediationen durchzuführen. Und die Voraussetzungen für die Mediatorentätigkeit (z.B. durch die Schaffung eines neuen Berufsbildes) sind nicht derart hoch gesetzt worden, dass nur Wenige tätig werden dürften. Vielmehr ist es dem Gesetzgeber darum gegangen, offene Standards zu kreieren, die die subjektiven Rechte der Konfliktbeteiligten wahren sollen. Für sie stellt das Mediationsgesetz einen gewissen Schutz dar, indem die (zertifizierten) Mediatoren eine angemessene Ausbildung absolviert haben und die Grundlagen ihres Handwerkes verstehen.

6. Gesetzliche Hinweispflichten des Mediators – und was er noch tun sollte

Mediatoren sind neutral, unabhängig und allparteilich. Sie haben nach dem Gesetz alle Umstände offenzulegen, die Zweifel an ihrer Neutralität wecken könnten. Sie dürfen als Mediatoren nicht tätig werden, wenn sie in diesem Streit zuvor bereits für eine Partei tätig geworden waren. Diese Vorschrift dürfte lediglich für Rechtsanwälte Geltung beanspruchen.

(Wer als Therapeut für eine Partei tätig gewesen ist, dürfte etwaige streitige Fragestellungen, sofern eine Mediationsausbildung vorliegt, sicherlich auch im Rahmen einer Mediation begleiten. Allerdings scheint diese Frage dem Gesetzgeber nicht in den Sinn gekommen zu sein. Soweit ersichtlich wird das Tätigkeitsverbot des § 3 Abs. 2 MediationsG allein für Rechtsanwälte gelesen. Ob es andererseits empfehlenswert ist, z.B. die Therapeutin der Gegenpartei auch als Mediatorin zu akzeptieren, wage ich zu bezweifeln. Etwas anderes ist es freilich, wenn aus einer Einzeltherapie eine Paartherapie erwächst. Aber das ist auch keine Mediation.)

Wichtig ist hier noch zu erwähnen, dass Mediatoren sich nach dem Gesetz zu vergewissern haben, dass die Parteien die Grundsätze und den Ablauf der Mediation verstanden haben und freiwillig teilnehmen.

Zudem sind Mediatoren verpflichtet, sofern sich die Beteiligten einigen (wollen), darauf hinzuwirken, dass sich die Beteiligten in Kenntnis der Sachlage einigen. Das Gesetz scheint sich aber keine Gedanken darüber zu machen, was das für die Praxis heißen soll. Dadurch werden die Pflichten des Mediators in einen Mantel der Dunkelheit gehüllt. Mediatoren sollten deshalb stets die Beteiligten darüber aufklären, dass sie ihre Vereinbarung mit externen Beratern durchsprechen und überprüfen lassen können, wenn nicht gar sollten. Dies reduziert die Möglichkeit unberechtigter Vorwürfe und Haftungsrisiken.

Deshalb empfehle ich, dass Mediatoren ihre Aufklärungsbemühungen dokumentieren und generell von den Beteiligten schriftlich bestätigen lassen.

7. Wann darf man sich selbst als zertifizierter Mediator bezeichnen?

Das Mediationsgesetz begründet das Gütesiegel eines „zertifizierten Mediators“, vgl. § 6 MediationsG. Um diesen gesetzlichen Titel tragen zu dürfen, bedürfen Mediatoren einer Aus- und Fortbildung, die durch die Ermächtigung des § 6 MediationsG in der ZMediatAusbV (seit dem 01.09.2017) näher dargelegt wird.

Durch diese Verordnung wird geregelt, dass man zum Tragen des Titels eine Ausbildung absolvieren muss, welche mindestens 120 Präsenzzeitstunden umfasst und sich mit den konkreten Inhalten auseinandersetzt (siehe Anlage des ZMediatAusbV).

Vor dieser Rechtsverordnung waren die gesetzlichen Anforderungen an das Tragen dieses Titels unbekannt und so durfte dieser nicht getragen werden. Das galt selbst für Ausbildungen, die weit über das voraussichtliche gesetzliche Maß hinausgingen und mit einem Zertifikat (z.B. eines Bundesverbandes) abgeschlossen wurden.

Jedoch gibt es keine Pflicht, diesen Titel zu tragen. Es handelt sich lediglich um ein Gütesiegel, nicht um einen behördlichen Genehmigungsvorbehalt. Außerdem bleibt das Tragen des einfachen Titels „Mediator“ (einschließlich etwaiger Zusätze irgendwelcher Art) möglich und erlaubt. Oder anders ausgedrückt: Mediator darf sich jeder nennen und den Klienten bleibt es vorbehalten, selbst zu prüfen, ob der jeweilige Vermittler den eigenen Ansprüchen genügt.

Tipp: Sprechen Sie im Vorgespräch mit dem Mediator Ihrer Wahl die absolvierten Ausbildungen an, fragen Sie nach aktuellen Fortbildungen und vor allem – ob professionelle Supervisionen zu den jeweiligen Mediationsfällen durchgeführt werden. Diese sind ein Qualitätsmerkmal und gewährleistet Ihnen gewissermaßen, dass Sie von den „persönlichen G’schichteln“ Ihres Vermittlers verschont bleiben.

8. Kenntnisse des Mediationsgesetzes allein reichen nicht aus.

Mediation erfordert gewisse juristische Kenntnisse, für die der Mediator freilich nicht Jura studiert haben muss. Diese Kenntnisse sind weniger für die behandelten Streitmaterien relevant, die selbst juristisch ausgebildete Mediatoren nicht im Einzelnen überblicken würden.

Bedeutsam für Mediatoren sind zum einen die juristischen Rahmenbedingungen der Vermittlungstätigkeit selbst. Hier deckt das Mediationsgesetz lediglich einen Teilbereich ab. Für Mediatoren ist es wichtig, einen Überblick über etwaige berufsrechtliche Regelungen zu haben. So gibt es berufsständische Regelungen (etwa für Rechtsanwälte und Psychotherapeuten), die es zu beachten gilt.

Zum anderen greifen mediationsunabhängige Regelungen direkt in die Mediationstätigkeit ein. Kenntnisse derartiger Rechtsmaterien sind für Mediatoren unerlässlich. So gilt es zum Beispiel, sich vertiefte Kenntnisse der strafrechtlichen Vorschrift für den Geheimnisverrat, § 203 StGB anzueignen. Das bedeutet letztlich nichts anderes, als dass auch Mediatoren die Regelungen beachten müssen, die immer und für jedermann gelten. Aber die Tätigkeit als Mediator findet nicht nur im „Regelungshof“ der Rechtsvorschrift statt, sondern betrifft deren Regelungskern.

9. Wird der Güterichter das staatliche Angebot wirksam erweitern? 

Den Richtern verschiedener Gerichtszweige gibt das Gesetz nun ausdrücklich die Möglichkeit, die Konfliktparteien an einen nicht entscheidungsbefugten weiteren Richter, den so genannten „Güterichter“, zu verweisen. Alternativ können die Richter den Parteien auch eine außergerichtliche Mediation oder ein anderes Verfahren der außergerichtlichen Konfliktbeilegung vorschlagen. Die Vorschrift ist innerhalb der „Mediationsszene“ heftig umstritten, weil sie die Anforderungen an die Fort- und Weiterbildung der Güterichter nicht an das Niveau der zertifizierten Mediatoren angleicht. Hier wird die gerichtliche Praxis zeigen, inwieweit das Güterichter-Modell die Mediation fördern wird. In zukünftigen Blogartikeln werde ich auf dieses Thema sicherlich zurückkommen.

10. Verdienst des Mediationsgesetzes?

Wie steht es nun um eine zusammenfassende Bewertung des Mediationsgesetzes?

Kein effektiver Schutz intensiv ausgebildeter Mediatoren durch Titelschutz und hohe Ausbildungsstandards, kein effektiver Verbraucherschutz, bloße „Gütesiegel-Lösung“, das umstrittene Güterichter-Modell etc… welchen Verdienst hat nun das Gesetz, wenn es durch seine Ausbildungsstandards sogar dazu führen könnte, dass sich auch die aufwendigen Ausbildungsangebote „nach Unten orientieren“?

Jedoch dürfte allein die Existenz des Mediationsgesetzes dieses Konfliktbearbeitungsverfahren stärker ins Blickfeld von „Betroffenen“ rücken. Angesichts der guten Erfahrungen mit diesem Verfahren, das die Medianten großteils zu schätzen gelernt haben, ist dieser Wahrnehmungseffekt nicht zu unterschätzen. Dadurch könnten sich zunehmend mehr Konfliktbeteiligte verstärkt diesem vertraulichen, zumeist kostengünstigeren, freiwillig durchgeführten und von großer Eigenverantwortlichkeit geprägten Verfahren zuwenden werden. Das Risiko ist überschaubar, der Gewinn vielversprechend. Die Anzeichen, die in unserer Mediationspraxis in Leipzig und bundesweit zu erkennen sind, lassen mich positiv in die Zukunft der Mediation blicken.